März 20th, 2019

RADIO Z (#68, 1998)

Posted in artikel by Thorsten

Als Radio Z am 1. Dezember 1987 zum ersten mal auf Sendung ging, konnten die damaligen Initiatoren dieses Radioprojektes aus dem Großraum Nürnberg nicht ahnen, daß daraus die größte nicht-kommerzielle, alternative, private Radiostation in Bayern werden sollte.
Schnell wuchsen die 3 Stunden Sendezeit zu einem täglichen 8-Stunden-Programm an. Mit mehr als genug Problemen hatte Radio Z dabei von Anfang an zu kämpfen. Der „Bayrischen Landeszentrale für neue Medien“ (BLM), die private Rundfunksender in Bayern kontrolliert, war dieses etwas andere Radio von Anfang an ein Dorn im Auge. „Kirchenfeindlichkeit“ und „kommunistische Ausrichtung“ wurden da genannt.

Besonders kritisch wurde es mit dem drohenden Lizenzentzug 1993. Im Magazin für Schwule, „Fliederfunk“, wurden Beiträge zu sado-masochistischen Praktiken gesendet, die ein besorgter Bürger aus Erlangen aufzeichnete und auch gleich nach München zur BLM schickte… Dort erhob sich bald ein lautes Geschrei, diesem skandalösen Treiben doch ein Ende zu bereiten, sprich die Sendelizenz zu entziehen. Nur durch eine aufwendige Kampagne, bei der rund 14.000 Unterschriften gesammelt wurden und sich etliche Persönlichkeiten aus Kultur und Politik für Radio Z einsetzten, konnte diese Gefahr abgewandt werden. In den darauffolgenden Jahren jedoch hatte Radio Z enorme finanzielle Probleme. Die (lebens-) wichtigen Fördergelder der BLM wurden entweder ganz gestrichen oder trafen unregelmäßig in unterschiedlich hohen Summen ein. Auch etliche interne Streitereien trugen nicht gerade zu einem entspannten Klima bei.

Radio Z finanziert sich hauptsächlich aus den Mitgliedsbeiträgen der „Rundfunkaktionsgmeinschaft demokratischer Initiativen und Organisationen e. V.“ (R. A. D I. O. e. V.), mit derzeit ca. 1.700 Mitgliedern. Wenn überhaupt Werbung gesendet wird, dann für den lokalen Öko-Gemüsemarkt oder eine Autowerkstatt… und natürlich für Veranstaltungen (meist Musik) im Großraum Nürnberg-Fürth-Erlangen.

Bei Radio Z arbeiten über 150 Menschen aller Nationalitäten und Altersgruppen, die meisten davon ehrenamtlich. Aus der heutigen Medienlandschaft ist dieser Sender nicht mehr wegzudenken, bietet er doch ein Forum für Minderheiten, die sich sonst nicht auf diese Weise mitteilen könnten, wohl nirgendwo zu Wort kämen. So existieren unter dem Titel „Z-International“ u. A. eine italienische, türkische, kurdische, spanische und lateinamerikanische Sendung (je eine Stunde wöchentlich). Einmal im Monat senden Punks den „Störfunk“, wie auch ältere Menschen das Magazin „Spätzünder“ – die Oldiesendung bei Radio Z.

Generell wird bei der Berichterstattung darauf geachtet, Themen nicht aus dem üblichen Blickwinkel heraus darzustellen, sondern auch Hintergründe zu durchleuchten (Beispiel Türkei). Der Wortanteil am gesamten Programm liegt bei außergewöhnlich hohen 42 %. (So ganz nebenbei – viele Vorgaben der BLM, daß Lokalradios beispielsweise so und so viel Sendezeit auf lokale Berichterstattung verwenden müssen oder ein bestimmter Wortanteil erreicht werden muß, erfüllt im Nürnberger Raum eigentlich nur Radio Z.) So wird auch Musik jenseits der Charts gespielt, selbst die im Proberaum aufgenommene, rauschende und scheppernde Kassette der neuesten Lokalband findet ihren Platz.

Natürlich hat Radio Z nicht die technischen und finanziellen Mittel wie andere, kommerzielle Sender. Da kommt es schon mal vor, daß ungewollte Pausen entstehen, daß Mikro aus Versehen nicht ausgeschaltet oder der falsche CD-Player gestartet wird. Genug Versprecher sowieso…(Für Manche war Radio Z aber auch Sprungbrett für eine Karriere z. B. beim öffentlich-rechtlichem Rundfunk) Aber gerade das macht Radio Z menschlich und sympatisch. Und das ist auch gut so. In internen Seminaren werden die Mitarbeiter z. B. in Moderation oder technischen Fragen fortgebildet. Alle 14 Tage findet ein Plenum aller Redaktionen statt, wo Fragen und Probleme das ganze Umfeld des Senders betreffend besprochen werden. Die Mitglieder von Radio e. V. haben viel Mitspracherecht und können das Programm aktiv mitgestalten. Wichtige Entscheidungen werden auf den Mitgliederversammlungen getroffen.

So weit, so gut. Seit 1990 hatte sich Radio Z die Frequenz 95, 8 Mhz mit „Radio Downtown“ aus Erlangen geteilt. Gegen Ende des Jahres 1995 jedoch wurde dieser Sender von „Radio Energy“ (NRJ) übernommen: NRJ ist ein französischer Medienkonzern, der einem gewisen Herrn Jean-Paul Baudecroux gehört. Dieser Jean-Paul Baudecroux hat es geschafft, seit 1984 250 Radiostationen in Europa aufzubauen. Sein börsennotiertes Unternehmen mit über 3 Milliarden Börsenkapital konnte 1993 einen Gewinn von 111 Millionen France verbuchen. NRJ geht bei seinem ständigen Expandieren so vor, daß schlecht gemanagte bzw. schwer lebensfähige Frequenzen geschluckt werden. Klar, dass nun die 16 Stunden täglich auf der 95, 8 nicht genug sind und NRJ die 24-Stunden Vollfrequenz anstrebt. Anfang 1998 werden die Sendelizenzen der Lokalsender im Nürnberger Raum neu vergeben. Daß NRJ sein Ziel mit allen Mitteln erreichen will, zeigt ein internes Schreiben des Senders, das vorgibt, wie das Programm von Radio Z überwacht und protokolliert werden soll. Konkret wird dabei verlangt, Lieder, die auf dem Index stehen, technische Pannen, Moderationsfehler (eventueller Alkoholeinfluß usw.), Schleichwerbung, sowie inhaltliche Fehler (z. B. in den Nachrichten) und mögliche negative Meldungen über NRJ aufzuzeichnen und zu sammeln. So will man bei den anstehenden Lizenzverhandlungen etwas gegen Radio Z in der Hand haben. So ganz nebenbei – wenn man lange genug sucht, lassen sich solche Fehler bei fast allen Radiosendern finden. Sowohl Radio Z als auch NRJ hatten Fehler des Anderen bei der BLM beanstandet. Nach gemeinsammen Gesprächen kam man aber zu der Einigung, solche Spielchen als Frequenzpartner künftig zu unterlassen. Eigentlich.

Trotzdem waren die letzten Monate für Radio Z sehr gut. Intern kehrte nach diversen Vorstandswechseln wieder Ruhe ein. Auch bei den Verhandlungen um die Frequenz sieht es nicht schlecht aus. Eine unabhängige Jury verlieh dem Sender den Kulturförderpreis der Stadt Nürnberg in Höhe von 10.000 DM. Die Preisverleihung findet alljährlich mit einer offiziellen Feier statt, nur letztes Jahr stellte die Nürnberger CSU plötzlich fest, daß eine solche Feier ja eigentlich viel zu teuer sei und deshalb nicht stattfinden könne… Dank privater Sponsoren fand die Verleihung nun doch noch, am 8. Dezember 1997, zusammen mit anderen Preisträgern in der Nürnberger Tafelhalle statt. Viel Publicity, gerade recht zum 10. Geburtstag. ÄTSCH !

Mehr Informationen über Radio Z unter http://www.radio-z.net/de/ (Stand März 2019)

Text: Christoph Lottes

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