Mai 5th, 2019

Yuppicide (#142, 2010 )

Posted in interview by Jan

`CIDE IT UP!
YUPPICIDE memorial Special

In dem Vorwort zu Dolfs Trust-Kolumnen Buch erwähnte ich schon die Wichtigkeit, die die Konzerte von Yuppicide 1992/1993 für mich als 14 / 15 Jährigen hatten. Nach Konzerten von Megadeath, Motörhead, Ramones und Napalm Death, die alle in großen Hallen in Berlin und Köln 1992 stattfanden, war der Auftritt im Jugendzentrum Bunker Leverkusen im Winter 1992 von Lemming Project und Solitary Confinement mein erstes Jugendzentrum Konzert und Yuppicide im Kölner Rhenania 1992 mein erstes AJZ Konzert mit einer Ami-Band. Leider bekam ich außer einem Soundcheck von fünf Songs auch nicht mehr mit, da ich schon um Mitternacht zu Hause sein musste.

Das Konzert hatte noch nicht mal angefangen. Kurze Zeit später im AJZ Bahndamm Wermelskirchen sah ich die Band dann etwas länger und war hin und weg. Dieser Kontrast zu den Konzerten in den großen Hallen vorher, die Atomssphäre, ein wahrer Hexenkessel, in dem man sich eigentlich nur stagediving-mäßig bewegen konnte, ein total ausverkaufter Laden, der aus allen Nähten platze, eine unglaubliche Hitze, eine Band aus New York, mit einem maskierten Sänger, angespritzt mit Kunstblut, der was von „Together we can make a difference“ singt. Vier geniale Konzerte, unzählige Male auf Partys, DJ-Abenden und privaten Treffen zu der „Fear Love“ getanzt, gefeiert, philosophiert, getrunken.

Ein Graffiti über 5 mal 5 Meter in meinem Jugendzimmer von dem Cover der LP, ein langer Gedanke, mir selbiges von der Zivi-Abfindung auf den Rücken stechen zu lassen (dann noch lieber für 1500 DM Platten gekauft), eine Email an Jesse Jones, mit der Bitte, für unsere Konzertgruppe doch ein Logo zu malen, er wäre doch von der New Yorker Artschool, was er dann so kommentierte „Jan, wir waren Hardcore, nicht Kunstschule, go ahead and draw your own fucking Logo“, ein T-Shirt der ersten Tour ewig getragen, Kumpel geliehen, er hat’s verloren, Tourplakat der ersten Tour in fünf Wohnungen in Leverkusen, Potsdam und Berlin gehabt bis zur Unkenntlichkeit, alle Platten, sogar 30 Euro für die erste Single gezahlt… Dieses Special soll eine außergewöhnliche jedoch leider vergessen gegangene HC-Punk-Band aus New York City würdigen, die zwischen der ToughGuy- HC- und ABC NO RIO- Szene durch ihre sehr eigene textliche und musikalische Form auf sich aufmerksam machte.

Kurz zum Aufbau: in Teil I kommt zuerst das Umfeld zur Sprache: Produzent Don Fury, Booker Steffen von Navigator, Pavlos von Wreck Age Records, Jochen von Radical Developpment, Vorband für 2 Europatouren und Mosh von Elision aus Würzburg. Als Zwischenspiel kommen Stimmen von Armin / X-Mist Records, Nils /Mac Gyver/Autodafé Records, Angela und Wolfgang/New Life Shark Records und Dennis/Punkrock Fanzine. In Teil II folgen dann Interviews mit Gitarrist Steve Karp, Bassist Joe Keefe, Schlagzeuger Pete und Sänger Jesse Jones.

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„As a producer, it’s very satisfying to work with a band over it’s whole lifetime and be part of all the history and art. That was my experience with Yuppicide.“
Produzent Don Fury

Yuppicide waren eine coole, hart arbeitende Punk-HC-Band. Sie hatten klare Aussagen auf ihren ersten zwei Platten. Für sie als Band war es logisch, dass sie von mir im Studio aufgenommen wurden, wir hatten ja mit allen Arten von NY HC zu tun. Sie waren echt gute Typen und hatten eine aufrichtige Attitüde in Bezug auf ihre Musik. Wie für viele Bands war es auch für sie schwierig, zum Aufnehmen bereit zu werden. Sie waren sich nicht sicher, was sie mit einer neuen Platte tun sollten. Nachdem wir die erste EP „Yuppicide“ gemacht hatten, wusste ich, dass die Band ihre erste LP aufnehmen wollte. Ich ermunterte sie kontinuierlich und am Ende kamen sie ins Studio und nahmen die „Fear love“ LP auf. Zu der Zeit war Wreckage ein neues Label, und brache Platten für die New Yorker Band SFA raus. Wreckage gehörte meinen Freunden Pavols und Amber, sie hielten das Label am Laufen. Sie suchten nach guten Punk-HC-Bands und weil Yuppicide gerade eine neue Platte fertig hatten, stellte ich sie ihnen vor und Wreckage nahm die Band. Das war sowohl für das Label als auch für Yuppicide eine gute Sache. Yuppicide hatten eine ungewohnte künstlerische Art, die sich auf den nächsten Platten zeigen sollte. Sie waren Fans von Bodyart, Tattos und grafischer Kunst.

Und sie hatten für ihre folgenden Platten einige ungewöhnliche Ideen für Punk, sowohl musikalisch, als auch grafisch und theatralisch. Jesse und die Band machten es sehr klar, dass so etwas die Richtung sein würde, in die ihre nächste EP gehen sollte und ich dachte mir, dass es eine großartige Sache für sie wäre, wenn sie ihren künstlerischen Stil erweitern. Wreckage gab der Band ein gutes Budget für die Aufnahmen. Wir nahmen dann alle Ideen auf, die sie für die EP hatten und wir schafften das auch gut. Diese EP wurde dann „You´ve been warned.“ Es ist eine spektakuläre Platte, “flashy and theatrical” und sehr einzigartig für eine NY-HC Band. Wir mischten kräftige Sounds und Töne, viele verschiedene Beats und Gitarren und verwendeten diverse Mikro-Stile. Dazu gab es Filmsamples. Das Ergebnis war eine Platte, die auch gut Teil von David Lynchs Film “Blue Velvet” hätten sein können (der Film inspirierte die Platte). Yuppicide übernahmen diesen theatralischen und aufregenden Stil für ihre live Konzerte. Jesse sah man auf dem originalen Cover der Single in einer ledernen Kapuze, von der Blut tropfte. Manchmal ist es am einfachsten, wenn man die neue Message auf einer kurzen Platte veröffentlicht, einer EP. Dann wurde diese erwähnte Kunst Teil des Stiles der Band und sie konnten davon soviel wie sie es brauchten oder wollten, verwenden.

Deshalb, als Yuppicide dann ins Studio kamen, um die „Shinebox“ LP aufzunehmen, hatten sie bereits alle ursprünglichen Stärken beisammen, Arbeiterklasse Punk-HC, die Kinofilmbezüge und die grafische Kunst der „You´ve been warned“, um damit die neue LP zu beeinflussen. Der Stil der Shinebox war eine Kombination dieser Einflüsse und ergab eine sehr solide, starke und einzigartige Aufnahme. Diese zwei EPs und zwei LPs ergaben den Kern der „Yuppicide experience“. Später kam die Band zurück, um ihre letzte Platte namens „Dead man Walking“ aufzunehmen. Es war bekannt, dass diese Scheibe die letzte ihrer Laufbahn werden sollte und das war traurig, aber die Band schaffte wieder eine starke, künstlerische Punkplatte. Sie waren reifer und die Songs zeigten eine Stil-Kombination aus schweren Beat bzw. Gesangsart, heavy Gitarren verbunden mit Yuppicide´s Wurzeln, Punk Hardcore. Als Produzent ist es sehr befriedigend, wenn man mit einer Band während ihrer gesamten Existenz zusammenarbeiten kann und Teil ihrer Geschichte und Kunst ist. Das war meine Erfahrung mit Yuppicide. 2008 baute ich ein neues Studio in Troy, New York (www.donfury.com). Dort nehme ich auf, produziere und mastere nationale und internationale Bands.

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„Sie waren keine politische Band wie Born Against und auch keine von den harten Jungs aus dem CBGB´s. Dazu waren sie eine sehr gute live Band mit einem charismatischen Sänger.“
Interview mit Steffen von Navigator, Booker

Hallo Steffen, du bist ja seit geraumer Zeit mit Navigator in Bayern bzw. Schweinfurt am Start. Hast du es erst als Bookingagentur gegründet und dann hat es sich zum Verstärker-Verleih weiterentwickelt?
Zuerst habe ich nur bei einzelnen Shows beim und im JUZ Wertheim gebucht, das war so um 1983/84, das hat sich dann weiter entwickelt zu Shows in Würzburg und Schweinfurt. Dadurch hatte man sich Kontakte in ganz Europa aufgebaut und dann wurde ich von First Strike Records aus England gefragt, ob ich nicht für ihre Bands die Deutschland Daten buchen kann. Dann bekam ich einen Anruf von Moses, ob ich nicht die erste SFA-Europa-Tour buchen kann. Bands benötigen Backline um zu touren, ich habe mir dann eine gebrauchte für meine Bands zusammengekauft.
Du bist ja einer der Pioniere in der HC-Szene, der mit Booken anfing, heute hat jeder ne Agentur und 30 Bands… wie hat sich die Szene, die Ansprüche verändert deiner Meinung nach?
Für meinen Geschmack sind a) zu viel unnötige Bands auf Tour, b) zu oft die gleichen Bands auf Tour, was aber damit zusammenhängt, das die Bands weniger Tonträger absetzen und das Geld aus den Touren (Merch-Verkauf) benötigen. Die Ansprüche der Bands haben sich auch sehr verändert. Bands, die zum ersten Mal nach Europa kommen, schicken Technik- und Cateringrider, so dass einem nichts dazu einfällt. Durch myspace/facebook verlieren viele Bands den Sinn der Realität.
Kannst du dich an Yuppicide erinnern, wie hast du die zum ersten Mal wahr genommen, durchs Zap? Wie lerntet ihr euch kennen?
Noch vor dem Zap, die erste Single hat mich wirklich beeindruckt, geiles Cover, super Songs. Der erste Kontakt zur Band lief über Wreck Age Records, die ich durch die SFA-Tour kannte. Nachdem diese Tour gut lief, wollte Wreck Age auch ihre anderen Bands nach Europa auf Tour schicken. Wirklich getroffen und kennengelernt habe ich die Bands erst auf der Tour bei einer Show in Nagold. Zu der Zeit hatte ich noch einen Vollzeitjob.
Gab es eigentlich bei denen ein offizielles Abschiedskonzert in New York?
Puh, das kann ich dir leider nicht beantworten, Jesse wird das genau wissen.
Wie oft hast du die dann durch Deutschland (oder ganz Europa) gebucht? Ist es im Hinblick auf „professionelles Verhalten“ nicht eher hinderlich, eine Freundschaft zur Band aufzubauen oder ganz im Gegenteil, genau das ist der Grundstein der Euro-Hc-Szene / HC überhaupt?
Die Band war fünfmal in Europa, davon drei große Europa-Touren. Bei der zweiten mehr als sechs Wochen am Stück. Bei den Bands, mit denen ich gearbeitet habe, haben diese und ich großen Wert darauf gelegt, dass doch eine gewisse Verbindung da war, was sich oft zu Freundschaften entwickelt hat. Durch meinen Job war ich nicht aufs Booking angewiesen und so habe ich mir die Bands, mit denen ich arbeiten wollte, ganz genau ausgesucht, da es doch viel von deiner Freizeit in Anspruch genommen hat. Vor fast 20 Jahren eine Tour zu buchen… zu dem Zeitpunkt konnte man es sich nicht vorstellen, dass es 2010 dutzende Agenturen geben wird, die damit ihr Geld verdienen.
Die 90er waren ja das Jahrzehnt für HC, besonders gerne, wenn er aus New York kam. Findest du, dass Yuppicide anders waren, sie waren ja weder „die“ CBGB noch „die“ ABC NO RIO Band? Zusammen mit evt. SFA standen die einfach für sich, fand ich…
Das stimmt, die hatten weder mit dem einen noch anderen Laden viel zu tun. Die Jungs hatten neben der Musik immer schon viel mit Kunst zu tun, was sich immer an ihrem Artwork für T-Shirts, Tourposter, LP-Cover gezeigt hat. Sie waren keine politische Band wie Born Against und auch keine von den harten Jungs aus dem CBGB´s. Dazu waren sie eine sehr gute live Band mit einem charismatischen Sänger.
Warum hat die Band aufgehört, ich weiß noch, dass die auf der letzten LP einen Klamottendeal hatten oder nen Sponsor, also scheint es doch erfolgsmäßig ganz gut gelaufen zu sein?
Wie das denn so oft bei Bands ist, der Bassist ist dann aus privaten Gründen ausgestiegen, der Drummer hat ein paar Mal gewechselt. Die wollten alle Familie gründen, nicht mehr wochenlang auf Tour sein. Feste Jobs haben. Dazu kam, das Wreck-Age im Umbruch war und aus New York nach Griechenland gezogen sind. Sie hatten alles erreicht, was sie wollten. Nach meiner Einschätzung hätte ihnen ein Labelwechsel gut getan.
Was bleibt dir von Yuppicide in Erinnerung? Kennst du Bands, die einen noch besseren Bandnamen haben, ha?
Kaum, drei sehr nette Jungs (der Drummer wechselte oft und war auch nicht so präsent wie die in der Front). Keine andere Band hat mir das Booking so einfach gemacht und mich dabei auch noch zu entwickeln.
Die haben ja sehr selbstironisch auf ihrer Myspace-Seite ihren Verbleib geschildert, Fakt ist, dass alle Jobs und Familie haben. Gerade bei Jesse bin ich ja mal gespannt, für einen ex- Yuppicide Sänger wäre es wohl das „geilste“, wenn der fett an der Wall Street als Broker unterwegs ist, ha? Nee, weißt du, was die so machen?
Denke, das wird dir Jesse besser beantworten können. Also Broker ist mit Sicherheit keiner. Jesse hat mit Computern und Kunst zu tun. Gitarrist Steve hatte nach dann nach den Touren mit Tattos angefangen, Joe (Bass) in einer Firma für Filmaufbauten in New York gearbeitet.
Du hast doch die live Platte im AKW Würzburg gemacht, wie war das Konzert, wie lief die Platte?
Das Konzert war der Hit, damals gab es für HC Shows noch keinen online Ticket VVK, so dass die Show nach einer halben Stunde an der Abendkasse ausverkauft war. Wir haben damals 700 Leute in einen 450 Club gepackt. Wohl eines der 10 besten Shows, die ich je veranstaltet habe. LP / CD hat sich gut verkauft, hatte bei meinem Label immer nur recht kleine Auflagen, die sich immer getragen haben

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“Yuppicide was a very interesting band, very visual, with smart ironic lyrics and quite unique live…”
Interview mit Pavlos / Wreck Age Records, Label von Yuppicide

Hi Pavlos, danke für deine Zeit. Ich sah im Netz, dass du in Thessaloniki in Griechenland lebst, verantwortlich fürs Booking in einem Theater bist. Hört sich spannend an und nicht weit entfernt von deiner Label-Arbeit. Bist du ursprünglich aus dem Land, dein Name könnte es andeuten. Wie gefällt dir dein Job?
Ich habe New York City im Prinzip im Jahr 2000 verlassen. Ich bin ursprünglich aus Griechenland und wollte dort einige Zeit verbringen, mit der Absicht allerdings, nach einigen Monaten nach NYC zurückzukehren. Ich hab dann hier in Griechenland einige interessante Leute getroffen und wir haben angefangen, Konzerte zu veranstalten. Mir hatte das totalen Spaß gemacht und es endete dann damit, dass ich hier blieb und zusammen mit den Freunden einen neuen Veranstaltungsort eröffnete. Die Venue heißt Principal Club Theater und wir veranstalten alle möglichen Arten von Bands, von Motörhead hin zu Nouvelle Vague, von den Einstürzenden Neubauten hin zu Kaiser Chiefs, von Bolt Thrower bis Morrissey.
In Griechenland gibt es eine große anarchistische Szene, fühlst du dich dieser verbunden? Wie lebst du, bist du immer noch ein Punkrock-Fan?
Seitdem ich mit dem Booking und der Werbung für Konzerte anfing, traf ich alle möglichen Arten von Bands, deshalb kam ich mit verschiedenen Arten von Musik in Kontakt und einiges davon mag ich sehr. Davor hörte ich nur HC/Punk und war null an anderen Musikstilen interessiert. HC/Punk liebe ich weiterhin und gehe auf solche Konzerte, wann immer ich kann. Ich komme daher und ich gehöre weiterhin dazu. Die Anarcho-Szene ist sehr groß, ich kenne viele Aktive darin, viele von ihnen arbeiten mit uns für die Konzerte.
Yuppicide waren für mich neben SFA eine sehr eigene Band aus NYC in Bezug auf HC, beide waren auf dem von dir und Amber gegründeten Wreck-Age Records. Wie habt ihr angefangen, was ist aus Amber geworden?
Zu der Zeit damals wollte jeder ein Fanzine machen oder eine Platte veröffentlichen. Ich hing mit Brendan ab und er erzählte mir, dass ihre erste Platte, „The New Morality“, über ein Jahr rum liegt und noch nicht herausgekommen ist. Sie hatten schon neues Material und wollten auf Tour gehen und warteten auf das Album. Ich bot ihnen an, die zweite Platte zu machen, wir gingen zu Don Fury´s Studio und nahmen die auf und buchten eine Europa-Tour. Einige Monate später veröffentlichten wir die Platte und zur gleichen Zeit, vielleicht einige wenige Wochen vorher, kam endlich ihr erstes Album raus. SFA und Yuppicide verkauften schon direkt am Anfang mehr Platten, als wir ursprünglich erwarteten, deshalb begannen wir, mehr Platten von anderen Bands, die wir mochten, herauszubringen, wie Bad Trip, Mind Over Matter, Madball etc. Wir hatten eine großartige Zeit und arbeiteten mit den Bands zusammen, die wir total mochten. Amber war für die PR verantwortlich, ich glaube, ich bin ein wenig anti-Gesellschaft! Amber wollte auch die Staaten verlassen und in Europa leben, also leben wir zusammen hier in Thessaloniki.
Habt ihr damals zu den alten Labels wie SST, Dischord und Touch and Go Records aufgeschaut oder war es mehr ein Feeling, “Hier kommen wir, die junge Generation und die alten Spieler sitzen da ganz hinten, Platz da”?
Natürlich habe ich zu den alten Labels wie Dischord, Touch and GO etc. hoch geschaut. Die waren die Inspiration und verdienen immer noch unseren Respekt. Independent Labels sind sehr wichtig und es ist großartig zu sehen, dass es sie immer noch gibt. Ich mache keine Platten mehr, aber versuche, kleineren unabhängig tourenden Bands zu helfen und meine lokale Szene zu unterstützen.
Über den Untergang von Wreck-Age hab ich oft nachgedacht, solch ein gutes Label, die richtige Musik zur richtigen Zeit. Damals erschien Europa wirklich wie ein Wreck-Age-Ropa, das Zap berichtete ausschließlich über NY-HC und hatten auch eine Dependance bei Wreck-Age. Wie viele Leute haben denn in den Hochzeiten für das Label gearbeitet und wie ist es geendet?
Wreck-Age (und Exit) dokumentierten einen großen Teil der NYC-HC Szene der 90er, denke ich. Alle Bands waren entweder sehr aktiv im Abc no Rio, CBGBs oder in der Long Island Szene. Für einige waren es Yuppicide, für andere Mind over Matter und wieder für andere waren es Indecision etc., eben die Band, die sie zur Szene brachte oder die Band, die die jeweils eigene Band der Leute beeinflusste. Wreck-Age und Exit waren Labels mit einem Fokus auf die örtliche HC-Szene von 1990 bis 2000. Neben mir und Amber halfen beim Label andere Leute zeitweise mit, wie Anna Goldfarb, Artie Philly, Artie Shepherd, Jay Nakleh und andere Freunde. Wir arbeiteten mit unabhängigen PR-Firmen für die Promotion zusammen, wenn wir es nicht selber machen konnten. Die letzte Wreck-Age Platte kam heraus, als ich nach Griechenland aufgebrochen bin. Ich ging zurück nach NYC und machte einen Vertriebsdeal mit Go-Kart Records für den Backkatalog und den digitalen Vertrieb mit e-music. Ich dachte, dass das Label für eine Zeitlang unaktiv bleiben kann, bis ich mich entscheide, zurückzukommen und eine weitere Veröffentlichung zu machen. Über die letzten Jahre hat sich die Szene verändert, weißt du, NYC veränderte sich sehr, viele der Leute, die wir kannten, gingen oder zogen nach Brooklyn, dann gab’s 9/11, mehr Gentrifikation, die „mall“-fication der Lower East Side, Konzertläden wie das CBGB schlossen, sogar Don Fury zog weg. Es ist ganz anders jetzt!
Wreck-Age hat das ganze Yuppicide-Material veröffentlicht. Wie kamt ihr zusammen?
Wir kannten Yuppicide von Konzerten im ABC NO RIO und mochten sie. Don Fury erzählte mir eines Tages, dass sie aufnehmen, nur für sich, ein neues Demo in seinem Studio und er mochte es, wie die Songs klangen. Er fragte mich, ob ich nicht zu seinem Haus rüber kommen will und wir hörten uns die roh-Mixe an. Ich hörte die Aufnahmen, mochte sie sehr und bot ihnen an, ihre erste Platte „Fear Love“ zu machen. Yuppicide war eine interessante Band, sehr visuell, mit smarten ironischen Texten und live einzigartig.
Wie war die Beziehung zur Band, hat sie sich über die Jahre verändert?
Die Beziehung mit allen Bands war sehr gut, wir waren befreundet, es gab Vertrauen und Respekt beiderseits. Wir liebten es, mit ihnen zusammen zu arbeiten, wir versuchten, sie so viel wie möglich zu unterstützen. Es hört sich bestimmt doof an, aber es war wie eine große Familie, es war eine kleine Szene, ein paar hundert Leute. Viele der Musiker spielten in zwei oder drei Bands, jeder hing mit den anderen ab, wir waren eine handvoll Labels, eine handvoll Fanzines, wenige Konzertorte, einige Plattenläden und ein Haufen Bands.
Welche Platte und Lieder der Band gefallen dir besonders?
Ich mag alle Yuppicide Platten, sie sind so verschieden, wenn ich eine aussuchen müsste, würde ich die “Shinebox” nehmen, weil sie etwas vielseitiger, etwas experimenteller ist. „Fear Love“ ist mehr der gerade aus nach vorne gehende in your face Hardcore mit einem harten Punktouch und „Dead Man Walking“ ist eine sehr moderne heavy NY-HC Platte, immer noch.
Was war dein schönster, was dein traurigster Moment mit dem Label?
Der schönste Label-Moment? Harte Frage, es war all die mehr als 10 Jahre eine glückliche Zeit, vielleicht als SFA zum Label kamen, als die erste Yuppicide Platte fertig war, als Roger von Agnostic Front mir anbot, die Madball-Platte zu machen, viele glückliche Zeiten!!! Traurige Momente hatten wir natürlich auch welche, aber ich kann mich an keine bestimmte Situation mehr erinnern. Man sagt doch, dass man nach all den Jahren sich nur noch an die guten Dinge und alle all die wertvollen Erfahrungen erinnert?
Es ist ganz interessant, dass es im Netz keine Tribute-Seite an Wreck-Age gibt, keine alte Homepage, wenn man also damals nicht dabei war, dann gibt’s keinerlei Möglichkeit, etwas von der Existenz des Labels überhaupt zu erfahren – hast du je daran gedacht, das Label wieder zu aktivieren?
Es gab eine Wreck-Age/Exit Website, wir haben dann vergessen, sie zu erneuern und jemand nahm den Namen und versuchte, sie uns wiederzuverkaufen. Jetzt hab ich den Namen wreck-age.com zurück, vielleicht aktiviere ich ihn für historische Gründe wieder. Kürzlich habe ich eine neue Seite auf Myspace gemacht, so können uns Freunde finden. Ich bekomme immer noch E-Mails von Leuten und Bands! Das ist immer wieder ein großartiges Gefühl, wenn ich lese, wie viel die eine oder andere Platte den Leuten bedeutet. Die Wreck-Age Adresse ist myspace.com/exitnyc. Auf eine Art und Weise mag ich, dass Wreck-Age /Exit ein lokales Label für eine bestimmte Szene für eine bestimmte Zeit war…
Zwei letzte Fragen: Was ist deine Botschaft an all die Leute, die ein Label starten wollen?
Wenn du jemals mit dem Gedanken gespielt hast, ein Label zu machen, dann musst du einfach losgehen und es machen. Heutzutage ist es noch billiger, eine CD zu veröffentlichen, damals waren die Vinylkosten ziemlich hoch. Wir geben alle unser Geld für Sachen aus, die wir genießen, warum also nicht Geld für eine Veröffentlichung ausgeben; wenn du die Veröffentlichung liebst, wirst du sie nicht bedauern, egal, auch wenn du am Ende Geld verlierst.
Danke für deine Zeit. Hast du noch einen Gruß an die Trust Leser?
Ehrlich gesagt, es ist großartig zu sehen, dass es das TRUST immer noch gibt. Natürlich habe ich immer noch alle meine alten Trust Ausgaben aus den 80er! More power to zines like it. Cheers to all of you. Thank you Jan very much for the trouble and the piece on Yuppicide!!! Thanks to everyone who inspired us, supported us, wrote to us, all those years.

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„Von der musikalischen Richtung hat es noch niemand an Yuppicide rangeschafft und das ist auch gut so! Yuppicide waren einzigartig.“
Interview mit Jochen von Radical Development

Hi Jochen, schön, mal wieder den Namen Radical Development wahrzunehmen, kannst du uns sagen, wann ihr euch aufgelöst habt? Ihr wart doch eigentlich die richtige Musik in der richtigen Zeit, also New York geprägter hc-punk Mitte der 90er war ja „das Ding“…
Wir haben mit Rad. Dev. 1992 angefangen. Und uns 1997 aufgelöst. Ich hatte parallel schon Beat Down am Start und stecke dort all meine Energie rein. Global gesehen waren wir schon mit unserem NYHC-Sound am Puls der damaligen Zeit. Aber schwierig war es am Anfang allemal für uns, wir hatten ein sehr prolliges Image. Ami-Bands hatten es wesentlich einfacher, akzeptiert zu werden. Allein Rykers, mit denen wir zeitmäßig zusammen angefangen haben, konnten leichter durchstarten mit kommerzieller Hilfe von Lost & Found und fetten MAD Touren. Wir haben uns damals für Steffen Rose’s Navigator Rec./X-Mist entschieden, aber trotz Squatter-Daseins und politischer Aktivitäten waren wir für die PC-Welt zu kontrovers. Vor allem Karlsruhe war ein gegen Ende schwieriges Pflaster, haha….. war auch viel Neid dabei, da wir das Privileg hatten in NYC bei Don Fury aufzunehmen, als erste deutsche HC-Band im CBGB’s zu spielen usw.
Machst du heute noch Musik?
Nachdem wir mit Beat Down 2005 die letzte Show gespielt haben, mache ich momentan noch mit Jogges (Empowerment) eine Cro-Mags-Coverband namens Mad-Mags. Ich bin aber gerade an einem Ego-Projekt, in dem ich alles selber einspiele. Das ganze wird FORTRESS BLACK heißen und hoffentlich bis Ende des Jahres in Form einer 7″ released werden.
Wie kam es, dass ihr mit Yuppicide zweimal auf Europatour wart?
Steffen Rose, der Macher von Navigator Production, hat unsere Platten released und so lag es nahe, dass er uns angeboten hat, mit einer seiner Bands, die er aus Amiland geholt hat, zusammen auf Tour zu gehen. Wir hatten einen eigenen Bus und eine gute Backline, die wir mit Yuppicide geteilt haben. Ich kannte Yuppicide aus meiner Hausbesetzter-Zeit in Karlsruhe. Dort hat mich die Band auf ihrer ersten Tour an die Wand geblasen… ich war sofort Fan! Umso abgefahrener war es dann, als wir 1995 als Support für die zweite Yuppicide-Tour mit konnten. Ein Jahr später waren wir auch noch bei ihrer Abschiedstour dabei.
Habt ihr ein freundschaftliches Verhältnis zur Band entwickeln können oder war es das normale distanzierte „Hauptband aus USA“- vs. deutsche Vorband-Ding? Doofe Stalker-Frage, aber wie waren Yuppicide denn so drauf „backstage“ / „in echt“, so fern man das sagen kann?
Wir sind gleich super mit den Jungs zurechtgekommen, keine Star -oder Headliner-Allüren. Die Jungs waren ultra nett und seltsamerweise nicht so oberflächlich, wie man das von anderen Bands kennt. So von wegen „yeah –  you guys are so fuckin awesome.. next time we take you with us to the US“. Hahaha.. ich hab Yuppicide eher als brave Buben in Erinnerung…haha.
Ich hab die Konzerte von Yuppicide an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten in Deutschland erlebt, die absolute Durchbruchzeit war aber auf jeden Fall die erste Tour, also in Sachen Stagedving, Publikumsreaktionen, später war das zwar auch noch ein echter Hexenkessel, aber gemäßigter, wie war dein Eindruck? 
Klar, wie gesagt das erste Konzert, das ich in der „Steffi“ in Karlsruhe gesehen habe, war der Hammer, der Gitarrist mit dem Bandana vorm Gesicht… geil! Von dem durchgeknallten Jesse ganz zu schweigen. Diese Zeit hat uns damals als Band auch sehr geprägt. Aber diese „verrückten“ Ideen waren bei der letzten Tour nicht mehr am Start. Allerdings, die Leute sind immer durchgedreht… oft zu unserem Nachteil, ha.
Denkst du, dass Yuppicide eine Zwischenstellung eingenommen hatten in der damaligen Zeit, gerade im Hinblick auf ihre New Yorker Heimat? Die waren jetzt ja weder „Yo man, Lower East Side!“-Style, aber auch nie so richtig Teil der ABC NO RIO Szene oder?
Genau, ich glaube, die haben eigentlich ähnlich wie Rad. Dev. damals einen gesunden Mittelweg gefunden, nur das denen das nicht vorgeworfen wurde und soweit ich weiß, haben sie sich auch nie wirklich rechtfertigen müssen. Die sind auch durch ihren eigenen musikalischen Style nicht einzuordnen in NYHC-Tough guy oder PC-Squatter.
Die Touren von euch mit der Band sind lange her, gibt es etwas für dich, was du nach all den Jahren immer noch stark mit der damaligen Zeit on the road mit Yuppicide verbindest, positiv wie negativ? Da gab’s noch mal das legendäre Hamburg Konzert in der Roten Flora, wo Yuppicide der Strom abgestellt wurde, weil der Bassist nen Playboy Bunny auf seinem Bass hatte oder so?
Das muss auf der ersten Tour gewesen sein. Leute wie die Rote Flora-Typen haben halt den üblichen Tunnelblick, das kenne ich auch irgendwie noch von früher. Heute ist die Hardcore/Punk-Szene noch unübersichtlicher geworden. Es wird sich nicht mehr soviel aufgeregt, außer wenn z.B. ein Labelmacher als CDU-Mitglied entlarvt wird, ha ha. Vielleicht habe ich aber auch altersbedingt den Überblick verloren. Noch ne kleine Anekdote: In der Steffi wurde seiner Zeit ernsthaft diskutiert, ob SFA noch mal in der Steffi spielen dürfen, weil der Sänger Brendan backstage in eine Bierflasche gepisst hat. Das wäre ja sexistisch usw. Stell dir vor, wenn da schon klar gewesen wäre, dass der gleiche Typ später, oder war’s vorher, als GI im Irak war.
Siehst du heute eine Yuppicide-ähnliche Band irgendwo, also eine Band mit unpeinlichen aufrichtigen Texten jedoch keine totale PC-Verklemmtheit, geile Musik, geile live Auftritte, gute Musiker, aber keine Poser, mit Message aber auch mit Selbstreflektiertheit?
Von der musikalischen Richtung hat es noch niemand an Yuppicide rangeschafft und das ist auch gut so! Yuppicide waren einzigartig. Ich kenne im Moment nur eine Band, abgesehen vom musikalischen Vergleich zu Yuppicide, die zu deiner Beschreibung passt: EMPOWERMENT aus Stuttgart!

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„Ich dürfte damals so 17 Jahre alt gewesen sein und das war schon eine riesengroße Inspiration für meine zukünftigen Bands.“
Mosh von Elision

Wie kamst du zu der Band, was macht die für dich so außergewöhnlich?
Das erste Mal habe ich Yuppicide ca. 1991 bei uns in Würzburg in einem Jugendzentrum gesehen, was ich da sah und ganz besonders Jesse hat mich natürlich mit seiner Persönlichkeit und MASKEN sehr imponiert. Ich dürfte damals so 17 Jahre alt gewesen sein und das war schon eine riesengroße Inspiration für meine zukünftigen Bands…
Kannst du dich an spezielle live-Erlebnisse erinnern?
Ja, Circus-Musicus in Lohne, ha. Jedes live Erlebnis mit Yuppicide war speziell!
Habt ihr damals schon Support für die gemacht? Seitdem war dann Kontakt?
Wir waren 1994 mit Strain und Yuppicide als Support auf Tour dabei, wir haben verschiedene einzelne Konzerte mit Yuppicide gespielt, sind auf zig Konzerten als FANS hinterhergefahren und ca. 96 war ich Fahrer für eine Yuppicide-Festival Mini Tour (u.a. With Full Force). Seitdem besteht der Kontakt!
Wie lief das Einsingen von Jesse, habt ihr schnell das Material gehabt?
Der Kontakt ist dann im Laufe der Zeit abgebrochen, dank Myspace kam der Kontakt dann wieder zustande. Bei den Aufnahmen zu den neuen Songs hatten wir einen Part, wo wir uns dachten, da würde Jesse’s Stimme sehr gut dazu passen. Darauf habe ich ihm geschrieben, wir haben ein paar Mal telefoniert, dann habe ich ihm per E-mail den Song und Texte geschickt, Jesse hat seinen Part zuhause bei sich aufgenommen, sogar mehr, als wir erwartet haben. Ging dann alles recht schnell. Und alle waren happy, ha.
Elision lösen sich ja Anfang Februar auf, Schade, plant ihr was neues?
Ja, finde ich auch sehr sehr schade, nach 15 Jahren wurde es halt immer schwieriger, fünf Leute zu finden, die die gleichen Ziele verfolgten. Traurig macht mich das schon, aber es gibt ja auch Möglichkeiten und vor allem Zeit für neue Projekte, ha. Mein neues Projekt ist myspace.com/wildzombieblastguide, Sven und Marco machen ebenfalls weiter mit myspace.com/downtheblacksmoker.

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„Kein nostalgisch verklärtes Retro-Revival oder banale Nachäfferei“
Armin / X-Mist Records

Das entscheidende Momentum und die Anziehungskraft des frühen Hardcore (anfangs der 80er v.a. aus den USA) bestand darin, dem dahinsiechenden „Punk“ neues Leben, neue Ideen und neue Ideale einzuhauchen, zum Teil auch in bewusster Abgrenzung zu (den negativen Aspekten) des Punk-Kadavers. Darüber wurden schon genug Bücher geschrieben (zum Beispiel „Banned in DC“)… Ende der 80er Jahre waren aber aus den meisten Hardcore-Initiatoren inzwischen alte Helden geworden. Saturiert, etabliert oder degeneriert, oder alles zusammen. Hardcore war inzwischen genauso „tot“ wie es Punk bereits Anfangs der 80er Jahre war. Manchen gelang es, sich neu zu positionieren und neu zu definieren.

Entwicklungen fanden also immer und zu jeder Zeit statt. Eben auch solche wie das Auftauchen einer neuen Generation an Hardcore-Bands, die sich zwar an der originären Idee dieses Stiles, seiner Intensität, Individualität und (wenn man so will) seinen ursprünglichen Idealen orientierten, aber kein nostalgisch verklärtes Retro-Revival oder banale Nachäfferei darstellte. Sondern eine zeitbezogene aktuelle und von der eigenen Inspiration getragene neue Generation, die unabhängig von alten Vorbildern und fremden Leitfiguren funktionierte. Letztlich eben das was man dann gemeinhin als „Szene“ bezeichnet – und dazu zähle ich Bands wie Born Against, Rorschach, Yuppicide und noch ein paar mehr…

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„Ein Yuppicide Konzert 1993 in Borken (NRW) vs. Borken (Hessen)“
Nils, Mac Gyver/Autodafé Records

Yuppicide veranstalteten wir auf der Tour 1993 im Jugendhaus Borken/Westfalen (Provinz Westmünsterland). Über 200 Besucher waren da, zum Teil von weit her (da tauchten auch zwei Typen aus Jugoslawien auf, die Yuppicide hintertrampen wollten, denen nach der Enttäuschung eine Bettstatt vor Ort besorgt wurde). Die Vorband Sexton and the Frusties (prä-Muff Potter) spielten sich vor einem desinteressierten Publikum in dem alkoholfreien Jugendzentrum den Arsch ab. Von dem Headliner Yuppicide war nix zu sehen und zu hören. Langsam wurden die Leute skeptisch, als gegen 22:00 Uhr immer noch nix klar war, wurde der Eintritt wieder ausgezahlt, dat war’s dann mit der Konzertgruppe. Nachträgliche Begründung des Tourfahrers (M.A.D. war’s wohl): statt Borken/Westfalen war die Band nach Borken/Hessen gefahren (trotz Wegbeschreibung mit Straßenkarte wie in Prä-Internet/-Handy-Zeitalter üblich). Paar Tage später andernorts Yuppicide-Gig gesehen und gehört, was für einen geilen Dayoff die Drogentouristen Yuppicide in Amsterdam hatten. Trotzdem brav weiter Yuppicide-Shirt getragen und jahrelang Konzertplakat vom Abend an der Wand gehabt.

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„Yuppicide wird auf jeden Fall immer unserer absolute Highlightband sein, schon allein, weil Jessie ein absoluter Gott ist!!!“
Angela und Wolfgang (New Life Shark Records) veröffentlichten ein geniales Konzertvideo der Band aus dem CBGBs

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„Yuppicide“
dennisdegenerate/Punkrock Fanzine!

1996 war ich 17. Meine musikalische Sozialisation kam gerade so in Gang. Heute belächelte Crossing All Over Sampler, Minor Threat, Biohazard und Madball bildeten den Kern meines mickrigen Grundstocks, Tapes formten das solide Fundament. Konzerte waren für mich derzeit nur schwer zu erreichen, da mein Elternhaus beim Schwager vom Arsch der Welt am Arsch war. Ab und an ist dann der Älteste von uns auch mal auf Konzerte gefahren, das war dann schon mal in Dorsten, auch im JUZ Bakenberg oder im Schacht 8 in Marl. Coolerweise spielten da am 28. September 1996 Kumpels von uns aus Bottrop, mit ihrer Band Aswang als Support von Yuppicide, die mir bis dahin noch völlig unbekannt waren.

Der Gig war, soviel ich weiß, auf ihrer letzten Tour und irgendwie nur mäßig besucht, mitreißender Klappmesser-Pogo sieht, im Nachhinein betrachtet, auch anders aus. Aber trotzdem hat mich die Band an dem Abend so unglaublich begeistert. Vielleicht auch weil ich – lass es mal das zehnte Konzert sein – mehr als begeisterungsgeil war. Aber das was Yuppicide, oder speziell Jesse, da präsentierten war so absolut fühlbar anders und eigenständig, später sollte ich mal für mich selbst herausfinden, das es leider echt wenige Bands gibt, die unterhaltsam performen und das Publikum unterhalten.

Jesse kam mit Tigerplüschshorts auf die Bühne, das Gesicht weiß geschminkt, mit kryptischen Zeichen verziert, die Augen schwarz umrandet. Die Aggression war so nah spürbar und trotzdem vollkommen abstrakt. Ich weiß noch, das ich völlig platt nach Hause gekommen bin und mir in den Wochen danach irgendwo, auf einer ollen Plattenbörse in Gelsenkirchen, die Fear Lover auf CD ohne Cover geschossen hab. Frag mich nach meinen fünf Lieblingsalben und die Fear Love ist auf jeden Fall dabei! Frag mich nach meiner prägendsten Konzerterinnerung in meinen „early days“ und Yuppicide ist die Antwort!

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“No one wanted to hear my idea for an 8 part rock opera about journeying through middle earth.”
Interview mit Peter Guinan, Schlagzeuger nach Kid Lynch

Hi Peter, lebst du immer noch in New York und was machst du so?
Genau, ich lebe immer noch in New York, in Long Island. Ich verbringe meine Zeit damit, die drei Videos, die von Yuppicide auf youtube sind, mir reinzuziehen.
So sehr ich das frühe Material von Yuppicide gut finde, so sehr mag ich auch die „Shinebox“, die Platte wächst und wächst über die Jahre. Du kamst vor dieser Platte zur Band, erinnerst du dich wie?
Ich liebe die erste Platte, sie ist immer noch bis heute meine Lieblingsscheibe. Mein Freund Arty von Mind over Matter erzählte mir, dass er eine Band kennt, die einen Schlagzeuger suchten. Er brachte mich zur dem Vorspielen mit und ich bekam den Platz.
Seid ihr viel auf USA-Touren gewesen?
Es gab nicht wirklich Touren in den USA, mit der Ausnahme von New York City und die Gegenden drum herum, New Jersey, Boston, Connecticut und ich glaube, einmal auch in Maine.
Wurdest du von der Band und dem Publikum akzeptiert oder bliebst du „der Neue“?
Ich fühlte mich in der Band akzeptiert, nachdem ich versuchte, Steve in den Kofferraum meines Autos zu schmeißen und dabei ein Zitat aus dem Film „Goodfellas“ zu bringen: „If one more letter gets delivered to that kids house it’s in the oven you go“. So kamen wir übrigens auch auf das Intro und den Titel der Shinebox-Platte. Sofern es das Publikum betrifft, ich glaub nicht, dass jemand wirklich es bemerkte, um ehrlich zu sein.
Wie gefällt dir die “Dead Man walking” Platte, ich mag die schon und sie ist eine gute HC-Platte, “Meatpacker” und der Negative Approach-Coversong sind schöne Songs, aber ich weiß noch, als die damals raus kam, dass ich etwas enttäuscht war. Ich kann gar nicht genau sagen, warum, weil alle Charakteristika von Yuppicide auch wieder dabei sind.
Mir gefiel „Dead Man walking“ besser als „Shinebox“. Ich hab vor der „Shinebox“ nie eine „echte“ Aufnahme gemacht und wir hatten für die Platte nicht viel Zeit, deshalb war ich nicht so glücklich mit dem Schlagzeug-Sound auf der Platte. Im Nachhinein hätte ich ein paar Sachen anders gemacht. Ich denke einfach, der Gesamtsound der „Dead Man“ war besser.
Wie kamen die Songs zustande? Jesse brachte bestimmt den britischen Ska-Einluß, den wir auf „Follow your leader“ und dem frühen Songs hören können, hinein, schrieb er auch die Texte? Wer kam mit der Musik an, war es ein demokratischer Prozess?
Jesse ist eigentlich gar nicht britisch, es war ein Vorwand, um an Frauen heran zu kommen, ha ha, nein… aber so etwas haben wir damals den Leuten erzählt. Er wurde von einigen auch als Genie gehalten, mit mystischen Kräften… Das glaube ich immer noch. Wir probten in Brooklyn und jemand spielte was und von da an entwickelten wir das weiter. Steve hatte sehr viele Ideen und Jesse oder Steve hatten einige Texte im Kopf. Keiner wollte von meiner Idee einer achtteiligen Rockoper über die Reise durch Mittelerde etwas wissen.
Wie endete die Band, gab es ein tragisches Ende?
Wir wurden von Michel Stipe für unser R.E.M. Cover verklagt und das warf uns aus der Bahn. Wir sind einfach älter geworden, hatten andere Verpflichtungen und hörten einfach auf. Kein Bedauern, überhaupt keine traurigen Gefühle.
Am Ende noch zwei Fragen, wie denkst du, sollten Yuppicide in Erinnerung bleiben? Danke für deine Zeit und für die wundervolle Musik und Inspiration, Peter!
Hmmh, das weiß ich nicht. Wenn wir überhaupt erinnert werden, denke ich, wäre das schon eine gute Sache.
Es gibt so viele großartige Bands aus New York und Yuppicide ist für mich ein Teil davon, wie fühlt es sich an, wenn du auf deine Zeit mit der Band zurückschaust?
Es war wirklich eine großartige Zeit, wir haben tolle Freunde getroffen, sind ein paar Mal durch Europa getourt und hatten eine Menge Spaß. Manchmal wünschte ich mir, der Ritt hätte etwas länger sein können, aber: it was great while it lasted.

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„If I had to do it again? Fuck yeah! Bring it on! What a great ride!“
Interview mit Joe, Bassist

Trust ist ein sehr altes Fanzine mit ü40-Leuten, die mitmachen und für die begann HC-Punk in den 80ern mit den ersten Dead Kennedys- und Youth Brigade-Touren in Europa und Negazione aus Italien blabla. Yuppicide waren für die dann schon damals die dritte oder vierte Welle von US-HC-Punk Bands. Für mich war es die erste Welle, ha, aber es war interessant, mit einigen Älteren zu sprechen und sie meinten, dass Yuppicide den gleichen old school Spirit vertraten, aber eben als neue Band, die ihr eigenes Ding machte… ihr wart ja auch in NYC weder mosh noch straight edge, sondern einfach Yuppicide.
Jan, ich bin so glücklich und stolz, dass ich Teil von Yuppicide war. Als wir anfingen, wollten wir einfach nur Musik machen und Teil der Sache sein, die damals in New York passierte (nicht alles davon war gut). Es gab sehr viel Gewalt auf den Konzerten in den späten 80er und viele Clubs hörten auf, Konzerte zu veranstalten, CBGBs machte keine Matinees mehr und wir mussten zusammen mit anderen Bands eine neue Szene gestalten.
Warst du eigentlich auch derjenige, der die Ska-Teile in die Band brachte, ich meine klar, du spieltest diese coolen Riffs bei „Have fun or fuck up“ oder „Jesse Helms“, aber wer hatte die Ideen? Dieses Bassintro bei “Fistfull of credit cards”, das macht mich jedes Mal fertig, geil! Hattest du irgendwelche Vorbilder, als du mit Bass spielen angefangen hattest?
Wir spielten überall. Wir hörten sehr unterschiedliche Stile von Punk, Ska und HC und nahmen von allen das, was uns gefiel. Ich erinnere mich gut daran, als wir unser erstes Matinee im CBGB spielten, Jesse kam auf die Bühne und starrte das Publikum finster an (er kann sehr furchteinflößend sein). Dann realisierte er, dass fast jede Band das Tough Guy Ding machte und wir wollten in eine andere Richtung gehen. Deshalb denke ich, diese Attitude kombiniert mit den Teilen, die wir von anderen Stilen absorbierten, ergab unseren eigenen HC Stil. Ich bin Steve Karp und Dre Lockdown (frühe Phase von Yuppicide) so dankbar, dass sie mir eine Menge gezeigt haben im Hinblick aufs Bassspielen. Steve schrieb die meisten Songs und wir jammten manchmal einfach so, und variierten die Geschwindigkeit und so kamen wir auf das Intro von “Fist Full of Credit Cards“.

„Have fun or Fuck off“ war mein Versuch, einen Skate/Thrash Song zu schreiben. Wir hatten bei den Aufnahmen sehr großen Spaß und die Texte schrieben wir manchmal erst direkt vor Ort. Steve schrieb die Musik für „Follow the leader“ und Jesse die Texte (bekomme ich immer noch Gänsehaut davon). Jesse, Steve und ich wechselten uns mit dem Artwork ab, ich zeichnete die erste Yuppicide Single und Steve machte einen großartigen Job, es dann mit Tinte zu malen. Ich erinnere mich an viele Nächte, in denen wir Flyer für unsere Konzerte in der Lower East Side verteilten. Pete Guinan ist so ein toller Schlagzeuger und einer der lustigsten Typen, die ich je getroffen habe, wir allen halten ihn für „den“ Yuppicide – Schlagzeuger. Jesse und Steve sind großartige Freunde und ich bin dankbar, dass sie noch ein großer Teil meines Lebens sind.
Machst du noch Musik?
Nach einer langen Pause habe ich wieder mit dem Bass spielen angefangen und ich spiele in einer Band mit Jesse Jones (Gesang), Dre Lockdown (Gitarre) und Jay Rogan (Schlagzeug). We’re having a blast and writing some good shit!
Wie sieht ein normaler Tag in deinem Leben aus?
Ein Tag in meinem Leben in 2010? Well, ich habe zwei unglaubliche Kinder, ein 10 Jahre altes Mädchen und einen achtjährigen Sohn. Beide lieben Musik und Kunst und machen mich sehr glücklich. Ich bin Inhaber meiner eigenen Firma, Ready Set Inc. (www.readysetinc.com) und wir bauen Sets für Mode-Shows, Werbung und andere Sachen. Ich bin immer noch künstlerisch aktiv und baue Custom Cars und Motorräder. Würde ich es noch mal machen? Fuck yeah! Bring it on! What a great ride!

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“Es ist eine Sache, Punk zu sein und gegen den gesellschaftlichen Status Quo zu sein, aber es ist eine ganz andere Sache, den Status Quo von Punk und HC selber zu hinterfragen.”
Interview mit Yuppicide-Gitarrist Steven Karp

Hi Steven, was machst du derzeit? Lebst du in Brooklyn?
Ich lebe in einem Vorort von Zentral-Connecticut, zahle die Hypothek für ein Haus ab, bin verheiratet (sorry Ladies) und arbeite in einem Büro. Ich bin so ziemlich genau die Person, die ich nicht werden wollte, als ich in Bands spielte, die Person, über die ich Songs schrieb.
Hast du nicht nach Yuppicide in einer Band namens „100 Demons“ gespielt?
Parallel zu Yuppicide 1994 war ich in einer Band namens Front Towards Enemy, das ging beides zusammen für eine Zeit und blieb so bis 1998 oder so – aber danach gab’s mit den Jungs auch noch Konzerte. In „100 Demons“ spielte ich von 1999 bis Frühling 2001 und war auch auf ihrer ersten Europa-Tour dabei.
Wie hat sich die Szene in New York verändert, nach dem das CBGB geschlossen hat? Fühlst du dich noch einer Szene anhängig oder genießt du das Leben zu Hause?
Ich bin nicht mehr über “die Szene” im Bilde. Wenn du die Hardcore-Szene meinst – es gibt eine Millionen verschiedene Interpretationen darüber, was „die HC Szene“ ist. Ich habe aufgehört in Bands zu spielen und auf Konzerte zu gehen, weil ich keine Verbindung mehr zu dem hatte, in was sich die Szene entwickelte plus: ich war in einem Alter, in dem ich der Vater der Leute bei den Konzerten hätte sein können, davor hatte ich Angst. Also, wie schon gesagt, ich bin “out of touch” mit dem, was abgeht. Gitarre und Bass (weniger) spiele ich immer noch, aber ich spiele alle Arten von Musik und höre meistens alten Punkkram und sehr frühen Punk wie Iggy.

Meine Playliste dieser Tage beinhaltet viel der frühen 80er Punkrock-Hardcore-Sachen: Misfits, Black Flag, Adolescents, Bad Brains, Weirdos… genauso wie die Klassiker, sehr viel Black Sabbath und Motörhead. Ich bin ein großer Clash Fan und fahre in letzter Zeit total auf die Specials und englischen Beat ab. Meine Jobs nehmen viel meiner Zeit in Anspruch, das Instandhalten des Hauses ebenfalls. Aber ich mache immer noch Artwork für Krams und baue Modellkits, damit meine kreative Seite zur Sprache kommt. Ich bin großer Fan alter britischer Motorräder, deshalb bin ich entweder mit meiner Triumph oder Enfield zu Gange oder mit ihnen unterwegs. Joe ist auch großer Motorrad-Fan, er war schon ganz früher total versessen in diese old school Cafe-Flitzer.
War es schwierig, dem Angebot einer Reunion bei den letzten CBGB-Konzerten mit den Bad Brains zu widerstehen, auf eurem myspace-Blog erzähltet ihr 2006 davon?
Ich erinnere mich nicht mehr daran, aber bin mir sicher, dass wir das Angebot deshalb nicht angenommen hatten, weil wir einen sehr guten Grund hatten. Ich selber mochte die großen Konzerte mit einer Millionen Bands nie. Ich will das CBGB in einer bestimmen Art und Weise erinnern und es wäre einfach Scheisse, wenn diese großartigen Erinnerungen von einer schlechten Erfahrung verdeckt werden würden. Und eine solche wäre es gewesen, wenn wir wie Idioten einen Monat geprobt hätten, nur um drei Songs in einem Line-up mit 300 Bands an zwei Tagen hintereinander zu spielen.
Habt ihr mitbekommen, dass es vor kurzem ein Bootleg gab, auf dem eure letzten Songs von 1998 und das erste Demo von 1988 drauf waren? Warum wurden die Songs eigentlich nie veröffentlicht?
Das 1988er Demo wurde ja veröffentlicht, eben 1988! Wir haben es selber gemacht und ganz früher verkauft. Der Kram von dem 1998er Demo war etwas, das wir für uns gemacht haben, um zu sehen, ob es von anderen Labels Interesse an unserer Band gab. Wir waren an einem Punkt angelangt, am dem wir wissen mussten, ob wir uns als Band weiterentwickeln und aus der Band eine Vollzeit-Sache machen sollten oder ob es nicht einfach an der Zeit war, es sein zu lassen und unsere Leben weiterzuleben. So fern es das Bootleg betrifft: im Internet sind die Songs verbreitet, es brauchte wohl nur eine motivierte und geschäftstüchtige Person, die den Kram findet und es dann veröffentlicht. Hut ab vor ihnen, egal wer sie sind, dass die Zeit und Geld investiert haben, um das alles zu machen. Es ist krass zu wissen, dass einige Leute uns immer noch als Band so mögen, dass sie ihre Zeit, Geld und ihre Kraft uns widmen.
Deinen Gitarrensound, gerade auf der “Shinebox”, fand ich immer klasse. Hörst du dir Yuppicide-Material immer noch mal an?
Manchmal höre ich mir es an, ich höre bestimmte Songs von Anfang an und bin einfach baff, weil ich denke, dass ich damals 1992 ein viel besserer Gitarrist war als heute. Ich hab so viele coole Sachen vergessen, die ich auf der ersten Single und der „Fear love“ gespielt habe. Ich mag den Kram auf der „Dead man…“ sehr. Würde ich in der Lotterie gewinnen, dann täte ich die Jungs zusammentrommeln und wir würden den Kram noch mal völlig großartig aufnehmen. Aber klar, die Platte zeigt uns, wie wir zu der Zeit waren. Ich war jetzt nie so von meinem aufgenommen Gitarrensound eingenommen, aber es war sehr schwierig, den live Sound auf das Aufnahmetape zu bringen.
Ihr habt ne coole dritte Platte gemacht, wart eine klasse live Band, warum habt ihr aufgehört? Gab’s ein Abschiedskonzert?
Wir haben viele „letzte Konzerte“ gemacht, zu viele. Aber als wir dann wirklich aufhörten, war es einfach an der Zeit. Die Musik wechselte, die Szene veränderte sich und am allerwichtigsten, wir selber als Menschen veränderten uns. Wir mussten einige große Entscheidungen im Leben treffen und damit klarkommen und wenn du nicht mehr 18 bist, also in einem Alter, wo du den Luxus hast zu sagen „Fuck everything, ich will HC-Punk Musik spielen“, wird es nicht leichter. Es war uns immer wichtig, an einem guten Punkt aufzuhören, und nicht eine der Bands zu sein, die einfach nicht wissen, wann sie aufhören sollen. Wir wollten dann gehen, als wir noch sehr gut waren, nicht als ein Haufen Verlierer, die recylecten Scheiss spielen oder schlimmer, so 40jährige sein, die versuchen, das gut zu finden, was die Kids halb so alt wie sie machen.
Stimmt es deiner Meinung nach, dass Yuppicide eine eigene Position in New York hatten und nicht Teil der zwei sich gegenüberstehenden Szenen wart?
Wir machten unser eigenes Ding – immer schon. Es kam nicht drauf an, woher wir kamen, wir machten, was uns erfreute und das war die Hauptsache. Es gab vier Leute, die alle unterschiedliche Sachen in die Band brachten, was die ganze Band insgesamt besser machte. Wir waren mit so vielen unterschiedlichen Menschen und Bands befreundet, aber passten in kein Gerne. Du musst verstehen, dass Joe und Jesse schon sehr lange Zeit auf Konzerte gingen und alle Arten von Musik verfolgten. Ich meine, Joe hat immer noch eine Narbe vom Stage-Diving bei einem Dead Kennedys-Konzert…und Jesses hatte Minor Threat und Negative Approach gesehen. Ich sah zu den Typen echt hinauf, ich meine, sie waren damals DA. Aber es war auch so, dass wir alle sehr verschiedene Bands hörten. Ich war großer Oi- und Garage-Punk-Fan, aber liebte auch einiges von dem Mittleren 80er Jahre DC-Kram…und verehrte Naked Raygun. Und wir waren alle wie weggeblasen von der „Suffer“ und „No Control“, als Bad Religion diese veröffentlichten. Wir liebten immer innovative Bands und veränderten uns so, konnten uns weiter entwickeln und unseren eigenen Pfad entdecken und uns von jeglichen Genres unabhängig machen.
Wie denkst du an eure Touren zurück?
Ich vermisse sie! Klar, durch die ganzen Jahre erscheint auch der Scheisskram als einladende und tolle Zeit… aber es war großartig. Wir waren so glücklich, dass wir die Unterstützung von so vielen großartigen Menschen hatten.
Die Band hatte in den Staaten nicht den gleichen Erfolg wie in Europa oder?
Nein, uns erging es in Europa VIEL besser. Die USA ist ein riesiges Land und es gibt Zillionen Bands und viele Meilen zum runterreißen. Wir hatten alle andere Jobs und ein Leben außerhalb der Band, wir hatten nur eine endliche Menge an Geld, Zeit und Energie, deshalb konzentrierten wir uns auf Europa, weil die europäischen Läden nach uns fragten und Touren somit möglich erschienen ließen. Wir haben es stark probiert, in den USA unseren Kram raus zu möglichst vielen Leuten zu bringen – aber es war ein VIEL härterer Verkauf. Die Leute hatten schon so viele großartige Bands, zu denen sie loyal waren. Ich kann sagen, dass wir überhaupt sehr glücklich waren, so viele loyale Fans und Freunde in unserer direkten Umgebung in den Staaten zu haben und sie waren fast immer für uns da. Europa hatte dieses erstaunliche Netzwerk von Leuten und Clubs und Auftrittsmöglichkeiten – die USA hatte das nicht.
Ich muss sagen, ich bin kein Fan von Tätowierungen, aber bei Yuppicide passt einfach jedes kleine Detail zusammen: allein schon der Bandname! Das gesamte Artwork und Logo! Die kritischen Texte plus ihre unverkrampften Mentalität, die live Konzerte, das Aussehen und auch die Tätowierungen. All das macht die Band für mich so bewundernswert, einzigartig und immer noch aktuell. Wie ist das bei euch, bekommt ihr Feedback von jüngeren Leuten oder hat die Zeit euch vergessen gemacht?
Mal hier mal da kommen die Leute an und sagen, dass sie die Band vermissen und fragen uns, ob wir wieder spielen oder darüber nachdenken. Manchmal sagen die Leute, dass sie eine großartige Zeit bei unseren Auftritten hatten – und das bedeutet mir sehr viel. Wir übten sehr viel für die live Konzerte, so dass es ein gutes Konzert wird. Wir probten sehr viel und versuchten, gute Songs zu schreiben, die unseren Standard von „gut“ passierten. Ich weiß nicht, ob irgendjemand unter 35 uns je gehört hat – und warum sollten sie? Sie haben ihren eigenen Kram am Laufen und konzentrieren sich wahrscheinlich auf die neueren Bands oder auf ihre Wii oder irgendwas anderes. Wir haben nicht TONNEN von Platten herausgebracht und ich denke nicht, dass wir die Szene auf die Art und Weise beeinflusst hatten, wie es Agnostic Front oder Negative Approach oder Minor Threat machten oder konnten. Wir waren auch keine Pioniere so wie es die frühen Bands waren – bevor wir anfingen, waren wir schon Fans der alten Bands wie D.I. oder Discharge oder Gray Matter.

Wir versuchten sehr stark, die Dinge so zu machen, wie wir es wollten und nicht, weil es „Punk“ oder „Hardcore“ war. Solche Bezeichnungen können restriktiv sein, und wir waren alle zu sehr kreativ, um darüber jetzt nachzudenken, wenn Jesse grünes, klebrigres Zeug rauskotzt, ob das jetzt Hardcore war oder nicht. Wir liebten Bands, die nach vorne pushten, besonders intellektuell-mäßig. Es ist eine Sache, Punk zu sein und gegen den gesellschaftlichen Status Quo zu sein, aber es ist eine ganz andere Sache, den Status Quo von Punk und HC selber zu hinterfragen. Und wir liebten The Clash, liebten 2-Tone und Reggae – deshalb brachten wir Elemente davon in unsere Songs.

Wir liebten Psychobilly – so kam das in unsere Lieder. Ich liebte alte Iron Maiden – deshalb gibt es Anspielungen in diese Richtung. Wir malten alle und zeichneten und so Kram – visuelle Kunst war ein wichtiger Bestandteil. Und Jesse war sehr theatralisch – und es war großartig, weil es der Musik diente, den Texten diente… nicht deshalb sich verkleiden, um sich zu verkleiden… Wir haben hoffentlich die Leute zum Nachdenken über Dinge gebracht oder zum Zeichnen oder Songs schreiben animiert oder dazu, die Themen, über die wir sangen, zu erforschen, sich mit ihnen zu beschäftigen. Wir wurden von Leuten verurteilt, weil wir „zu politisch“ waren und wir wurden von Leuten verurteilt, weil „nicht politisch genug“ waren. Es beeinflusste uns nicht. Wir machten unser Ding und glücklicherweise für uns mochten das Leute außerhalb der Band.
Steve, lass mich noch ausdrücklich sagen, wie großartig das ist, dass ich hier mit dir reden darf, Yuppicide war mein erstes echtes kleines HC-Konzert, was war dein erstes Konzert dieser Art?
Mit 14 sah ich Iron Maiden auf der “Piece of Mind” Tour in einem Hallen-Coliseum mit tausenden von Menschen, das war mein erstes Konzert. Mein erstes Punkkonzert, das ich sah, war Black Flag, Painted Willy und Gone in der Enfield Roller World (Rollerskater-Laufbahn) 1985 oder 1986. Ich war begeistert von den Bands, aber auch zur gleichen Zeit TOTAL eingeschüchtert. Ich war zwar für einige Zeit schon Punkfan und hörte alte Black Flag und Agent Orange und Suicidal Tendencies und hatte „Suburbia“ ca. eine Million Mal gesehen, deshalb dachte ich, ich wüsste, um was „es“ ging“… aber das ganze live zu sehen, wie die Leute abgingen, es war einfach totaler Wahnsinn.
Hast du noch einen Gruß für die Leser?
Thanks for showing some interest in us – you can always send cash too.

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„A German fan came to a fancy bar I was working at (that had Yuppie type in it) and was so disappointed to see me working there – I think it was his version of seeing Sting as a bellboy in Quadrophenia – Haha.”
Interview mit Jesse

Hi Jesse, du bist für mich einer der geilsten Sänger im Punk, eine Mischung aus Jello Biafra und Michael Meyers, ha. Hattest du irgendwelche Einflüsse für deinen Gesang und dein Bühnenverhalten gehabt?
Es gab sehr viele Einflüsse, ich hab an so vielen Orten geklaut. Ich habe einen ziemlich breiten Musikgeschmack und werde so von allen möglichen Sachen inspiriert. Jello Biafra von den Dead Kennedys war ein großer Einfluss auf meine Songschreibweise, also die Art und Weise, wie er den Charakter der Persönlichkeit annimmt, die er kritisiert. Und seine Weise, Geschichten zu erzählen, war ebenfalls sehr wichtig für mich. John Brannon von Negative Approach war ebenfalls ein großer Einfluss auf mich, er suchte immer den Augenkontakt zum Publikum, dass war eine effektive Technik, die ich ebenfalls verwendete. Die allererste Form von Musik, die mich total packte, war 2Tone im Jahr 1980. Madness und The Specials hatten eine großartige Energie und Bühnenpräsenz und haben mich ebenfalls sehr geprägt. John Joseph´s (Cro Mags) Energie war ebenfalls erstaunlich, sie waren (sind) so eine krasse verrückte live Band.

Ich denke, dass das erste Demo mit das Beste an HC aus NY darstellt. Ich hasse es, wenn du dir eine Band anschaust und sie sehen gelangweilt aus, als ob sie sich nicht darüber freuen, da zu sein. Wenn du keine Begeisterung verspürst, warum sollte es das Publikum dann? You’re on stage – fucking put on a show! Natürlich ist das Klischee Posing sehr enttäuschend, du siehst immer wieder die gleichen Posen, das wird so langweilig. Meine Eltern waren auch ein ebenfalls wichtiger Einfluss für mich, sie arbeiteten im Theater, ein Elternteil als Schauspieler, der andere Teil als Regisseur. Seitdem ich jung war, bin ich zu Theaterstücken gegangen und habe meine Kindheit unter Schauspielern verbracht. Von so Dingen wie dem japanischen Butoh-Tanz fühlte ich mich auch angezogen, eine sehr freakige Sache, sollte man unbedingt mal auschecken.
Du arbeitest in einer Medienagentur, was genau machst du da? War es ein Job nach Yuppicide, wart ihr eine Vollzeit-Band?
Ich liebe es, wenn Leute fragen, ob Yuppicde eine Karriere war – es erscheint mir so lächerlich, aber ich denke, einige Bands konnten / können vom Musikmachen überleben. Wir machten manchmal ein bisschen Geld, hauptsächlich auf Tour, aber auch das war nur so viel, wie wir in einem normalen okayen Alltagsjob hätten verdienen können. New York City ist eine teure Stadt! Um zu überleben, musst du drängeln in der ganzen Hektik, deshalb brauchst du eine regelmäßige Geldquelle, einen Job. Im Gegensatz zu Europa leben hier nicht viele Leute vom Arbeitslosengeld. Ich glaube aber auch, dass es hier härter ist, es zu bekommen und es wird als etwas Herabwürdigendes angesehen. Damals in England beantragte ich Arbeitslosenkohle, es war unkompliziert und warum nicht?

Du konntest nebenbei mehr Geld verdienen über einen Einstiegsbonus plus nebenbei Schwarz arbeiten als wenn du Vollzeit gearbeitet hättest. Das war in NYC nicht der Fall. Wir spielten mit einer holländischen anarchistischen Band, sie waren Arbeitslosengeldempfänger. Joe nannte sie deshalb heuchlerisch, so von wegen „Du bist ein Anarchist, aber lebst vom Staat, wie kannst du mir das erklären?“ Fucking hilarious. Ich arbeitete mehrere Jahre als Barkeeper, so konnte ich malen, bei Yuppicide mitmachen und meine Miete bezahlen. Ich konnte auch auf Tour gehen und in den Job zurückkehren. In den USA solltest du Barkeepern Trinkgeld zahlen, bitte denkt daran, falls auf Besuch. Heutzutage mache ich Grafik-Design, hauptsächlich Webzeug. Es erlaubt mir, ein bisschen kreativ zu sein, das hilft mir und meiner Gesundheit.
Vor einiger Zeit hast du deinen Gesang zu einem Song der deutschen Band Elision beigesteuert, nun hast du eine neue Band namens MIND CONTROL ASSASSAINS am Start, du stellst deine Kunst in NYC aus und DJ bist du auch noch, das hört sich ja nach einem Szeneleben an… korrekt?
Ellison tourten mit Yuppicide und wir wurden Freunde mit ihnen. Wir haben auch eine Doppel-live Single mit ihnen und Radical Development veröffentlicht. Mosh fragte kürzlich, ob ich bei einem Song mitmachten wollte und ich fühlte mich geschmeichelt. Ich hatte keinerlei Musik für eine lange Zeit gemacht und es hat grossen Spass gemacht. Ich mache ein neues Musikprojekt namens Mind Control Assassains, wir haben eine fünf Song EP aufgenommen, die als digitale Veröffentlichung auf CDBaby.com und iTunes erhältlich ist. Zurzeit gibt es gerade ein paar Besetzungswechsel aber wir hoffen, bald auftreten zu können (mehr Infos hier: myspace.com/mindcontrolassassins).

Zudem habe ich angefangen, mit einer anderen Band zu jammen, mit Joe Keefe von Yuppicide am Bass und Dre Lockdown (Gitarre, ein original Yuppicide Mitglied, er spielte auch mit Warzone und No Redeeming Social Value) und Jason Killabrew (Schlagzeug, von Caught In A Trap). Noch steht keine Bandname fest, das ist immer am schwierigsten, aber es macht Spaß, Musik zu machen. Kunst mache ich immer noch, hauptsächlich Malen und ich stelle sie aus, wann immer ich kann. Meine Kunst kann man sich unter www.ape2ape.com anschauen. DJ mache ich gelegentlich, ich muss dabei aber klarstellen, dass ich ein Neuling bin, ich spiele CDs und MP3s und ich spiele das, was ich gerne höre (Dub, 70s Reggae, 80s Dancehall, Ska, Punk, Metal und einiges an Dubstep-Crossover Zeug). Zusammen mit ein paar Freunden machten wir monatliche Themenparties, das war ca. ein Jahr lang, aber es wurde zu sehr wie Arbeit, deshalb mach ich es nur noch dann und wann.
Auf eurem Blog schreibt ihr, dass ihr eine Reunion mit den Bad Brains abgelehnt habt, das war bestimmt nicht einfach oder?
Ich muss das hier mal aufklären: wir wurden sehr oft gefragt, ob wir nicht wieder eine Reunion-Show spielen wollten. In der Vergangenheit fühlte ich mich einerseits in Versuchung, andererseits hatte ich das Gefühl, du kannst nicht noch mal zurück, lass es bleiben. Zudem wusste ich, es würde eine große Anstregung bedeuten, uns alle wieder zurück in Form zu bekommen, damit wir ein tightes Set spielen. Ich ging zu einer der letzten Shows vom CBGBS, bevor es zumachte, die Bad Brains spielten. Ein alter Freund hatte beim booken des Konzertes geholfen und er sagte „Shit Jesse, ich wünschte, du hättest Yuppicide zurück und ihr würdet auf dem Konzert spielen“ und ich so „Wenn du verdammt noch mal gefragt hättest, hätten wir das auch getan!“ Die Bad Brains sind einer meiner absolute Lieblingsbands aller Zeiten, ich wünsche mir immer noch, wir hätten es tun können und die Bouncing Souls spielten auch da, sie sind alte Freunde und eine großartige Fun Band. Aber allein im Publikum zu sein, war natürlich auch ein großer Spaß. Wir reden gerade darüber, all die Musik von Yuppicide (die Demos, Singles und Platten) als eine Sammlung zu veröffentlichten und reden auch über die Möglichkeiten, ein paar Konzerte zu spielen, weil wir alle sehr stolz auf die Band sind und wissen, es wäre ein großer Spaß, wieder aufzutreten. Also vielleicht gibt es eine Reunion, die Zeit wird die Antwort geben!
Und ihr sprecht auch davon, wie bescheiden euer Einfluss auf die Szene war, in der ihr ja zumindest in NYC doch etwas allein standet? Ihr wart einfach zu offen, als Fans von Specials, Fear, Negative Approach und REM, ha.
Nun ja, ich hab als Teenager angefangen, auf HC-Punk-Shows zu gehen. Ich bin jetzt 43, deshalb war das alles am Anfang von dem, was später zu NYHC wurde, 1981 vielleicht. Die Konzerte waren wirklich sehr gemixt, Bands und Publikum. Ich sah einige der ersten Konzerte von Agnostic Front, Underdog und Murphy´s Law. Ich kenne Roger auf eine lässige Art für eine lange Zeit und er ist wirklich der Real Deal, OG NYHC, ha ha. Er war immer sehr cool zu mir und er hat viel für die Unterstützung der Szene getan. Zur gleichen Zeit sah ich auch Minor Threat, Negative Approach und alle die NY Bands. Nach einigen Jahren zog ich für ein Jahr nach England und kam dann fürs College zurück nach NY. Während der Kunstschule in Brooklyn traf ich Joe und Steve und sie starteten eine Band.

Ich war eigentlich zu Anfang gar nicht in der Band, ich sprang rein und sang ein paar Lieder, aber ich gab der Band ihren Namen. Ich sah „Yuppiecide“ auf einem Gebäude geschrieben und erzählte ihnen das und sie mochten es, deshalb änderten wir die Schreibweise und es wurde zu unserem Bandnamen. Unser erster Sänger war ein koreanischer Junge namens Dave Kim, er hatte aber persönliche Probleme und musste zurück nach Los Angeles ziehen. Nach einigen Versuchen mit anderen Sängern wählten sie mich und wir konzentrierten uns auf das erste Demo. Wir waren eine seltsame Mischung: ein Rock´n´Roll Stoner, ein Straight Edge Skinhead, ein britischer Reagge-Fan, der sich für Performance-Kunst interessiert und ein biertrinkender Skater, der Muscle Cars fährt.

Dann fingen wir an, Konzerte zu spielen und die NYHC Szene war im Begriff, sich zu verändern. Ich denke, es änderte sich dramatisch alle drei Jahre, es gab so viele Bands und Persönlichkeiten. Es gab definitiv ein Wechsel in der Attitüde und dem Sound, nach dem sich die Bands richteten. Ich denke, viele der neuen Kids waren kein Fans von Punk; sie interessierten sich nicht für Politik, sie waren Fans von Hip Hop, aber mochten die Energie bei den Konzerten, speziell das Slammen. Sie hatten nicht die gleiche politische Message wie die Bands vor ihnen. Die Szene fühlte sich für mich nicht mehr wie eine diverse Szene an, es wurde mehr zu einer Gangstersache. Konzerte und Matinees waren eine Versammlung von Außenseitern – Punks, Skins, Weirdos, von zu Hause Weggelaufene, Anarchisten, Hausbesetzter – aber nun wurden die Punks zusammengeschlagen, weil sie seltsam aussahen!

In den Songs ging es nicht mehr um die Veränderungen von Sachen, sondern um Crews, ums hart-sein und die Tanzfläche wurde sehr aggressiv, da die Leute Material Arts zu ihrem Tanzstil hinzunahmen, deshalb schrieb ich „Be a man and slam“. Also, ich sage nicht, alles war schlecht, die Musik heißt Hardcore und New York ist eine harte Stadt, aber diese Wechsel waren für mich nichts. Deshalb fing ich an, auf der Bühne Make-Up zu tragen, weil ich wusste, dass die konservativen Tough Guys es nicht gut finden würden, so dass sie nicht mehr auf Konzerte kommen würden und unsere Fans zusammenschlugen. Wir spielten an vielen Fronten, sozusagen: wir spielten im CBGB mit einer OI Band, wir spielten „Squat or Rot“ Festivals mit einer Crustband, Scheisse, wir spielten sogar auf einer Biker-Rally (was ein Fehler war).

Als wir bekannter wurden und besonders als die Long Island Szene sich auflöste, wurde unser Publikum wieder gemischter. Zu der Zeit waren meine Performances eher angsteinflößend als „goofy“, aber ich denke, dass die Leute kamen, weil wir eine eigenständige Mischung aus verschiedenen Stilen und Einflüssen waren. Selbst wenn du kein HC Fan warst, würdest du unser Set unterhaltsam finden, zwischen meinen Theaterdingern und Steves Crowd teasing und der gesamten Energie der Band. Die lustige Sache bei Punk-HC Fans ist (vielleicht bei jeder Musik, die so im Underground anfängt wie Punk), dass sie sehr besitzergreifend gegenüber der Musik sind. Sie wollen nicht, dass sie sich ändert und sie wollen nicht, dass viele andere Menschen darüber Bescheid wissen.

Sie reden zudem nur über die guten alten Tage. Und ich bin keineswegs anders. Dinge ändern sich und wachsen, aber manchmal kopieren Leute und klonen etwas so viele Male, dass das Ergebnis eine arme Repräsentation des Originals ist. Ich denke, wir hielten die Dinge in Bewegung und versuchten, neue musikalische Ideen, auch textlich und sogar in unserem Auftreten. Ich weiß, dass ich Zeugs von Bands recycelte, die ich bewunderte (alte und neue Bands), aber ich versuchte immer, meinen eigenen „Spin“ dazuzugeben, um es zumindest zu einem gewissen Grad originell zu machen.

Als du meine Anfrage für das Interview bekamst, meintest du, du hättest gerade Steve und Joe zum Mittagessen getroffen, es ging um eine Wiederveröffentlichung, was plant ihr?
Wie ich schon sagte, wir diskutieren mit einem kleinem deutschen Label über die Wiederveröffentlichung unseres ganzen Kataloges als Sammlung, es ist ja alles out of print jetzt, deshalb würden wir es gerne wieder da draußen haben. Wir denken auch darüber nach, so viele Songs wie nötig zu remastern.
Was ist aus Wreck-Age geworden? Erinnerst du dich, wie ihr mit Navigator in Kontakt kamt?
Wreck-Age hörte einfach auf, nachdem sie ein grossartigen Katalog von Bands veröffentlichten. Sie halfen der HC Szene wirklich stark, für viele Jahre am Leben zu bleiben. Aber es war nie etwas, was ihnen viel Geld brachte, sie liebten einfach die Musik und mit den Bands zusammenzuarbeiten. Wir wurden ihnen durch Don Fury, der Produzent all unserer Veröffentlichungen, bekannt gemacht. Wir nahmen „Fear Love“ mit unserem eigenem Geld und ohne Label auf, wir dachten, wir finden einen Vertrieb und er sagte uns, dass Wreck-Age gerade eine SFA-Platte herausbrachte und dass sie nach neuen Bands suchen. Es war der Beginn einer langen und rundum guten Partnerschaft! Sie hatten auch Kontakte nach Deutschland, so kamen wir direkt zur Tour. Wreck-Age stellte uns Steffen und Navigator Productions vor. Er verstand unsere Rockstar-Nachfragen und vergab uns, als wir all die Nachochips und Schokolade seiner Freundin aufgegessen haben (Appetit und Drogen könnten damit zusammenhängen).
Mal sehen, ich schmeiße einfach mal ein paar Bandnamen etc. in die Runde, vielleicht fällt dir dazu etwas sein… Agnostic Front?
Die Typen sind meiner Meinung nach der NYHC. Sie und Sick of it all machen es seit Anfang an. Es gibt natürlich noch viele andere, zu viele, um sie aufzuzählen.
Youth of Today?
Ich habe sie nie viel gehört, weil ich nicht auf Konzerte ging, als die SE-Sache groß wurde. Steve war das SE-Mitglied unserer Band, vielleicht war er da. Ich traf Walter, als er bei Quicksand spielte (die ich sehr liebe) und ich denke, er ist sehr talentiert. Vor einigen Jahren waren wir bei einem Konzert auf dem gleichen Set – er spielte ein Akkustikset von HC Covers und ich war der DJ dazwischen, es war eine lustige Nacht. Wir spielten einige Konzerte mit Shelter. Anfangs war ich etwas in Rage, weil der reinste Teil in mir nicht wahr haben wollte, dass religiöser HC auch nur ein wenig Sinn machen könnte.

Aber es stellte sich heraus, dass se großartige Typen sind und ich realisierte, dass ich ein „snotty Asshole“ war. Wir hatten nie wirklich Streit mit anderen Bands, das ist nicht unser Stil. Meistens war die Szene sehr unterstützend. Wenn wir eine Band nicht mochten, spielten wir nicht mit ihnen oder sahen sie uns an. Es gab einen Vorfall, wo eine Band, die wir nicht kannten, Müll über uns erzählte. Wir waren zur gleichen Zeit auf Europatour (eine nicht-autorisierte Split live Single wurde sogar veröffentlicht). Ich konfrontierte den Sänger damit und er verneinte es. Ich war sauer, aber am Ende ist diese Art von Scheiss einfach belanglos. Wenn du Scheisse über jemanden sagst, dann solltest du auch in der Lage es, es demjenigen ins Gesicht zu sagen, meiner Meinung nach.
Würdet ihr heute vielleicht eher ein Zitat von Sopranos nehmen statt „Go home and wash your fucking shinebox” von Goodfellas, ha ha?
Ich mag immer noch gerne Zitate von Filmen, aber von den Sopranos sticht für mich nichts besonders hervor. Clint Eastwood hat einige großartige Zeilen. Auf dem letzten Demo, das wir aufnahmen, hatte ich viele Zitate von dem Film „Falling Down“.
Hat Lee Ving euch je kontaktiert wegen der Verwendung des Logos von FEAR?
Ha ha, nein, es war ja als Tribut gedacht, wir lieben FEAR! Ich sollte mal den Gesang auf das Cover von „I love living in the city“ eines Tages für Hardcore Connection aufnehmen.
Ich sah euch mehrmals, immer war es klasse, friedlich, aber es wurde viel getanzt und es waren einfach immer super viele Leute bei den Konzerten, war das in den USA ähnlich?
Wir spielen einige große Konzerte in den USA; aber nicht zu so vielen Leuten wie in Europa. Vielleicht weil es in NY jede Woche Konzerte gab, so dass weniger Leute öfters kommen. Der Pit kann ein hartes Pflaster sein und einige Leute sind Arschlöcher. Es ist eine Schande, wenn ich darüber nachdenke, wie die Leute doch besonnen bis zu einem bestimmten Grad sein könnten –don’t stage dive boots first und helf jemand hoch, wenn sie ausrutschen. Und passt mit dem ganzen Kung Fu Zeug auf – du vergisst zu pogen und den Circle Pit. Ich werde den Circle Pit zurückbringen, wenn wir jemals wieder spielen sollten!
An was erinnerst du dich als erstes, wenn du zurückschaust? Komischerweise fällt mir direkt die Story ein: Yuppicide spielten in Hamburg in der Roten Flora und weil Steve einen Playboy Bunny auf seiner Gitarre hatte, wird euch der Strom abgestellt. Ich dachte lange Zeit, das wäre ein lustiges Gerücht, aber du erwähntest die Geschichte ja schon in unserem Email Kontakt, das hast du offensichtlich nicht vergessen?
Das ist eine großartige, aber lange Geschichte. Ich würde sie gerne erzählen, aber wenn du sie für den Artikel verwendest, dann kürze bitte nichts raus, es sind eine Menge Details und sie sind wichtig. Ich habe einige Sachen vergessen und die Zeit hat noch mehr vernichtet, aber ich werde mein Bestes tun. Der Sticker: Während wir auf Tour waren, spielten wir mit einer Metalband aus Boston, es war nett, mit anderen Leuten aus den USA abzuhängen, nachdem wir in fremden Ländern Wochen unterwegs waren.

Einer von ihnen hatte einen Sticker auf seiner Gitarre von einem Mädchen in einem BH und Jeans und dort stand: „I love chicks with big tits”. Ok, nenn es unreif, aber wir dachten, es war lustig, so unverschähmt dreist und offen anstößig. Zu der Zeit war Politcally Correctness überall und es war irgendwie erfrischend, einen Sticker wie diesen zu sehen. PC war eine interessante Sache am Anfang, eine Bewegung, die Leute auf die negativen Implikationen in Wörtern, die wir verwenden, aufmerksam machte und darüber nachzudenken. Das Problem war, dass PC selber zu einer Form von Zensur wurde und der Dialog verschwunden war und das ist Punkmusik, zum Teufel noch mal, und kein Christlicher Rock! Aber ich schweife ab… wir spielten einige Konzerten mit den Typen und als sie zurück nach USA gingen, knibbelten sie den Sticker von ihrer Gitarre und gaben ihn Steve, der ihn auf eine seine klebte (Anm. Jan: Hier sollte dieser Sticker zu sehen sein).

Der Auftritt: Einige Zeit später kamen wir nach Hamburg einen Tag vor dem Konzert. Unsere großzügigen Gastgeber nahmen uns mit zu einem Spermbirds Konzert und wir hingen ab, redeten über Politik und Musik bis spät in die Nacht und lernten uns einfach kennen. In der nächsten Nacht spielten wir in der Flora. So wie ich das verstand, war die Flora ein sehr linker Laden und sie hatten ein Komitee, dass die Bands mögen musste, keine rassistischen oder sexistischen Bands etc. Dieses Detail hatte ich vergessen, aber Steve (unser nüchternes Mitglied) hat eine viel klarere Erinnerung: die Band, die vor uns spielte, waren so Red Hot Chili Peppers-Style und hießen The Cucumber Boys (oder so ähnlich) und die meisten ihrer Songs waren über Schwänze und ficken.

Also, ihr Set wurde nicht unterbrochen, was im Rückblick sehr komisch ist. Wir spielten danach und waren gerade mit dem dritten Song fertig. Steve spielte eine Gitarre mit einem Snowboardsticker drauf, auf dem ein Pinup -Girl zu sehen war (ich meine, es wäre ein Vargus Sticker, aber er hat die bessere Erinnerung). Eine offensichtlich betrunkene Frau im Publikum fing an, uns zu beleidigen, bei einem Punkkonzert nichts Ungewöhnliches und weil wir nicht Deutsch sprachen, konnten wir die Beleidigungen nicht verstehen, aber wir verstanden schon… Später fanden wir heraus, dass sie sich von den Pinup-Sticker auf Steve´s Gitarre verletzt fühlte. Während dem vierten Song schmiss die Frau eine Flasche auf Steve, die die Saiten seiner Gitarre zerstörte. Steve war angepisst und ich auch.

Eine Flasche werfen ist scheisse gefährlich und es war pures Glück, dass der einzige verursachte Schaden einige Gitarrensaiten waren. Ich sagte ihr, sie wäre ein verdammtes Arschloch und wir würden eine zurückwerfen, wenn sie den Scheiss noch mal probieren täte (oder irgend so was sagten wir). Für mich ist das einfach ironisch, dass jemand ein Bild so verletzend findet, dass er darauf gewalttätig reagiert – ist das nicht viel schlimmer? Steve wechselte seine Gitarre und benutzte nun die mit dem Titten-Sticker. Die Frau im Publikum drehte völlig durch! Dann schrie sie den Soundtyp an, den sie offensichtlich kannte und er stellte den Sound ab – mitten im Song! Wir waren angepisst!!!! Das Publikum war auch angepisst und die einzige Person, die uns nicht spielen sehen wollte, war diese Frau.

Wir versuchten, zu spielen, aber es war nur Schlagzeug, deshalb schrien wir den Soundman an und so auch das Publikum. Dann rief Steve irgendwas wie „Willkommen zur Zensur! Sieht so aus, alles wäre es in Deutschland wieder wie 1933!“ Dazu muss ich sagen, dass die Großmutter von Steve Jüdin ist und er war so sauer, als wir die Gedenkstätte Dachau besuchten, er fühlte, dass solch ein schlimmer Platz dem Erdbeben gleich gemacht werden sollte… aber er salutierte mit Nazigruss beim Soundman, damit die Message ankommt! Der Soundtyp machte den Sound nicht mehr an, wir gaben auf und zogen uns in den Backroom zurück. Das Nachspiel: ich dachte, es würde zu Kämpfen kommen mit Leuten, weil wir den Nazigruß machten, ich weiß, dass ist wie das N-Word hier zu verwenden, aber ich dachte mir, dass Steve das durfte. Deshalb gingen wir aus dem Raum wieder raus und fanden das Publikum heftig am diskutieren, sie debattieren darüber, ob der Sticker die Aktion rechtfertigte.

Es stellte sich heraus, dass die Frau Teil des Clubs war, ich denke, sie verpasste die Vorband mit all den Penis-Songs! Unsere Gastgeber und neuen Freunde erklärten, dass wir einen konfrontativen Humor haben und das wir keine Arschlöcher sind. Wir waren einfach total fassungslos von dem ganzen Ding. Es wurde im Zap erwähnt und verfolgte uns den Rest der Tour. Ein Typ kam in Zürich (oder irgendwo anders) mit einem hand beschrieben „I love chicks with big tits“ T-Shirt an. We thought that was hilarious. Epilog: Zurück in NY bekam ich ein Tatto von Dan Higgins in dem Haus eines Freundes. Ich musste pissen gehen und in seinem Badezimmer war ein Poster an der Wand, auf dem das Design des Stickers und noch viel mehr war. Ich fragte dazu was und mir wurde erzählt, dass die Firma, die diese Sticker macht, den Namen Old Ghost Desgin hatte, erschaffen von John Grigely, der für Visions skatete. Er rief John an, der aus Los Angeles in der Stadt war für eine Kleider-Konvention.

Wir lernten uns kennen, wurden Freunde (er ist immer noch ein Freund!) und er sponserte uns. All die Schwänze und Titten Shirts, die ich jemals auf der Bühne trug, waren seine. All das wegen einem dummen Sticker.
Yuppicide waren eine tolle Band, mit politischen Texten, aber auch eine undogmatische Band, mit Fun Attitüde, einer guten Botschaft, gute Musiker, aber keine Poser… was war die Band für dich? Ist es nur eine Fanperspektive aus Europa, der niemals hinter der Bühne war und all die geldgeilen Yuppies von Yuppicide sah, wie sie ihr Geld vom Merch auf den Kopf hauen und an der Wall Street zocken, ha?
Ich denke, deine Beschreibung ist eine sehr schmeichelhafte und wir wollten in diese Richtung gehen. Wir lösten uns am Höhepunkt unserer „Karriere“ auf, deshalb denke ich nicht, dass man uns Geldmacherei vorwerfen kann. Ich wünschte, wir hätten in Japan spielen können und ich hörte, dass Südamerika super ist. Ein deutscher Fan kam mal zu der fancy Bar, ich der ich arbeitete (die auch einen kleinen Yuppie-Anteil in Sachen Besucher hatte) und war so enttäuscht, dass er mich dort bei der Arbeit sah, ich denke, dass war für ihn das gleiche, wie als Sting als Page in Quadrophenia zu sehen war, ha ha. Ich sagte ihm, dass ich Rechnungen bezahlen muss und dass du immer nah bei deinen Feinden sein musst.
Denkst du, wir sehen euch noch mal live in Europa?
Nun ja, wir werden sehen, wenn die Wiederveröffentlichung raus ist, könnte es zu einer Tour kommen.
Hast du noch nen Gruß an unsere Leser?
Wir wertschätzen wirklich euren Support, es tut immer gut, von jemand zu hören, das er das mochte, was wir taten. Ohne euch wäre es Scheisse gewesen. Wir haben eine Mypsace-Seite (myspace.com/yuppicide).

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Einleitung und Zusammenstellung: Jan Röhlk
Kontakt: myspace.com/yuppicide, Layoutmaterial: Jesse und verschiedene Leute, u.a. Mounir, Mat, Matze OW, Markus etc.

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