März 17th, 2007

DACKELBLUT (#63, 04-1997)

Posted in interview by andreas

DACKELBLUT, die Band des Sängers der legendären ANGESCHIssEN, deren begehrten alten Platten neuerdings in einer herrlich aufgemachten Neuveröffentlichung die Plattenläden schmücken. Jens Rachut, hat mittlerweile einen eigenen Platz für sich an der Spitze des deutschen Punkgeschehens. So zynisch wie der Name der Band, so wirr wie tiefgründig erscheinen die Texte der Hamburger.

Auf gut deutsch, DACKELBLUT mit nix mit die anderen deutschen Gruppen zu vergleichen. Es ist Kult, und wer sie noch nicht gesehen hat, ab dafür. Wir haben sie gesehen, und zwar beim vorweihnachtlichen Gipfeltreffen dreier grosser deutscher Bands. DACKELBLUT zusammen mit BOXHAMSTERS und EA80 im Bremer Schlachthof.

Als letztere zu spielen anfangen, finden wir Heiner, den Schlagzeuger, und Andreas, den Gitarristen im Backstage-Raum, wo sie in einer Ecke mit Gitarre und Akkordeon, dänische Seemannslieder schmettern. Ein traumhafter Ohrenschmaus! Nebenbei nehmen sie sich noch Zeit für eine kleine Unterhaltung mit uns.

***

Wenn man euch auf der Bühne sieht, erwartet man alles andere als diese Art Musik. Was hört ihr denn so unter euch?

H: Tatsache ist, dass wir als Gruppe, wenn wir zusammen sind überhaupt keine Musik hören, sondern uns kleine Witzchen erzählen. Wenn, dann haben wir eine Cassette, da ist finnische Musik drauf. Finnischer Tango aus dem Radio aufgenommen. Da haben wir eine gewisse Freude dran.

Sowas wie Ekliäset, so Humpta-Musik?

H: Nö, so richtig finnischen Tango mit Akkordeon und finnischen Texten. Das wurde mal in Hamburg im FSK-Radio gespielt von einem Typ, der heisst Jan. Ansonsten hör ich original alles. Und was Punk angeht, wenn das das Thema sein soll hab ich da so meine Gruppen.

Snuff zum Beispiel.

H: Snuff, genau, und Buzzcocks, ohne Leatherface zu vergessen. Und die gezeugten Jehovas, die hatten einen ganz guten Sänger.

Einer von Leatherface hat auch eure Platte aufgenommen, oder wie war das?

H: Ja genau, in Norwegen. Das ganze lief bei so einer leicht verschroben, langweiligen Sekte. Sharon Studio hiess das, so eine Art Christen-Sekte. Die haben sich da ein Riesenstudio für ihre beknackte Musik hingestellt, was sonst überhaupt nicht genutzt wurde. Und da Jens da so eine Art Hausmeister in so einem kleinen Häuschen ist, hat er das dann rausgefunden und gemietet. Wir sind dann da mit der Fähre hin, haben Franky vom Flughafen geholt, und dann los.

Und wie sieht das nun mit einer neuen Platte aus? Ihr habt ja eine ganze Reihe neuer Sachen am Start.

H: Wir wollen jetzt kurzfristig nach Japan, unser erklärtes Ziel. Da nehmen wir eine Platte auf. Auf japanisch!

Das heisst Jens singt japanisch?

H: Genau! Die Texte sind schon übersetzt worden, in so eine Art Lautschrift. Das ganze kommt dann als Mittelformatplatte. Aus lauter übermut!

Auf welchem Label seid ihr noch gleich?

H: Auf Schiffen. Das machen so Kollegen aus Hamburg. Die haben auch die alte Angeschissen wieder rausgebracht.

Und zwar auch auf CD. Hat da vor allem Jens keine Probleme mit? Dackelblut wird es ja wohl nicht auf CD geben, oder?

A: Auf keinen Fall! Diese CD hatte auch noch den anderen Grund, dass das alte Angeschissen-Label noch Schulden hatte, und nicht nur bei Jens, und so haben die das gemacht, um zumindest einen Teil wieder reinzukriegen. Nicht zuletzt damit Jens seine krankhafte Labskaussucht befriedigen kann. Das geht ja auch ins Geld!

Was bedeutet Dackelblut eigentlich?

H: Für mich hat sich das genau nach 2 Tagen rausgestellt, das Dackelblut nichts weiter als ein Name ist, so wie ihr Markus und Jörg heisst. Jens kam an und sagte „DACKELBLUT, und wir haben gesagt „astreine Sache! Da gab`s keine Fragen und keine Gespräche.

Ihr habt einen neuen Song, dessen Text tierisch gegen Deutschland geht. Ist das eure politische Einstellung, oder wie soll man das deuten?

H: Kann schon sein, dass wir so einen spielen. Die Texte macht Jens, und da reden wir ihm nicht rein, und das ist gut so. Würden wir das nicht gut finden, gäbe es die Band nicht!

Habt ihr ansonsten was mit anderen Bands aus der sogenannten Hamburger Szene zu tun?

H: Wir kennen die schon alle, wir wohnen ja alle in der gleichen Stadt, aber da wie schon gesagt ich nicht so interessiert bin an Genre-Musik, interessiert mich das nicht, nur weil jemand in der Band spielt oder so. Ich hab dann manchmal ein Konzert wo ich hingehe, aber ansonsten ist mir das egal.

Was ist mit der „Hamburger Schule, was ja im Moment ziemlich angesagt ist?

H: Das ist mir einerlei!

Ich kenne z.B. eine Band die heisst Achtung Kabel!, und die meinen es sei ziemlich wichtig, in Hamburg deutsch zu singen.

A: Ich finde es absolut normal und notwendig, dass Hamburger Bands deutsche Texte machen, weil man die ja sonst nicht versteht, es sei denn, man kann englisch.

Du bevorzugst also deutsche Sachen?

H: Ich hör alles! Am liebsten natürlich auf finnisch oder japanisch, aber solche Bands findet man ja selten.

Ich hab dich mal auf`m Zitronenkonzert gesehen, kann das sein?

H: Ja. Schorsch zum Beispiel ist ein guter Freund von mir. Den mag ich sehr weil er ein heller Bursche ist und von Natur aus dagegen.

Ich hab gehört, dass ihr viele Kinder an Bord habt?

H: I`m a peoplemaker. I give life to people!

Wieviele habt ihr denn?

H: Ich hab 2, Jens 2, Andreas 2, und Wieland wurde sozusagen durch Gruppenzwang in die Vaterschaft gezwungen. Man hat eventuell vor, sowas wie Heirat zu organisieren, aber man wird sehen.

Wie war denn der Zuspruch, als ihr in Süddeutschland gespielt habt?

A: überraschend gut. Zwar kennen die Fisch nur in Form von Stäbchen, aber dafür haben wir im Bus eine komplette Kochstelle eingerichtet. Wir haben auch immer einen Wok dabei, und 2kg Fischsaucen, für Notfälle wie solche. Kochen ist sehr wichtig für uns. Dabei verbringen wir eine Menge Zeit, aber es lohnt sich. Wahrscheinlich gibt es in ganz Hamburg keine besseren Köche als wir es sind. Kennst du mein neuestes Kürbisrezept?

Nein?

A: Also, du nimmst einen ganzen Kürbis, höhlst ihn aus…… (an dieser Stelle wird das Rezept unterbrochen, da ein Grossteil der Lesenden dieses Berichts sich wahrscheinlich doch nur von Imbissbuden ernährt, oder zu Hause die Erbsensuppe aus der Dose warmmacht. Wäre also vertane Liebesmühe. [hast du eine Ahnung! der Herausg.] Vergebung!)

Andere Frage. Wie haltet ihr das aus, wenn ihr auf eurer Tour so ewige Zeit auf so engem Raum zusammengedrängt seid?

H: Ja, so eine Tour ist schon ein hartes Brot. Tatsache ist, dass wir im Bus manchmal LSD nehmen, und wir dann so sphärisch nebeneinander herschweben, anstatt sich in so einer Art Bierlaune auf den Füssen rumzustehen. Ausserdem ist das, was wir eine Tour nennen ein kleiner Zeitraum von ein paar wenigen Tagen.

A: Wir spielen sowieso nicht unbedingt so gerne, und regelmässig schon gar nicht. Letztens haben wir zum Beispiel in Hamburg in einer Küche von so einem Restaurant gespielt. So auf Kachelfussboden. Das war lustig!

Ihr hattet verlauten lassen, dass einer von euch ein Erbe antritt, und ihr euch von dem Geld operieren lassen wollt, am Gesicht und so. Ist das wahr?

A: Auf jeden Fall, ich finde, jeder sollte sich verändern. Und wir tun es auf unsere Weise.

Macht es euch nichts aus, dass solche, eigentlich privaten Angelegenheiten an die öffentlichkeit gelangen?

H: Nein, ich denke es ist unsere Art, in allen Dingen Offenheit zu zeigen. So min Jung` , lass uns man zu Ende kommen, mir wird das hier ein bisschen zu langweilig. Ich hab jetzt eigentlich mehr Lust Musik zu machen. Ihr könnt ja mitmachen. Kennt ihr was Lustiges?

***

So fand auch dieser Abend einen Ausklang, und ich muss jetzt ins Bett. Bleibt nur noch zu sagen: Kauft die Platte, wenn ihr sie noch nicht habt, geht hin, wenn die Jungs das nächste Mal den Dackel bluten lassen, und nehmt bei der Gelegenheit gleich ein paar Utensilien aus der Dackelbloutique mit! Denn liebevoll gestaltete Regenjacken für schlechtes Wetter, Schürzen für die Küche oder Tischsets zum frühstücken sind allemal eleganter als der übliche T-Shirt-Ramsch, nést-ce pas?

Interview: Markus Janout
Text: M.J.

Links (2015):
Wikipedia
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