Mai 3rd, 2014

SNFU (#54, 10-1995)

Posted in interview by Jan

Richtig schön abstoßend das Cover! Das verblichene Foto eines Kinderkopfes mit nur einem Auge und dies schön mittig plaziert. Fein! Mir ist schon klar, daß das Foto retuschiert worden ist, aber trotzdem Glückwunsch an SNFU für die Idee.

SNFU, genau um diese Band geht es hier, denn sie haben eine neue Platte veröffentlicht und waren in den letzten Monaten unterwegs, um die neuen Songs live vorzustellen. Wer sich jetzt gerade den Epitaph-Sampler Punk-O-Rama gekauft hat und sich ärgert, sie nicht live gesehen zu haben, der sollte das nachholen.

Aber Vorsicht, SNFU haben eigentlich erst seit ein paar Jahren etwas mit Epitaph und dem neuen Punk-Frühling zu tun. Sie stellen das dar, was in Werbeanzeigen immer mit „Old School“ bezeichnet wird.

Das soll jetzt nicht heißen, daß sie wie Warzone klingen, sondern daß es die Band schon fast eine halbe Ewigkeit gibt, man lange bevor Epitaph als Label auch nur wagte zu husten diverse Alben auf B.Y.O. herausbrachte. Vor dem Konzert im Negativ in Frankfurt hatte ich Gelegenheit kurz mit Brent Bunnt Belke, dem Gitarristen, zu sprechen.

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In euerem Promo-Zettel werdet ihr in der Art zitiert, daß ihr jetzt im Moment nur darauf aus wärd in die Position von Bad Religion zu kommen und Geld zu verdienen. Ist das jetzt ironisch gemeint oder seid ihr es leid nichts zu verdienen?

Brent: Manches ist gelogen, manches nicht, ich weiß nicht, was ich jetzt sagen soll. Es wäre auf jeden Fall gelogen, wenn ich jetzt sagen würde, daß ich keine Platten verkaufen will. Ich will möglichst viele Platten verkaufen!

Ich glaube aber nicht, daß wir irgendwas von unserem Sound geopfert haben oder uns drastisch verändert haben, um mehr zu verkaufen. Wir sind jetzt lange dabei, ich hätte nichts dagegen, ein bißchen Geld zu machen.

Ist der momentane Punk-Hype eigentlich wirklich nur auf MTV zurückzuführen oder waren die Leute einfach das ganze Grunge-Zeugs überdrüssig.

Brent: Wahrscheinlich eine Kombination von beidem, ich glaube es war auch das Timing. Schau, Rap und Hip Hop sind jetzt schon fast 10 Jahre im MTV zu sehen und auch der ganze Heavy Metal Quatsch ist nicht mehr das, was die Leute besonders aufregt. Also fangen sie an, Punkrock zu featuren und alle Kids denken: „Woa, klasse, endlich was Neues, toll!!“.

Aber ärgert dich das nicht, daß du vor über 10 Jahren schon mit „And No One Else Wanted To Play“ und den anderen Sachen auf B.Y.O. Punk oder Hardcore gespielt hast, aber erst jetzt dafür Anerkennung bekommst und dann noch in der Weise als Teil des „Neues Ding: Punk“?

Brent: Nein, ich akzeptiere es so wie es ist. Die etwas größeren Musikmedien haben sich gegenüber Punkrock sowieso schon immer ziemlich ignorant verhalten. Ich fühle nichts, worüber ich verbittert sein sollte; sollte ich verbittert darüber sein, daß Offspring mehr Platten verkaufen als wir, nein, ich akzeptiere das.

Gab es den Punkt wo Du gesagt hast: „Ok es klappt nicht, ich kann von der Musik nicht leben, ich muß damit aufhören!“ ?

Brent: Ja! Genau das habe ich gemacht! Als die „Last Of The Big Time Spenders“ bei Cargo rauskam, hatten wir eigentlich aufgehört. Zu der Zeit dachte ich auch nicht, daß ich je wieder mit SNFU spielen würde. Manchmal ist die Realität seltsamer als die Fiktion.

Und wie kamt ihr wieder zusammen? Als ihr dann zu Epitaph gekommen seid war der jetzige Boom noch nicht zu spüren und Green Day spielte noch im Gilman_s vor 150 Leuten.

Brent: Als wir damals aufgehört haben, ging es uns eigentlich sehr gut; wir waren damals ganz klar auf dem Höhepunkt unserer Popularität. Es sah einfach so aus…….Es gab viele Faktoren, warum wir uns getrennt hatten. Ich selbst sah für mich keine Zukunft in einer Punkband zu spielen, ich wollte auch etwas anderes machen, da SNFU die erste Band war, in der ich gespielt hatte.

Wir alle hatten vorher keine Musik gemacht. Ich wollte schauen, ob ich ein anderes Projekt auf die Beine bekommen würde. Der Zeitpunkt damals schien auch richtig, da wir sehr viel getourt hatten und dauernd in denselben Clubs spielten. Naja, und dann haben wir alle andere Sachen gemacht und es klappte nicht…Ich hatte einfach mehr erwartet, aber….Es hat sich auch nichts in Plattenform materialisiert….

Und dann kam die Möglichkeit, eine SNFU-Reunion-Tour zu machen und wir machten es. Und jetzt ist es einfach so, daß ich lieber hier Musik schreibe, Platten veröffentliche, als in einer Bar zu kellnern. Ich glaube jeder, der diese Möglichkeit hat, würde sich dafür entscheiden.

Ich denke mir, daß im Vergleich zu unserer Jugend vor knapp 15 Jahren, als wir uns noch die Mühe gemacht haben Fanzine zu lesen und in Plattenläden auf gut Glück ein paar Singles zu kaufen, weil die Cover toll aussahen, wird heute von den Jugendlichen meist MTV als Haupt informationslieferant benutzt.

Brent: Das gibt es noch auf kleineren Konzerten, Leute, die sich neue Bands ansehen oder Teil der Szene sind. Außerdem gibt es doch gerade hier in Europa total viele autonome Zentren und besetzte Häuser!

Ja schon, aber gerade hier in Frankfurt fällt mir auf, daß diese „Szene“ immer älter wird und kaum wirklich junge Leute mehr dazukommen. Manchmal kommt es mir so vor, als könnten es ruhig „21 and Over“-Shows sein, die es natürlich in Deutschland gar nicht gibt, aber es sind auf den Konzerten oft gar keine 14-17 jährigen da. Wie ist das in Kanada?

Brent: Ich glaube, in Kanada gibt es noch eine richtige Punkszene für Kids, außerdem gibt es jetzt weit mehr All-Ages-Shows als damals. Ich mußte mich als Kid immer in Bars schleichen und mich dann verstecken, um die Subhumans oder die Pointed Sticks zu sehen.

Ich weiß nicht, ich glaube, daß das alles noch existiert, nur ist es etwas anders geworden, da der Punkrock nichts Neues mehr ist. Als ich anfing Punk zu hören, war ich sehr jung und Punk war etwas total Neues! Heute wirkt das Ganze nicht mehr so aufregend wie damals.

Ihr wart ziemlich lange bei B.Y.O., dann kurz bei Cargo und seid jetzt bei Epitaph gelandet. Warum sind Ende der 80er alle Bands von B.Y.O. weg und wie kamt ihr zu Gurewitz?

Brent: Ich weiß nicht warum, aber damals lag B.Y.O. einfach brach, sie haben keine Platten mehr veröffentlicht und wir hatten nicht das Gefühl, daß sie sich besonders um uns kümmerten. Unser Vertrag war auch gerade ausgelaufen und wir kannten ein paar Leute, die bei Cargo arbeiteten.

Zu Epitaph kamen wir, weil Brett nach einem Konzert in L.A. auf uns zukam und uns fragte, ob wir auf sein Label wollten. Das war 1991 und ein knappes halbes Jahr danach kam auch schon die „Something Green And Leafy This Way Comes“ heraus.

War euch damals klar, daß ihr auf dem Label sein würdet, dessen Platten sich fast von alleine verkaufen?

Brent: Nein, vielleicht als uns Brett sagte, daß er glaube, die Platte würde sich soundsoviel mal verkaufen. Sein Enthusiasmus schwappte auf uns über und wir dachten: „Hey, vielleicht können wir das tun!“. Wir verkaufen auch noch nicht so viele Scheiben, wie alle jetzt denken, da wir bei Epitaph sind.

Wir wollen Zahlen!

Brent: Also von der „The One Voted Most Likely To Succeed“ haben wir bis jetzt knapp 40.000 verkauft. 14.000 in Europa, den Rest in Kanada und den US. Im Vergleich mit Offspring also fast nichts! Das Lustige ist ja, daß vor eineinhalb Jahren niemand auch nur einen Penny auf Offspring_s Erfolg gesetzt hätte.

Und nun suchen alle nach den nächsten Offspring. Es ist heute kaum noch möglich, sich irgendwas anzuhören und zu sagen: „Das wird nie erfolgreich!“ Bei Nirvana war es doch auch so! Was glaubst du, was wird das nächste „neue Ding“?

Keine Ahnung, vielleicht Bands, die nach früh 80er Dark-Wave klingen, so wie Bauhaus. Das hatte noch kein Revival. Kannst du dir vorstellen, noch in 10 oder 15 Jahren Punkrock zu spielen oder wäre das in deinen Augen peinlich?

Brent: Ich denke ständig darüber nach, was ich in fünf Jahren machen werde und verwerfe die Gedanken so schnell wieder, wie sie mir kommen. Ich sehe nicht, daß ich zu irgendetwas anderem ausgebildet bin außer zum Gitarrespielen. Ich finde es aber auch nicht peinlich, mit 40 noch Punk zu spielen, überhaupt nicht. Diese Menschen haben nur das Glück, so lange Musik machen zu können.

Es ist relativ schwierig als Band so lange zu existieren. Wenn niemand zu deinen Konzerten kommt und niemand deine Platten kauft, dann kannst du als Band auch nicht existieren. Nur wenige haben auch die Möglichkeit, über eine so lange Zeit andauernd zu touren und Platten zu veröffentlichen. Ich persönlich wünsche mir für mich, daß ich in 5 oder 10 Jahren noch Musik schreiben werde. Ich glaube, das werde ich auch, ob jetzt mit SNFU oder mit anderen Leuten, wer weiß das schon. Aber Musik machen, das will ich schon noch!

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Interview und Text: Al Schulha

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