März 13th, 2007

THE MAKERS (#76, 06-1999)

Posted in interview by sebastian

Ein bisschen ging mir das ärschlein schon auf Grundeis, als mein Begehren in die Tat umgesetzt war und am 22. März diesen Jahres ein Interview mit den Sixites-Trash-Epigonen „The Makers“ im Cafe Trauma stattfinden sollte.

Hatte ich die Rabauken doch vor einigen Jahren in einem Club in LA gesehen, wo Sänger Michael einen friedlich dumm vor sich hinglotzenden, Flanellhemd tragendenen und biertrinkenden Durchschnittsami aus dem Publikum herauspickte, um ihn gezielt einige Male verbal und körperlich zu piesacken.

Der Dummami jedoch wollte sich diese Provokation nicht gefallen lassen und ging auf den Sänger in der Absicht los, ihm die süsse Fresse zu polieren. Nur hatte er leider nicht damit gerechnet, dass er am kürzeren Hebel sass und von mehreren aus dem Hinterhalt in Aktion tretenden mächtig brutalen Club-Bouncern kurzerhand an die frische Luft befördert wurde. Was also würde mit einer neugierigen Interviewerin passieren und deren Begleitschutz, der zwar gross und böse ausschaut, aber keiner Fliege etwas zuleide tun könnte??? Lest hier nun das Resultat…

***

Wie gross ist die amerikanische Sixties-Szene in den 90ern?

Michael: Sie ist überhaupt nicht sehr gross. In San Francisco und New York kannst du noch einige Leute sehen, aber im Moment ist es keine wirklich starke musikalische Bewegung.

Wie seid ihr dazu gekommen, Sixties-Musik zu spielen, ihr seid nicht aus San Francisco oder einem anderen Stil-Ballungszentrum, sondern aus Spokane/Washington?

Michael: Zur Zeit als Grunge-Rock populär war und wir immer unsere eigene Vorstelllung von Musik hatten, gab es keinen populären Musikstil, der unseren Geschmack wirklich repräsentiert hätte. Alles war so langweilig und so aufgeblasen und schleppend, grosse Scheisse. Wir kamen als Teenager zur Musikszene, hatten gerade gelernt zu spielen, stylten uns auf, gingen auf die Bühne und fingen an, soviel Krach und Aufruhr wie nur möglich zu machen.

Es war eine Art gegenläufige Bewegung, gerade wenn du jung bist, willst du widersprechen, willst du Sachen anders machen, so wie du denkst, dass die Sachen richtig sind oder was immer sich zu der Zeit gerade gut anfühlt. Wir haben da nicht soviel darüber nachgedacht und wollten jetzt nicht genauso wie eine Sixties-Band klingen. Da war kein wirkliches Konzept dabei, wir haben es einfach gemacht. Genauso wie Kids, die einfach nur das machen, was sie tun wollen.

Also habt ihr als Opposition gegen Grunge angefangen?

Michael: Wir haben nur angefangen, weil wir jung waren und wenn du nichts anderes hast, musst du eben irgendwie eine Band gründen. Um des Rock’n’Roll Spielens willen fingen wir an, aber waren auch stolz auf die Tatsache, dass wir uns von der damals populären Musik in jeglicher Weise abgehoben haben, der Art, wie wir ausschauten, wie wir klangen, der Einstellung unserer Songs.

Wer von euch ist der „Art Director“, denn das Design euerer Plattencover ist total gut….

Michael: Wir alle steuern was dazu bei. Das ist was, über das wir alle entscheiden. Wir alle haben einen ähnlichen Stand in Bezug auf das, was auf dem Album passiert, sei es bei den Songs, beim Aufnahmeprozess oder dem Artwork. Wir arbeiten alle zusammen, weil wir uns sehr nahe stehen. Wir sind wie Brüder und daher arbeiten alle gleich hart.

Die nächste Frage leitete ich mit der Geschichte aus LA ein und liess ein klein wenig Empörung durchblicken, dass der Kerl aus dem Publikum gar nichts dazu beigetragen hatte, um von Michael provoziert zu werden, am Ende jedoch den ganzen Spott und Schaden kassierte, nur weil er sich der Situation angemessen verhielt, nämlich gegen so einen Rockstar, der ihn ohne jeden Grund anmachte, wehrte und er als Belohnung dafür sogar aus dem Club flog… Und da passierte es… Michael, der mega-durchgestylte, obercoole, im Backstageraum Sonnenbrille tragende Blickfang und Wortführer der Makers, lachte und zwar nicht nur einmal!

Michael: Oh no, daran kann ich mich nicht erinnern…

Nachdem ich das gesehen hatte, frage ich mich nun, ob „All-Night Riot“ (Albumtitel von 1994) das Motto der Makers ist?

Michael: Zu dieser Zeit jedenfalls schon. Alle unsere Alben sind ein wenig unterschiedlich und dieses Album repräsentiert auf jeden Fall den Höhepunkt unserer Krawallzeit. Als wir das erste Mal nach Europa kamen, waren wir noch ganz schön wild, wir tranken alle eine ganze Menge mehr und haben im allgemeinen mehr ärger gemacht. Das war so eine Art zwingende Notwendigkeit, wir haben alle nur gedacht, dass das nicht für immer dauern kann und wir soviel Scheisse bauen wollen, wie es nur geht und zwar jetzt. So haben wir jeden Tag gelebt.

Wir haben uns jeden Tag gedacht, dass das womöglich unser letzter wäre, an dem wir das noch tun könnten. Aber so wie die Sachen zur Zeit in der Band stehen, würde ich sie nicht mehr auf den Punkt „All-Night Riot“ bringen. Alles ist ein wenig durchdachter. Wir planen, wenn wir ins Studio gehen, wir arbeiten an den Songs, und es ist anders, ganz einfach wie bei Leuten, die sich ändern, wenn sie älter werden.

Spielt ihr noch in der Urbesetzung?

Michael: Nein, wir fingen mit einem anderen Gitarristen an, Jamie spielt bei uns aber schon seit vier Jahren. Unser alter Gitarrist hat unsere wilden Jahren nicht wirklich überlebt… Sie haben ihn quasi verschluckt und er kam nie wieder da raus. So kam Jamie und hat den Tag gerettet….

Wie wichtig ist Stil für euch?

Michael: Er ist ziemlich wichtig. Er ist nicht das wichtigste, denn das ist definitiv die Musik, die alles überlebt. Aber wenn du auf der Bühne stehst, ist es nicht nur eine akkustische, sondern auch visuelle Angelegenheit. Deswegen denke ich, es gehört zusammen, interessanten Krach zu machen, interessant auszusehen und sich interessant zu bewegen.

Bei der Performance ist alles zusammen wichtig. Wenn du im Studio ein Album aufnimmst, musst du nicht unbedingt überwältigend toll ausschauen, aber was die Performance angeht, definitiv…. Ich mag es, wenn Bands gut aussehen, das hebt auf gewisse Weise die ganze Sache, die ganze Show.

Was denkst über Make-Up, die sagen, dass der Stil die Message ist, Stil ihre Denkweise, ihre Art von Revolution ausdrückt?

Michael: Ich mag Make-Up, ich mag ihre Platten sehr gerne, höre sie mir an, aber ich weiss nicht, was sie mit ihrem Stilgebahren ausdrücken wollen, denn mit ihrem Stil schauen sie nicht unbedingt anders aus als die meisten Leute, die ich so sehe. Wenn sie sagen, dass ihr Stil die Message ist, dann ist ihre Message, dass sie ausschauen wie jeder andere Hipster da draussen.

So wie sie sich anziehen, uniformieren sie sich und jeder, der zu ihren Shows geht, zieht sich genauso an. Also denke ich, dass das eine Art Message von Solidarität ist, aber zur gleichen Zeit ist es traurig, denn es sagt nichts über die Unterschiedlichkeit von Leuten aus, weil eigentlich jede Person anders ist.

Ich denke es ist wichtig, gut auszusehen, denn es sagt eine Menge über die Person aus, die gut ausschaut. Aber ich denke nicht, dass ich cooler ausschaue als ein Typ, der mit einem abgefuckten T-Shirt auf der Bühne rockt, das ist eben ein anderer Stil. Es ist deren Stil und wenn du so jemanden siehst, schaut es auch genauso gut aus, wenn sie es richtig machen.

Am Anfang habt ihr auch ziemlich uniformiert ausgesehen, alle mit schwarzen Rollkragenpullovern und schwarzen Röhrenhosen…

Michael: Ja, aber Stil war nie unsere Message. Wir haben uniformiert ausgesehen, weil wir wie eine Einheit sind. Wir sind nicht elitär, unsere Message ist unsere Musik und als zweites würde ich sagen vielleicht das Gefühl und mehr die Art, wie wir uns bewegen, wie wir unsere Musik spielen und dann erst die Klamotten. Ich halte sie für wichtig, aber es ist nicht alles, nicht annähernd alles.

Nach meiner Frage zum Produzenten Tim Kerr, dem „Big Boys“-Kerr, klinkt sich Donny ins Gespräch ein und erzählt, dass er nicht nur ihr Produzent sei, sondern auch ein Freund. Er kam irgendwann mal auf sie zu und zeigte ihnen eine Silvertone-Gitarre, die er im Abfall gefunden hatte. Donny breitete auch eine Geschichte aus, für die er Tim Kerr nie vergessen würde, denn er gab ihnen, als sie in Texas auftraten, einen riesigen Krawall in dem Club anzettelten, wo sie auftraten, und quasi mit Fusstritten aus der Stadt gejagt werden sollten, 200 Dollar fürs Benzin, obwohl er wahrscheinlich selbst nicht genug Kohle hatte.

Michael: Wir waren echt sprachlos, denn wir waren diese totalen Teenager-Arschlöcher, wir kamen nach Texas und haben alles zerstört, das ganze Sound-Equipment, wir bekamen natürlich keine Bezahlung, sondern im Gegenteil, wir sollten eine Strafe zahlen. Und wir hatten uns darauf verlassen, mit dem Geld von dem Gig nach Hause zu fahren….. Es war echt seltsam, denn wir waren von allen gewohnt, gehasst zu werden.

Donny: Bei den ersten Shows, die wir in unserer Heimatstadt Spokane gespielt haben, sind wir jedes Mal rausgeschmissen worden, die Bouncer haben uns angegriffen. Wir sind aus jedem Club geflogen und hatten einen riesigen schlechten Ruf. Von da an hat jeder angefangen, über unseren Ruf zu reden, wir mussten gar nichts mehr tun. Wir hätten wie Heilige auf der Bühne sein können und die Leute hätten trotzdem die gleiche Scheisse von früher erzählt. Jetzt ist alles viel cooler. Es ist hart, wenn dich dein Ruf aus Teenager-Zeiten permanent verfolgt. Du änderst dich doch auf eine gewisse Art….Na ja, gerade vor zwei Tagen sind wir total abgestürzt….

Michael: Es ist ein Unterschied, zuviel zu trinken und abzustürzen oder sich gegen zehn Bouncer zur Wehr zu setzen, was damit endete, dass alle von den Makers in der Notaufnahme landeten mit gebrochenen Händen und… Das ist passiert, als wir jung waren…

Donny: Wir treten jetzt nicht kürzer oder sind erwachsener und ruhiger geworden, nur wissen wir jetzt, was wir machen wollen oder machen müssen.Im Grunde genommen liegt es nur daran, dass wir uns nicht mehr leisten können, die Krankenhausrechnungen zu bezahlen….

Als ihr mit dem Sixties-Kram anfingt, wart ihr da beeinflusst von Sixties-Bands wie den Yardbirds oder eher Sixties-Revival-Bands wie den Fuzztones?

Michael: Nein, überhaupt nicht, wir mochten die Animals, die Rolling Stones, wir haben Them-Songs gecovert. Den einzigen Einfluss, den wir von moderner Musik erhalten haben, war von Billy Childish bzw. den Headcoats, der hat uns wirklich weggeblasen. Jetzt sind wir befreundet und gehen manchmal zusammen auf Tour, da hat sich der Kreis geschlossen.

Die Frage, wo eine komplette Diskographie von den Makers aufzutreiben wäre, konnte nicht beantwortet werden, da vor allem die Singles schwer aufzutreiben sind und selbst Michael sie nicht komplett besitzt und kein Interesse an einer gewissen Vollständigkeit zeigte. Da musste natürlich Al, das „Plattensammler-Monster“, auf den Plan treten…..

Das überrascht mich jedes Mal bei Interviews. Ich selbst bin ein lebhafter Sammler und weil ich kein Talent habe oder sonstwie, schreibe ich über Musik anstatt sie zu machen (das trifft aber auch nicht mehr ganz zu!- d. Verf.) und sammle sie. Aber vielleicht ist es ein Unterschied, wenn du die Musik selbst machst, und es ist nicht so wichtig….

Michael: Es ist nicht wichtig, ich denke die ganze Zeit darüber nach, was wir als nächstes tun und gebe einen Scheiss darauf, was wir in der Vergangenheit schon gemacht haben. Deswegen schreibe ich kein Tagebuch oder mache keine Fotos, denn das ist mir egal. Ich bin stärker daran interessiert, was wir in Zukunft machen.

Kommt ihr nicht an den Punkt, wo ihr sagt, das nächste Album soll total anders werden….

Michael: Der Wechsel wird nicht dokumentiert, er vollzieht sich ganz einfach von Tag zu Tag. Es ist so wie morgens aufwachen und dein Haar fängt an, auszufallen oder du verlierst einen Zahn, deine Augen werden schlechter. Es verändert sich. Wir verändern uns von Tag zu Tag, es ist eine kontinuierliche Entwicklung.

Der Alterungsprozess vollzieht sich ganz einfach. Nichts, was wir tun, ist geplant. Als wir unser Album „All-Night Riot“ nannten, hat dies unseren Bewusstseinsstand zu jener Zeit getroffen und unser letztes Album zeigt, wie wir momentan drauf sind und unser nächstes Album wird zeigen, wie wir in fünf Monaten von jetzt an sein werden.

Also lebt ihr für den Moment und seid nicht an der Dokumentation eueres Reifeprozesses interessiert?

Michael: Ich bin mir dessen bewusst, aber es ist mir egal. Ich kann nichts mehr aus unseren alten Sachen gewinnen. Es ist so, dass wir das schon gemacht haben, und jetzt ist es anders, ich mag es nicht. Ich bin zu kritisch, es gibt nicht viele Sachen, die mich beeindrucken, speziell Sachen, die ich schon geschaffen habe. Ich bin stärker daran interessiert, besser zu werden und am nächsten Projekt zu arbeiten, Sachen zu machen, die stärker dem entgegenkommen, was mich zufrieden stellt, zumindest Gefühle auszudrücken, etwas ehrliches zu machen, mit dem andere Leute etwas anfangen können.

Kannst du denn immer etwas neues schaffen? Wenn du zum Beispiel das Album vor euerem letzten Album anhörst und feststellen würdest, dass es sich ähnlich anhört, das könntest du doch nicht, wenn du es dir vorher nicht angehört hättest…

Michael: Aber wir haben das Album geschaffen, wir wussten da, warum es was besonderes ist. Ich kann nichts daraus gewinnen, die Platte zu sammeln, sie als Souvenir einer Vollkommenheit zu behalten, wenn ich sie überhaupt nicht für vollkommen halte.

Ich betrachte jedes neue Album, was wir machen, als ein mögliches vollkommenes, und das ist das, was mich reizt. Das erfüllt mich, das was wir noch nicht gemacht haben, und das, was wir schon gemacht haben, ist Bullshit. Wen kümmert’s.

Was würdest du tun, wenn du einen Song schriebst und dachtest, das sei das Beste, was du je gemacht hättest, es könnte nicht besser werden und könntest aufhören?

Michael: Das wird nie passieren. Ich bin nie zufrieden mit irgendwas. Jedes Mal, wenn ich denke, dass das, was wir gemacht haben, gut ist und ich dann das Radio anmache und höre, dass der populärste Song des Tages etwas ist, was ich am schlimmsten und widerwärtigsten finde, denke ich, alles, was wir tun können, ist unseren Spass an der Sache zu haben und zu versuchen, eine Art von Belohnung oder Zufriedenheit dadurch zu gewinnen.

Wärst du geschockt, wenn du eines Tages das Radio anmachen und einen euerer Songs hören würdest?

Michael: Ja! Ich wäre definitiv überrascht, wenn wir eine dieser Bands wären, ausser dass ich mir nicht vorstellen könnte, dass wir eine davon wären, es sei denn, von Zeit zu Zeit gibt es so einen Zufall, so etwas wie einen Unfall, dass eine Band irgendwie hochgespült wird. Aber alles, was ich mir eines Tages erhoffen würde, ist, dass die Leute vielleicht verstehen, was wir tun und sie sich uns anhören und zu schätzen wissen, was wir tun.

Ich strebe nicht an, eine Art Bruce Springsteen zu werden, aber es gibt eine handvoll guter Leute da draussen, die ich mit unserer Musik erreichen will, aber es gibt auch eine ganze Menge Leute, die mich einen Scheiss kümmern. Die Art von Leuten, die die Scheiss-Musik, die du im Radio hörst, populär machen. Was sind das für Leute? Sind das die Leute, von denen ich mir wünsche, dass sie meine eigene Musik hören?

Musik, die ich ehrlich nenne, was würde das dann über meine Musik aussagen? Es würde bedeuten, dass ich ein Dummkopf wäre, denn wenn ich das, was in meinem Kopf und in meinem Herzen vorgeht, ehrlich transportiere und damit den Nerv von 14jährigen inzüchtig ausgebrüteten Fuck-ups treffen würde, was würde das über mich aussagen? Dass ich der schwachsinnigste 25jährige Typ auf der ganzen Welt wäre…

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Mit diesem wunderbaren Schlusssatz will ich das Interview beenden und auch mit der Feststellung, dass das alte Vorurteil wieder nicht zutrifft, dass schöne Menschen auch unbedingt dumme Menschen sein müssen. Das „Putz-Kollektiv“ des Cafes Trauma hatte bestimmt eine Menge zu tun, um die Speichelpfütze unter mir, die sich während des Interviews gebildet hatte, aufzuwischen…..

Interview: Andrea Stork & Al Schulha

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