Oktober 28th, 2015

RADICAL DEVELOPMENT (#53, 08-1995)

Posted in interview by Jan

Eigentlich wollte ich ja nur etwas mit Yuppicide machen, mit denen Radical Development  ja auf Tour waren, aber ich dachte wenn ich schon mal da bin und ein Aufnahmegerät habe, kann ich R.D. auch gleich befragen. Den meisten werden die vier Herren aus Karlsruhe noch kein Begriff sein, doch lustig und interessant war unsere Unterhaltung allemal.  Ach, Schluß mit dem Gequatsche, macht euch ein eigenes Bild.

Also ich weiß überhaupt nichts über euch, könnt ihr mir erst einmal einen kleinen Background oder so geben? Wie lange es euch gibt und blablabla…

P: Herbst ’92 haben wir uns gefunden (durcheinandergelaber). Da haben wir zu dritt angefangen zu musizieren. So ging es bis vor kurzem, und dann ist er dazugestoßen (deutet auf den Sänger).

Sänger(?). Januar haben wir begonnen zu proben.

T: Januar schon?

S: Ja, ende Januar.

P: Also die erste Record ist ja noch ohne ihn.

Keine Ahnung!

P: Hast du sie noch nicht gehört?

Ich habe noch überhaupt nichts von euch gehört.

J: Echt nicht?!

Das war vorhin das erste mal.

T: Fandst es gut?

Naja… (gegenseitiges versichern, wie scheiße kurz doch der Auftritt war, deshalb fast kein Eindruck)

Habt ihr vorher schon in anderen Bands gespielt?

J: Ja, wir haben vorher schon eine richtige Tour mit Hammerhead gemacht, als Support für die, war ’ne lustige Sache.

P: Vor Radical meint er.

J: Ach so! Wir zwei haben zusammen in anderen Bands gespielt. Das war so ein Indus-trial-mäßiges Projekt mit Synthies und Drum-computer und so.

Aber jetzt macht ihr nur noch alle Radical Development?

S: Ich habe nebenbei noch eine kleine Band. Wir haben noch nichts aufgenommen oder so.

T: Man macht halt mal hier und da so…

S: Ja, so ein paar Sessions halt.

P: Ich meine, auf der Suche ist man immer (Gelächter).

Wie alt seid ihr eigentlich?

P: Ich bin 24.

T: Ich bin 20.

J: Ich bin…

S: Er weiß es nicht einmal (Gelächter).

J: Äh, ich werde im April 22 (Beifall von T.)

S: Er ist auf jeden Fall der Papi und ich bin 17.

Eigentlich müßte doch er (Pfeut) der Papi sein.

S: Ja aber er (Jochen) ist der Papi, weil er (Pfeut) der Chef ist.

T: Gott.

Wie bist du (Sänger)  dann dazu gekommen?

S: Ich?

J: Wir haben ihn mal angelabert…

S: Nee, gar nicht. Wir haben uns mal (überlegt)…

P: Er hat gedroht!

S: Ja, ich habe gesagt: „Wenn ich jetzt nicht bei euch singen darf, dann schlage ich euch alle tot. Und dann könnt ihr ja gar nicht auf Tour mit Yuppicide gehen“. (lacht) Nee, es war so, daß ich irgendwann mal mit denen ins Gespräch kam, und dann habe ich halt von meiner Band erzählt und die haben mich gefragt, ob ich auch singe und dann habe ich gemeint, ja, und dann bla bla und sie suchen schon länger einen Sänger, aber sie haben nie den richtigen gefunden. So hat er (Jochen) es mir halt erklärt. Irgendwann haben wir dann mal eine Probe vereinbart, und da bin ich halt gekommen und habe herumgebrüllt. Seitdem proben wir eigentlich regelmäßig miteinander.

Wie seid ihr denn zu eurer Tour mit Yuppicide gekommen?

S: Das hat der Steffen (Navigator) gemacht. Der ist ja das Label. Wie seit ihr da überhaupt draufgekommen in Verbindung mit Steffen? Das weiß ich selber nicht.

J: Also, die ganze Geschichte lief so ab: (Gelächter)

T: Ja, Papa.

J: Wir wollten erstmal eine Platte machen. Unbedingt, wie, war erst einmal egal. Haupt-sache wir machen eine Platte. Also sind wir ins Studio nach Karlsdorf und haben dort eine Aufnahme gemacht…

S: Neun Stück.

J: Wir hatten aber vor… (Sänger labert wieder dazwischen) halt’s Maul! (S. lacht)…

Papi.

J: …in den Staaten Urlaub zu machen, Pfeut und ich. Und dann haben wir uns überlegt, Staatenurlaub, rufen wir doch mal eben den Donny (Don Fury) an und fragen, ob er Bock hat, das abzumixen. Promt hat er gemeint, ja klar, macht er, und dann haben wir die Aufnahme ins Rough und dann haben wir das Tape fertiggemacht. Dann hatten wir das fertige DAT in der Hand und haben es an verschiedene Labels geschickt. Manche waren interessiert. Der Steffen hat das dann von mehreren Leuten gleichzeitig in die Hände bekommen, auch durch den Armin von X-Mist. Der wollte das auf seinem Label nicht machen. Für ihn ist das wohl ein bißchen heftig. Der Steffen hatte vorher ja noch kein Label gehabt, noch keine Bands. Dann sind wir halt mit ihm in Verbindung getreten.

P: Da wir seine Navigator-Prod. 001 sind, puscht er uns natürlich sagenhaft. Deswegen haben wir gleich bei Yuppicide eingehakt.

J: Er drückt uns Gigs ohne Ende.

Eure zweite Tour? (Durcheinandergelaber)

S: Wir haben in Berlin und Leipzig mit Die 116 gespielt. War ganz lustig.

Ich habe sie in Nürnberg gesehen.

S: Ja, das war die letzte Show, da hat der eine Gitarrist (Gavin) mit Jochens Gitarre gespielt. Der hat mit seiner Gitarre, die schon voll am Arsch und so war, immer so Feedbacks und so gemacht und die Gitarre rumgebogen. Irgendwann ging es „Krach“, und der Hals ist abgebrochen (lacht). Das hat ihn voll angekotzt, so hinter der Bühne „Oh, fuck, fuck…“, tritt halt das Teil durch die Gegend und er (Jochen) hat ihm seine zweite Gitarre geliehen. Aber super nette Leute.

Wo kommt ihr überhaupt her?

J: Aus Karlsruhe.

S: Er (deutet auf Pfeut) ist Schweizer.

J: Kommt aus Bern.

S: Ich bin Österreicher. Wir haben mal in der Schweiz gespielt. War voll die Hölle. Wir sind kaum über die Grenze gekommen, weil die Schweizer voll die Penner sind an der Grenze. Abartig. Wir sind an 3 Grenzen gefahren und haben 4 Stunden rumgemacht…

T: Schweiz sucks!

S: Wir haben Strafen und alles. Das war so übel. Wir wollten rüber, und die wollten erstmal alles verzollen, T-Shirts und die ganze Scheiße…

Mit was für Bands habt ihr so Kontakt?

J: Also folgendes: Der ganze Streß, diese ganze Angelegenheit mit Lost & Found und X-Mist. Wir haben eigentlich mit allen Bands sauviel Kontakt, so diese ganzen „pro X-Mist-Bands“. Morp, Zellot und wie sie alle heißen, kommen ja auch aus Karlsruhe. Super Kontakt, gute Kumpels. Aber genauso haben wir halt guten Kontakt mit den Rykers z.B. die ja auch auf Lost & Found sind. Wir haben damit überhaupt keine Probleme!

P: Die ganze Scheiße die da abläuft…

S: Ist megapeinlich! Wir halten uns da raus.

J: Wir versuchen da irgendwie einen Mittelweg zu finden. Ich habe kein Problem mit dem Bernd, ich habe kein Problem mit dem Armin. Wenn sie sich gegenseitig niedermachen wollen, dann sollen sie es bitte tun. Die Scheiße ist halt, das der ganze Streit auf dem Rücken der Bands ausgetragen wird. Dann kommt es vor, ich mach halt Bookings in Karlsruhe, du rufst halt irgendwo an wegen Bands buchen und so was, und die fragen dich auf was für einem Label du bist. Ja, Lost & Found. Ahhh, ihr dürft nicht spielen! Also das ist übertrieben, unterschwellig kommt das total derb rüber. Das ist absolut Scheiße. (durcheinandergelaber)

P: …du mußt zu irgendeinen von den beiden, … gut, du mußt auch nicht, aber dann hast du halt…

J: Das ist halt beim Steffen geil, daß er dazu überhaupt keine Stellung nimmt, nicht sagt, ob jetzt X-Mist pro oder so ist. Das funktioniert wunderbar. Wir haben jetzt natürlich bei irgendwelchen PC-Bands von Armin, (die uns nicht kennen) den Ruf volle Proleten zu sein, weil Rykers Kumpel und so.

S: Wir sind Proleten! (lacht)

J: Ja, natürlich.

Von den Rykers bin ich nicht grade begeistert. (das ist untertrieben)

S: Ich persönlich auch nicht.

T: Mit dem Basser kannst du dich echt gut unterhalten. Die anderen kenne ich auch nicht.

Ich meine nicht die Menschen, ich meine von der Musik her.  (Ich kenne sie ja nicht!) Wieviel gebt ihr so auf Texte?

S: Also ich gebe viel auf die Texte! Ich schreibe auch gerne Texte.

J: Als wir die Platte aufgenommen haben, hatte ich nicht mal die Hälfte der Platte Texte. (lacht) War alles nur „gebrubbelbäääh“, erst im Nach-hinein.

S: Wir haben auch keine Texte abgedruckt, bis auf einen.

Traut ihr euch nicht, oder was?

J: Texte sind eigentlich „Fuck Off“-mäßig. (durcheinandergelaber)

P: Wenn einige sagen, wenn ich keine Texte mache oder nicht, oder ob ich rumlalle oder konkret singe liegt genauso an mir. Kritisieren kann man es, aber es sollte genauso zugelassen werden, daß du Vocal-noises machst.

J: Mittlerweile hat jeder Song einen Text, außer einem oder zwei, glaub ich. (Stille. Aus dem Akw dröhnt „We are Pitbull from Detroit“)

S: Wenn die Texte wirklich gut sind, und das haben nicht viele Bands, finde ich, daß es sich oft nicht auszahlt. Seine (?) Adresse steht in der Platte, falls jemand wirklich Interesse daran hat, kann er sich an uns wenden, wir schicken ihm dann die Texte zu, kein Problem.

Was denkst du über Straight Edge?

S: Ich bin Straight Edge.

J: Aber nur er. (ins Aufnahmegerät) Nur er, Hallo?!? (Gelächter)

Und dann gibts es immer Fights bei euch?

(„Penner wie Earth Crisis“ also „Hardline“ Straight Edger“ mögen sie gar nicht, für S. ist diese absolut übertriebene Uniformierung Fa-schismus“)

J: Es kommt darauf an, was die Definition für Straight Edge ist. In Amiland ist es etwas anderes als die Kids hier denken. Genauso wie mit diesem Patrioten-Ami-Getue und dem Fascho-Getue hier, das muß man derb unter-scheiden.

S: Wir necken uns ab und zu, nicht wahr? (lacht). Ich bin auch Vegetarier und der Rest nicht. Ich schreibe dann natürlich auch keine Texte über sowas, ich würde niemals alle vertreten. Wir haben sogar einen „Anti-hard-line-Straight-Edge“ Text.

P: Er heißt „Softline-Straight-Edge“ (gelächter)

S: Hardline sind für mich Leute wie Snapcase. Der Snapcase-Idiot z.B. hat den Bush gewählt, weil er Pro-Life ist, hat er gesagt. Das ist doch echt nur Dummheit, oder? Die Leute überlegen überhaupt nicht. Kein bißchen.

Wie entstehen die Lieder bei euch?

S: Er ist halt der Papi. Er macht die Lieder und die Texte.

J: Ich überlege mir dann meistens irgendwas und komme mit ein paar Riffs, einer Songstruk-tur. Wenn sie im Prinzip gut ist, wird damit gearbeitet.

Und jeder bringt dann irgendwas?

J: Ja, ich spiel was vor und dann heißt es Scheiße oder so (wunderschönes durcheinandergelaber)…

Also Papi bringt die Ideen und Gott entscheidet?

Einstimmig: Ja, genau. (gelächter)

S: Mich kotzt es meistens an, das soviele Riffs kommen, immer die gleichen.

Habt ihr euch schon näher mit Yuppicide unterhalten?

Allgemeine Zustimmung und sichtliche Begeisterung.

P: Wir haben das große Los gezogen, ganz klar.

Stimmt, ihre letzte Tour und so…

S: Das beste, wirklich!

J: Als die erste Single rauskam, hab ich mir einen drauf gewixt (schlappgelache).

S: Das ist die letzte Tour. Yuppicide sind mit Slapshot auf eine Reihe zu stellen, daß ist die bekannteste HC-Band, die sich noch irgendwo im Untergrund bewegt (so?), wenn man jetzt mal von Soia oder so absieht, oder Madball, die jetzt auf Mtv und Viva gesendet werden. Das ist die letzte Tour (zum 3. Mal), das wird schon seit Monaten angekündigt. Ich muß auch sagen, daß da der Steffen da super Arbeit geleistet hat. Da spreche ich jetzt für alle, wir sind so zufrieden. Mit dem Steffen ist es optimal, das Beste, wirklich!

J: Das können wir nicht so sagen, da wir das andere nicht kennen, aber…

S: O.K., aber im Moment ist es wirklich das Non-Plus-Ultra.

J: Die nächste Platte kommt auch wieder auf Navigator raus. Wir gehen im November wieder nach NY und nehmen diesmal dort die ganze Platte auf.

Was macht ihr eigentlich beruflich?

J: Ich bin Einzelhandelskaufmann. Pfeut ist Student.

T: Ich bin Azubi.

S: Ich gehe noch in die Schule, wir haben Glück, daß gerade Osterferien sind. Ich bin übrigens der Emo-Lappen.

J: Er entschuldigt sich immer auf der Bühne: (äfft nach) „Oh, ich bin ausgerutscht, das ist aber ungeschickt von mir, sorry Leute!“ (S. will was sagen, aber Jochen ins Mikro)

J: Es stimmt, es stimmt!!

Anscheinend hat S. mal auf der Bühne irgendwas von Haß gesagt…

S: Das habe ich nie gesagt, nie!!

P: Manchmal.

S: Ich bin mehr Haß als ihr alle zusammen (lautes Gelächter der gesamten Band)

P: Viel zu wenig Jahre für Haß, Mann.

S: Der Rest von euch meint immer Haß ist alles, aber das meine ich nicht. (lacht)

J: Haß und Unity ist alles.

S. Unity ist Scheiße. Wir sind schon irgendwie Unity, sonst könnten wir nicht zusammensitzen.

Was fühlt ihr, wenn ihr auf der Bühne steht?

Alle: Haß, pure Aggression.

P: Wenn ich merke, daß das Set so aufgebaut ist, das ich nicht darauf spielen kann, so wie heute, dann fühle ich so einen Haß…

Wie lange spielt ihr so gewöhnlich?

J: 0,5-0,75 Stunden.

Das ist jetzt eure erste Platte, oder?

J: Ja, also heute gibt es ja eine Live-Doppel-Split-Single ??? und Strain, jede Band bekommt eine Seite.

Irgendeine letzte Message?

P: Die ganze Scheiße mit 2 Parteien ist die größte Kacke, die es überhaupt gibt. Nur das sollte man eigentlich sagen, bis sich was ändert.

J: Es fördert ganz einfach die Szene nicht!

P: Es fördert nicht, es hemmt, und zwar auf Kosten des Egoismus von den einzelnen Personen.

J: Das war ein gutes Schlußwort.

Amen.

Interview: Christoph Lottes


Links (2015):
Radical Development auf Discogs

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