August 4th, 2014

WÜSTENSÖHNE (# 62, 02-1997)

Posted in interview by Jan

Die Wüstensöhne reißen nun schon seit 5 Jahren ihr Publikum zu immer neuen Begeisterungsstürmen hin. Die virtuose Beherrschung ihrer Instrumente, sowie die bis ins kleinste Detail ausgefeilten Arrangements haben die beiden Filigran-Musiker bis weit über die Grenzen der Ortenau hinaus gebracht.

Unvergessene Auftritte mit den Größen des Geschäftes, wie zum Beispiel „Monster Blut und Galgen“ und „Ende des Trommelfells“, sowie ungezählten Soloauftritten haben diese Ausnahmeband nicht ohne Grund in den Assel-Kultstatus erhoben. Wer denkt für die beiden Künstler sei der Begriff  „Multimedia“ nur eine leere Worthülse, der irrt.

Mit den modernsten, technischen Errungenschaften ziehen sie das Publikum in den Bann ihrer vielschichtigen und hintergründigen Bühnenshow und schaffen so ein faszinierendes Novum an Vision und Klang.

Die musikalischen Einflüsse, die von dieser Band ausgingen sind ebenso unzählig, wie unsäglich. Keine nahmenhafte aktuelle Band könnte leugnen, nicht hier kopiert zu haben. Bekannte Namen, wie der Blechtrommler Oskar und Dave Lombardo gingen in der Kirchstraße lange ein und aus, um vom Meister der Holzplatten zu lernen. Gitarrengrössen wie Mike Krüger und der unvergessene Ricky King lernten hier den einen oder anderen Kniff vom Herrn der fünf bis sechs Saiten.

Schneller – härter – lauter ist wohl niemand. Trotz dieser Superlative haben wir es gewagt bis ins Beduinenzelt dieser Wüstenrocker vorzudringen und außerdem keine Ausgaben gescheut um exklusiv fürs TRUST ein Interview zu ergattern.

Interview: Sven Kruse & Alex Kafka

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In eurem Kassetten-Booklet stehen einige Infos über euch, wo ich nicht ganz durchsteigen kann. Zuerst einmal, was hat das mit dem „echten Betonbaukammmersieger“ auf sich?

C: Das ist was ich gelernt habe, sozusagen mein Abschlus .

J: Er ist Betonbauweltmeister!

C: Ja, das hat was mit Beschallung zu tun, Deckenbeschallung.

J: Wir müssen hiermit gleich einmal deutlich klarstellen das wir beide aus der Arbeiterklasse kommen.

Beide? 

J: Ja natürlich, ich bin gelernter Mechaniker, Kfz-Mechaniker, unser Handwerk ist gelerntes Produkt.

C: Man kann also sagen: „Er repariert wenn andere resignieren, oder so“.

Was macht ihr beide momentan?

C: Ich studiere, Betriebswirtschaft.

Ein WIWI  also! 

Int.2: Nein, das sind Wirtschaftswissenschaftler !

J.: Stimmt, doch das ist ziemlich nah dran.

Jörg, in dem Booklet habe ich gelesen das du ein „Fast-Diplomingenieur“ bist. Wie viel fehlt dir da noch? 

J: (korrigierend) Das heißt nicht fast, das bedeutet FAST (engl. fast=schnell)!

Also gut, doch wenn das so schnell ging wie lange hast du dazu gebraucht?

J: (nochmals korrigierend)  Nein, das FAST bezieht sich wiederum nicht auf die Studiendauer.

C: Das bezieht sich auf unsere Musik, da wir schnellen Punk spielen.

Ihr macht also schnellen Punk?

C: Ja eigentlich schon, doch es bezieht sich auch auf die Kombination „schneller-härter-lauter „.

Um jetzt auf eure Kassette „Die Wüste lebt“ zu sprechen zu kommen. Wie lange gibt es sie schon, wann ist sie erschienen?

J: Die Songs sind teilweise schon einige Jahre alt, darunter auch unsere Erstlingswerke. Wir haben alles vor ca. 1 Jahr aufgenommen.

Warum ist das Tape erst jetzt erhältlich?

J: Die Kassette gibt es eigentlich schon immer, die gibt`s für Freunde und Familienangehörige an Weihnachten und Geburtstagen sozusagen.

C: Auch für Tramper, die fürs mitnehmen natürlich eine kaufen müssen.

Wenn die Songs doch schon einige Jahr alt sind, dann müsstet ihr doch eigentlich schon massig neue Lieder haben, bei eurem Tempo? 

C: Ja das stimmt, momentan sind wir in einem Stadium, wo wir jede Probe zwei bis drei neue Lieder spielen, doch es gibt halt immer wieder Neue und wir haben keine Zeit die alten Lieder nochmals einzuspielen.

Warum gibt`s eigentlich keine Single von euch?

C: Das hat was mit unserem Konzept zu tun, Prinzipien und so, du verstehst!

Wer singt von euch?

J: Beide! Der wo den Song geschrieben hat, der singt ihn normal auch. Meistens ist es Halb / Halb.

Mir ist aufgefallen das unter den eher „unsinnigen“ Texten auch einige sehr ernste und kritische Texte zu finden sind. Ist einer von euch beiden der Ernstere?

C: Nein eigentlich nicht, das sind wahrscheinlich die älteren Songs die du meinst. Am Anfang waren wir noch mehr motiviert über ernstere Themen zu schreiben.

Um was dreht sich der Text zu „6 Spindeln“?

J: Also gut, da muss ich nochmals auf unsere tragende Rolle in der Arbeiterklasse aufmerk-sam machen. Der Text bezieht sich auf meinen Ferienjob in einer Nadellagerfabrik, vor ca. 5 Jahren. Da gab es 6 Spindel Drehautomaten, die einen Höllenlärm machten und die Schichtarbeiter dort stehen sozusagen ihr ganzes Leben lang an so einer Maschine, und die 6 Spindeln drehen sich unaufhörlich. Das hat mich damals irgendwie für diesen Text inspiriert.

Ist das deine Abrechnung mit der Arbeiterwelt ?

J: Ich weiß nicht, wir wollten halt einmal ein echtes Industrial Stück machen.

C: Die meisten Stücke entstehen auf diese Weise.

J: Wir brechen Stücke vom Zaum !

Was mich interessiert. Warum spielt ihr nur 3 bis 4 Mal im Jahr, wenn überhaupt?

J: Das ist eine Motivationsfrage. Es kostet viel Zeit sich darum zu kümmern, viel Zeit die wir nicht haben, da wir alles selber machen. Ich meine, ich bin überzeugt das man jede Woche spielen könnte wenn man wollte, doch man muss Flugblätter verteilen, Leute anschreiben und die Shows vorbereiten

Warum habt ihr keinen Manager ?

C: (lacht) Das kommt dann wenn ich fertig studiert habe, dann können wir uns das leisten. Nein, das hat natürlich wieder etwas mit unserem Gründungsmotto zu tun.

Ich habe gehört das ihr manchmal auf irgendwelchen bizarren Geburtstagsfeten als Überraschungsgäste auftretet.

J: Ja, bei meinen Betriebschef zum Beispiel oder bei 12jährigen Kids.

Wie seid ihr zu dem Auftritt bei deinem Chef gekommen ?

J: Keine Ahnung, er ist einfach sehr locker und wollte sich einen Spaß daraus machen seine Gäste zu schockieren.

C: Was leider nicht ganz gelungen ist.

J: Er hat uns auch vorher schon einmal auf einem Schulfest spielen sehen, das sehr kultig war.

Wie viel mal seid ihr letztes Jahr aufgetreten ?

J: (Nach längerem überlegen) 3 Mal genau.

Was macht ihr zwischen den Auftritten?

J: Dann proben wir normalerweise, oder auch nicht. Das hängt davon ab ob Christian zur Probe erscheint.

Doch was ich meine, wie kommt alles zustande. Ihr habt ja ein sehr großes Beiprogramm, das fast genau so viel ausmacht und das ja mehr oder weniger aktuell ist. Das muss ja auch irgendwann geprobt werden.

C: Jaa (zustimmend), das wird ca. 10 Minuten vor dem Auftritt gemacht, oder während des Konzertes entschieden und natürlich beim nächsten Mal übernommen.

J: Stimmt, wir haben natürlich Witze, die einfach so gut sind das wir sie von Anfang an immer wieder zeigten.

Was ich nicht ganz verstehe. Da steckt doch eine hintergründigere Komik dahinter, so kommt es mir zumindest vor.

J: Das ist natürlich gut, wenn es bei dir so ankommt. Ich meine, wenn uns was gutes einfällt dann bringen wir es spontan.

Also ist es nicht die tiefe Weltveränderungstheorie dahinter?

C: Eigentlich nicht. Ich bin auch selber nie zu Konzerten gegangen um mich von den Verbesserungstheorien der Bands aufklären zu lassen oder mich in meiner Lebensweise korrigieren zu lassen und normalerweise verlasse ich ein Konzert auch nicht mit dem Gedanken das die Welt für mich dann besser aussieht.

Dann erwartet ihr auch nicht, dass jemand eure Texte liest und sich mit ihnen auseinandersetzt oder sie überhaupt ernst nimmt. Wieso druckt ihr sie dann überhaupt ab? 

J: Gute Frage, doch ich denke wir haben auch ernste Themen in unseren Texten und machen nicht einfach nur Nonsens. Doch während des Konzertes wäre es schwer zu glauben das überhaupt irgend jemand die Textzeilen raus-hören kann.

Die zweite Sache ist ja eure Video- und Diashow, die ja eigentlich sehr kritisch ist und tragische und auch aktuelle Themen behandelt.

Int 2: Ja, die Szene mit dem Skifahrer zum Beispiel (Skifahrerunglück 1996).

C: Das ist füs Kontrastbild. Die oft sarkastischen Witze mit den tragischen Szenen im Hintergrund (Video/Diashow) – das hebt natürlich den Kontrast.

Doch euch geht es hauptsächlich um den Spaßfaktor?

J: Man kann auch mit ernsten Themen Spaß haben!

Aber ihr wollt niemand die Augen öffnen?

J: Nein, das geht auch gar nicht in 1 1/2 Stunden. Wir wollen, dass die Leute Spaß haben und nicht auf unsere Konzerte kommen um Neuigkeiten zu erfahren.

Was ist mit dem „Politischen Lied“?

J: Ja natürlich, da geht es um diese Weltverbesserungstheorie, die sich jeder gerne auf die Fahne schreibt, doch auf der anderen Seite auch mit der ganzen Sinnlosigkeit des Selbigen. Es gibt natürlich vieles das einem nicht so gut gefällt, doch ob man es auch ändern kann oder ob diese Veränderung letztendlich etwas bewirkt ist eine andere Frage.

Was ist mit eurer früheren Band  „EDT“ (Ende Des Trommelfells), um was haben sich da eure Texte gedreht? Waren sie damals politischer?

J: Da hatten wir natürlich solche Texte, mit denen wir die ganze Weltlage in zehn Zeilen beschrieben und gleichzeitig für schlecht empfunden hatten.

Kleine Hexe?

J: Nein, das ist ja unser Black Metal Lied. Aber vielleicht kennt ihr den Song „Bundeswehr“. Nachdem wir den Text geschrieben hatten, mussten wir nichts mehr erklären, es war alles gesagt und alle Fragen beantwortet. Ich meine da lag es natürlich klar auf der Hand das wir nichts für die Bundeswehr übrig hatten.

Lest ihr Texte von anderen Bands und wie steht ihr zu deren Botschaften?

C: Das ist heikel, ich finde man kann sich leicht lächerlich machen. Es muss auf jeden Fall das Gesamtkonzept stimmen. Wenn du dir unsere Videoshow anschaust, dann ist das natürlich kein Zufall das dort ernste Themen gezeigt werden, abgesehen davon, dass wir natürlich auf Explosionen stehen. Das alles kannst du mit Texten nicht erfassen.

J: Das Konzept unserer Bühnenshow ist, dass immer etwas passieren muss auf das man sich konzentrieren kann. Uns ist wichtig den Kontrast zwischen der Tragik und Komik zu zeigen.

Gab es bei EDT auch schon eine Bühnenshow?

J: Damals gab es eine Diashow, welche unsere Lieder interpretieren sollte. Doch es gab kein richtiges Konzept. Auf jeden Fall liegen unsere Wurzeln in EDT.

Wie hat es mit EDT angefangen ?

C: Das waren einst Ideen, die von Zeit zu Zeit von den Bandmitgliedern, meistens zwei davon, in die Realität umgesetzt wurden. So wie wir immer davon geträumt haben vor riesigen Marshall-Wänden zu spielen, sie dann selber bauten und jetzt immer noch dabei haben.

Wo liegen eure musikalischen Wurzeln?

C: Seine Wurzeln liegen natürlich in der Blaskapelle. Die Band gibt es seit Jörg mich auf der Schule darauf ansprach. Es hat alles,  wie vielmals,  mit einer Kassette angefangen, auf der eine Seite mit Metallica und die andere mit Slayer bespielt war. Doch nach einer kurzen Metalphase sind wir dann beide zum schnellen Punk gekommen.

J: Doch die Pyro Technik dieser Jungs war gar nicht schlecht, das hat mich doch sehr begeistert als ich auf dem Running Wild Konzert war.

C: Anfangs waren wir zu viert und mehr sind nie dazugekommen, eigentlich hat sich die Bandbesetzung laufend geändert. Bis zum Tag der deutschen Einheit, damals wollte die eine Hälfte ein unangemeldetes Konzert in der Stadtmitte veranstalten und die andere Hälfte hatte sich eindeutig dagegen ausgesprochen, seitdem gehen wir getrennte Wege.

Die Geburtsstunde von Wüstensöhne also?

J: Ja genau. Unser erstes Lied war auch passenderweise „Liebe-Treue-Herz und Schmerz“.

Wie alt wart ihr damals?

J:  20.

C: 18.

Welche Instrumente habt ihr in der Blaskapelle gespielt ?

J: Trommel.

C: Trompete.

Habt ihr niemals daran gedacht andere Instrumente in eure Musik einzubringen?

J: Nein, ich denke zu zweit ist das nicht so effektiv und Schlagzeug und Trompete wäre auch nicht gerade der Bringer. Doch du darfst natürlich nicht unseren Akkubohrer und den Schlagschrauber vergessen. Bei einem Song haben wir ein Klavier als Bass eingesetzt, da wir immer noch keinen Bassisten haben.

Habt ihr nach der Bandtrennung nie wieder daran gedacht euch zu vergrößern?

C: Einmal war einer da, der danach aber nie wieder kam. Er war ein Opernsänger der sein Handwerk studiert hatte. Er war überzeugt Punkmusik wäre eine gute Kombination zur Opernmusik. Doch er staunte nur wie wir zu singen pflegten.

Also wird es erst einmal bei zwei Leuten bleiben?

J: Natürlich hätten wir gerne ein paar Roadies, die unser ganzes Spielzeug hin und her tragen, da es meistens sehr stressig ist das ganze Bühnenequipment zu transportieren oder das Bühnenbild zu wechseln. Doch wir haben gelegentlich auch Hilfen, wie meine Schwester, die uns als Backgroundsängerin diente oder meine Freundin, die mich einmal auf dem Anrufbeantworter beschimpfte.

Wie geht es jetzt weiter?

J: Eigentlich geht es sehr flott weiter. Im nächsten Vierteljahr spielen wir zwei Shows. Viel-leicht unser Rekordjahr.

Riecht das nach Ausverkauf ?

(Gelächter)

Wird es Merchandising-Stuff geben?

J: Ja, jede Menge. Platten, Bücher, Bandcomics, abgekaute Fingernägel. Die totale Vermarktung.

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D I E    T O T A L E    V E R M A R K T U N G     ! ! ! 

Wenn ihr den zweiten Teil dieses spannenden und aufschlussreichen Interviews lesen und mehr tolle Geschichten vom Kultassel, Metal Poserfestival und dem Konzert der Walpurgisnacht erfahren wollt, schreibt an das TRUST Magazin unter dem Stichwort: „Die  Wüste lebt“.

Bei großer Resonanz drucken wir den PART 2 in einem der folgenden Hefte ab. Der 100. Einsender bekommt außerdem ein Wüsten-söhne Überraschungspacket portofrei ins Haus geschickt.

 

 

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