März 28th, 2017

Yesterday’s Kids – Tim Hackemack

Posted in bücher by Dolf

Hirnkost, Fidicinstr. 3, 10965 Berlin, www.jugendkulturen-verlag.de

Im Vorwort schreibt der Autor: „Mir ist bewusst, dass man diese Menschen nicht in einen Topf werfen kann. Zu unterschiedlich sind ihre Lebensansätze, ihre politischen Ansichten, ihr Verständnis von Punk. Trotzdem mache ich genau das in einem Buch.“ Und genau das ist Fluch und Segen zugleich. Dazu später mehr. Hackemack hat 77 Menschen, die über 40 Jahre alt sind und sich entweder als Punks bezeichnen, sich mal so bezeichneten oder aber aus einer anderen Szene kommen, die vermeintliche Berührungspunkte mit Punk hat, porträtiert. Die jeweiligen Porträts umfassen einige Fotos, meist schwarzweiß, aber auch viele farbige sowie ein Interview, welches meist ähnlich aufgebaut, (Wann und wie bist du zum Punk gekommen, …) aber zum Glück auch immer individuell an den Gesprächspartner angepasst ist.

Entstanden ist ein schönes Zeitdokument, welches darstellt, wie unterschiedlich Punk sein kann. Hier werden nicht – wie sonst so oft – nur „berühmte“ Personen gefeatured, sondern auch Leute die eben nicht so bekannt sind. Dadurch wird das ganze natürlich manchmal ein wenig trivial (einige Leute sind auch nur mit Fotos im Buch), aber eben auch sehr authentisch. Viele der vorgestellten Leute haben auch bewegte Lebensläufe hinter sich und gute interessante Sachen zu sagen – aber eben nicht nur. Einige der vertretenen Männer sind (oder waren) als Gewalttäter über ihre Stadtgrenzen hinaus bekannt und/oder haben sich – um es mal freundlich auszudrücken – in der Grauzone bewegt. Für diese Personen ist (oder war) es legitim, andere Menschen, welche eine abweichende Meinung haben, oder einfach nur so aus Spaß, zu verprügeln oder eben mal eine aufs Maul zu hauen. Das ist schon schlimm genug, unerträglich ist es aber, wenn man dann liest das sich die Leute zum großen Teil von ihrer gewalttätigen Vergangenheit heute nicht distanzieren, sie reflektiert betrachten oder sich bei ihren Opfern entschuldigen. (Hier hätte der Autor deutlich nachfassen müssen.) Aber und da kommt man nicht dran vorbei, auch diese Typen waren und/oder sind ein Teil der Punkszene (Achtung! Identitätsfalle!). Traurig aber wahr. Wenn man das mal verdaut hat, sich dann damit tröstet, dass man die halt nicht wegdenken kann – ist es eigentlich prima, das auch diese Typen hier zu Wort kommen. Denn der aufmerksame Leser ist ja nicht doof und kann leicht erkennen, wer Teil des Problems gewesen/ist und eben nicht Teil der Lösung. Ob das die Absicht vom Autor war, wage ich zu bezweifeln, aber wie Anfangs erwähnt, es ist eben Fluch und Segen. Natürlich hat nicht jede/r hier ganz tolle Statements abzugeben, sicher auch nicht die Intension von Hackemack. Insofern eigentlich ein wirklich tolles Buchprojekt, wo sehr viel erfahren werden kann und auch an einiges erinnert wird, das man am liebsten vergessen hätte. Denn auch wegen diesem AsiProllPunk hat sich in den frühen 80igern die Hardcore-Punk Szene entwickelt, die eben nichts mit Fußball vernarrten, selbstgerechten, destruktiven, gewalttätigen Mackern zu tun haben wollte. 500 Seiten, 21,55 x 28,5 cm, Gebunden. 36.- Euro (dolf)

Isbn 978-3945398-15-9

[Trust # 182 Februar 2017]

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