März 17th, 2007

THE CRAMPS (#67, 12-1997)

Posted in interview by andreas

Das Trust ist ja bekannterweise ein Fanzine. Also ein Medium, in dem man als Fan über seine musi-kalischen Lieblinge berichtet. Die Cramps hatten in meinem Herzen schon immer ein festes, eigenes Plätzchen, und so konnte ich die Möglichkeit, mit ihnen in Düsseldorf zu sprechen, einfach nicht verstreichen lassen.

Anlass, für Lux Interior und Poison Ivy in der Lobby des Hotels Renaissance zu sein, war die Veröffentlichung ihres neuen Albums „Big Beat From Badsville“ bei Epitaph. Ganz anders als ich befürchtete, waren die beiden, obwohl auf der Bühne wilde Tiere, ungeheuer nett und schienen trotz der vielen Interviews der vorange-gangenen Tage gewillt, alle Fragen zu beantwor-ten. Besonders die sonst so belächelten „Plattensammlerfragen“ schienen für Lux und Ivy durchaus wichtig zu sein. Also, Record-Collectors Unite! Here is a couple that knows how to party!

***

Als ich die neue CD in den Händen hatte, habe ich als erstes nachgeschaut,
wer ausser euch beiden noch mitspielt. Slim Chance und Harry Drumdini sind jetzt wohl feste Mitglieder der Band…?

Ivy: Oh ja, „Big Beat…“ ist jetzt Slims drittes und Harrys zweites Album, auf dem sie spielen. Wir sind auch alle zusammen getourt und so weiter..

Ich frage deshalb, weil in diesem Buch („The Wild Wild World Of The Cramps“ von Ian Johnston, Omnibus Press, 1990 – einzig mir bekannte Cramps-Biographie – A. d. V.) der Eindruck entsteht, dass ihr dadurch, dass immer wieder Leute ausgestiegen sind bzw. gefeuert wurden, die Cramps oft nicht live spielen bzw. Verträge nicht einhalten konnten und dadurch die Band immer ein wenig gebremst wurde. Ist das jetzt vorbei?

Ivy: Ja…

Lux: Wir hoffen es wenigstens…

Ivy: Aber die Probleme mit den Leuten in der Band waren nie so ein Faktor… Was dieses Buch betrifft: Es ist OK. Vieles ist nicht akku-rat, aber es wurde von einem Fan gemacht. Es ist ein gutes Buch für jemanden, der uns noch nicht kennt.

Wenn es aber jemandem wirklich um Details geht, ist es nicht so toll.

Lux: Sehr viele Sachen sind äusserst unkorrekt. Es ist OK, aber eine Menge Leute fragen, wie du jetzt, nach Sachen oder Begebenheiten, weil sie dieses Buch gelesen haben, und so oft auf eine falsche Fährte geleitet wurden.

Ivy: Wir hatten nie das Gefühl, dass Querelen innerhalb der Band uns gebremst haben. Der Autor dachte, dass wir so denken würden, aber die einzige Sache, die uns jemals gebremst hat, ist das Musikbusiness: Probleme mit den Plattenfirmen, Gerichtsverfahren, Anwälte, schlechte Manager… solche Sachen.

„Flame Job“ ist als Vinyl schon bei Epitaph herausgekommen, die CD-Version bei einem Label namens Medicine, jetzt seid ihr voll bei Epitaph. Habt ihr die Nase voll von Major-Labels? Im Buch wird behauptet, ihr würdet nie zu einem Indie gehen, da euch die Distribution am wichtigsten wäre.

Ivy: Nein, nein, das konnte der Typ gar nicht wissen, weil er sich darüber nie mit uns unterhalten hat. Das Ding mit Medicine ist ganz einfach: das war das Label von Kevin Patrik, einem Freund von uns. Es war sein neues Label, nur der Vertrieb lief über Warner Brothers. Nur leider haben sie versagt. Ge-nauso Creation in England oder Sony in Euro-pa.

Wir dachten, dass Creation gut wäre, weil Allen McGuy uns sagte, dass er uns lieben würde, aber wie sich herausstellte, haben sie uns ignoriert, unsere Anrufe nicht beantwortet, sie waren fürchterlich. Ich meine, wir brauchen bessere Vertriebsmöglichkeiten als zum Bei-spiel Crypt oder Estrus, weil wir ein grösseres Publikum haben und wir jemanden brauchen, der unsere Platten an dieses Publikum ver-kaufen kann. Aber davon abgesehen….. wir waren eigentlich sehr froh, zu Epitaph gehen zu können.

Als wir noch bei Medicine waren, haben wir uns regelrecht gewünscht, auf Epitaph zu sein, weil sie so einen guten Job mit dem Vinyl machen. Wir waren mit Gas Huffer auf Tour und sie sind ja bei Epitaph, und da konnten wir sehen, wie Epitaph arbei-tet. Als wir also sahen, wie sie Gas Huffer promoteten, dachten wir uns, das ist genau das, was wir brauchen. Schon ein bisschen mehr Underground… so wie unser Publikum eben.

Es war zu der Zeit so, dass wir in Amerika Konzerte gaben und uns danach mit Leuten unterhalten haben, die uns fragten, wann endlich unser nächstes Album kommen würde bzw. warum wir nicht mal wieder etwas veröffentlichen. Dabei war unsere Platte schon ein paar Monate draussen, nur wusste keiner was davon. Da war einfach etwas grundlegendes falsch, denn egal, was unsere Plattenfirma machte, sie schaffte es nicht, die Leute, die unsere Sachen haben wollten, zu erreichen.

Ich glaube sie haben versucht, uns ins Radio zu bekommen, was wahrscheinlich umsonst war, weil wir eben die Cramps sind. Unser Problem war schon bei Big Beat, dass der Labelchef uns gesagt hat, wir müssten auf ein grösseres Label, weil er nicht genug Platten vertreiben könne und in Ländern wie Italien oder Griechenland unsere Platten als Konterfei im Umlauf wären, er aber nicht in der Lage wäre, in diesen Märkten unsere Sachen zu verkaufen.

Wie steht ihr überhaupt zu Bootlegs? Ich bin sicher, dass sie euch geholfen haben, einen gewissen Kult-Status zu erlangen oder denkt ihr, dass sie euch irgendwie schaden?

Ivy: Ich glaube nicht, dass sie uns geholfen haben, ich glaube aber auch nicht, dass sie uns gross geschadet haben. Vielleicht hat es uns ein bisschen geholfen diesen… wie sagtest du… Kult zu vergrössern, aber es gibt so viele schlechte Bootlegs von uns. Ein paar klingen ganz gut, aber die meisten sind fürchterlich. Dadurch ziehen irgendwelche Leute einen Vorteil aus unseren Fans.

Eine andere Sache ist, dass wir auf so vielen verschiedenen Labels in verschiedenen Ländern sind und dadurch niemand weiss, welches jetzt unser wirkliches Label ist. Dadurch denken manche Fans, dass der eine oder der andere Bootleg unsere neue Platte ist. Das ärgert uns dann wirklich. Abgesehen davon sind sie zu teuer, stell dir vor, du zahlst $ 35 für eine Platte, die nicht mal besonders schönes Artwork hat, und dann ist der Sound auch noch mies. Ausserdem sind die Bootlegger auch nicht ehrlich. Sie geben falsche Titel an. Wir haben eine Menge Fans, die von uns alles haben wollen.

Also geben die Bootleger einem alten Song einen neuen Na-men, z. B. „Psychotic Reaction“ heisst auf einem Bootleg „A Walk Down Broadway“ oder aus „Bacon Fat“ wurde „Big and Fat“. Also sieht ein Fan die Platte, denkt, dass es neue Songs sind und kauft sie.

Lux: Genau, anstatt etwas zu essen zu kaufen, holen sie sich die Platte, haben noch eine Version von „Psychotic Reaction“, aber essen zwei Wochen nur Kräcker. Es gibt schlimme Boots, es gibt aber auch Sachen, die ein echter Fan gemacht hat, weil er sein Live-Tape so toll findet. Die sind dann auch OK.

Aber zum Beispiel die grosse Box, die es vor ein paar Jahren gab, das waren eigentlich nur ein paar 12″ Singles, ein T-Shirt und das Buch, von dem wir gerade sprachen. Für diese Box haben wir nie irgendwie Geld gesehen, es hat mit uns nichts zu tun und in Amerika hat sich das Ding für $ 100 verkauft. Das war ein totaler Rip-Off, $ 100 für eine quasi leere Box. Es ist selten, dass ein Bootleg eine gute Sache ist, dass alles stimmt, die Aufnahme, das Artwork……

Ivy: Insofern hat dieser Bootleg uns schon geschadet, weil wenn wir jetzt eine Box ver-öffentlichen würden, die sich auch wirklich lohnt, kaufen die Leute sie nicht, weil sie nicht wissen, dass diese Box wirklich von uns ge-macht ist und sie sich nicht noch einmal bescheissen lassen wollen.

Jetzt mal abgesehen davon, ob sie gut oder schlecht sind, sammelt ihr auch die Boots, die von euch gemacht werden?

Lux: Oh ja, wir kaufen alle!

Ivy: Ja, das machen wir!! Wir versuchen es….. wir haben so ungefähr 60 Stück, es soll aber an die 200 geben. Wir kennen einen Fan, der glaubt, alle zu besitzen. Sie sind für uns in gewisser Weise Artefakte. Nur ist es oft schweirig für uns, sie zu kaufen. Meistens muss sie ein Freund für uns kaufen, denn die Verkäufer haben Angst, dass wir sie einfach im Laden beschlagnahmen und so mitnehmen.

Das könnten wir rein rechtlich zwar machen, aber uns ist das doch egal, wir wollen auch kein Geld von den Leuten. Gerade auf Floh-märkten ist es so, dass uns jemand erzählt, dass im nächsten Gang jemand Cramps-Bootlegs hat, aber wenn wir sie dann kaufen wollen, sind sie verschwunden.

Die Legende besagt, dass ihr in einer Art Museum des Trashs wohnt, mit tausenden von alten Platten, Zeugs über B-Movies, Horror- und Sci-Fi-Filmen. Sammelt ihr darüber hinaus noch Sachen, die weder etwas mit Musik oder mit B-Filmen zu tun haben?

Ivy: Fotokameras….

Lux: Ich habe paarundachzig 3D-Kameras. Manche sind aus dem 19. Jahrhundert. 3D-Kameras haben mit dem Rest eigentlich nichts zu tun. Jemand in Düsseldorf hat übrigens für mich eine 3D-Kamera aus zwei neuen norma-len Kameras gebaut. Er hat zwei Jahre daran gearbeitet…..

Ich frage deshalb, weil ich als Plattensamm-ler an mir und anderen Sammlern bemerkt habe, dass man, wenn man Sammler ist, es nicht bei einem Sammelgebiet belässt, sondern gleich mehrere verschiedene Sachen sucht, kauft und dann bei sich Zuhause stapelt.

Lux: Der Typ, der unsere letzte Plattenfirma in den Staaten, Medicine, geleitet hat, sammelt Mixer und andere Haushaltsgeräte aus den 50ern. Die waren alle türkis-, pink- oder pfirsichfarben…. einfach eigenartige Küchen-dinger….

Ivy: Diese Dinger hatten für ihn etwas sexuel-les….

Lux: Oh ja, das konntest du sehen. Er fing an, heftiger zu atmen, wenn er so einen Mixer ansah. Er sagte dann Sachen wie: „Ohhhh.. schau es dir an…schau dir die Form der Schüssel an…“

Ivy: Also ich habe sehr, sehr viele Schuhe. Also kann man sagen, dass ich Schuhe sammle.

Lux: Ja! Sie hat die beste Schuh-Collection überhaupt.

Und wie viele Platten umfasst eure Platten-sammlung? (Hier ist es mir, Al, ein Bedürfnis, klarzustellen, dass diese Frage von Frau Stork kam, nur damit der werte Lesen merkt, dass wir beide „blöde“ Plattensammler-Fragen gestellt haben.)

Ivy: Uhh…. tausende… ich weiss nicht….

Lux: Wir haben Räume voll mit Platten… Eigentlich versuchen wir, welche loszuwer-den… Wir versuchen, weniger Platten zu haben. Immer bessere zwar… ja, weniger, aber bessere. Weisst du, es gibt eine Menge Leute, die unheimlich viele Platten haben, aber nur die Hälfte davon sind gut, wir versuchen das anders zu machen. Aber trotzdem mussten wir vor kurzem einen Anbau zu unserem Haus anfertigen lassen, weil wir keinen Platz mehr hatten und dauernd über Schachteln fielen, die überall aufgetürmt waren.

Wir brauchten einfach Platz, um „wohnen“ zu können. Ich kann nicht sagen, wieviele Platten wir haben… Oh Gott… eine Million Singles, einfach eine Unmenge von Singles, aber auch viele, viele 78er, also Schellack-Platten. überall in unse-rem Haus liegen Stapel von 78er herum, wenn du die z. B. umstösst, bekommst du ärger.

Und kürzlich, vor ungefähr einem Monat, haben wir einen riesigen Stapel Schellack-Platten in einem Ramschladen gekauft. Das waren alles seltene Scheiben, richtige Sammlerstücke, jede so $ 200 wert, ein wahnsinniger Fund! Aber wir finden eigentlich kaum noch alte, seltene Platten. Die meisten Platten, die wir haben, haben wir für fünf oder zehn Cents in Ramschläden gekauft. Das war vor 25 Jahren.

Ihr lest also nicht „Goldmine“ oder den „Record-Collector“? (Zwei Plattensammler-monatshefte, die zum grossen Teil aus Platten-auktionen bestehen. Wer sich solche Hefte kauft – bei uns gibt’s den leider nur sehr „unpunkigen“ „Oldie-Markt“ – ist nicht mehr normal, sondern pathologischer Sammler – A. d. V.)

Lux: Nein….

Ivy: Haben wir früher aber…

Lux: Ja, aber nicht regelmässig. Wir haben auf diesem Weg nicht allzu viele Platten gekauft. Es gibt ein paar, für die wir viel ausgegeben haben, aber nur ganz wenige, für die wir richtig viel bezahlt haben.

Ivy: Da sind eigentlich nur zwei…….

Gibt es eine Platte, für die Ihr jeden Preis oder zumindestens viel Geld bezahlen würdet?

Lux: Hmmmm… „Indian Rock“ von den…

Ivy: Lynn Twinns!! Wir haben schon versucht, sie zu ergattern…

Lux: Ja! Das ist eine grossartige Platte, eine wirklich völlig abgedrehte Rockabilly-Single, die ist einfach nur strange. Der Song klingt wie ein epileptischer Anfall auf Amphetaminen. Crazy record!!!! Ich erwähne diese Platte auch, weil wir versucht haben, sie für eine Un-summe zu kaufen, aber plötzlich wollte der Typ, der sie hatte, nicht mehr verkaufen, sondern nur noch gegen hyperrare Sachen von uns tauschen. Nur wenn ich eine Platte eine zeitlang besessen habe, kann ich sie nicht mehr hergeben… … weil… äh… weil… das geht nicht!

Wir empfinden für sie, als wären sie unsere Kinder. Wenn du eine Platte 15 Jahre lang hast, gibst du sie einfach nicht mehr her. Wir haben eine Menge wirklich weirder, obskurer Rockabilly-Platten, denn als wir in Ohio leb-ten, waren alle Ramschläden einfach voll mit Rockabilly. Das war in den frühen 70ern. Damals waren die Sachen noch nicht richtig bekannt. Die ganzen Südstaatler, die in den 50ern nach Norden zogen, um in der Stahl- und Gummi-Industrie zu arbeiten, brachten ihre Platten mit und schmissen das Zeug nach einer Weile raus.

Es war total einfach, diese tollen Platten zu finden. Es gab sie überall: auf dem Flohmarkt, in Second-Hand-Shops… Wir haben damals Roy Orbisons „Teen Kings“ gefunden. Es steht nur „Teen Kings“ auf der Platte. Seine erste Platte auf dem Label Jewel. Davon wurden nur 200 gepresst. Auf der Single sind „Trying To Get To You“ und „Ubee Dubee“ drauf. Aber es sind die Originalauf-nahmen, noch bevor er zu Sun ging.

Da ihr ursprünglich aus Akron, Ohio, kommt, muss ich fragen, ob ihr damals Devo oder deren Mitglieder kanntet bzw. andere der damals in Ohio existierenden Bands wie Rocket From The Tombs, Pere Ubu, Ur-Versionen der Dead Boys..

Lux: Devo haben wir erst kennengelernt, als sie nach New York kamen.

Ivy: Wir hatten damals die Band ja noch nicht. Sie hatten zwar ihre, aber es gab in Ohio damals keine Szene. Die Sachen entwickelten sich, aber es geschah alles privat.

Als ich vor einem Jahr mit David Thomas gesprochen habe, stellte er es so dar, als wäre Akron/Cleveland damals ein einziger kreativer Schmelztiegel gewesen…

Ivy: Wirklich?? Vielleicht haben wir nur nichts davon gemerkt…

Lux: Naja, wir haben schon diese ganzen Bands gesehen, nur Devo gerade nicht. Die gaben, als wir dort gewohnt haben, gerade mal ein Konzert. Wir haben Pere Ubu gesehen, bevor sie Pere Ubu waren, noch bevor sie Rocket From The Tombs wurden, zu dieser Zeit hiessen sie Frankenstein.

Ivy: Ja, wir haben auch Rocket From The Tombs als Vorband von Television – damals noch mit Richard Hell – gesehen.

Lux: Television war da noch richtig punkig, haben „Psychotic Reaction“ gespielt.

Viele euerer ganz alten Songs bestehen aus Versatzstücken obskurer 50er Singles wie auf dem „Born Bad-Sampler“ oder der „Songs The Cramps Tought Us“ Platte zu hören ist. Auf eueren neueren Platten hattet ihr immer Coverversionen und eigene Stücke. Auf der ganz neuen Platte sind alle Songs von euch. Ich habe mir die Vorgehensweise bei der ersten LP ähnlich vorgestellt wie das Bauen von Hot-Rods. Man hat einen Schrottplatz und baut daraus Hot-Rods.Bei euch ist der Schrottplatz euere Plattensammlung. Ist das immer noch so oder gibt es keine obskuren Songs mehr, aus denen ihr Teile verwenden könnt?

Lux: Das ist ein guter Vergleich… so machen wir es…

Ivy: Obwohl ich glaube, je länger wir dies machen, desto unbewusster passiert es. Wir können nicht mehr nachvollziehen von wo eine Textzeile bzw. ein Akkord herkommt.

Lux: Zum Beispiel der Text zu „Monkey With Your Tail“ fängt an wie ein populärer ameri-kanischer Witz. Er geht dann anders weiter, aber so Sachen sind bei uns immer dabei. Ein anderer Teil dieses Textes basiert auf den Lyrics von Ann McMiller, einem Song aus den 20ern. Ann McMiller war die erste weisse Person, die einen Blues-Song aufgenommen hat.

Ivy: Es gibt aber auch Einflüsse, die nicht so offensichtlich sind, Lou Reed zum Beispiel. Lou Reed hat uns sehr beeinflusst. Wir lieben, was er in Texten gemacht hat. Alle seine älteren Songtexte waren vollgefüllt mit Zitaten und wenn du es bemerkst, bekommt der Song für dich mehr Bedeutung.

Lux: Es bringt dich dazu, eine Platte, die du eh schon liebst, noch mehr zu lieben, weil du merkst, Reed liebt dieselben Platten wie du auch. Wir zitieren aber nicht nur alte Songs. Auf unseren letzten beiden Platten haben wir den Begriff „Sex Fizz“ aufgenommen. Der kommt aus dem Film „Kiss Me Quick“, der erste Sex-Film, in dem auch Monster vor-kamen. Da gibt es diese tolle Szene, in der irgendein Wissenschaftler verschiedene Flüssig-keiten in ein Reagenzglas kippt, es einer Blondine zu trinken gibt und diese dann anfängt lasziv zu tanzen und ihr Oberteil auszieht. Daraufhin sagt er: „Well, I think I put too much Sex Fizz in there.“

Dieser Film hat viele Freunde und wenn die jetzt unseren Song hören, wissen sie, dass wir den Film auch mögen. Es ist wie ein Geheim-code um mit deinen Freunden zu sprechen. Es ist auch egal, ob du das sofort oder erst nach zehn Jahren merkst. Es gibt bestimmt jeman-den, der die „Smell Of Female“-LP hat und jetzt nach Jahren mal wieder „Faster Pussycat, Kill Kill“ im TV oder im Kino sieht und hört, wie der Sprecher am Anfang des Films „The Unmistakeable Smell Of Female“ sagt. Und sofort denkt er sich „Aha! Daher haben sie den Titel.“

Jeder weiss, dass ihr grosse B-Movie-Fans seid. Wie gefallen euch neuere SciFi-Filme oder moderne B-Movies wie z. B. „Mars Attacks“?

Ivy: Oh, wir lieben „Mars Attacks“…

Lux: Ich habe ihn gerade letzte Woche noch einmal gesehen.

Ivy: Ich liebe diesen Film.

Lux: Wir waren sogar auf einer der Premieren-parties. Normalerweise gehen wir nie auf Parties, aber Joey Ramone war eingeladen und hat uns mitgenommen.

Der neue Batman-Film hat mir auch sehr gut gefallen, alles wirkt wieder mehr wie die alten Comics und weniger wie ein Action-film. Kommt dein Name eigentlich vom Batman-Comic?

Ivy: Nein, wir haben den neuen Batman-Film auch noch nicht gesehen, obwohl uns schon viele Leute angerufen und gesagt haben, dass wir ihn sehen müssten, schon wegen der Ko-stüme von Uma Thurman, denn die sollte ich mal auf der Bühne tragen. Aber ich wusste gar nicht, dass es die Comic-figur gab, als ich mich so nannte. Nein, der Name kommt von dem Coasters-Song „Poison Ivy“. „Poison Ivy, Pretty As A Daisy, But Look Out Man, She’s Crazy, She’s Gonna Make You Itch“. Wir hatten alle Rock’n’Roll-Namen.

Das war noch vor der Band. Da wohnten wir noch nicht mal in New York, sondern in Sacramento. Wir brauchten Rock’n’Roll-Namen! Wir sammelten Platten und nahmen psychedelische Drogen. Zuerst wollte ich mich „RamaLamaDingDong“ nennen, ehrlich! Ich dachte das wäre Rock’n’Roll und gleichzeitig noch vom Klang her indisch.

Lux: Ich hatte mal den Namen „Vip Vob“ in meinem Führerschein stehen, das kommt von einem alten Isley Brothers-Stück. Es klang ein bisschen nach „Surfin‘ Bird“.

Ivy: Dann, in Ohio hiess er „Raven Beauty“ und später Lux Interior, aber das war alles lange vor den Cramps. Es ging noch nicht darum, in einer Band zu sein, sondern um einen Wechsel. Menschen ändern oft ihren Namen, wenn sie einer Religion beitreten, das ist auch ein Wech-sel. Es ist gut, sich einen neuen Namen zu geben.

Visuell hast du dich von den frühen Tagen, über das Harems-Outfit, Leder und Bondage-Sachen verändert. Wird das weitergehen?

Ivy: Ich weiss nicht. Ich glaube, wir werden irgendwo in dem Bereich bleiben. Es ist so, dass wir alle bis zu einem gewissen Punkt dasselbe mögen und dies auch immer so bleiben wird. Ich mag immer noch Pfennig-absätze, auch wenn im Moment Plateaus trendy sind. Ich werde vielleicht wieder das „Stripperinnen-Kostüm“ tragen, das vermisse ich….

Lux: Ja! Das soltest Du wieder anziehen, ich mochte das!

Ivy: Ich war den Look etwas müde geworden. Aber wir kümmern uns nicht um Mode, mehr wieder um Comics. Es gibt einen Comic-Zeichner namens Bill Ward, er hat in den 50ern viel gemacht, sogar für DC. Dort bekomme ich Ideen, weil ein Künstler immer übertreibt, also auch die Idee, die ich bekomme, übertrieben ist. Es macht mir einfach Spass.

Und wo bekommt ihr die Sachen her?

Ivy: Die werden für uns angefertigt. Manch-mal ist es auch so, dass die Sachen, die wir suchen, kurz angesagt sind, und wir dann auch einfach in einem Laden einkaufen kön-nen.

Ich dachte jetzt, dass du z. B. Frauen suchst, die vor Jahren gestrippt oder in Shows getanzt haben und versuchst, ihre alten Köstüme zu kaufen.

Ivy: Die findest du nie…

Lux: Die verkaufen sie nicht.

Ivy: Ich habe das schon probiert und in Las Vegas etwas Tragisches herausgefunden: Die Kostüme werden oft verbrannt. Im Tanzshow-Geschäft werden grosse Summen für die Kos-tüme ausgegeben. Und die eigentliche Attrak-tion ist, dass man diese Show mit diesen Kostümen nur in dem jeweiligen Kasino oder Theater sehen kann. Diese Shows laufen oft jahrelang.

Da man nicht will, dass dieselbe Show später in einem anderen Kasino oder Theater aufgeführt wird, werden die Kostüme verbrannt, nur um sicher zu gehen… Ich weiss das aus einem Laden, der Tanzbekleidung verkauft. Dort wollte ich mir so ein Showkostüm mit Federn und allem kaufen.

https://www.youtube.com/watch?v=SocavBuwfvU

Als ihr Mitte der 70er mit den Cramps angefangen habt, war eure Musik die Trash-Version von etwas, was ca. 20 Jahre alt war. Die Kids, die jetzt 16, 17 Jahre alt sind, können mit Rockabilly und dem B-Movie-Image nicht mehr viel anfangen. Sind die Cramps für sie nicht ……

Ivy: Ich habe Rockabilly erst in den 70ern entdeckt. Für mich war es aber kein Kitsch oder ein veraltetes Artefakt der 50er. Es war für mich diese kraftvolle, energiegeladene Sache und ich denke heute noch so. Es ist nicht Nostalgie, wir machen es nicht aus nostalgischen Gründen. Wenn du Rockabilly betrachtest, musst du sehen, dass die Menschen, die damals den Rockabilly gespielt haben, nicht die prototypischen Menschen der 50er waren.

Die Menschen, die damals Rockabilly gemacht haben, waren Aussenseiter, was Zeit und Gesellschaft betraf. Elvis war so, deswegen hatte er auch so einen immensen Einfluss. Elvis Presley war so exotisch und eben überhaupt nicht wie die 50er. Die 50er waren diese sex-uell repressive Zeit, zumindest die Massen-kultur war es. Dann kommt da auf einmal so ein sexy, wilder, androgyner, wunderschöner Mensch auf die Bühne…. ein wildes Tier…. Elvis war einfach seiner Zeit voraus.

Lux: Ich sehe Rockabilly fast so wie eine Volkskunst, so wie die Geschichten, die man manchmal so hört: Ein Typ stirbt, und sie finden in seiner Wohnung hunderte von Bildern, keiner wusste etwas davon, dass er malt, aber die Bilder sind absolut fantastisch. Die Menschen haben in den letzten Jahren mit Rockabilly eine dieser verschollenen Volks-künste entdeckt. Es gab nur ungefähr ein halbes Dutzend Rockabilly-Songs, die in den 50ern populär waren. Es waren ganz wenige und sie blieben nur sehr kurz populär, aber es gibt Millionen von Rockabilly-Songs, die aufgenommen wurden. Trotzdem, sie waren nicht populär, es waren kleine Folksongs, die vielleicht ein paar Leute in Memphis hörten oder ein paar Leute in Arkansas, das war alles.

Sie wurden alle erst viel später entdeckt. Gene Vincent hatte damals einen Rockabilly-Hit, Jerry Lee Lewis hatte ein paar… das war’s. Rockabilly war kein grosser Teil der 50er. Er war eher unbedeutend neben R&B und natür-lich Popmusik, wie den McQuire-Sisters… Und plötzlich gab es diesen Mist, wie Fabian und Frankie Avelon… Wenn wir R&B machen würden, könntest du sagen, dass wir den 50er huldigen und nostalgisch sind, weil R&B ein grosser Teil der 50er war und es eine echte Subkultur gab, die auch jahrelang existierte, aber Rockabilly… Nein, der kam nie vom Boden weg, Rockabilly war ab 1959 tot.

Ivy: Selbst Elvis… wenn man seine frühen Sachen bei Rca anhört… die Songs wurden schmalziger. Als er Sun verliess wurde die Produktion…. äh… eben „produziert“. Er ist ein Rockabilly-Sänger, aber die Sachen und Men-schen um ihn herum waren es nicht. Seine Songs sind immer noch toll, aber es ist kein echter Rockabilly.

Macht ihr irgendetwas besonderes zu seinem Jubiläum?

Ivy: Oh ja, wir lieben ihn. Wir hatten nur vergessen, einen Urlaub in Memphis zu bu-chen. Wir haben nicht bedacht, was für ein Ereignis es sein würde.

Lux: Es waren 40.000 Menschen in Graceland.

Gibt es in euerem Universum noch Platz für zeitgenössische Kultur?

Ivy: Ja, es gibt eine Menge Bands, die wir beeinflusst haben, die Oblivians, Jon Spencer, Guitar Wolf oder die 5, 6, 7, 8s, aber die sind trotzdem alle originell, beeinflussen also auch wieder uns.

Lux: Es ist einfach inspirierend, eine gute, aufregende Band live zu sehen. Wir werden aber von allen Richtungen beeinflusst. Wir lesen z. B. Unmengen von Büchern über alles mögliche. Physik ist wichtig.

Wenn überhaupt, wir haben viel Bücher zu Hause, mehr als alles andere. Wir lesen über alles und kennen uns in vielen Dingen aus, nur weiss das kein Mensch, und es fragt mich auch keiner nach meiner Meinung zu den neuesten Veröffentlichungen über Quantenphysik. Ich habe wirklich tau-sende von Physikbüchern, ich liebe es, über neue Verfahren zu lesen. Es ist nicht gerade eine spannende Lektüre, aber sehr interessant.

Ivy: Musikalisch hat uns in letzter Zeit nicht besonders viel beeindruckt. Es gab vor kurzen die erste Platte von einem Typen, der sich T-Model Ford nennt. Der hat eine Platte ge-macht, ist aber auch schon 75 Jahre alt, es wurde nur erst jetzt etwas von ihm aufgenommen. Er hat mal jemanden ermordet, war jahrzehntelang im Gefängnis.

Die Platte hat uns beeinflusst, aber das ist nichts richtig modernes. Ich kann an keine richtig moderne Musikart denken, die uns gefällt, Techno wird uns nicht beeinflussen…

Lux: Doch… wenn wir es hören, beeinflusst es uns, sofort den Raum zu verlassen… Ich mag neuere TV-Shows wie Akte-X oder Milennium. Wir suchen immer nach neuen Sachen. Die Leute denken oft, dass wir mit der Zeit heute nichts zu tun haben möchten, aber das ist völlig verkehrt…

Ivy: Ja, wir singen auch von aktuellen Bege-benheiten: Auf der neuen Platte gibt es den Song „Sheena’s In A Goth Gang“. Der geht zurück auf eine Nachrichtenmeldung, die wir gesehen haben, kurz nachdem Lux mit Joey telefoniert hatte. Es ging um vier Teenager in der Nähe von L. A., die einen Friedhof mut-willig zerstörten. Sie hatten eine Leiche ausge-graben, das Skelett aufgerichtet und ihm eine Zigarette in den Schädel gesteckt.

Sie wurden verhaftet, und das ist eine wahre Geschichte. Big Deal, ganz normaler Teenager-Kram, aber die Kids, die das gemacht hatten, waren Goths (Grufties – A. d. V.; naja, hier heissen sie auch Gothics – A. „Fr. Stork“). Aber die TV-News-Story war ganz anders. In Amerika sind die Nachrichten so, dass wenn es keine Story gibt, eine gemacht wird. Also gab’s drei Tage hintereinander in den Hauptnachrichten ein Special über sogenannte Goth-Gangs.

Sie stellten es so dar, als ob über die Nation verteilt überall Goth-Gangs Terror verbreiten würden. Sie verknüpften diese Sache sogar mit einem Vorfall in Louisiana, wo zwei Typen ihren Freund umbrachten und in einem satani-schem Ritual sein Blut tranken. Dabei waren das nicht mal Goths, sondern zwei Hippies, die Speed genommen hatten. Die TV-News suggerierten aber, dass es überall diese Goth-Gangs gäbe und sie genauso gefährlich seien, wie die richtigen Gangs.

Satan beschwörende Kiddies, die dein Baby erwürgen. Es ging so weit, dass sie im Fernsehen Ratgeber hatten, die erklärten, woran Eltern ihre Kinder als Goths erkennen könnten. Das ist dann wieder wirk-lich erschreckend, weil es Eltern einen Grund gibt, an ihren Kindern rumzumäkeln. Sie haben dann noch Leute in einem Goth-Nightclub interviewt, und die machten sich einen Spass, zu behaupten, dass sie gerne ab und zu Blut trinken würden.

Lux: Sie versuchten, den Eindruck entstehen zu lassen, es sei wie in dem Film „Clockwork Orange“: Umhertreibende, gefährliche Banden von blutrünstigen Goths.

Ivy: Aber das hat uns beeinflusst, und wir haben sofort einen Song darüber gemacht. Die Idee der Goth-Gangs ist schon irgendwie cool…

Lux: Ja, all die braven Bürger, die voller Terror durch die Stadt laufen und vor nichts mehr Angst haben, als getötet zu werden und anschliessend von einem Goth die Innereien aufgefressen zu bekommen… ha, ha…

Die Songs, die ihr auf der Rückseite der „All Women Are Bad“ 12″ veröffentlicht habt, waren ursprünglich für den John Waters Film „Cry Baby“ bestimmt, was ja dann nicht geklappt hat. Gab es seitdem Songs von euch auf Soundtracks?

Ivy: Es gibt immer wieder Filme in denen Songs von uns benutzt werden, aber das bekommen wir erst mit, wenn uns das jemand erzählt oder wir den Film selber sehen.

Lux: Es hat uns leider seitdem niemand direkt angesprochen….

Ivy: Im ersten „The Crow“ Film wollten sie, dass Lux einen Bösewicht spielt und wir einen Song beisteuern, aber zu der Zeit war das Drehbuch einfach….

Lux: Die Zeilen, die ich da sagen sollte, konnte ich einfach nicht sprechen.. Das Drehbuch, das sie uns zugeschickt hatten, war nur eine Aneinanderreihung von Furzwitzen. Schrecklich!! Ich habe den Film nie gesehen, aber die Art der Dialoge, die ich sagen sollte, waren einfach nur übel.

Ivy: Im zweiten Teil hatten sie ja Iggy und im dritten Teil soll Rob Zombie die Regie über-nehmen. Er will, dass Lux dann doch noch mitmacht. Aber er weiss noch nicht genau, wieviel Freiraum er bekommt. Ich fand den zweiten Teil eigentlich grausam, nur Iggy war klasse und rettete den Film so.

Ivy: Naja, Iggy ist eben Iggy…

Ivy, warum gibt es nur einem Song, „Get Off The Road“, auf dem du singst?

Ivy: Nein, ich bin keine Sängerin, Lux hat mich damals überredet, nein, ich liebe es, Gitarre zu spielen, das langt mir!

Wann werdet ihr wieder in Deutschland Konzerte geben?

Ivy: Die Tour in den Staaten ist schon gebucht. Nach Europa werden wir im Frühjahr kom-men, nehme ich an.

Wirst du dich wieder in Scherben wälzen und dich mit Skinheads prügeln?

Lux: Nein, nein, das tat weh! Nein, so wild sind wir nicht mehr, das mit dem Skinhead tat wirklich weh.

Was geht in deinem Kopf vor, wenn du dich auf der Bühne so wild gebärdest?

Ivy: Er ist in einer Trance…

Lux: Nicht viel, wenn ich ehrlich bin, es macht einfach Spass. Zum einen schaue ich, was das Publikum gerade macht, aber auch nicht immer, weil es mich manchmal ablenkt und ich den Text vergesse. Es ist einfach Spass. Es ist wie ein Ritual, ich fühle mich einfach gut. Es gibt mir das Gefühl, sehr mächtig zu sein. Aber ich glaube nicht, dass es viel mit denken zu tun hat. Das ist doch der Spass… dass du das Denken für eine Weile abschalten kannst…

Was macht Nick Knox eigentlich?

Ivy: Wir hören von ihm nichts mehr. Ich würde mir wünschen, es wäre anders. Er macht keine Musik mehr, ist einfach total aus der Welt des Rock’n’Rolls ausgetreten. Er hat nicht nur zu uns den Kontakt abgebrochen, sondern auch zu seinem besten Freund, der aber auch mit Musik zu tun hat.

Lux: Er sagte, dass er überhaupt nichts mehr mit Musik zu schaffen haben will. Das hat er aber schon gesagt, als er noch bei uns war, bevor wir ihn gefeuert haben. Er sagte, er möchte nur noch mit Sport zu tun haben. Nick hat dann nur noch getrunken, getrunken und getrunken. Er musste mitten in der Nacht aufstehen und etwas trinken, damit er weiterschlafen konnte. Ich glaube nach dem Split mit uns hat er nicht mehr so viel getrunken, aber ich weiss es eigentlich nicht, weil wir keinen Kontakt mehr haben.

Ivy: Doch, es ging ihm besser, er zog nach Cleveland. Wir wissen nicht, was er arbeitet, aber seine Familie ist ein ganzer Klan in Cleveland. Er hat zig Cousinen, Tanten etc., das genaue Gegenteil von uns, wir haben keine Verbindung zu unseren Verwandten. Als er die Band verlies, habe ich irgendwo gelesen, dass das geschah, weil sein Augenleiden schlimmer geworden wäre…..

Ivy: Nein, seine Augengeschichte war ’82. Danach hat er noch Jahre mit der Band gespielt. Damals war er ca. sechs Monate lang immer wieder in Krankenhaus. Er war blind auf einem Auge. Das kam vom Fixen, er hatte einen Fremdkörper im Blut, der in sein Auge kam und dort etwas zerstörte…

Lux: Es ist die gleiche Sache wie vorhin mit dem Buch: Die Sachen werden nach einer Weile völlig aus dem Zusammenhang gerissen.

Ivy: Aber die Sache mit den Augen hatte nichts damit zu tun, dass wir ihn gefeuert haben. Er und Candy wurden am selben Tag gefeuert. Wir hatten uns sogar überlegt, ob wir es so machen sollten, dass sie sich gegenseitig feuerten. Sie hassten sich und wir hatten eigentlich von beiden genug. Dauernd kamen sie und haben uns erzählt, was der andere gerade verbrochen hatte. Uns war klar, dass wir neue Mitglieder brauchten.

Also überlegten wir, ob wir Nick sagen, dass wir Candy feuern wollen, er es ihr aber sagen solle und ihr sagten wir dasselbe über ihn. Beide hätten bestimmt „Oh, Great!“ gesagt. Wir wollten sie dann alleine irgendwo hingehen lassen, wo sie sich gegen-seitig hätten sagen können: „überraschung, du bist gefeuert!“ Dann hätten sich beide noch überraschter angeschaut und „Oh, was??“ gesagt. Aber wir wollten nicht unsere Kicks auf diese Art bekommen, und es war auch ein bisschen traurig. Nicht so sehr bei Nick, weil er wirklich keinen Spass mehr an der Sache hatte. Besonders das Reisen, nach Japan z. B., wollte er gar nicht machen.

Einem anderen Gerücht zufolge sollst du, Ivy, auch blind sein…..

Ivy: (Fängt an mit den Händen verwirrt in der Luft zu fuchteln) Oh, ja, wo bin ich…

Lux: Nein, sie ist nicht blind, sie ist taub, sprich lauter!!

Ivy: Naja, ich bin wahrscheinlich halb taub, aber nur weil ich dauernd live spiele.

Dieses Gerücht wurde von einem Roadie in Frankfurt 1986 in die Welt gesetzt, weil er behauptete, du hättest hinter der Bühne den Eindruck gemacht, keinen Orientierungssinn zu haben.

Ivy: Der Orientierungssinn ist schon ganz OK. Aber so gesehen habe ich auch schon ungefähr 8 Kinder bekommen, die mir angedichtet wurden und Lux ist schon des öfteren gestorben.

Lux: Ja!! Ich bin schon sehr oft gestorben.

Aber einmal hat sich dieses Gerücht ziem-lich lange gehalten und war auch in Unmen-gen von Zeitungen und Magazinen zu lesen.

Ivy: Das war, als Rodney Bingenheimer es in L. A. bei KROQ im Radio erzählte. Das ver-rückteste war: Zu der Zeit waren wir gerade auf Tour. Es wurde uns auch später vorgeworfen, dass wir das Gerücht in die Welt gesetzt hätten, um Publicity zu bekommen. Das war aber Quatsch.

Irgendwie hatte es Joey Ramone in einem Interview behauptet. Zu der Zeit dachte er, dass es wahr sei, und von da an verbreitete es sich bis nach Europa. Als wir das mitbekommen hatten und versuchten es klarzustellen, war es schon überall. Die L. A. Times hatte einen Nachruf geschrieben. Wir wussten nicht mal, woran er gestorben sein sollte.

In den deutschen Medien hiess es an einer überdosis.

Lux: Doch, doch, ich glaube Rodney hatte gesagt, dass es eine überdosis gwesen sei. Aber ich kann dir sagen, Rodney war geschockt als ich ihn danach anrief!! Jemand rief Ivy kurz nach dem Ende von Rodneys Show an und fragte, ob das mit mir wahr wäre. Ivy fragte ihn, ob was wahr wäre und der Anrufer erkundigte sich, ob es mir denn gut ginge. Ivy bejahte, denn ich stand gerade neben ihr. Dann erzählte er von der dreistündigen Radiosendung zu meinem Gedenken. Ich habe dann Rodney zuhause angerufen und gesagt „Hallo Rodney, hier ist Lux. Ich bin nicht tot!“. Er antwortete sehr erbost „Wer spricht da?“. Ich sagte wieder „Ich bin es, Lux!“

Er erwiderte, dass ich ihn nicht verarschen solle, dass das sehr gemein wäre und ich ihn erst überzeugen müsse, dass ich Lux bin. Also erzählte ich ihm: „Wir trafen uns das erste Mal im „Tiny Nailors“ Restaurant. In deiner Begleitung waren zwei französische Filmemacher die einen Film über Ronnie Ronnet machen wollten, ich setzte mich zu euch und wir sprachen über Ronnie Ronnet.“

In dem Moment sagte er „Oh, mein Gott.“ Ich habe nie erfahren, woher das Gerücht kam, Joey hatte es irgendwo gehört. Ein paar Jahre vorher war es schon mal passiert, hatte es aber nicht bis ins Radio geschafft. Das blöde war nur, dass nach der Story eine Menge Leute sauer auf uns waren, weil sie dachten, wir hätten es wegen der Publicity gemacht, was aber Schwachsinn war, weil wir zu der Zeit an der Westküste spielten und man so ein Gerücht nicht in die Welt setzt wenn man gerade auf Tour ist.

Gibt es eine Frage, die ihr in den ganzen Interviews, die ihr in den letzten 20 Jahren gegeben habt, beantworten wolltet, die euch aber noch nie gestellt wurde?

Ivy: ähh… darüber habe ich noch nie nachgedacht. Ich bin immer überwältigt, wieviel die Leute über uns wissen und wonach sie alles fragen….

Lux: Ich habe keine Ahnung, das ist jetzt eine echt schwierige Frage. Ihr habt einen schwierigen Job.

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Text, Interview, Fotos: Andrea Stork & Al Schulha

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