Mai 10th, 2017

WHAT HAPPENS NEXT (#83/08-2000)

Posted in interview by Jan

Es ist schon erstaunlich wenn eine Band aus San Francisco als massiven Einfluß auf ihre Musik Bands wie CHALLENGER CREW oder EVERYTHING FALLS APART nennt. Ohne Frage großartige HC-Bands, die aber heutzutage nicht einmal in Deutschland noch als besonders herausragend angesehen werden.

Es ist ebenso erstaunlich wenn eine Band neben ihren schon guten Texten ellenlange und sehr unklischeehafte Erläuterungen zu diesen Texten gibt und der Fokus nicht auf „Szenetypisches“ gerichtet ist. Und daß eine Band dabei auch noch rockt wie Scheiße, ist genauso erstaunlich. Grund genug ein Interview mit Max zu führen, der neben WHAT HAPPENS NEXT noch bei diversen anderen Bands spielt (von denen SPAZZ wahrscheinlich die bekannesten sind) und ein Label namens 625 Productions betreibt.

Ihr scheint ja alle szenemäßig ziemlich aktiv zu sein. Vielleicht ist aus diesem Grund eine kleine Band-Story angemessen.

Nun, 1989 bin ich bei der Grindcore-Band PLUTOCRACY eingestiegen. Die hab ich 1992-93 verlassen und habe dann mit Dan zusammen SPAZZ gegründet (Chris ist dann gleich nach der EP zu uns gekommen). Zwischendrin hatte ich ein paar Projekte, z.B. BOMB OF DEATH mit Steve von ASSUCK und wurde dann gefragt bei CAPITALIST CASUALITIES einzusteigen. 19989 habe ich mit Devon WHAT HAPPENS NEXT gegründet und PLUTOCRACY haben sich auch wieder reformiert und eine LP aufgenommen. Ich hab dann mit B von END OF CENTURY PARTY eine Band namens NO SUCH THING gestartet. Ich spiele jetzt also in 5 Bands und habe für später in diesem Jahr noch ein paar Projekte geplant.

Und wie siehts bei den anderen aus?

Also, Craig (Gitarre) hat in YOUR MOTHER gespielt, die sich kürzlich aufgelöst haben. Seine jetzigen Bands sind CHU CHI NUT NUT und PINECONE EXPRESS. Robert (Bass) organisiert Konzerte in San Francisco, spielt außerdem noch bei ATRIMUS PYLE und BRAIN BLOOD VOLUME, kümmert sich um die Post beim Maximum Rock´n´Roll und geht manchmal mit Bands auf Tour (SUBHUMANS, BY ALL MEANS,…). Devon (Gesang) hat ein Metallabel mit Plattenladen. Ich mach auch noch das Label 625 Productions und hatte mal ein (Demo-)Fanzine names Mosh of Ass, das ab sofort im Short, Fast & Loud Fanzine miterscheint. Ab und zu mach ich auch Konzerte.

Wie alt bist du, warum bist du Punk geworden und vor allem warum bist du es immer noch?

Ich bin 26 und bin zu Punk gekommen als mich meine Schwester mit zu einem Konzert genommen hat als ich 11 Jahre alt war. So mit 12/13 hab ich dann angefangen, selber zu Konzerten zu gehen und ich habe einige phantastische Konzerte in den Mabuhay Gardens, im Rock on Broadway und der Farm gesehen. Die Energie der Konzerte hat mich von Anfang an faszniert und ich glaub das tut sie heute noch. Genau wie die Anti-Establishment- und DIY-Einstellung der Szene.

Welche Bands haben deiner Meinung nach diese Energie?

Als ich damals zu Punk gekommen bin, mochte ich verrückte, schnelle Sachen. Ich hatte damals ein Tape einer alten Radioshow, die sich meine Schwester immer angehört hat und da waren Bands wie A.O.D., TERVET KADET oder DR. KNOW drauf. Ich wußte damals gar nicht, welche Bands das waren, das hab ich erst viel später raustgefunden als ich Platten gekauft habe und die Songs wiedererkannt habe. Konzertmäßig fand ich damals 7 SECONDS, RKL oder THE FACTION großartig. Ich kann mich auch daran erinnern einen Haufen ausländischer Bands gesehen zu haben, die live göttlich waren: INDIGESTI oder BGK z.B., aber ATTITUDE ADJUSTMENT waren die Band die mir bewiesen haben, wie energiegeladen und „active“ Konzerte sein können. Ein Schlüsselerlebnis war vielleicht als ich einmal zu einem RKL und JUSTICE LEAGUE Konzert gegangen bin und die eine Band, deren Namen ich nicht kannte, auf der Bühne stretching gemacht hat. Ich fand das zuerst unheimlich albern, aber als sie angefangen haben zu spielen, war ich vom ersten Akkord an von ihnen fasziniert. Die Band war YOUTH OF TODAY, die gerade die „Can´t close my Eyes“ veröffentlicht hatte. They fucking blew me away!!! Heutzutage sind es Bands wie LIFE`S HALT, SOCIETY OF FRIENDS und NO JUSTICE, die diese Energie bei Konzerten haben und mich an die alten Bands erinnern.

Würdest du WHAT HAPPENS NEXT als eine politische Band bezeichnen?

Einige unserer Texte behandeln soziale bzw. politische Themen, insbesondere was die Situation in der „3. Welt“ betrifft. Aber die meisten unserer Texte sind eher persönlich und introvertiert oder beides gleichzeitig. Wir hatten ziemlich viel positive Resonanz auf unsere Texte und die Texte sind für uns auch ein sehr wichtiger Aspekt der Band.

Was macht ihr neben der Band? Wie verdient ihr Geld?

Ich arbeite bei einer Software Firma. Einige Leute schienen geglaubt zu haben, daß ich von meinem Label lebe, aber es ist meine persönliche Überzeugung, daß man anfängt, Entscheidungen aus finanziellen Gründen zu fällen, wenn man von einem Label leben will. Und das ist etwas, das ich nicht will. Natürlich bedenke ich Kosten, aber ich geh auch Risiken ein und halte meine Ausgaben gering, da ich weiß, daß ich das Label immer durch meinen Job unterstützen kann. Devon (Gesang) hat einen Laden für japanisches Spielzeug und Musik, auerdem hat er ein Metal-Label namens Howling Bull America. Robert (Bass) arbeitet in der Gewerkschaft und Craig (Gitarre) arbeitet in einem Buchladen.

Ihr behandelt ja nicht unbedingt die klassischsten HC/Punk-Themen. Hast Du das Gefühl, daß die meisten Punkbands heutzutage nichts mehr zu sagen haben? Glaubst Du, daß man daran etwas ändern kann?

Ich glaube es liegt nicht unbedingt daran, daß Bands heut nichts mehr zu sagen haben, sondern viel mehr daran, daß irgendwie schon alles gesagt wurde bzw. schon in der gleichen Art ausgedrückt wurde. Die beschissenen minimalistischen Politik-Texte von irgendwelchen Crust-Punks gehen mir sehr auf die Nerven… die haben null Ahnung von linker Politik abseits von schlechten Punk-Covern. Mit Straight-Edge-Texten ist es genauso. Klar, man wird ständig von Freunden enttäuscht, aber ich brauche mit nicht zum millionsten Mal Texte über „backstabbing“ anhören. Die Ideen unserer Szene stagnieren und sind zum größten Teil sehr inhaltsleer.

Aber was ist mit diesen ganzen Emo-Bands, die nur Lieder über bescheuerte Junge/Mädchen-Beziehungen machen. Keine Ahnung wie das zur Zeit in den Staaten ist, aber Bands wie THE GET UP KIDS oder JIMMY EAT WORLD sind gerade sehr populär hier. Und die haben weißgott nichts zu sagen, was aber bestimmt nicht daran liegt, daß alles gesagt wurde.

Solche Bands gehen mir am Arsch vorbei. Die erinnern mich an Schulbands, deren Sänger nicht den richtigen Ton treffen… jetzt gilt es als cool und emotional, wenn der Sänger keine Melodie halten kann. Ich hasse das, aber was solls. Sollen die von MTV entdeckt werden, dann brauchen wir uns nicht mehr mit denen rumärgern.

Was nervt dich am meisten an den Szene?

Mir vorzustellen, daß die jetzige Situation sich in der Zukunft nicht ändert. Es vergeht kaum ein Konzert ohne Schlägereien oder ohne daß irgendein besoffener Vollidiot seine Freundin schlägt. Wie können wir anderen sagen, daß sie scheiße sind, wenn wir nicht einmal ansatzweise unsere eigenen Ansprüchen gerecht werden.

Und was nervt dich am meisten an der „normalen“ Gesellschaft?

Scheiße, wo fang ich an?

Glaubst Du, daß Alter ein entscheidenden Einfluß darauf hat wie ein Mensch mit Dingen umgeht? Wie sieht es da insbesondere szenespezifisch aus, sind jungen Kids, die gerade erst Punk für sich entdecken, andere Sachen wichtig als Leuten, die schon jahrelang „dabei“ sind?

Ja, klar. Je älter du wirst, desto mehr erkennst, was dies alles wirklich ist: eine Musik- und Jugendbewegung mit ihren eigenen Problemen und Misverständnissen. Die jungen Kids bringen natürlich mehr Energie und Vitalität in die Szene, insbesondere da wo die älteren Kids lahmer werden. Beide Altersschichten sind wichtig: die alte für Erfahrung und Klarsicht und die junge für Energie und neue Ideen.

Wie sieht es deiner Meinung nach mit der Kultur bzw. dem Land aus, in dem wohnst: welchen Einfluß haben die auf das Individuum?

Deine Szene reflektiert natürlich auch die Gesellschaft wieder, in der sie existiert… logisch. Die Hausbesetzer-Bewegung in Europa hat viel mit Punkrock zu tun, in Amerika gibt es kaum besetzte Häuser. Diese ganze Politik hat die Szene in Europa sehr beeinflußt. In Japan kosten Konzerte mit einheimischen Bands zwischen DM 25 und DM 40. Konzerte tourender Bands kosten ca. DM 60 und das ist schon billig für da. In Japan ist alles so unglaublich teuer, aber ein Effekt ist, daß nur Leute zu Konzerten gehen, die es auch wirklich interessiert. Das hat alles einen maßgeblichen Einfluß darauf, wie ein Szene arbeitet.

Wieviel weißt du denn über Szenen in Ländern abseits der USA bzw. den gängigen europäischen? Bist du schonmal da getourt? Wo liegen deiner Meinung nach die größten Unterschiede?

Ich war zweimal in Japan und bin 1994 durch Europa gereist. Meine Meinung ist nicht nur meine persönliche Erfahrung, sondern auch das was ich von anderen Leuten gehört habe, die andere Szenen erlebt haben. Wie gesagt, ich glaube, daß die größten Unterschiede darin liegen, daß sich in den Szenen die verschiedenen Gesellschaften wiederspiegeln. In Brasilien beispielsweise ist Gewalt bei Konzerten etwas sehr Normales. In den USA geht das alles mehr in Richtung Spektakel, weil es so verdammt leicht ist, hier Punk zu sein. Es ist keine Gefahr mehr und die Kids werden langweilig und uninteressiert. In Japan sind Konzerte halt so teuer, daß nur wirklich Interessierte da sind… nicht so wie hier in den USA wo die Kids, die Konzerten kommen sich selten für das Konzert interessieren, sondern viel mehr dafür sich zu besaufen oder scheiße zu sein…

Wie wichtig ist dir eine Vielzahl von verschiedenen Ansichten innerhalb der Szene? Wo sind deine Grenzen? Welche Sachen akzeptierst du auf gar keinen Fall und was tust du um bestimmte Scheiße, wie Faschismus, Sexismus oder Christentum, aus der Szene herauszuhalten?

Verschiedene Ansichten sind natürlich erstmal gut, aber Gemeinschaft baut auch auf gemeinsamem Verständnis auf. Wie ich bereits sagte, einige der Ansichten in der Szene stagnieren und es werden nur die Dinge akzeptiert, die seit 15 Jahren wieder und wieder gepredigt werde. Ganz unabhängig von meiner Einstellung: faschistische Bands waren schon immer ein Aspekt von Punkmusik. Auch wenn wir den Scheiß hassen. Das ist die Schwierigkeit mit den Definitionen: wenn Nazi Skinheads oder Krishnas sich Punk nennen bzw. Punk als ihr Werkzeug benutzen, dann ist es nun mal Punk. Wir können das bekämpfen und mit unseren Mitteln zensieren, aber dennoch bleibt es ein Aspekt von Punk. Ich als Individuum habe meine persönlichen Überzeugungen und ich unterstütze keine faschistischen oder sexistischen Bands, oder solche aus großen Labels. Was eine Szene tut oder nicht, ist eine andere Geschichte. Man schaue sich nur mal an wieviele Crusties mit T-Shirts von faschistischen Black Metal Bands rumlaufen, ohne darüber nachzudenken.

Aber wie weit geht dein persönliches Engagement? Tust du mehr als nur bestimmte Dinge nicht zu unterstützen? Was tust du, wenn ihr mit bekloppten Bands zusammenspielt?

Das passiert gar nicht, weil diese Bands nicht unterstützt werden. Ich spiele nicht in oder mit solchen Bands und unser lokaler Club (924 Gilman St.) läßt solche Bands nicht spielen.Andererseits gibt es immer viele Gerede um Menschen oder Bands schlecht zu machen und ich will mir eigentlich immer lieber selbst ein Urteil bilden. Klar, ich habe meinen eigenen Vorstellungen darüber, welche Dinge aus der Szene ausgeschlossen werden sollen, aber das kann ich zum Glück nicht allein entscheiden. Die Szene, als Gemeinschaft von Menschen, entscheidet dies indem sie sich ständig neu definiert. Die Zeiten ändern sich und die Diskussionen halten an. Sei es um Emotionalität oder Christentum. Die Fragen nach Definition und Ausschluß sind langwierig und werden in der Gemeinschaft diskutiert und weitergertragen (z.B. durch Fanzines).

Wie sehr trägst du deine Überzeugungen auch nach außerhalb der Punkszene? Zeigst du anderen Menschen ihre Fehler?

Komisch, daß du „ihre Fehler“ ansprichst. Wer bin ich denn zu entscheiden, daß diese Menschen Fehler haben? Guck dir nochmal unsere Szene an. Wenn irgendwer mit etwas Verstand unsere Ansprüche im Verhältnis zu deren Umsetzung sehen würde, müßten sie wohl lauthals lachen… we don´t practise one damn thing we preach as a scene. Ich bin nicht sehr streitssüchtig was den Umgang mit anderen „Nicht-Punks“ z.B. bei der Arbeit angeht. Aber meine Handlungen sprechen für sich. I will stick by my DIY ethics to guide my future actions, und andere Menschen können daran sehen, wie meine Einstellungen sind.

Interview: Jobst Eggert

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