Januar 1st, 2014

THE DROPOUT PATROL (#159, 04-2013)

Posted in interview by jörg

Es ist gewissermassen unfair, The Dropout Patrol hervorzuheben, hat deren Sängerin und Gitarristin Jana Sotzko doch auch noch dieselbe Rolle bei PETE THE PIRATE SQUID und die der Schlagzeugerin (ebenfalls inklusive Gesang) bei EX BEST FRIENDS – drei Bands, die ich aus jeweils unterschiedlichen Gründen für grossartig und, was vielleicht noch wichtiger ist, aussergewöhnlich halte.

Dennoch scheint es gerechtfertigt, dieses Projekt von ihr in den Vordergrund zu stellen, da es als Soloprojekt begann und somit wohl vordergründig mehr mit ihr zusammenhängt als die anderen beiden Bands, bei denen ich es noch ungerechter empfunden hätte die restlichen Mitglieder nicht zu Wort kommen zu lassen. Nennen wir es darum einfach provisorisch: Aus der Reihe: Menschen die in (zu?) vielen Bands spielen. Heute: Jana von Pete The Pirate Squid / Dropout Patrol / Ex Best Friends.

Kennengelernt habe ich Jana vor 7 Jahren in München bei einem Konzert von Pete The Pirate Squid, die mich wie selten eine Band begeistern konnten mit ihrem leicht verschrobenem aber niemals nervigem Frickel-Post-HC-Emo-Experimental-Screamo-Genius. Aber nicht nur musikalisch sondern auch von ihrem Auftreten auf der Bühne war mir diese Band vom ersten Wirbelwind-Schlagzeug-Beat bis zum letzten Fast-Sprechgesang und allen voraus diese gleichzeitig mutig und schüchtern wirkende (Anti-)Frontfrau, mit der ich mich in diesem Moment beschloss anzufreunden. Glücklicherweise hat das auch geklappt und ich konnte diese Band sehr bald und auch oft in rosa Häschenkostümen nach Bonn einladen und mit Jana die Nächte durchquatschen und sie sogar mal in Dresden besuchen.

Es verschlug sie dann allerdings wie so viele Menschen nach Berlin, was aber im Gegensatz zu diesen vielen anderen Menschen auch ihre Herkunftsstadt ist und gleichzeitig verschlug es dorthin meine alte Bekannte Anette, ihres Zeichens ehemaliges Mitglied der legendären xStörenfriedax, der wohl einzigen deutschen all-girl-vegan-straightedge-hardcore-Band, die es jemals gab, sowie meine eigene Band Blockshot, letztere allerdings nur für ein Konzert. Dort begegneten sich also die beiden und wir machten Witze, wie es wohl sein würde eine Band zusammen zu gründen. Wenige Zeit später entstanden dann Ex Best Friends, zwar ohne mich, aber mit dem besten DIY-Riot-Grrl-Spirit. Es rumpelte mehr als bei PTPS und das Idiom wurde auch teilweise von Englisch auf Deutsch gewechselt und es war ein Fest.

Absurderweise lernte ich The Dropout Patrol dann als letztes kennen, obwohl sie chronologisch gesehen die älteste der drei Bands sind. Ich bin geneigt die Musik als ruhig zu bezeichnen, aber eigentlich stimmt das nicht, denn sie wühlen mich viel mehr auf als die Obengenannten. Durch die melancholischen Untertöne, die zeitweise Stille und die poetischen Texte bestechen TDP durch ihre fast unglaubwürdige Authentizität und, wenn das möglich ist, finde ich Jana noch toller seitdem ich diese Band live gesehen habe, als ich es eh schon tat. Nun aber genug von mir und mehr von ihr.

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Jana, du wohnst in Berlin, der grössten Stadt Deutschlands. Mensch könnte also meinen, dass dort nicht alle Bands sich aus Mitgliedern wieder anderer Bands zusammensetzen, weil die Szene doch nur aus 20 Personen besteht. Wie ist deine Einschätzung dazu? Ist auch die Grossstadt-Szene ein Dorf (vielleicht auch im Vergleich zu der Zeit, die du in Dresden ansässig warst)?

Jana: Auf Dauer mag schon der Eindruck entstehen, dass einem immer dieselben Personen musikalisch sozusagen über den Weg laufen. Ich glaube aber eher, dass das mit einem Nebeneinander von vielen kleinen Szenen zu tun hat und es leider nicht immer viele Überschneidungen gibt. Sobald man sich mal aus den gewohnten Strukturen herausbewegt, ist eigentlich nicht zu übersehen, wieviele spannende Sachen hier musikalisch passieren.

Hinzu kommt so ein gewisses unstetes Moment – es ziehen eben immer wieder Leute her und auch wieder weg, was auch nicht unbedingt an Dorfstrukturen erinnert. Dresden kann ich da gar nicht so richtig als Vergleich heranziehen – obwohl ich 4 Jahre da gewohnt habe, hatte ich nie so recht einen Anschluss an eine konkrete Szene.

Ex Best Friends ist eine All-*Girl*-Band, Pete The Pirate Squid und Dropout Patrol jeweils gemischt, war es eine Art langes Ziel von Dir in einem reinen *Frauen*projekt zu spielen, oder ist Dir das Geschlecht von Musiker_innen egal? Ist der Songwriting-Prozess z.B. je nach Band unterschiedlich, werdet ihr anders wahrgenommen/behandelt vom Publikum, Tontechinker_innen, Veranstalter_innen, etc.?

Jana: Grundsätzlich ist mir ist das Geschlecht von Musiker_innen egal. Im Rahmen von Ex Best Friends ist es aber für mich schon spannend, mit Klischees und Vorbehalten zu spielen und nicht zuletzt auch ein bisschen den Hut zu ziehen vor den All-Girl-Bands und grossartigen Musikerinnen, die mich beeinflusst haben. Abgesehen davon mache ich einfach gerne mit den beiden Musik und bin froh, dass mich jemand am Schlagzeug rumpeln lässt. Es ist super, laut und aggressiv zu spielen und eben nicht nach putziger Mädchenband zu klingen.

Das Songwriting variiert von Band zu Band – das hat weniger mit dem Geschlecht als mit Gruppendynamik und individuellen Arbeitsweisen zu tun. Unterschiede in Behandlung und Wahrnehmung stelle ich wirklich vor allem im Live-Kontext fest. Aber natürlich hängt das auch hier damit zusammen, dass wir z.B. mit EBF v.a. von queerfeministischen Veranstalter_innen angefragt werden. „Ausziehen“ ruft da halt dankenswerterweise niemand, während das bei Pete schon passiert ist.

Du hast auch Sound Art studiert. Macht sich das gefühlt bemerkbar bei deiner Herangehensweise an’s Musikmachen oder ist das eine ganz andere, künstlerische/nicht-Band Schiene?

Jana: Es erweitert auf jeden Fall den musikalischen Horizont, sich mit Geräuschen und dem Klang an sich zu befassen, finde ich. Bei meinen Bands bringe ich aber nichts davon ein, das wäre eine irgendwie erzwungene Verbindung. Seit einigen Monaten mache ich bei einem losen Experimentalprojekt mit, bei dem ich mich in dieser Richtung komplett austoben kann: keine Songstrukturen, keine feste Instrumentierung und im Mittelpunkt stehen Klang und Improvisation – das ist auf jeden Fall ein guter Gegenpol.

Dropout Patrol haben ja einen Plattenvertrag mit Exotic Fever. Ist das eher so ein symbolischer Freundschaftsakt zwischen Dir und Katy oder wirkt sich das tatsächlich auf euren „Marktwert“ in den USA aus?

Jana: Das hat viel mit meiner Freundschaft mit Katy Otto zu tun, klar. Wir sassen im Auto, sie meinte, ich soll doch mal was von Dropout Patrol vorspielen – und dann haben wir 2 Demosongs gehört und sie war irgendwie…ergriffen. Wie Menschen auf Autofahrten eben so sind. Dass sie dann angeboten hat, die Platte mit herauszubringen (ohne Vertrag übrigens) war ein Glücksfall für uns. Ich glaube nicht, dass die in den USA überhaupt wahrgenommen wird, dafür müssten wir schon dort touren. Ich habe neulich eine nach Kanada geschickt, da war ich schon erfreut, haha.

Aber im Ernst, es fühlt sich toll an, auf Exotic Fever zu sein, weil ich nicht nur Katy schätze, sondern eben auch das Label mochte, seit ich das erste Mal das 1905-Album gehört habe. Zudem haben Altin Village & Mine und Exotic Fever schon wegen Distrokram zusammengearbeitet – ein gemeinsames Release war dann einfach eine schöne Weiterentwicklung.

Weisst du immer schon im Vorhinein für wen du den nächsten Song schreiben wirst, oder werden die je nach Stimmung/Ergebnis/Idee bei Bands einsortiert? Gibt es da auch Konflikte/Konkurrenz (z.B. wer jetzt wann tourt, probt, aufnimmt etc.?)

Jana: Das war jahrelang immer eindeutig, aber wird gerade zu einem Problem. Ich schreibe ja für Pete und Dropout immer alle Texte…und hab nun auch nicht so viel zu sagen. Und auch Gitarrenparts z.B. sind in ihrer Grundform meist für beide Bands denkbar, wiewohl sich dann schon immer fix herauskristallisiert, ob das eher für die eine oder andere Band geeignet ist.

Bei Ex Best Friends schreiben wir Gott sei Dank alle Texte gemeinsam, und es gibt keine musikalischen Konflikte, weil ich eh Drums spiele. Und ja, auch zeitlich entstehen Probleme. Momentan ist für mich Dropout Patrol oberste Priorität, worunter leider die anderen Bands leiden müssen.

Du machst ja auch Musik mit ehemaligen Intimpartnern, macht das die Sache einfacher auf Grund einer Vertrauensbasis oder schwieriger auf Grund Minenfelder/Fettnäpfchen?

Jana: Sowohl als auch. Im besten Fall finde ich es schön, etwas gemeinsam zu machen, was persönliche Konflikte überdauert und die Gründe für das Scheitern einer Partnerschaft komplett ausklammert.

Diese Trennung Alltag/ Musikmachen ist nicht immer ganz leicht – was dann wiederum die Kehrseite ist. Wenn es innerhalb von Bands zu Spannungen kommt (und das passiert natürlich) warten da einfach Fettnäpfe auf Schritt und Tritt. Communication is key, wird mir da immer mal wieder geraten.

Die Geschichte will es, dass Dropout Patrol in gewisser Weise immer noch als dein Soloprojekt gehandelt wird, wie ist das für deine Mitmusiker_innen, fühlen die sich als austauschbares Beiwerk oder ist die Kollaboration die Öffnung zu deiner eigenen Seele (oder was dazwischen?)

Jana: Das frage ich mich auch. Leider steht das mit dem alten Soloprojekt im Promotext für die Platte, wir müssen da unbedingt mal drauf verzichten. Ist ja eigentlich auch eine hübsche Entstehungsgeschichte – nur irgendwann wäre es schon schön, als Band wahrgenommen zu werden.

Die aktuelle Besetzung ist ja schon eine Weile dieselbe und ich mag eigentlich nicht den Eindruck erwecken, die wäre so einfach auswechselbar. Auf der anderen Seite bleibt die Dropout-Kiste eine sehr persönliche. Ich mag es nicht, im Vordergrund zu stehen, aber das Album ist schon..naja..viel von mir, allein schon wegen der Texte. Musikalisch ist die Kollaboration unbedingt eine Öffnung und eine Bereicherung!

Ruhigere Bands haben es ja oft schwerer auf Konzerten die Aufmerksamkeit durchgängig auf sich zu ziehen und auch die eigene Spannung auszuhalten. Hast du das Gefühl du bist persönlich mehr getroffen, wenn dieses Projekt kritisiert wird, oder ist die Involviertheit bei allen drei Bands gleich?

Jana: Nein, das tut bei Dropout Patrol schon mehr weh, weil man sich so aufdröseln muss live. Es ist sehr verunsichernd, da eine ruhige Stelle zu spielen und parallel Gespräche aus dem Publikum mitzuhören. Ich bin nicht in der Lage, wie ich es z.B. bei Des Ark erlebt habe, Respekt einzufordern und die Leute zu bitten, einfach mal 3 Minuten nicht laut quatschen zu müssen…aber es schockiert mich schon manchmal. Ich würde auch selbst bei einem Konzertbesuch nicht auf die Idee kommen, mich auf den Bühnenrand zu setzen und zu diskutieren, wie mein Tag so war, während sich da jemand bemüht, ok zu spielen.

Mit Pete The Pirate Squid wart ihr ja jetzt auch in Asien. Wie hast du das erlebt, haben die Leute Zugang zu eurer Musik gefunden, was habt ihr selbst an Erkenntnissen und Erfahrungen bezüglich des z.B. Kulturbegriffs mitgenommen?

Jana: Die Tour war eine sehr intensive Erfahrung, und die Konzerte haben wahnsinnig viel Spass gemacht. Ich kann nur für mich sprechen – für mich war es in vielerlei Hinsicht erkenntnisreich. Ich war nie vorher in Asien, nie auf Tour in einem muslimischen Land und zudem einigermassen ahnungslos über die lokale Szene (lustigerweise war der BLOCKSHOT-Tourbericht eine meiner wenigen Quellen vorab).

Die Intensität der Shows und der Kontakt zu den Leuten vor Ort hat mich dann im Rückblick ziemlich ignorant fühlen lassen..es ist schon komisch, irgendwo in Malaysia mit 10 Bands an einem Abend zu spielen, von denen man nie vorher gehört hat, und dann kommt jemand und sagt „Hey, ich mag eure Split mit Soundso, und kennt ihr eigentliche meine Lieblingsband PTTRNS?“ – Die Frage mit dem Kulturbegriff verstehe ich nicht ganz…was meinst du damit?

Also was ich mit Kultur meinte – ein bisschen hast du das schon beantwortet – das eine geht so in die Richtung, dass immer davon ausgegangen wird, dass bestimmte Regionen eher exportieren und manche eher importieren und dann quasi in Asien vielleicht erwartet wird, dass die ganz anders klingen, oder wenn sie dann doch so klingen als Orientierung an „den Westen“ wahrgenommen wird. Der andere Teil meiner Überlegung wäre halt so in Richtung, zeigen sich an solchen Erfahrungen, also spontane durch Musik ausgelöste oder entstandene Verbindungen, dass es so was wie den Menschen an sich gibt, der z.B. Wut oder andere Stimmungen transportiert die nicht durch eine bestimmte Kultur geprägt sind, sondern universeller. Ist das klarer?

Jana: Irgendwie ist das ja auch der Punkt bei Punk/ HC: Die musikalischen Mittel sind dieselben, die Inspirationen, die Szenecodes und die Intensität der Emotionen. Insofern war der Zugang zu unserer Musik genauso leicht oder schwer wie einem Konzert in London oder Chemnitz – die Emotionen sind universal, wenn man sich darauf einlässt. Was mich beeindruckt hat, waren der Enthusiasmus und der Wille, eine Subkultur und freie Räume unter widrigen Umständen zu etablieren.

Manchmal fällt es mir ein bisschen schwer, über diese Tour zu erzählen, weil mir schon bewusst ist, dass alles von diesem weissen europäischen Blickwinkel geprägt ist, und wir im Grunde nur Touristen mit Gitarren waren, die mit grossen Augen von Show zu Show gestolpert sind. Für mich persönlich habe ich viel mitgenommen, und ich bin sehr, sehr dankbar dafür, dass wir das machen konnten.

Mit dem Hype um’s Nerdsein (z.b sowas wie Big Bang Theory) läuft der_die Nerd_in (also du und ich) schon Gefahr ungewollt Hipster zu sein?

Jana: Ja, vermutlich. Wiewohl mir das irgendwie egal ist: ich finde diese inflationäre Benutzung von „Hipster“ als Schimpfwort schlimm. Ich gehöre dann lieber zu den Geschmähten, als zu denen, die mit der abwertenden Verwendung des Begriffs ihre Homophobie, ihren Konservatismus, ihr Bedürfnis nach praktischen Schubladen für Leute oder was immer offenbaren. Und wenn mein Musik- oder Filmgeschmack oder meine Brille oder dein Jutebeutel für so ein Etikett reichen…dann bin ich von mir aus auch Hipster.

Aber klar ist es komplexer: als ich z.B. vor kurzem dieses Buch von Marc Greif gelesen habe, dachte ich immer: „Oh nee, aber diese Art von Hipster bin ich doch nicht, oder? Diese konsumgeilen Kids, die jeden Trend mitmachen und ganze Stadtteile zerstören? Neeeeiiiin!“ Soll heissen, die Kritik, die da immer mitschwingt, auch wenn man anfängt über Verdrängung und Kapitalismus zu reden, kann ich nachvollziehen und finde ich auch wichtig.

Wie involviert bist du beim Ruby Tuesday Music Camp und wie sieht die Zukunft aus? Habt ihr die Vision einer konstanten Etablierung so wie in den USA und vielleicht auch einer Mainstreamisierung, z.B. das Juidth Holofernes oder Annette Humpe mitmacht oder so? Wen erreicht das Camp und wen will es vielleicht noch erreichen (z.B. bezüglich Diversität)?

Jana: In den ersten beiden Jahren des Ruby Tuesday Camps war ich sowohl bei der Vorbereitung als auch beim Camp selbst involviert. Danach habe ich mich davon zurückgezogen und beobachte das aus der Ferne bzw. frage ab und an aus Interesse nach, wohin es so geht.

Meine Beobachtung ist, dass sich die Teamer_innen einer Mainstreamisierung bewusst verwehren und – ganz im Gegenteil – den Fokus klarer bestimmen, sowohl was die Zielgruppe (seit 2011 werden auch trans*- und intergeschlechtliche* Jugendliche angesprochen, statt nur von „Rockcamp für Mädchen“ zu sprechen) als auch die musikalische Ausrichtung angeht (das Camp trägt mittlerweile auch Hip Hop im Namen).

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Alva Dittrich

Links (2015):
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Discogs

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