April 27th, 2009

THE GOSSIP (#128, 02-2008)

Posted in interview by jörg

Im Juni 2007 spielen The Gossip im Gebäude 9, schon wieder. Ein Jahr zuvor waren sie schon mal hier zu Gast. In Deutschland hebt die Band also nicht so ab, wie sie es zurzeit vor allem in England tut. Splitternackt posiert Sängerin Beth Ditto dort für das Cover des New Musical Express und katapultiert sich somit in eine Liga mit all den Rock Stars, die es, dem Namen ihres alten Labels zufolge, doch zu töten gilt.

Standing in the way of control wird von Kill Rock Stars lizenziert und auf Columbia neu veröffentlicht. Vielleicht bilde ich es mir auch ein, aber das Publikum ist nicht dasselbe wie noch vor einem Jahr. Ein paar bekannte Gesichter erspähe ich dann aber doch, zum Beispiel das von Katharina Ellerbrock, die Filme über queere Künstlerinnen macht. So entschliessen wir uns zu einer Zusammenarbeit und nur zwei Monate später sind The Gossip erneut in Deutschland unterwegs, zum ersten Mal mit Nightliner in Europa.

In Frankfurt bekomme ich die Gelegenheit noch mal mit Beth und Schlagzeugerin Hannah Blilie zu sprechen, die mittlerweile ihrem Zwillingsbruder Jordan von den Blood Brothers in Berühmtheit in nichts mehr nachsteht, und Katharina hält dieses filmisch fest. Mich interessiert natürlich vor allem, wie sehr die Musik zum Job wird, sobald man sich in die illustren Kreise der grossen Musikindustrie begibt.

***

Wir möchten gerne ein Porträt von euch machen, deswegen sei mir nicht böse, wenn du Fragen beantworten musst, die du schon hundertmal gehört hast. Stell dich doch bitte kurz vor.

Beth: Ich bin Beth Ditto, so heisse ich. Ich bin die Sängerin in einer Band namens The Gossip. Ich habe Nathan kennengelernt als ich ein Teenager war und gründete mit ihm die Band 1999, mit noch jemanden aus unserer Heimatstadt in Arkansas, was im Zentrum der USA liegt, wo wir alle drei aufwuchsen. Unsere ursprüngliche Schlagzeugerin hat uns verlassen um als Hebamme zu arbeiten. Dann haben wir Hannah dazugeholt, die wir aus anderen Bands kannten die wie sehr mochten und mit denen wir schon getourt hatten.

Das war 2003, glaube ich, oder 2004? 2005, da ist das gewesen. Da fingen wir an in Europa zu touren. Uns gibt es demnach seit acht Jahren. Wir haben die Band The Gossip genannt weil uns keine Zeit blieb uns grosse Gedanken darüber zu machen. Nathan hatte unser erstes Konzert organisiert und musste nun irgendwas auf den Flyer schreiben und das war das Erste was uns einfiel.

Ihr seid aber auch kleine Klatschmäuler, oder? Nicht dass ich das schlimm fände aber als ich euch vor einem Jahr interviewte habt ihr mir sofort den neuesten Tratsch von zu Hause verraten.

Beth: Ja (lacht) wir sind keine Tratschtanten aber Portland und Olympia sind Kleinstädte und die Schwulen- und Lesbenszene ist winzig also weiss man alles über jeden. Von daher passt der Name schon super. (Ihr fällt auf, dass es sehr laut um uns herum ist). Ihr könnt sie ruhig bitten leiser zu sein. (schreit) HEY.

Soll ich sie bitten leise zu sein? (äussert höflich) Könntet ihr alle etwas leiser sein? HANNAH. Kannst du sie bitten alle mal etwas leiser zu sein? Entschuldigung (auf Deutsch) ENTSCHULDIGUNG. Das klappt nie wenn man die Leute bittet leise zu sein, und dann wird immer gesagt wir seien die Krachmacher

In welcher Szene fühlst du dich am wohlsten?

Beth: Ich identifiziere mich mit vielen Szenen aber hauptsächlich sind wir Teil der queeren Riot-Grrrl Szene, aber wir verkehren auch in anderen Szenen. Ich fühle mich am wohlsten wenn man mich als queeres Post-Riot-Grrrl bezeichnet weil wir die Nachwehen dieser Bewegung sind.

Was ihr ja auch durch die Texte transportiert. Ist diese Botschaft zentraler geworden, jetzt wo ihr eine breitere Masse erreicht, die vielleicht noch nie etwas von Riot-Grrrl gehört hat?

Beth: Ja, das ist unsere Mission. Es ist komisch von null anzufangen bei Leuten die nie davon gehört haben. Es ist nicht einfach für sie Dinge wie radikalen Feminismus zu verstehen, nicht weil sie blöd wären, sondern weil es ein völlig neues Konzept ist.

Dinge zu hinterfragen, die dir dein ganzes Leben vorgebetet wurden ist ein schwieriger Prozess. Für mich ist es daher wichtig eine Botschaft zu vermitteln, die ich gerne empfangen hätte als ich aufwuchs. Der Zugang dazu fällt jetzt natürlich auch leichter wo wir Werkzeuge wie das Internet nutzen können.

Es ist ein Kampf da man den Punkern nie feministisch genug sein kann und der breiten Masse immer zu feministisch sein wird. Die Schwierigkeit darin liegt im abwägen. Wir wollen diese Ideen in einen popkulturellen Kontext rücken aber immer noch fähig sein uns im Spiegel anzugucken. Dazu müssen wir an die Richtigkeit unserer Entscheidungen glauben.

Wie würdest du queer in so einem Kontext erklären, hast du das Gefühl das du die Idee dahinter stark vereinfacht präsentieren musst?

Beth: Auf jeden Fall, deshalb benutze ich auch die Bezeichnung Lesbe so oft. Manche Queers würden mich auch gar nicht für queer halten. Gender und Sexualität sind kompliziert und einfach zugleich. Für Queers ist es simpel aber für die Anderen ist es schwer zu verstehen. Ich muss manchmal Babysprache anwenden aber das ist in Ordnung so.

Man wächst eben nicht mit dem Wissen darüber auf, bin ich ja auch nicht. Natürlich kann das schon mal frustrierend werden, und obwohl ich meine Bandkollegen dabei habe fühle ich mich manchmal allein und wie eine Ausserirdische wegen vieler Dinge die mit Queerem Feminismus oder Schönheitsidealen zu tun haben.

Andererseits haben eure Vorgängerinnen den Weg ja schon etwas geebnet und ihr tretet quasi in ihre Fussstapfen.

Beth: Absolut und es regt mich furchtbar auf wenn Leute meinen Riot-Grrrl sei irrelevant. Selbst wenn es deren Leben nicht direkt betrifft, meines hat es verändert und Nathans auch, es hat die Welt für uns verbessert und unsere Augen geöffnet, dahingehend wie man Menschen zu behandeln hat und dass es da ganz neue Bewusstseinsebenen gibt die über all dem stehen was wir vorher kannten. Darüber hinaus hat es Konzepte entwickelt und beschrieben die noch gar nicht wirklich existieren, über die man noch gar nicht richtig sprechen kann.

Wir sind nur einer der Meilensteine in dieser Entwicklung. Team Dresch, Heavens to Betsy und Bratmobile sind Bands die uns zu dem gemacht haben was wir sind. Selbst die Wipers und deren queere Ideale haben uns dahin geführt wo wir sind und sie mussten viel ertragen, buchstäblich, körperlich, emotional und künstlerisch, damit Bands wie wir heute überhaupt existieren können und als Teil der Popkultur angesehen werden. Ob du das nun als relevant für dein Leben einstufst oder nicht, es hat die Welt verändert.

Im Moment wird die Riot-Grrrl Bewegung sehr stark gerichtet und es gibt eine rückwärtsgerichtete Entwicklung in der Punk Szene. Selbst Bands wie Mika Miko wollen nicht damit in Verbindung gebracht werden. Ist ja schön für sie, dass sie sich das leisten können, und ich will sie jetzt gar nicht fertig machen, denn ich halte sie für eine tolle Band und tolle Menschen. Alle zehn Jahre gibt es dieses Phänomen wo man anfängt die vorherige Generation zu verachten weil sie nicht mehr cool und im Trend sind.

Obwohl sie die Infrastruktur nutzen die Riot-Grrrl erst hervorgebracht hat, und würdigen es gar nicht, sind aber auf Kill Rock Stars.

Beth: Ganz genau. Sie profitieren von der Infrastruktur weil es die einzige ist, die ihnen eine Chance gibt. Es ist interessant, dass diese Generation das bewusst ignoriert. Eine Generation von Mädels, die sich dazu entscheidet die Vergangenheit zu ignorieren und gleichzeitig aber Bands wie die Slits oder die Germs verehrt. Darby Crash ist als direktes Resultat einer schwulenfeindlichen Punk Szene gestorben.

Es macht mich sehr traurig zu sehen wie diese Szene jetzt wieder idolisiert wird and als cool angesehen wird und Riot-Grrrl plötzlich wieder uncool ist obwohl sie sich dafür eingesetzt haben die Leben von Leuten wie Greg Sage oder Darby Crash zu retten. Die Leute denken eben nicht darüber nach, dass sie nicht mehr zu Brei geschlagen werden wenn sie auf Konzerte gehen, so wie es vor zehn Jahren Gang und Gäbe war. Es ist eine Schande.

Es bewegt sich wohl auch kreisförmig. Ihre Konservativität wird dann wieder mehr Radikalität hervorbringen.

Beth: Sicher. Sobald der Mainstream liberaler wird, wird der Untergrund weniger radikal weil er schliesslich immer gegen den Mainstream rebellieren will. Es wird immer erschreckender wie gut sexistische, homophobe und rassistische Magazine in der Punk Szene zurzeit wieder ankommen, klar die sind bissig und auch manchmal sehr witzig und eben gegen den Mainstream.

In den USA bricht jetzt eine Zeit an wo Bush abgelehnt wird und es liberaler zugehen wird. Die wird dann wieder 8 Jahre andauern, genau wie es vor Bush der Fall war, dann wird es wieder konservativer. Im Untergrund verhält es sich genauso.

Wo würdest du euch denn dann einordnen? Untergrund seid ihr nicht mehr aber auch noch kein Mainstream.

Beth: Eben. Die Leute sagen uns entweder, dass wir uns ausverkauft haben, oder, dass wir uns nicht genug ausverkauft haben. Ich kann dir gar nicht sagen wie wenig mich diese Diskussion kümmert, denn man sollte sich das einfach nicht so sehr zu Herzen nehmen. Ich habe dieses eine Leben und werde damit tun, was ich für mich und für meine Gemeinschaft für richtig halte.

Selbst wenn ich nicht jeden Tag ehrenamtlich für irgendetwas ganz tolles kämpfe, denke ich wenigstens ständig nach, was sehr viel mehr ist als einige Leute von sich behaupten können, die sich nie ausverkaufen werden. Die machen immer noch das gleiche was sie vor 15 Jahren gemacht haben.

Veränderung ist super wichtig und das hat mit Ruhm und Geld nichts zu tun. Ich schätze mich glücklich meine Band als Forum und Medium nutzen zu können und es Leuten präsentieren zu können. Durch uns werden vielleicht ein paar Mädels erfahren, dass es noch mehr Optionen im Leben gibt als Penisse zu lutschen und wie ihre Mütter zu werden.

Aber es ist jetzt nicht so, dass du die private Sphäre klar von der öffentlichen abtrennst, dass es zwei Beth Dittos gibt?

Beth: Klar gibt es Dinge die die meisten Leute nie über mich erfahren werden, sofern ich sie nicht so nah an mich heran lassen möchte, aber komischerweise ist da kein so grosser Unterschied in meiner Art mich zu verhalten. Ich habe natürlich so etwas wie eine Bühnenpersönlichkeit. Ich sage privat jetzt nicht ständig „Hey, zieht euch das rein“ und tanze überall hin statt zu gehen.

Holst du bei Standing in the Way of Control deshalb Leute auf die Bühne, damit sie verstehen, dass wir uns alle auf einem Level befinden?

Beth: Ja, denn das hat sich gerade in England oder auch Amsterdam verschärft. Dort wurden mir meine Schuhe geklaut. Es waren meine Lieblingsbühnenschuhe. Die Leute scheinen zu glauben wir wären steinreich. Na ja, immerhin haben sie nur einen geklaut, den anderen haben sie da gelassen

Damit du noch nach Hause hüpfen kannst.

Beth: Genau, den ganzen Weg bis in die Staaten bin ich auf einem Bein gehüpft.

Sie sehen nur den finanziellen Wert und nicht die emotionale Bindung.

Beth: Ganz genau – Es hat mir das Herz gebrochen. Man vergisst, dass das keine Leute wie wir mehr sind. Wenn ich mit dir rede habe ich das Gefühl dir vertrauen zu können weil du eine von uns bist. Natürlich ist es nur ein Schuh, aber es spricht Bände darüber, wie sehr sich unser Publikum verändert hat.

Und auch die ganze Art zu touren, ich schätze mal ihr habt mittlerweile viel weniger persönlichen Kontakt mit Veranstaltern.

Beth: Ja, und ich bin froh darüber. Ich meine manchmal auch nicht, ich will mit Ihnen rumhängen wenn es ein Ladyfest ist oder ein Benefiz wo ich mich auch ausserhalb von The Gossip einklinke und per E-Mail oder so in Kontakt bleibe, aber wenn es um Konzerte geht für die man bezahlt wird, hat es Kathleen Hanna mal auf den Punkt gebracht: „Ich bin es leid alles selber in die Hand nehmen zu müssen“.

Da denke ich mir doch: Eben. Wir wehren uns zwar gegen das ganze Kommerz Ding aber wir waren von Anfang an verwöhnt, da wir nie viel selber organisieren mussten. Unsere erste Tour war mit Sleater-Kinney. Bei den ersten Konzerten haben wir auch auf dem Boden geschlafen aber wir haben nie grossartige Probleme gehabt, wie so viele andere Bands sie hatten.

Haben diese Veränderungen viel mit dem Labelwechsel zu tun?

Beth: Ehrlich gesagt haben diese Veränderungen noch gar nicht begonnen. Standing in the Way of Control wurde als Independent Album veröffentlicht und beworben und ich bin selbst erstaunt, dass es so viel besser lief als viele Major Label Veröffentlichungen.

Es ist sehr beeindruckend, dass Portia einer Band, die sie managt angeraten hat von ihrem eigenen Label weg zu gehen.

Beth: Ja, sie hat uns gehen lassen. Es war für Maggie und Tobi aber noch viel schwerer da sie der Grund waren warum wir überhaupt auf Kill Rock Stars veröffentlichen konnten. Aber deren Möglichkeiten sind einfach begrenzt.

Sie hatten ja immer mindestens einen grossen Namen auf dem Label, der die anderen Veröffentlichungen mitgetragen hat, was euch am Anfang ja auch sehr geholfen hat. Ich hatte schon Angst, dass jetzt wo all diese Bands gingen und auch Slim, dass sie ganz aufhören würden, aber sieht ja nicht so aus.

Beth: Was auch immer sie tun werden, sie werden immer ein Label bleiben. Ich glaube an sie und es war herzzerreissend zu gehen.

Wie gehst du damit um ein Vorbild für viele Fans zu sein, denen du Kraft gibst, indem du über Dinge wie Körperbilder sprichst. Hast du da eine starke Verantwortung, die auf dir lastet? Kimya Dawson hat zum Beispiel den Leuten immer gesagt, wenn ihr Probleme habt, schreibt mir. Dann hat sie ein Kind bekommen und hatte weniger Zeit um allen zu antworten und viele Leute fühlten sich betrogen und allein gelassen. Du fungierst auch als Identifikationsfigur, da du die Themen in den Mainstream gebracht hast, die viele Leute beschäftigen.

Beth: Ich fühle mich schon verantwortlich aber ich würde nie so etwas wie Kimya auf mich nehmen. Ich würde den Leuten nicht versprechen zurückzuschreiben weil ich es nicht halten würde.

Nicht das ich es nicht wollte, aber ich bin keine gute Brieffreundin sondern sogar eine ganz furchtbare und scheue mich nicht das zuzugeben. Ich fühle mich verpflichtet die Botschaft zu verbreiten aber auf so einem Gebiet zu kämpfen setzt voraus, dass man einige Leute enttäuschen wird.

Man kann es nicht ändern, man kann es nie jedem Recht machen und das ist eine Lektion, die man gerade als Frau lernen muss. Auch deine feministischen Schwestern sind am Ende des Tages andere Leute, die man nicht immer zufrieden stellen kann. Natürlich fühle ich mich aber verantwortlich gegenüber Leuten die mich ermutigen und auch mir Rückhalt geben.

Die würden dann also kostenlose Umarmungen kriegen. Kimya lässt die Leute sich ja immer zum Umarmen anstellen.

Beth: Ja, sie ist abgedreht. Wenn du mich umarmen wolltest müsstest du bloss fragen. Sie ist aber auch eine sehr umarmungswürdige Person, sie hat ihr Kind Panda genannt.

Na ja, Corin hat ihr Kind Marshall genannt, wie prollig ist das denn.

Beth: Absolut, und es gibt sogar eine Marshall Tucker Band.

Ich spiele ein Pearl Schlagzeug, da könnte ich meine Tochter so nennen.

Beth: Wäre auch ein super Name. (Mimt einen Rockstar) „Pearl, sie ist mein Baby“.

(Jenes aufgreifend) „Ich hab ein Endorsement dafür bekommen, dass ich sie so genannt habe“.

Beth: „Um bei der Wahrheit zu bleiben, sie haben mich bezahlt bloss um das Kind zu kriegen“.

Na, ja, dann danke ich dir schon mal.

Beth: War mir ein Vergnügen (Guckt auf ihre Nägel, auf denen sie seit einer Weile herumgekaut hat) Ich beisse da immer weiter drauf und es tut mittlerweile echt weh.

Erscheint mir zwanghaft zu sein. (Abgang Beth, umarmt mich kostenlos, Auftritt Hannah) Wie hast du zum ersten Mal von The Gossip erfahren und wie hat es sich angefühlt in eine Band einzusteigen, deren Karriere du verfolgt hast?

Hannah: Ich habe von ihnen das erste Mal gehört als ich 18 war und in Olympia auf viele Konzerte ging. Ich habe seitdem ich 13 war immer in Bands gespielt und war in der Szene involviert aus der Bands wir Tracy and The Plastics, The Need und Sleater-Kinney entsprangen. Es war eine aufregende Zeit und dann hörte ich von diesen verrückten Kids, die von Arkansas hergezogen waren. Beth lernte ich kennen weil sie mit einer guten Freundin von mir ausging, also hingen wir von Anfang an miteinander rum.

Sie haben dann einen Trend gestartet mit Kellershows und ihre Szene war witzig und radikal. Als sie mich fragten ob ich aushelfen kann war dass aufregend für mich, weil ich immer ein grosser Fan von ihnen war. Sie waren einer meiner Lieblingsbands von den neueren noch existenten Bands. Ich bin neuen Bands gegenüber meist nicht so aufgeschlossen. (Ich zeige auf ihr Run DMC Shirt)

Eben, ich höre eher alte Musik, es muss schon was heissen wenn mich eine neue Band begeistern kann. Da ich also die Musik und die Leute sehr mochte fühlte es sich ganz natürlich an bei ihnen einzusteigen obwohl es ein ganz anderer Stil war, als das was ich sonst so gespielt hatte.

War es sehr schwer für dich Shoplifting zu verlassen. Sie waren ja mehr deine Band, weil du da auch gesungen hast.

Hannah: Es war echt hart für mich weil die Musik auch sehr viel anspruchsvoller war und es war cool die beiden Bands parallel laufen zu lassen und eine zu haben die mich mehr ausfüllte, weil ich ihr auch meine Stimme leihen konnte und viel Emotion reinpackte. Als ich dann aber in The Gossip reinwuchs und mich als Mitglied ansah hat es auch begonnen mich mehr zu erfüllen.

The Gossip sind ja auch im grösseren Stil mit queerer Politik verknüpft, ich schätze das liegt dir auch sehr am Herzen

Hannah: Shoplifting waren auch sehr queer aber es stimmt schon, mit The Gossip war es aufregender weil wir grössere Shows spielen und Annerkennung auf einem ganz anderen Level bekommen. Mit Shoplifiting haben wir vor weniger Publikum gespielt was toll war aber man kam sich irgendwie unterbewertet vor.

Dann kam ich in eine Situation wo man sofortiges Feedback bekommt. The Gossip ziehen auch ihr queer punk Ding durch, aber eben auf einer ganz anderen, zugänglicheren Ebene.

Als Riot-Grrrl plötzlich von den Massenmedien aufgegriffen wurde gab es ja eine starke Anti-Haltung, ihr seid wiederum die Antithese dazu, weil ihr so präsent in den Medien seid und die Themen zurück auf die Agenda bringt.

Hannah: Alle Bands in denen ich bis jetzt gespielt habe, ob das jetzt The Gossip, Shoplfiting oder Chromatics waren, waren von Riot-Grrrl Musik und Politik beeinflusst. Ich sehe es als Fortsetzung und nicht als Bruch, aber, es stimmt, ich war nie eine von denen die sagte, da möchte ich jetzt aber keine Auskunft drüber geben.

Welche der Themen, die Beth in Songs anschneidet, sind dir denn am wichtigsten?

Hannah: Ich kann mich mit allem was sie sagt identifizieren, auch wenn es nicht direkt meine Erfahrungen widerspiegelt, auch wenn es nur ein queeres Liebeslied ist, oder das was sie zwischen den Songs erzählt, was vielleicht gar nicht so viel mit dem Inhalt zu tun hat. Es geht darum Leute nicht auszuschliessen und Ihnen Kraft zu geben auch wenn sie sich vielleicht machtlos fühlen.

Die Idee von Stärke und Rebellion und der Anti-EstablishmentGedanke sind mir sehr wichtig und diese Gefühle durchdringen mich auch wenn ich bloss das Rückgrat dazu liefere indem ich Schlagzeug spiele. Das gibt mir Energie und das bekomme ich vom Publikum mit, auch wenn es eine nonverbale Kommunikation ist.

Gerade weil euer Sound minimalistisch ist, bist du auch als Schlagzeugerin noch sehr im Vordergrund.

Hannah: Ganz genau.

Wie würdest du queer für dich definieren.

Hannah: Homosexuell, aber auch abgedreht und radikal; Es reicht nicht eine Regenbogenfahne zu schwenken, wenn man sonst total dem Mainstream verfallen ist und sich nicht für Politik interessiert. Queer sind freakige, gewagte Ideen.

Aber man muss schon homosexuell sein?

Hannah: Finde ich schon. Nur ein bestimmter Typ von Homosexuellen sieht sich selbst als queer an.

Aber es gibt ja auch Leute, die du als hetero definieren würdest, die sich selber als queer identifizieren. Es ist ja in aller Munde.

Hannah: Es fand eine ziemliche Aneignung statt.

Was hältst du denn dann von Serien wie The L-Word?

Hannah: Es ist ein zweischneidiges Schwert. Es wird exponiert, doch wird es das auf die richtige Art und Weise?

Und sie spielen ständig eure Musik,

Hannah: Ja, absolut. (lacht)

Haben sie euch mal gefragt ob ihr da auftreten wollt? Sleater-Kinney haben das ja gemacht.

Hannah: Nee, aber sie benutzen unsere Musik sehr häufig. Ich schätze so was muss sich vollziehen bevor die Leute für die richtige Darstellung von queer gewappnet sind, so was leicht verdauliches für den Mainstream. Wenn sie das erst mal akzeptiert haben, folgen die nächsten Schritte.

Ohne dich jetzt beleidigen zu wollen, sehe ich da eine gewisse Parallele zwischen der Serie und eurer Band, denn es gibt hier zwei Arten von Lesern. Wenn man The L-Word guckt ohne zu wissen wer Catherine Opie ist, oder dass ihr und Le Tigre mit queer assoziiert seid, wird man es konsumieren ohne den Subtext mitzubekommen. Genauso gibt es Leute die eure Band gerade für sich entdecken, gerade in Grossbritannien wo ihr sehr erfolgreich seid, und es dauert bis sie, na ja, nicht es verstehen, aber sie haben eben nicht den selben Hintergrund weil sie nun mal nicht in Olympia aufgewachsen sind.

Hannah: Ja es ist schwierig weil man ja mehr Leute erreichen will aber die sollen die Botschaft auch nicht missverstehen. Ich halte Nirvana für das beste Beispiel. Kurt Cobain war radikal und riot-grrrl und stand auf die besten Frauenbands überhaupt und ich habe so viel dadurch entdeckt was er in Interviews erzählte, aber das ging alles an deren Mackerpublikum vorbei und führte schliesslich zu seinem Untergang, denke ich.

Glaubst du das geht euch auch so?

Hannah: Ich weiss es nicht, wir fangen gerade erst an zu sehen wo das vielleicht hinführt. Es ist in jedem Fall komisch bei einem Festival wie Reading aufzutreten und vor 50.000 Leuten zu spielen von denen 80% keine Ahnung haben wer du bist oder wofür du stehst. Aber sie mögen uns trotzdem. Es ist alles so neu, es ist schwierig damit umzugehen.

Ich find`s auch oft amüsant wenn zum Beispiel bei einem Peaches Konzert das ganze Publikum das Shocker Zeichen nachmacht obwohl sie gar nicht unbedingt wissen, was das heissen soll. Langsam dämmert es ihnen dann und darin liegt eben das Potenzial von dem was ihr versucht und das ist klasse. Habt ihr aber dennoch einiges an Untergrundunterstützung einbüssen müssen?

Hannah: Ich hoffe nicht. Ich sehe diese Leute immer noch auf unseren Konzerten, keine Ahnung was so über uns gesagt wird aber ich fühle mich dem Untergrund immer noch verbunden und glaube nicht, dass Leute sich durch unseren Erfolg vor den Kopf gestossen fühlen. Zumindest noch nicht und das bleibt hoffentlich auch so. Sie haben uns ja zu dem gemacht was wir sind.

Versucht ihr so wie Dischord eurer Ticket und Plattenpreise niedrig zu halten. Ich meine ihr wollt sicher auch davon leben und mittlerweile könnt ihr das ja auch, oder?

Hannah: Seit ein paar Jahren können wir das, ja. Noch haben wir uns nicht aktiv darum bemüht, aber ich will auf keinen Fall an den Punkt kommen, wo wir 25 Dollar für eine Karte verlangen. Ich finde das immer schrecklich wenn Bands, die ich toll finde so teuer werden also hoffe ich, dass wir das umgehen können.

Denkst du also ihr habt den Zenith schon erreicht?

Hannah: Kann ich nicht sagen. Letztes Jahr dachten wir schon, noch grösser werden wir nicht mehr und dann ist es plötzlich explodiert und jetzt ist Beth eine Berühmtheit.

Und es begann alles mit Dir.

Hannah: (Lacht) Ich weiss nicht recht

Dein Schlagzeugspiel hat den Sound ja schon stark verändert.

Hannah: Das stimmt, aber das war auch nötig. Sie brauchten ein solideres Gerüst. Sie waren vorher auch eine tolle Band und ich will mich hier nicht selber loben, aber ich habe ihnen ermöglicht Gebiete zu erschliessen, die sie vorher nicht erreichen konnten. Sie wollten tanzbarere Stücke und es aus der Garage verfrachten, das ganze etwas weiter spinnen und ein wenig anders aufziehen.

Ich denke man ist fast zerrissen, gerade bei all-girl Bands, denn man will Frauen ja ermutigen Instrumente zu spielen auch wenn sie vielleicht nicht gut darin sind, darin liegt ja der DIY und auch der Riot-Grrl Gedanke. Andererseits bestätigt man dadurch das Klischee, das Frauen nicht spielen können, also muss es auch Frauen geben, die technisch sehr gut sind. Das wiederum schreckt dann aber unter Umständen Frauen ab die gerade erst anfangen, weil die denken, so gut werde ich eh nie, da kann ich es auch gleich bleiben lassen.

Hannah: Bei The Gossip ist es auch so, dass die Leute jetzt merken, krass, das sind ja tatsächlich auch talentierte Musikerinnen. So viele Mädels kommen zu mir und erzählen mir, dass sie schon immer Schlagzeug spielen wollten, und dann biete ich ihnen an es ihnen mal zu zeigen aber meistens bleiben sie nicht dabei, es ist wirklich merkwürdig. Ja, ich versuche so gut wie möglich die Leute dazu zu ermutigen.

Ich freue mich immer sehr wenn ich Frauen spielen sehe, besonders wenn sie richtig gut sind, aber ich mag auch Bands in denen die Leute ihre Instrumente nicht beherrschen. Man bewegt sich auf schwierigen Terrain, da gebe ich dir Recht.

Wäre das was für dich als zukünftige Karriere, Schlagzeuglehrerin?

Hannah: Keine Ahnung, ich fange jetzt wieder an selber Unterricht zu nehmen, Ich habe das für ein paar Jahre gemacht als ich 14 war und hab`s dann wieder aufgeben. Ich fang`s jetzt wieder an um an technischen Sachen zu feilen.

Deine Eltern haben dich also in deiner Musikkarriere unterstützt?

Hannah: Ja, meine Mama ist Musiklehrerin und stand immer hinter mir.

Und sie kommt auch zu den Konzerten und ist ganz stolz?

Hannah: Ja, ich finde das echt super niedlich. Im Moment passt sie auf meinen Hund auf, während ich unterwegs bin.

Wie schwer ist das für dich so viel auf Tour zu sein?

Hannah: Das ist die erste Band mit der ich das halbe Jahr unterwegs bin und es ist schon hart weil ich eine Freundin habe mit der ich zusammenlebe, und Haustiere und Familie, aber das ist eben mein Lebensstil geworden und deswegen ist das meine Natur.

Du wusstest ja auch, worauf du dich einlässt.

Hannah: Ja, ich habe es mir vor Jahren zum Ziel gesetzt mit Musik mein Geld zu verdienen und jetzt habe ich es verwirklicht, das ist schon genial.

Zur Ruhe setzen kannst du dich ja auch später noch.

Hannah: Eben, ich will es so weit bringen wie möglich. (mit heroischer Stimme) Ich greife nach den Sternen (lacht).

Du hast es ja schon echt weit gebracht

Hannah: Danke, Alte (lacht). War schön dich wieder zu treffen.

Ja, ihr seid echt ständig hier.

Hannah: Ich denke bis zum Herbst 2008 werden wir aber erstmal nicht wiederkommen.

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Interview, Text & Fotos: Alva Dittrich

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