März 11th, 2007

SCHWARZ AUF WEISS (#109, 12-2004)

Posted in interview by jörg

Stundenlang lag ich nun schon wach und hab mir den Kopf zerbrochen welchen meiner wehrten Trust-Kollegen ich anhauen könnte mich und die anderen Jungs in Sachen Schwarz auf Weiss zu interviewen – doch wofür?

Damit mir letztendlich ein guter Freund gegenübersitzt der mich im Idealfall versucht mit einfachen Fragen nicht in die Pfanne zu hauen? Damit er im schlimmsten Fall mit nettem Wortgeplänkel verbirgt, dass er meine Band eigentlich total kacke findet aber wegen der cholerischen Ader seines Gegenübers (sprich mir), das nicht zeigen mag um die Freundschaft nicht aufs Spiel zu setzen?

Damit ich mich eine Stunde lang bemühe bloss nicht so dick aufzutragen, damit ich mich vor meinem Kollegen nicht als der völliger Angeber oute? Oder bin ich schlussendlich einfach nur zu feige mich Auge um Auge dem Trust-Kommando friesische Wiese zu Stellen? Nein!

Ich denke, dass die Veröffentlichung des neuen Schwarz auf Weiss Albums „Hurra, System!“ und über zehn Jahre zwischen Rattenjagd im AJZ und Minibarplünderung im kleinstädtischen drei Sterne Tempel „Schwarzer Adler“, einfach genügen Zeit-, Spiel, und Freiraum liegt, einfach mal offen und ehrlich zu erzählen warum man sich den ganzen Kram eigentlich Wochenende für Wochenende aufs neue gibt!

Bei diesem Gedanken schossen mir brainstormartig die Stichworte und Anekdoten durch den Kopf. Dass meine spontanen und schlaftrunkenen Antworten (es ist jetzt 4.38 Uhr!) meisst negativ besetzt sind, ich im Folgenden vor allem abkotzen, das Ganze schon jetzt bereue, und mir die meisten Sätze spätestens nach Druckschluss peinlich sind weil sie mich wie eine Vollidioten aussehen lassen, soll aber niemanden davon abhalten sich nicht auch kopfüber ins Musikbiz zu stürzen. Ausserdem macht es für euch die Sache allemal interessanter als das gute alte Frage/Antwort-Spiel.

PS – wer selbst als Fanziner, Musiker oder Veranstalter tätig ist (was im Falle der Trustkäufer eh um die 99% sein dürften), braucht hier eigentlich nicht weiter zu lesen – ihr kennt das!

Ich begrüsse also die zehn, zwölf Leser meines Selbstgesprächs mit dem schönen Titel: Gründe warum sich Schwarz auf Weiss das alles antut! (Wieso, Weshalb…ja, WIESO eigentlich?!):

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GELD (äh, die Reihenfolge der Stichwörter stellt übrigens keine Wertung dar 😉)

Ganz nebenbei ja auch noch als Veranstalter tätig, ist es wunderbar beide Seiten der Medallie zu kennen. Oft möchte ich einfach nur laut schreien wenn es gerade bei diesem Punkt zu Diskussionen kommt: Wenn dir ein einschlägiges rotes linkes Label, ohne jegliche Mahnung ganz offiziell mit dem Anwalt droht weil du vergessen hast 200 Mark zu überweisen. Wenn nach einem erfolgreichen Konzert ein Junge in sauteuren Skaterklamotten auf die Bühne kommt und meine Flohmarkt-Trainingsjacke mit den Worten greift: „Ey, die kannste mir ja wohl schenken. Ihr verdient ja eh genug und bekommt die Klamotten ja sowieso gesponsert!“ Wenn eine „Szene“-Band hohe Gagen fordert, um gleich darauf zu verkünden, dass der Eintritt aber bitte gering ausfallen soll weil man ja schliesslich politisch Korrekt wäre.

Dann gibt es aber auch die Tage an denen alles glatt läuft. Du nach drei Wochen dauerplakatieren und 20 Stunden auf den Beinen, mit 200 Euro in der Tasche wie ein Stein einpennst und dich einfach nur darauf freust morgen mit deiner Freundin essen gehen zu können. Oder Konzerte nach denen es dir einfach scheissegal ist, dass du gerade viel Knete in den Sand gesetzt hast. Dafür konntest du einen wunderschönen Auftritt von Kevin Devine erleben und bist hinterher noch stundelang im Dönerladen mit den Jungs am quatschen, bevor du und ein Haufen glücklich betrunkener Amis dich auf Matratzen deiner WG niederlässt.

Und in Sachen Schwarz auf Weiss? Wenn du einem engagierten jungen Mann aus einem 600 Kilometer entfernten Jugendzentrum klar machen musst, dass sich acht Musiker, eine Hammond Orgel, Drums, Bläser und Verstärker, auch „zu Gunsten der Erhaltung einer 2/3-Arbeitsstelle des örtlichen Sozialpädagogen“, nicht für 50 Euro Spritgeld und ne Kiste Bier transportieren lassen. Und das alles mit dem sicheren Hintergrundwissen, dass du dich nach diesem Telefonat nicht mehr in X/Y-Dorf blicken lassen brauchst. Aber da wären ja auch noch die wirklichen Erfolgsmomente.

Zum Beispiel der Augenblick in dem unser Kassenwart an jedes Mitglied einen blitzblanken 5-Euro Schein aus der Bandkasse verteilt und man sich bei Burger King auf Kosten der Gruppe so richtig satt essen kann. Aber nichts desto trotz bin ich verdammt froh darüber, dass sich Schwarz auf Weiss inzwischen zumindest refinanziert. Mussten wir doch schon die Vorgängerband Practical Joke kippen, nur weil wir finanziell echt am Arsch waren (aber dazu später mehr!).

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RUHM

Vielleicht ist es ein Zeichen dafür, dass man nicht zum Rockstar geboren ist, wenn einem eh nur die schlechten Kritiken auffallen. Aber wenn du soviel Herzblut in eine Sache steckst, dann möchtest du natürlich auch, dass es zwar nicht allen gefällt aber doch zumindest den Leuten, deren Arbeit dir ebenfalls am Herzen liegt.

Und so werd ich auch nach dem Erscheinen unseres neuen Albums wieder schlaflose Nächte damit verbringen mich zu fragen, was der Autor vom abbonierten Fanzine denn nun so scheisse an der Scheibe findet. Und ich werde mich auch wieder tierisch Aufregen wenn uns Spex und Co. mit ihrer ungeteilten Unaufmerksamkeit strafen und mich stundenlang Fragen „warum Superpunk und Von Spar auf dem Cover landen und wir nicht mal mit ner lumpigen kleinen Plattenkritik im Heft? Was machen wir anders? Was machen wir falsch? Und wer bin ich überhaupt?“

Zudem fallen mir die „Ey, wieso macht ihr keinen richtigen SKA mehr und seht aus wie schwule Studenten! Wenn ich euch noch mal auf der Strasse sehe gibt`s auf`s Maul!“-Reaktionen schon allein aus meinem Selbsterhaltungstrieb heraus einfach mehr auf als „Hi, ich bin die Katie aus Freiburg und finde eure Musik echt super!“

Wirklich wichtig wird der Begriff „Ruhm“ aber vielleicht eher wenn ich mir überlege, was man mit seiner einstigen Schülerband schon geschafft hat bzw. wovon man ein nicht ganz anteilsnahmsloser Teil sein durfte. Zum Beispiel wenn die eigenen Freunde die Band über Jahre für verrückt erklären, da man ausgerechnet im tiefsten Osten Deutschlands immer und immer wieder präsent sein will, weil man das Gefühl hat dort noch wirklich was ereichen zu können (kleine Schritte halt – Schliesslich steckt hinter den ach so grossen „Revoluzzern“ unter den heutigen Bands ja oft nicht mehr als eine geschickte Marketingstrategie).

Dann klingelt das Telefon und eine nervöse Lehrerin teilt dir mit, dass ausgerechnet die Schüler in Hoyerswerda die Band gern als Paten für ihr Projekt „Schule ohne Rassismus“ hätten. Ja, in solchen Momenten ist es einfach nur verdammt schön mit seinem hart erarbeiten „Ruhm“ so etwas unterstützen zu können. Und kommt mir jetzt bitte nicht mit der Frage nach dem Sinn und Zweck eines solchen Projekts? Schliesslich ist ein Grund dafür, dass wir keinen Crust-Punk sondern recht poppige Songs schreiben der, dass uns auch der Sinn und Zweck von „preaching to the converted“ auch nach wie vor verschlossen bleibt.

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GROUPIES

Hier würde ein ironisches „Ja na klar, bestimmt!“ als Antwort reichen. Aber schliesslich hab ich durch dieses Thema meine erste wirklich negative Erfahrung im Musikbiz gemacht und ausserdem hab ich euch in der Einleitung versprochen, dass ich so richtig abkotzen werde: Tja, wir befanden uns also (damals noch mit Practical Joke) auf Tour mit den durchgeknallten Bloward und landeten nach viele Irrungen und Wirrungen nun auch auf dieser Show der beschissenen Dog Eat Dog!

Tja, gerade alt genug um legal Bier erwerben zu können, liess auch ich mich recht schnell von dem ganzen Brimborium hinter der Bühne beeindrucken. Dass die Show der damaligen Crossover-Helden von der Bravo präsentiert wurde, tat in Sachen weibliche Besucher natürlich ihr übriges. Das hatte auch der „Headliner“ spitz bekommen und so sollten die anwesenden und willigen „Rockerbräute“ heute mal aussen vor bleiben. Interessanter waren Mädchen von ca. 14 Jahren, die eigentlich nur mal kurz nach `nem Autogramm fragen wollten. Ich könnte mich heute noch dafür Ohrfeigen, dass wir den ärschen nicht selbige versohlten als sie die kleinen Mädels ins Taxi lockten. Leider versteckte sich meinereiner zu diesem Zeitpunkt noch feige und benommen hinter seiner Becks-Flasche.

In diesem Augenblick war für mich aber klar, dass Sex, Drugs und Rock`n`Roll in manchen Fällen voneinander zu trennen sind – langweilig sollte es die nächsten Jahre auf Tour aber trotzdem nicht werden…..

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SZENE

Klar, möchte man auch der Szene (und damit meine ich alle die ungefähr so fühlen wie wir) etwas zurückgeben. Umso schlimmer ist es dann ja auch, wenn die Reaktionen negativ ausfallen (siehe „Ruhm“). Zudem ist es oftmals müssig, immer wieder das Gefühl zu bekommen, in Erklärungsnotstand zu sein: Warum tut ihr dies? Warum macht ihr das?

Eigentlich möchte ich den szeneinternen Kritikern in solchen Momenten einfach nur sagen: „weil wir einfach bock haben uns überall mit eigentlich doch netten Leuten wie dir zu treffen und es verdammt noch mal Spass macht aufzutreten!“. Aber so einfach ist das leider nicht. Da gibt es hier ne Bluts-Fehde unter Fanzinern, da wird dort kräftig das Ego-poliert und da ist eine Band die man aus verschieden Gründen meiden muss um wiederum selbst akzeptiert zu werden (bevorzugt aus Gründen der angeblichen sexuellen Diskriminierung. So wie ich es oben mit Dog Eat Dog gemacht habe – aber die sehe ich ja auch nicht als Teil der Szene) und überhaupt sind da ja noch die vielen kleinen Schubläden. Gerade in dem Punkt hat Schwarz auf Weiss einiges erlebt.

Sozialisiert im Punk bekamen wir nach dem Ende von Practical Joke einfach Lust auf SKA. Mir gefiel einfach der Gedanke, tanzbare und „nette“ Musik mit einer Message zu verbinden, ohne dass der Spass auf der Strecke bleibt! Als wir dann aber mit so ziemlich jedem Jamaikaner die Bühne geteilt hatten, im Bandbus eh andere Musik konsumiert wurde (würden wir sonst für das Trust schreiben?) und deutlich wurde, dass der Spass leider oftmals einen viel grösseren Stellenwert als die Message einnahm, passierte die musikalische Umorientierung eigentlich ganz von selbst. Natürlich rechneten wir nicht gerade mit Beifallsbekundigungen. Aber angedrohte Schläge auf der einen und die kurzzeitige Ignoranz durch die anderen „Unter-Szenen“ auf der anderen Seite, waren schon harter Tobak an dem wir erstmal zu Schlucken hatten.

Haben wir den Leuten wirklich soviel bedeutet, dass der Sprung in unseren eigenständigen konfusen Musikkosmos solche Emotionen hervorrufen konnte? Das bezweifel ich stark! Schliesslich waren es ja eben leider nicht Texte, die einen hohen Stellenwert für uns haben, sondern lediglich die gute Gelegenheit bei unserer Musik besser saufen zu können als bei Doom-Metal (und da dürften sie schnell Ersatz gefunden haben).

Wir standen plötzlich ganz am Anfang und haben wahrscheinlich das einzig richtige getan und uns nicht wieder in eine Sub-Szene fallen lassen (mit alle ihren Verlockungen wie ein festes Stammpublikum ergo mehr Konzerte inklusive höherer Gagen) sondern komplett unser Ding durchgezogen.

Mit allem was wir zur Zeit tun treten wir den Beweis an, dass sich hinter unterschiedlichen Musikrichtungen ja noch lange nicht unterschiedliche Menschen verbergen: Da legt unser Orgelmann Sören Boogaloo- und Soul-Musik im Club auf oder spielt bei der 60ies-Combo Teenage Music International. Gitarrist Harm hat mit Schlagzeuger Nils ein Nebenprojekt dass mir bis dato verschlossen blieb und legt bei der Bremer Sound Conspiracy alles auf, was ihm unter die Finger kommt und schreibt nebenbei noch für dieses schöne Magazin hier.

Posaunist Björn vergnügt sich in Jazz-Projekten. Und ich bemühe mich mit Shows von Lali Puna, American Analog Set oder den Thermals das Bremer Nachtleben interessanter zu machen! Klingt nach Selbstbeweihräucherung? Stimmt! Aber hab ich hier nicht eben gerade auch was von „kräftig zu polierenden Egos“ innerhalb der Szene geschrieben?!

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Past & Present

Oft wird auch die Frage gestellt, was wir noch so für Träume oder Ziele mit der Band haben. Ich muss ehrlich sagen, dass ich die jeden Monat aufs neue definiere und mir lieber kleine Punkte stecke die dann angesteuert werden. Jeder einzelne Schritt zwischen Besetzte-Häuser-Touren mit World Inferno Friendship Society und Rummelplatz ähnlichen Open Air Festivals, war immer wieder aufs Neue spannend und spassig.

Tja, und dann waren da ja noch Momente von denen man vorher nichtmal gewagt hätte zu träumen. An erster Stelle natürlich die Zusammenarbeit mit persönlichen Helden wie Jello Biafra, Peter Hein, Stunde X, Freunden wie Mörser, Minion, Curly Wurly etc. und die Schützenhilfe durch „Mouse On Mars“ auf dem neuen Longplayer „Hurra, System!“

Und dann muss man leider auch einsehen, dass Träume oft nur Schäume sind. Nix bleibt übrig wenn „alt-ehrwürdige“ Punks ihren Hit „Nobodys Heroes“ anstimmen. Alle Seifenblasen platzen, wenn sie sich anschliessend wie Götter aufführen und dich als Vorband wie den hinterletzten Dreck behandeln. Ebenso kann man von Desillusion sprechen, wenn ein achsotolles Szenelabel ähnlich wie ein Major über Leichen geht und daher seinen Namen zu Recht trägt… „WIR wurden wirklich von denen GEBIssEN!!!“ – Jetzt entschlüsselt mal mein ach so tolles Wortspiel!

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LIVE

Dabei kommt es für uns gar nicht so sehr darauf an auf der Bühne zu stehen und möglichst viele Leute zu unterhalten und zum tanzen zu bringen (sonst wären wir wohl beim reinen SKA geblieben) sondern auf das ganze Drumrum. Aber es wäre auch ne zu einfache und typische Band-Lüge wenn ich jetzt sagen würde, es ginge darum viele nette Leute kennenzulernen. Wir sind immer mit mindestens neun Leuten unterwegs, da ist es für andere eh schwer Kontakt mit uns zu knüpfen.

Ihr kennt das sicher auch aus dem Urlaub: Wenn man mit zig Freunden weg ist, dann lernt man einfach keinen kennen. Letztendlich geht es also darum dem Stadt-Koller zu entgehen durch Landflucht am Wochenende. Kein Wunder also, dass wir immer wieder Freunde im Bus begrüssen, die sehr gern die unliebsame Position hinter dem Steuer einnehmen für zwei Tage zwischen Ulm und Kiel. Und genau da will ich jetzt (6.12 Uhr) auch wieder hin: Zu dem undefinierten Ort zwischen hier dort!

Wer sich jetzt wundert, dass er eigentlich gar nicht schlauer über die Musik von Schwarz auf Weiss geworden ist, dem kann ich nur empfehlen einfach mal bei „Hurra, System!“ reinzuhören, die Live-Daten hier im Heften aufzusuchen oder www.schwarzaufweiss.net

Ich geh jetzt schlafen. Gute Nacht.

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Gez. Malte Prieser

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