März 12th, 2007

TODAY IS THE DAY (#102, 10-2003)

Posted in interview by andreas

„I gotta leave this town before I die, I wanna burn it down just for spite, there`s nothing here but pain in my soul, why hold back, kill yourself, take the blade, do it clean, do it fast, let it bleed, like Christ I rise above, I`m pissin` down all my love, I wanna be the one to end your life, a blind imbecile, the angle of light mister“

(„Kill Yourself“/TEMPLE OF THE MORNING STAR-LP)

„Und der Rabe ruehrt sich nimmer, sitzt noch immer, sitzt noch immer
Auf der blassen Pallsabueste die er sich zum Thron erkor.
Seine Augen traeumen trunken wie Daemonen traumversunken;
Mir zu Fuessen hingesunken droht sein Schatten tot empor.
Hebt aus Schatten meine Seele Je sich wieder frei empor? -Nimmermehr – oh, nie du Tor!“

***

Unmengen an Vinyl sind seit Ende der 60er mit dem Ziel gepresst worden, Impressionen menschlicher Absurditaet in Musik verpackt unters Volk zu bringen. Von „I Wanna Be Your Dog“ und „Sympathy For The Devil“ bis „My Ass Bleeds For You Sincerely“. Einiges davon war durchaus Ausdruck einer den eigenen Seelenzustand doku-mentierenden Geisteshaltung und somit, neben allem provakotionsgeschuldetem Unterhaltungswert, ergreifend, weil ehrlich aus den eigenen Gedaermen heraus ans Licht des Tages befoerdert.

Was ueberlebt und davon ueberlebt hat entscheidet am Ende immer der Konsument in seinem stillen Kaemmerlein. Die erdrueckende Oberhand im Spiel mit unseren Perversionen hatten und haben jedoch immer jene, die auf den schnellen Schuss, das grosse Spektakel, auf „i wanna see my name in lights“ aus waren. Wo das Anliegen eigentlich immer furchterregender ist, als die noch so boesartig klingen moegende Ausdrucksformel, weil bei genauerem Wuehlen immer nur Plastik zum Vorschein kommt.

Mit Beginn der 80er Jahre hat das Gewaltpotential in Musik stark zugenommen und sicher nicht nur aus einer Reflektion sich zuspitzender, gesellschaftlicher Widersprueche heraus.

Meine Grosseltern haben schliesslich auch schon ein von Scheisse gepraegtes Leben verbracht. Nein, vieles an agressiver, extremer Musik, die uns heute umgibt, ist letztendlich durch den Zwang zum Superlativ gepraegt, immer noch etwas auf das Vorhergegangende draufsetzen zu muessen, ansonsten wuerden wir uns ja bewusst machen muessen, dass wir uns im Kreise drehen.

Jene, die dagegen das Spiel betreiben, die das Experiment und die Herausforderung suchen, weil sie andernfalls elends verrecken wuerden, fuer die Musik kein Vehikel zu den Sternen, sondern reines Ueberlebensprogramm aufgrund ansonsten fehlender anderer Ausdrucksmoeglichkeiten ist, machen sich hingegen weiterhin rar zwischen allem artifiziellen Dreck, der geschaffen wird, primitive Instinkte anzusprechen, ohne wirklich Oberflaechen zu durchstossen und ins Innere des Biestes vorzuruecken.

STEVE AUSTIN`s TODAY IS THE DAY aus Clinton/MA sind eine der wenigen ruehmlichen Ausnahmen, wo persoenliche Therapiestunde mit ambitioniertestem musikalischen Tiefenrausch in Einklang gebracht wird und das schon seit 1992. Ueber des Trios Intention ist in Webster`s Dictionary zu lesen: „To destroy mankind and all music that it stands for. To live my life the way I want to. To do what I believe is right. To devour enemies and celebrate life with friends. To never give up even though it hurts. To fight the blackness inside. To walk alone. To go beyond. To look within. To give yourself. To love and to hate.“

Tatsaechlich vermag jedes ihrer bisherigen acht Alben existentiell zu konfrontieren und zu polarisieren, fordert die eigene Psyche heraus und ueberfaellt mit gnadenlos extremer Intensitaet, die sicher kein sweet lullaby aufkommen laesst, aber in ihrer abgruendigen Vielschichtigkeit und dem Reichtum an Details einen faszinierenden, malstromartigen Sog ausuebt, der einen durchaus heilsamen Effekt haben kann.

Vorausgesetzt, dass man Musik auch als Sich-selbst-auf-die-Probe-stellen benutzen mag. Zwischen noise-rockigen Elementen, schmerzhaftesten Metal-Versatzstuecken, soundtrackartigen Klangpassagen und artrock-verwandten Arrangements pendelnd, hat es Steve Austin in ueber zehn Jahren Existenz seines Flagschiffes vermocht, Experiment und Herausforderung gleichermassen aufrechtzuerhalten, um niemals wie zuvor zu klingen und doch eine seinen Grundprinzipien getreue Kontinuitaet aufrechtzuerhalten.

„Sadness Will Prevail“, TODAY IS THE DAYS`s juengstes Album ist dabei zu seinem Meisterwerk geraten, eine zweieinhalbstuendige Sammlung an Torturen, die einem Hyronimus Bosch die blanke Freude ins Gesicht getrieben haetten und die so voll von Einzelheiten ist, dass ich mich mit dieser Veroeffentlichung wohl noch lange beschaeftigen werden kann.

Im „Indian`s Saloon“ in Mailand gab es kuerzlich ein Wiedersehen mit Steve, der bei seinem Auftritt in Rom von einem Besucher ins Bein gebissen wurde und noch sichtlich mitgenommen vom anschliessenden Krankenhausaufenthalt war. Das folgende Interview fand jedoch schon zuvor via Telefon statt.

TODAYS IS THE DAY:

Steve Austin – Schreie/Gehaeule/Gesang, Gitarre und Samples

Chris Debari – Bass

John Gillis – Schlagzeug

***

Elf Jahre voller verrueckter und extremer Metal/Noise/Rock-Extravaganz, wuerdest Du das zusammenfassend als Reflektionen des perversen Zustandes der Welt, in der wir leben, beschreiben, oder ist das Energie, die durch Deine persoenliche Traurigkeit, Einsamkeit und Verzweifelung gespeist wird?

Steve: Ich denke, die Kombination aus Beidem macht es aus. Das ist die Welt, in der wir leben und viele persoenliche Erfahrungen, die ich in der Vergangenheit durchlebt habe. Klar, die Zeiten sind nicht einfach, besonders gegenwaertig, wo die Leute hier in den Vereinigten Staaten nicht gerade das beste Los gezogen haben. Da laeuft dieser Krieg ab und was sonst noch, das sind im Moment schon ziemlich verrueckte Zeiten.

Menschen, die Dich nur von Deinen Platten oder Buehnenauftritten her kennen, sind in der Regel fasziniert oder geschockt, von Deiner animalischen Ausdruckskraft. Wie wuerdest Du Dich persoenlich beschreiben?

Steve: Definitiv habe ich viel animalische Kraft in mir, ich wuerde aber auch sagen, dass sich das nicht auf eine negative Art aeussert. Leben heisst fuer mich, fuer das aufzustehen, woran ich glaube. Ich bin sicher jemand, der hart dafuer arbeitet und weiterarbeitet. Ich versuche, das Beste aus mir herauszuholen und mein Bestes zu geben.

Die Sounds, die ich mit meiner Stimme oder meiner Gitarre fabriziere, die Themen der Musik, die ich spiele, laesst so manchen vielleicht denken, dass ich durchgeknallt bin oder jemanden umbringen moechte, stehle und betruege, Fakt jedoch ist, dass ich meistens ziemlich ruhig bin.

Deiner Web-site nach zu urteilen bist Du verheiratet und hast auch Kinder?

Steve: Ja, ich bin verheiratet und habe eine Frau und einen Sohn namens Hank.

Wie alt ist er?

Steve: Er ist fast zwei Jahre alt.

Hast Du Ihm bereits der Musik nahegebracht?

Steve: Ja, er steht total auf Musik und rockt schon recht gut, schuettelt seinen Kopf und reckt die Faeuste hoch und sowas.

Ich denke, er ist bereits auf dem Weg in die Fussstapfen seines Vaters zu treten?

Steve: Nun, ich weiss nicht. Ich waere wahrscheinlich gluecklicher, wenn er eher in die Richtung tendieren wuerde, ein recording-engineer zu werden, als Musiker zu werden, gleichzeitig muss ich aber sagen, dass alles, was ihn gluecklich machen wird, auch mich gluecklich fuehlen laesst.

Gibt es Elemente in der Erziehung Deines Sohnes, die Du bewusst anders gestaltest, als die Erziehung, die Du durch Deine Eltern erfahren hast?

Steve: Oh, ich versuche einfach, staendig mit Ihm zu sprechen, und zwar auf der gleichen Ebene, wie mit meinen Freunden, die Mitte zwanzig oder Mitte dreissig sind. Ich versuche so, stets geradeaus mit Ihm umzugehen. Dieser Junge waechst und expandiert so schnell, wie ich in der Lage bin, ihm Wissen zu vermitteln.

Deshalb versuche ich auch fast staendig, Ihm etwas beizubringen; jeden Tag in dieser Welt, seien es nun Zahlen, das Alphabet, Woerter, Staaten, Pflanzen, Baeume oder Voegel. Was auch immer, Hauptsache ist, dass ich konstant mit Ihm spreche und herausfinde, was er mag und was er ueber Dinge denkt. Er kann schliesslich kaum verstehen, ist ja kaum zwei Jahre alt, es geht also in erster Linie nicht um Worte, sondern in der Hauptsache darum, mich auf der gleichen Ebene auf Ihn zu beziehen, wie ich das mit jedem anderen auch mache, anstatt Ihn wie ein Baby zu behandeln.

Wenn ich mit Ihm rede, geht das also eher in die Richtung wie: „Hey, Hank, are you ready to rock, you`re ready to go, man?“. Nicht dieses „poo-pooms“-Geseier. Eher auf einer Erwachsenen-Ebene also, obwohl er ein Baby ist. Und ich denke, um Dir die Wahrheit zu sagen, Hank scheint doppelt so gross, wie ein normales Kind seines Alters zu sein und doppelt so smart, wie andere Kinder seines Alters, dass scheint also ziemlich gut voranzugehen.

Ich denke, gerade in diesem Fruehstadium ist es wichtig, Kinder nicht wie Idioten zu behandeln.

Steve: Richtig! Sie sind sehr bewusst und sehr aufmerksam. Er kann einen wirklich um den Verstand bringen, im Sinne von, wie jung er ist und ich mich auf Ihn beziehen kann, und er versteht das, ohne das er das direkt in Worten ausdruecken kann, aber er versteht absolut, ueber was ich am Reden bin. Tatsaechlich musst du sogar manchmal aufpassen, was du redest, weil, wenn er eine Minute nachdenkt, weiss er genau, was ablaeuft. Definitiv weiss er, was los ist. Und er ist erst zwei Jahre alt.

Viele Eltern uebertragen ihre eigenen Lebensvorstellungen 1:1 auf ihre Kinder, ertraeumen sich die Fortsetzung ihres eigenen Lebenswerks durch ihre Sproesslinge oder die Realisierung dessen, was sie selbst nie vermocht haben zu tun. Angesichts Deines eigenen, nicht immer leichten Lebensweges als Musiker, der aufgrund seiner extremen Ausdrucksformen nicht immer offene Tueren eingerannt hat, was schwebt Dir fuer Deinen Sohn vor?

Steve: Yeah, in der Hauptsache wuerde ich fuer ihn gerne sehen, dass er fuer sich immer das tun kann, was er fuer sich exakt als richtig empfindet. Dabei spielt es keine Rolle, ob er Musik machen will, oder Gedichte schreiben, Filme drehen oder was auch immer machen moechte. Ich moechte einfach nur, dass er ehrlich er selbst sein kann und macht, was er machen moechte.

Weil, das war die eine Sache, die meine Eltern gemacht haben, der gute Schritt von ihrer Seite, dass sie nie wollten, dass ich etwas bin, was sie gerne sein wollten. Sie ueberliessen mir in weiten Zuegen selbst die Steuerung in Richtungen, die ich einschlagen wollte. Als ich dann zu dem Punkt kam, Musik zu machen, anstatt in die Schule zugehen, was ich eigentlich machen sollte, als ich zur Musik ueberwechselte, standen sie vollkommen hinter mir. Sogar als sie hoerten, was ich zu spielen begann.

Sie meinten zwar, das sie ueberhaupt nicht verstehen koennten, was ich da am Spielen war, meinten jedoch auch, das es fuer sie den Anschein hat, dass ich dies wirklich richtig mache. Also standen sie da wirklich hinter mir. Und das haben sie immer gemacht, seit fruehen Kindesbeinen an, und ich denke, dass diese Unterstuetzung mir immer Mut gemacht hat, selbst bei Sachen, die auf ihre Art merkwuerdig und anders sind als Sachen, die andere machen, macht das ueberhaupt nichts, solange ich das wirklich gut mache. Das war in etwa die Art, wie ich aufgezogen wurde.

Das hoert sich nach einer Portion Respekt seitens Deiner Eltern an, fuer das, was Du machst.

Steve: Ja, das haben sie mir entgegengebracht. Immer wieder versuchen sie mir Dinge zu sagen und mich selbstbewusst fuehlen zu lassen. Sei es mein Vater, der mir immer erzaehlt, dass ich Gitarre besser als jede andere Person spiele, obwohl ich wusste, dass ich das nicht konnte. Und dann Sachen, wie diese Engineering-Geschichte. Als ich juenger war, erzaehlte mir mein Vater staendig, dass ich die Aufnahmeseite beibehalten sollte, weil es gut angehen koennte, dass dieses eines Tages mein Beruf werden koennte und er hatte Recht damit. (lacht) Ich haette zu der Zeit, als ich auf der Highschool war und mich fragte, was ich einmal machen wollte, davon niemals zu traeumen gewagt.

Nun habe ich Deine erste Show zum „Supernova“-Album im Bremer „Wehrschloss“ vor bald zehn Jahren noch in lebhafter Erinnerung, Deine musikalischen Anfaenge jedoch reichen betraechtlich weiter zurueck. Kannst Du uns einen kurzen Einblick in Deine Initialzuendungen, in Deine Anfaenge geben? Bist Du umgeben von Instrumenten geboren worden?

Steve: Im Grunde genommen war das im Alter von acht Jahren, als mir meine Eltern Klavierstunden organisierten. Ich lernte das ziemlich gut, mochte es aber gleichzeitig nicht wirklich. Also sagte ich, dass ich dazu keine Lust mehr haette und liess es sein. Ein wenig spaeter begannen mich die Gitarren meines Vaters zu interessieren.

Er spielte in dieser Hank Williams-artigen Countryband und hatte Gitarren und Verstaerker, und ich begann die anzustellen und einzustoepseln und Krach zu machen, hatte aber wirklich keine Ahnung, wie ich spielen koennte. Schliesslich kaufte ich mir ein Gitarrensong-Buch, in dem alle Noten und Griffe ein wenig mirakuloes beschrieben wurden, und ich studierte dieses Buch und brachte mir schliesslich selbst bei, Gitarre zu spielen.

Mein Vater schaute mir derweil zu, und obwohl er Gitarre spielen konnte, schaffte er es doch nur auf sechs Griffe oder so. Als ich dann acht oder zehn Jahre alt war, konnte ich jeden Griff dieses Buches spielen, all` dieses traditionelle Zeug, und zu dem Zeitpunkt hatte ich noch nicht mal Rockmusik gehoert. Meine Familie hoerte nur Countrymusik und so`n Zeug. Das Radio war immer nur auf eine Countrystation eingestellt. Irgendwann im Alter von 13 spielte mein Freund am Ende der Strasse „Back In Black“ auf seiner Stereoanlage ab.

Trust: (lacht)

Steve: und in dem Moment, als dieses Stueck ablief, explodierte etwas in mir. Ich war zutiefst erschuettert von dieser Musik und begriff sofort etwas davon. Als der Song zu Ende war, holte mein Freund seine Gitarre hervor und begann den naechsten Song der Platte zu begleiten. In dem Moment dachte ich: „oh, wait a minute, if you can do that, i can do that.“. Also besorgte ich mir eine elektrische Gitarre und begann, Platten nachzuspielen und so`n Scheiss, und schliesslich, nachdem ich mich durch jedes AC/DC- und JUDAS PRIEST-, BLACK SABBATH- und OZZY OSBOURNE-Album gespielt hatte, fing ich an, mich dem verrueckteren Zeug zuzuwenden.

Die erste Herausforderung im musikalischen Sinne war fuer mich wahrscheinlich BAUHAUS und die DEAD KENNEDYS und BLACK FLAG zu hoeren, was dann, ob Du es glauben magst oder nicht, in diese Form von Art-guitar mit Leuten wie THE EDGE, er spielt erstaunliches Zeug, muendete. Sounds/Klaenge hatten eh den tiefgreigendsten Einfluss auf mein Gitarrenspiel. Meine erste eigene Band nannte sich dann CONSPIRACY. CONSPIRACY war zusammen mit diesen anderen Kids, die versuchten, etwas Undergroundiges zu machen, etwas Anderes, aber in Wirklichkeit waren es Kids, die zusammen in einer Band spielten. Ich wollte schliesslich darueber hinwegkommen und etwas Ernsthaftes machen, waehrend ich das College besuchte.

Ich hatte da dieses lebensveraendernde Erlebnis, als ich auf dem Highway war, um ein U2-Konzert zu sehen. Ploetzlich kam etwas ueber mich; ich stoppte mein Auto, stieg aus und entschied genau in jener Minute, dass ich nicht mehr zur Schule gehen, stattdessen aber Musik machen wollte, was mein Ideal war. Zu der Zeit gehoerte ich zu den besten Schuelern meiner Klasse, nahm an Quiz-Balls und Scheisse dieser Art teil, an akademischen Wettbewerben gegen andere Schulen.

Um dann die voellige Kehrtwendung einzuschlagen?

Steve: Ja, das war ein voelliger, totaler Wandel.Ich rief meine Leute an, als ich wieder Zuhause war und sagte, ich schmeisse die Schule und werde mir einen Job in einem Restaurant suchen, um Geld fuer meine Gitarrenausruestung zu verdienen und dann werde ich versuchen, eine Band zusammen zu kriegen, oder eine Band finden, die einen Gitarristen sucht. Also fing ich an, nach Leuten Ausschau zu halten, mit denen ich spielen konnte und ich fand mich in Tenessee International wieder, einem Ort, in dem ich mein halbes Leben verbracht hatte, weil es dort viele Bands und Uebungsraeume gibt, und ich traft dort einige Jungs, die in einer Band namens ALIEN THE LAND OF OUR BIRTH spielten.

Diese Band suchte einen Gitarristen und in dieser Band fand ich den (ersten) Schlagzeuger fuer TODAY IS THE DAY. Der Song „Going To Hell“ vom „In The Eyes Of God“-Album war ein ALIEN IN THE LAND OF OUR BIRTH-Song. Wir spielten um die zwei Jahr zusammen und hatten eine „Bust For Life“ betitelte Kassette draussen, auf der „Eagle Song“, „Going To Hell“ und „Lonely“ drauf waren. Rueckblickend war das fuer mich wirklich eine freaky Band. Ich sang damals noch nicht und schrieb nur die Musik und spielte die Gitarre.

Da sang dieser andere Typ und er zog auf der Buehne viele merkwuerdige Sachen durch, wie, sich ein schwarzes Herz auf die Brust zu malen, das wie mit Scheisse aufgetragen aussah und „I love you“ darunter zu schreiben. Dazu trug er eine goldene Krone und diese gigantischen Stiefel und ein Pailettenkleid, ohne Unterwaesche anzuhaben. Das war dieses schockierende, in gewisser Weise an G.G.ALLEN erinnernde Ding, was er veranstaltete. Ab einem gewissen Punkt nahm sein Gebaren dann jedoch Ueberhand und draengte die Idee der Musik in den Hintergrund, so dass der Schlagzeuger und ich so nicht mehr weiterspielten wollten, und wir fingen mit einer neuen Band an, starteten also TODAY IS THE DAY.

Dieser Junge, der Fan von uns war, wollte den Bass spielen und er kam, um es auszuprobieren, und das war Mike, und es funktionierte und klickte gleich vom Start an. Und ich denke der Hauptgrund, warum es funktionierte, ist, dass seit dem Zeitpunkt, als ich das erste Mal eine Gitarre beruehrte, ich niemals spielen wollte, wie irgendeiner zuvor, und ich wollte meine eigene Stimme, meinene eigenen Stil haben, was auf eine gewisse Weise unsere Songs diktiert; und wie wir generell als Band sind, wird am Ende anders klingen, als die ganzen anderen Sachen, die ablaufen. Weil ich nicht wie irgend jemand anders sein moechte, weil ich nicht wie irgend jemand anders klingen moechte.

Und die anderen beiden Jungs hatten die gleiche Vorstellung, nicht jemand anderes sein zu wollen, dafuer ihre eigene Sache zu machen und gluecklicherweise ihren eigenen Stil zu entwickeln. Von daher ging es bei TODAY IS THE DAY immer um, „create your own destiny and do your own thing.“. Da wir Drei diese Intention teilten, waren wir in der Lage, mit diesem verrueckten Scheiss loszulegen, und ueber die Jahre hatten wir das Glueck, egal in welcher Besetzung oder mit welchem Label, andere Leute zu finden, die grundsaetzlich voraus waren, um stets einen neuen Ausdruck zu finden, anstatt immer das gleiche, alte Ding zu wiederholen.

Ist das „wir“, was Du in diesem Zusammenhang benutzt, nicht irrefuehrend? Ausser in der Anfangszeit gab es in TODAY IS THE DAY nie eine stabile Besetzung, dafuer habe ich Dich immer als die treibende Kraft wahrgenommen.

Steve: Nein, nein, das ist schon von Beginn an meine Band, wenn Du verstehst, was ich meine. Was die Wechsel betrifft, hat es da nie einen Plan gegeben. Wir reflektieren nur ziemlich stark die Zeiten, in denen wir leben. Wenn Du Dir einmal anschaust, wie Bands heute funktionieren, das ist nicht mehr wie in den 60ern oder 70ern, als die Oekonomie voellig anders war und es eine voellig andere Erfahrung war, in einer Band zu spielen. Heute kostet alles Tonnen an Geld und die Beteiligten haben ganz andere Verantwortungen zu tragen, und es hat eine ganz andere Reichweite, an seine Musik zu glauben und fuer seine Musik aufzustehen.

Wenn ich mit Leuten zusammen spiele, versuche ich, die musikalisch abenteuerlichsten und furchtlosesten Spieler zu nehmen, die ich finden kann „and I just roll with the chance“. Dafuer muss man machmal Wandel vollziehen. Ein guter Freund von mir ist zur Zeit Chris, der seit drei Jahren in unserer Band ist, seit Ende 1999, und mit ihm habe ich das Gefuehl, als ob ein Blitzstrahl einschlaegt. Moeglicherweise wird er immer bei uns bleiben. Und dann wieder, sollte das nicht passieren, muss es einfach weitergehen, und es muss geradeaus weitergehen. Weil die Zeiten und die Leute sich eh aendern.

Du hast ja nun auch diverse musikalische Wandel vollzogen und eine enorme Flexibilitaet an den Tag gelegt. Vom Noiserock der AMPHETAMINE-Anfangszeiten, uber Deine ganz eigene Metalinterpretation, die sich spaeter einschlich, bis hin zum fragmentarischen Charakter Deines letzten Albums, dem vielleicht ersten Soundtrack, den Du je geschrieben hast. Ein Soundtrack zu einem erschuetternden Alptraum.

Steve: Ja, und um Dir die Wahrheit zu sagen, gibt es einige Leute, die sagen, „oh, ich mag dieses Album oder jenes Album“, und du kannst immer sagen warum, weil, wenn das nun ein Hardcore-Fan ist, mag er vielleicht nur dieses oder jenes. Mit „Sadness Will Prevail“, obwohl ich niemals je mit irgendetwas wirklich super-, superzufrieden bin, betrachte ich als Grund, warum wir Musik machen, den gleichen, warum Menschen auf dieser Erde Filme oder was sonst noch machen. Die Idee ist vermeintlicher Ausdruck und Kommunikation in irgendeiner Form. Ich glaube an Gefuehle, seien sie human oder inhuman, die du in irgendeiner Weise rueberbringen willst.

Auch wenn dieses Gefuehl Kaelte, Verzweifelung, Hass oder Zerstoerung ist. Und ich denke, dieses Album, was seinen befriedigenden Anteil betrifft, ist, dass wir irgendwie das Songformat auf eine Art transzendiert haben, wie es niemals zuvor, hoffe ich zumindest, gemacht worden ist. Und es scheint, wenn ich mir die Platte anhoere, was generell selten ist, weil ich mir selten meine eigenen Platten anhoere, aber wenn ich das nach einiger Zeit der Aufnahme angetestet habe, und die Musik wurde schliesslich vor einiger Zeit entwickelt, dachte ich, „what the hell am i doing here“.

Es erscheint mir wie ein seltsames fun-house, wo dir verschiedenste Sachen passieren, du auf verschiedenste Klaenge triffst und dich in unterschiedlichsten Zeiten bewegst. Einige dieser Sounds sind mit Gitarren erzeugt oder Metall, Bass oder Schlagzeug, Keyboards oder was auch immer; und es wimmelt nur so von merkwuerdigen, winzigen Details, wo du nicht wirklich einen Anfang oder ein Ende ausmachen kannst. Das ist ein sehr gestoertes Hoererlebnis, und dieser Aspekt an „Sadness Will Prevail“ macht mich sehr stolz. Gerade weil einige Leute jetzt sagen, dass das Zeug, was ich davor gespielt habe, mehr gerockt hat, dass es da Songs gegeben hat, die rockten.

Sicher, Steve. Leute, die nur nach klaren Strukturen und typischem Songkontext Ausschau halten, werden mit dem neuen Album bestimmt wenig anfangen koennen.

Steve: Richtig.

Von meinem subjektiven Standpunkt aus kann ich Dir allerdings sagen, dass Du mit „Sadness Will Prevail“ nach allen grossartigen vorherigen Alben, die Du gemacht hast, spannend und herausfordern geblieben bist. Danach habe ich immer gesucht, nach Musik, die eine Herausforderung darstellt und nicht nur unterhaltend ist. In diesem Sinne ist „Sadness“ eines der aufwuehlendsten Musikerlebnisse, dem ich mich in Jahren aussetzen durfte.

Steve: Das ist genau der Ansatz, wie ich mich Dingen annaehern moechte. Sei es nun ein Film oder ein Album. Wenn ich beispielsweise an Filme denke, die mich inspiriert haben, die im Hintergrund standen, wenn ich ein Album gemacht habe, dann faellt mir jetzt sofort eine Person ein, CHRISTOPHER NOLAN. Der Typ, der „Memento“ und „The Following“ gedreht hat. Die Art, wie dieses Filme zusammengesetzt sind, die Art, wie sie aussehen und klingen, die ganze Idee ist eine derart futuristische, andere Sache, ohne wirklich futuristisch oder spacig zu sein. Es gibt da etwas, was wirklich seltsam ist, weil ich fuehle, dass da viele Elemente sind, die du einfach ausprobierst.

Da laufen nicht viele menschliche Gefuehle ab, oder das Ehrlichkeit und Realitaet auf ehrliche Weise aufgegriffen werden. Er scheint diese verschiedenen Gebiete des Lebens aufzugreifen, die sich in den absolut seltsamsten Orten darstellen, die man ueberhaupt aufsuchen kann, und es werden psychotische Personen, ihre Ideen und ihr Leben gezeigt. Sein Weg des Aufzeigens ist dabei so listig, „Memento“ beispielsweise habe ich bestimmt 25mal gesehen, und jedes Mal, wenn ich mir den Film anschaue, bin ich erstaunt, wie diese kleinen Details funktionieren, die er in die Schauspielerei oder den Handlungsverlauf einbaut.

Das laeuft so schnell ab, dass es fast schon subtil ist und du musst wirklich achtgeben, was passiert, jedes Wort verfolgen, weil du sonst nichts verstehst. Von diesen Dingen gibt es nicht viele dort draussen. Und wenn ich nicht meinen Verstand und meine Emotionen in meine Musik legen und durch meine Musik widerspiegeln lassen wuerde, wuerde ich an der ganzen Sache keine Freude haben und das wahrscheinlich auch nicht machen koennen. Ich weiss nicht. Amerika stirbt langsam an seiner Verbloedungskultur. Es gibt soviele Sachen, die auf einer psychologischen oder analytischen Ebene so verstandstoetend fuer mich sind, dass ich damit gar nicht umgehen kann.

Laesst dieser Mangel an Kultur in Deiner Umgebung Dich auch physisch leiden?

Steve: Ja, natuerlich, definitiv laesst es das. Bevor diese ganzen Korporationen die Kontrolle ueber diese ganze Kunstform-Sache uebernommen haben, ob das nun Film oder Musik ist, gab es weitaus mehr Ehrlichkeit, wie Sachen gemacht wurden. Es gab da die Moeglichkeit, einen Film zu drehen, der schmerzhaft fuer den Zuschauer ist oder schwierig zu verstehen. Jetzt ist alles so marktforschungsgetestet und kuenstlich zusammengesetzt, bevor es veroeffentlicht wird. Es gibt da keinen wirklichen Wert, dass ist nur abgewogen und die Art von Scheisse, die ich einfach nicht abkann.

Nun schreibst Du generell alle Stuecke von TODAY IS THE DAY selbst, steuerst neben Stimme und Gitarre noch weitere Instrumente bei, produzierst und masterst im eigenen Studio und zeichnest Dich auch fuer die Covergestaltung der Alben verantwortlich. Bist Du soetwas wie ein Kontrollbesessener?

Steve: Schluessig laesst sich das mit dem D.I.Y.-Ding erklaeren. Vieles kommt einfach auf mich zu und dann greife ich den Ball auf und fange an, damit zu rennen. Mit der Covergestaltung der Alben z.B. wollte ich immer sicherstellen, dass die Coverkunst die Botschaft des Albums ausdrueckt. Definitiv verbringe ich damit also viel Zeit.

Was die Kreation der Musik betrifft, das Mixen, das Mastern, all` diese Sachen, da fuehle ich, dass das Ausdruck dessen ist, was wir versuchen zu machen, da viele Elemente von TODAY IS THE DAY doch durch Experimente gepraegt sind, sind wir in der Lage, das auf viel mehr Ebenen, als nur mit unseren Instrumenten, zu betreiben. Wir koennen das im Produktionssinne machen, auf die Art, wie wir die Songs aufnehmen, durch die Art des Masterns, wie wir die Songs editieren und sequenzieren und fuer ein Album ordnen. Und ich weiss wirklich nicht, was wir tun wuerden, wenn wir das auf eine andere Art machen muessten. Viele der Dinge, die ich auf meinen Platten selbst gemacht habe, haetten in einem anderen Studio, alleine schon vom Zeitaufwand, eine Million an Dollars gekostet.

Oder es waeren dann andere Leute zustaendig gewesen, die mir haetten sagen wollen, wie es gemacht werden muss. Also mache ich das lieber selbst. Ich glaube halt fest daran, dass du grundsaetzlich das machst, was du bist. So kann ich hundertprozentig sicher sein, dass es sich um meine Vision handelt, die eh nicht immer leicht zu haben ist. Und TODAY IS THE DAY hatte von Anfang an diese Einstellung, „take charge, strike, take action, let`s fuckin` rock and kill“.

Nun bist Du ja seit einigen Jahren auf RELAPSE, einem Label, das neben einigen guten Bands zum groessten Teil klischeebehaftete Metalbands fuehrt. Wo siehst Du, generell gefragt, die Grenze zwischen wirklichem Schmerz und nur zu Spektakelzwecken zur Schau gestellter Brutalitaet?

Steve: Vielleicht kann ich Deine Frage so beantworten: Kuerzlich habe ich eine Show gespielt, ich will jetzt keine Namen nennen, mit diesen anderen Bands, und ich dachte mir, wie merkwuerdig das ist, weil die Idee dieser Show war dieses agressive, heftige Motto. Wir kamen dann da an und spielten auch, und ich musste erstaunt feststellen, wie gezaehmt agressiv, wie gezaehmt heftig und wie ueberhaupt alles gezaehmt an dieser Veranstaltung war. Weil wenn es wirklich hinterhaeltig, gewaltig oder durchgedreht gewesen waere, haetten die Leute zumindest in dem Moment, wo sie es tun, echt sein muessen und dann haette Gott allein gewusst, was wirklich passiert waere.

Fuer mich, speziell in den USA, wo viel im Bereich agressiver Musik ablaeuft, ist das nur ein Haufen Kacke, der sich da in Posen wirft. Und eine Sache kann ich wirklich garantieren, dass ich wirklich fuehle, wenn ich meinen Gig spiele, „because I have a definite amount of shit that fucks me off and a definite amount of shit that I want like overcome“. Vieles von dem Zeug, was wir singen und spielen, ist ueber Situationen, die direkt mein Herz zerschneiden.

Ich halte da ueberhaupt nichts zurueck. Einige Leute moegen vielleicht denken, „oh, er flippt vollkommen aus, was stimmt mit ihm nicht“, oder was auch immer. Mich kuemmert das allerdings nicht. Weil ich mich selbst spiele und weil ich es mag, eine bestimmte Art von Schmerz zum Ausdruck zu bringen. Waehrend viele Deathmetal-Bands, die meinen, furchterregend zu sein, mich nur aus dem Grunde fuerchten lassen, da das, was sie abliefern, einfach nicht von ihnen selbst kommt.

Wenn ich Dich live gesehen oder mir Deine Musik angehoert habe, ist oft die Frage aufgekommen, was sich da in Deinem Kopf und Herzen abspielt, welchen Seelentrip Du da durchmachst.

Steve: Das ist wirklich schwer fuer mich zu beschreiben. Denn so sehr ich auch stabil bin auf einer Seite und in der Lage, mich um meine Frau und mein Kind zu kuemmern und mein Geschaeft zu betreiben, so bin ich doch auch total abgefuckt in meinen verschiedenen Weisen, habe meine Depressionen am laufen und fuehle viel Schmerz und Dinge, die dunkel ueber mich herfallen und denen ich nicht entkommen kann. Das hat gar nicht so sehr mit Stimmungsschwankungen zu tun, als das da etwas in mir ist. Verschiedene Dinge, die mir passiert sind, als ich aufwuchs und die irgendwie scheisse waren und meine Persoenlichkeit gepraegt haben.

Wie Wunden, die niemals wirklich heilen. Wenn ich herumlaufe, vielleicht ist das merkwuerdig, wie mit offenen Wunden und verschiedene Dinge koennen dann wie auf Knopfdruck Emotionen freisetzen, die mich wuenschen lassen, an einem Ort zu sein, an dem ich nicht fuehlen kann. Aber gleichzeitig fuehle ich doch alles und alles auf einmal. Und das ist, wie wir auf der Buehne spielen. Weil ich fuehle, wie es durch mich stroemt und aus mir heraus, und im selben Moment versuche ich auch, das loszuwerden und aus mir herauszuschubsen.

Wenn es einen bizarren Zug an mir gibt, dann ist das meine Empfindlichkeit, die sich in alle Richtungen erstreckt. Das ist fast egal, ob sich das auf meinen Vater bezieht oder sogar auf die Elemente und solche Dinge, Kaelte, Hitze. Manchmal denke ich aber auch, dass eine Person, die Sounds oder Songs oder Musik oder was auch immer designt und dieses Faehigkeit der Feinfuehligkeit hat und dies in seinen Werken ausdruecken kann, ein wenig mehr Glueck hat, als Menschen, die sich nichts bewusst sind und so kein Ausdrucksvermoegen besitzen.

Das kann ich sehr gut nachvollziehen, Steve. Wenn ich dann Texte von Dir lese, wie „Unearthed“, wo es heisst: „in my dodge, Steve don`t be afraid“, habe ich das Gefuehl, einem sehr einsamen Mann zu begegnen.

Steve: Ja, das ist ziemlich der Fall, Mann.

Danke, wir bleiben in Kontakt.

***

 

Interview: Tom Dreyer

Diskographie:

„Supernova“LP („94/Amphetamine)

„Willpower“LP („95/Amphetamine)

„TodayIsTheDay“ LP („96/Amphetamine)

„Temple Of The Morning Star“CD („97/Relapse)

„In The Eyes Of God“CD („99/Relapse)

„Descent“EP („00/Descent)

„Live Till You Die“CD („00/Relapse)

„Sadness Will Prevail“DCD („02/Relapse)

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