März 17th, 2007

SPILLSBURY (#118, 06-2006)

Posted in interview by jörg

Sind ein Mann, eine Frau und neuerdings auch ein Live-Schlagzeuger.

Dazu ganz viele tanzbare Melodien. Tobi Asche und Zoe Meissner reden mit mir im Gespräch über I Can`t Relax In Deutschland, seine Band und die Punk-Anfänge mit One Thirty.

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Ihr habt jetzt erst letzte Woche eure Tour zum neuen Album beendet.

SPILLSBURY: Los ging es damals Anfang Oktober in Berlin, im Rahmen einer Veranstaltung zu dem Sampler/Buch-Projekt „I Can`t Relax In Deutschland“ welches sich mit nationalistischen Tendenzen in der (Pop)Kultur auseinander setzt.

Gibt es einen bestimmten Grund, warum ihr zwar gespielt habt, also die Sache auch irgendwie unterstützt, aber nicht auf dem Sampler vertreten seit? Sind noch weitere Veranstaltungen der Kampagne mit eurer Beteiligung geplant ?

SPILLSBURY: Für uns war Berlin der einzige Einsatz zur Veranstaltungsreihe. Ehrlich gesagt waren wir auch überrascht, dort zu spielen und nicht auf dem Sampler zu sein. Interessanter dürfte die Frage sein, warum auf dem Sampler vertretene Bands nicht so stark an den entsprechenden Veranstaltungen beteiligt sind/sich beteiligen wollten.

Wie ist Eure Einschätzung zum Thema? Wohin werden die Diskussionen, fragwürdige Kampagnen, siehe z.B. „Du bist Deutschland“ oder der ganze Hype um die WM 2006, führen und was kann die Gegeninitiative erreichen?

SPILLSBURY: Die meisten mir bisher bekannten und entgegengebrachten Diskussionsansätze zu dem Thema drehen sich hauptsächlich um die Tatsache, dass Bands wieder verstärkt (?) auf Deutsch texten und singen. Dass daraus automatisch nationalfreundliche Tendenzen von Bands konstruiert werden, hab ich noch nicht so ganz verstanden. Etwas anderes ist es natürlich, wenn im Text oder per Gesamtimage auf die ein oder andere gern auch mal plumpe Weise versucht wird, nationalistische Jubeleien zu verbreiten.

Die Lage in Deutschland ist imo recht kompliziert und undurchsichtig, was durch das Parteien- und Personengerangel zur Zeit sehr deutlich wird. Im Gegensatz dazu stehen dann Hochglanzkampagnen für Grossevents, in denen ein intaktes und offenes Deutschland gezeigt wird. Das passt für mich nicht besonders zusammen. Allerdings passiert das in jeder Sprache und in jedem Land…

Die Nationalisierung der deutschen Popkultur rückte durch die Radio-Quoten-Diskussion immer mehr in den Vordergrund. Wie wurdet ihr darauf aufmerksam, so dass ihr euch näher mit diesem Thema beschäftigt habt?

SPILLSBURY: Musik kann unserer Meinung nach nicht national sein. Texte können alle möglichen Inhalte transportieren, darunter sicher auch nationalistische. Ich bin/war gegen so eine Quote, sie hat sich eh überholt, wie man am derzeitigen Radioprogramm sehen/hören kann. Und ob gecastete/gemachte Auftragsbands nun deutsche oder englische Texte einkaufen ist doch eigentlich auch egal.

Euer Sound ist ja schon nah dran an Mia und den ganzen NDW-Sachen. Ohne diese Vergleiche kommt auch so gut wie keine Review über euch aus.Da besteht ja die Gefahr, zu sehr davon vereinahmt zu werden. Also, das man euch explizit als deutsche Band wahrnimmt. Wie passt ihr auf, das dies nicht passiert ? Oder stellt ihr mittlerweile schon fest das bei z.B. Konzertpublikum und Presse schon so ein Etikett an euch haftet ?

SPILLSBURY: Sogar in diesem Interview haben wir dieses Etikett… sonst würde nicht immer wieder davon angefangen werden. Wie und worauf sollen wir als Band aufpassen? Wir sind beide in Hamburg geboren und haben als erste Sprache Deutsch gelehrt bekommen, können uns darin am sichersten ausdrücken.

Wie eben schon erwähnt ist Musik unserer Meinung nach nicht an irgendwelche Grenzen gebunden, auch wenn das viele Menschen gern so sehen würden. Von daher müssen wir auf garnix aufpassen, eher schon Leute, die dies immer wieder behaupten.

Dass Synthie-Pop (engl. evtl. NewWave) um 1980 rum in D eine dämliche übersetzung (NeueDeutscheWelle) erlebt hat ist schon recht ärgerlich, deshalb aber kein Grund nicht eben solche Musik zu machen. Wenn irgendwelche Bands meinen, auch in den Inhalten der Texte nationalistische Ideen rüberbringen zu wollen ist das was anderes und für mich abzulehnen, weil es an der Realität vorbeigeht.

Um noch mal auf eure Tour zurückzukommen: Die hat euch ja knapp einen Monat durch Deutschland, österreich und die Schweiz geführt. Welche veränderungen konntet ihr da im Gegensatz zu der tour mit dem Debüt-Album beobachten? Beim Publikum, den Leuten von der Presse, vielleicht auch den Veranstaltern und natürlich bei euch selbst ?

SPILLSBURY: Der grösste Unterschied war, dass die Leute, die diesmal zu den Konzerten gekommen sind einigermassen wussten, was sie erwartet. Das war bei der ersten Tour nicht so. Ansonsten haben wir keine grossen Veränderungen im Verhalten der Menschen gemerkt. Buisness as usual, will ich fast schreiben.

Produziert hat das neue Album, wie schon den Vorgänger „Raus“, wieder Chris von Rautenkranz. Der sitzt ja oder sass schon bei so ziemlich jeder Hamburger / Lado-Band hinter den Reglern. Steht das immer von vorne rein fest, oder habt, ihr zum Beispiel, euch auch nach Alternativen umgesehen? Sein Bruder Carol ist Chef von LADO. Birgt das nicht ein gewisses Risiko, wenn Produzent und Label-Chef verwandt sind ?

SPILLSBURY: Die Zusammenarbeit mit Chris hat beim ersten Album sehr gut geklappt und so fiel die Entscheidung nicht schwer, es wieder mit ihm zu machen. Wir hatten ziemlich schnell raus, in welche Richtung der Sound und das komplette Album gehen soll. Es war daher ein recht entspanntes Arbeiten, wir haben uns viel Zeit genommen, um verschiedene Dinge, speziell mit dem Gesang auszuprobieren.

Auf dem Album findet sich auch ein Track mit Denyo von den Beginnern. Sicher überraschend, auch wenn in Hamburg so ziemlich Jeder mit Jedem zu tun hat. Siehe das gesamte LADO-Umfeld. Wie kam es denn zu der Zusammenarbeit mit Denyo? Das erwartet man ja nicht so.

SPILLSBURY: Wir hatten für den Song „Nein“ schon beim schreiben die Idee, einen Rap-Teil zu machen, weil es den Gesamteindruck des Songs und seine Aussage noch mal verstärken würde. Wir haben uns nach verschiedenen Rappern umgesehen und am Ende hat Denyo seine Zeilen fertig gemacht und sie passten wunderbar… jeder mit jedem sehe ich übrigens nicht so, das wird wohl nur ausserhalb Hamburgs immer so gesehen.

„Son Of A Gun“ von den Vaselines gibt`s als B-Seite auf der Single „Zwei von Vielen“. Covern tut man ja meistens Bands die selber Einfluss auf das eigene Musikmachen haben oder hatten, Leute die man in der Jugend bewundert hat. Hinter vielem steckt eine Geschichte. Ist da bei euch und den Vaselines auch eine ähnliche Verbindung, ein Grund ?

SPILLSBURY: Ich habe seit Ewigkeiten ein Mixtape in meinem Besitz, auf der einen Seite eine Best-Of-Creation Auswahl, auf der anderen Seite Artverwandtes, unter anderem auch dieser Song.

Da ich das Mixtape nicht selbst aufgenommen hatte, der Urheber (übrigens mitsamt meinem Skateboard, hallo Olaf ) verschwunden war, wusste ich ewig nicht, von wem der Song ist. Erst als ich irgendwann das Nirvana Cover von dem Song auf der Incesticide gehört hatte, kam ich auf die Spur und wollte ihn von da an irgendwann mal covern. Keine grosse Geschichte…

Dann stösst man in einigen Artikeln im Netz immer wieder auf auf One Thirty, die Vorgängerband von Zoe und dir. Leider lässt sich dazu nicht allzu viel finden. Erzähl doch einfach mal ein bisschen die Vorgeschichte von Spillsbury.

SPILLSBURY: Vor vielen Jahren wollten vier Jungs eine Punkrockband a la Bambix machen. Es fehlte also die Sängerin. Wir haben dann eine Anzeige geschaltet („Punkrockband sucht Sängerin“) und Zoe hat sich gemeldet. Wir haben dann einen Termin und ein Stück zum Vorsingen/spielen ausgemacht („Lori Mayers“, NOFX) und fertig war One:Thirty, die anderen Bewerberinnen brauchten es gar nicht erst zu versuchen…

Irgendwann kamen dann Synthesizer Programme auf meinen PC und Zoe und ich fingen an ein paar Songs zu schreiben. Da das recht gut klappte entstand Spillsbury. Drei Songs->DemoCD->LADO->Album…

Man spricht bei One Thirty von Punk-Band und bei Spillsbury von Elektro-Punk. Ist Spillsbury eineWeiterentwicklung von One Thirty, oder ein ganz neu eingeschlagener Weg, weil man mit der Vorband zum Beispiel irgendwo musikalisch auf der Stelle trat.

SPILLSBURY: Wir haben am Anfang sicherlich die Art Songs zu schreiben, also das klassische Strophe-Bridge-Refrain von One:thirty übernommen, uns aber Soundmässig dann immer weiter davon gelöst, ich würde das neue Album auch eher als Pop bezeichnen, wenn man mal die allgemeinen Merkmale durchgeht.

Weil ich selber Schreibe und einen DIY-Verlag betreibe, an dich die Frage, was du zur Zeit liest. Der Alltime-Favouriten?

Tobi: Jeden Monat Titanic und die letzte PNG hab ich auch noch nicht komplett durch. Ansonsten alles was an Zeitungen online zu finden ist. Letztes Buch war/ist „Timebandits“ von Terry Pratchett…

Zoe: Alltime Favs: „Todesmarsch“ von Stephen King und „Grün ist die Hoffnung“ von TC Boyle. Und Comics, diverse. 🙂

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Interview: Kevin Goonewardena

Links (2015):
Wikipedia
Homepage
Discogs


Zwei Von Vielen

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