März 22nd, 2024

Als der Vorhang fiel – Punk im Wien der 90er, Claus Oistric

Posted in bücher by Dolf

Glitzer und Grind/Milena Verlag, Wickenburggasse 21/1-2, 1080 Wien, Österreich

Irgendwie hab ich mir da bisher noch gar keine Gedanken darüber gemacht (oder ich hab es einfach vergessen), aber Wien war ja bis zum Fall des Eisernen Vorhangs tatsächlich praktisch „im Osten“ und vor allem nicht auf den Tour-Routen der Bands. Somit galt Wien für viele Punks als „tote Stadt“. Nun, dies änderte sich dann und auf einmal kam Bewegung in die Stadt. Zum einen mit Punks die aus den ländlichen Dörfern oder anderen österreichischen Städten nach Wien kamen und natürlich mit den verschiedenen Aktivitäten: der bekannten Mischung aus Bands, Live-Läden bzw. besetzten Häusern, Demos, Politik und auch Plattenlabels und -läden. Und wie der Untertitel schon verrät, das gibt es es genau hier aus den Neunzigern dokumentiert.

Der Autor beschreibt, blickt zurück auf die Zeit vor den Neunzigern, schweift auch mal in die Entwicklung des Punks und auch der Politik nach Deutschland oder vom Punk allgemein ab – das kann man machen und im Kern trifft er sicher das was damals passierte. Was aber diese Bücher so interessant macht, sind natürlich die mündlichen Geschichten und Erinnerungen der zu Wort kommenden Zeitzeugen. In diesem Fall gut zwanzig Personen (u.a. Andreas Breitwieser, Dierk Rossiwall, Harald Rau, Susa Kreuzberger, Tiberiju Nikolic) die damals Teil der Wiener Szene (MusikerInnen, VeranstalterInnen, AktivistInnen) waren und sich an diese Zeit des Umbruchs und Aufbruchs erinnern. Keine langatmigen Interviews, sondern kurze, knappe Statements zu bestimmten Ereignissen kultureller und politischer Art, oder einfach Anekdoten aus der damaligen Zeit. Das ganze aufgelockert mit ein paar Fotos und Konzertplakaten aus den Neunzigern. Liest sich sehr kurzweilig und interessant, für mich persönlich natürlich die „alten“ Geschichten interessanter als die „neuen“ von Ende der Neunziger, aber das nur am Rande. Lokale Bands (u.a. Those who survived the Plague, Kulta Dimentia, Cold World, Bloody Mary, Piranhas) werden vorgestellt, die Geschichten von den Live-Läden (u.a. EKH, Chelsea, Flex) und besetzten Häuser (u.a. Ägidi, Gaga, Spalo) näher beleuchtet, Eigenheiten der Wiener Szene und der Protagonisten unter die Lupe genommen. Genau wie man sich so ein Buch über die Punk Szene einer Stadt wünscht. Das kann man ein wenig besser machen, aber natürlich auch viel, viel schlechter. Da ich ja ursprünglich aus Süddeutschland (Augsburg) stamme kann ich mich gut erinnern das wir sehr oft auf Konzerten in Österreich waren, aber tatsächlich fast immer im „nahen“ (300 km) Linz und, zu der Zeit, nie in Wien. Zum einen weil es viel „näher“ war und zum anderen weil eben in Wien nicht so viel los war… wenn man mal von den „Chaotischen Ostern“ 1983 absieht, die sich bis nach Augsburg herumgesprochen haben und mein erster Besuch in der besetzten Gaga (Gasser Gasse) in Wien war. Ja, es war chaotisch… aber das ist wieder eine andere Geschichte. Nach dem Fall des Vorhangs war Wien auf jeden Fall mitten im Zentrum und so denke ich an viele tolle Nächte und Konzerte in den hier im Buch genannten Läden. Was mich daran erinnert das ich schon ewig nicht mehr in der Stadt war, es wäre vielleicht mal wieder an der Zeit. Kurzum, für Wiener beziehungsweise Österreichische Szene Menschen eh Pflicht und ansonsten für alle die eben diese Art von Büchern lieben. Vielen Dank für den Trip in die Vergangenheit. Coole Sache. 180 Seiten, Gebunden, 22,00 Euro, (dolf)

Isbn 978-3903460188

[Trust # 224 Februar 2024]

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