Mai 8th, 2019

Print vs. Internet: HC-Punk-Fanzines vs. HC-Punk-Message-Boards Teil I (#131, 2008) und Teil II (#132)

Posted in interview by Jan

Print vs. Internet: HC-Punk-Fanzines vs. HC-Punk-Message-Boards – Ergänzung zweier Medien oder Verdrängung print durch online?
Im Dialog mit Helge vom Plastic Bomb Zine, Carsten vom Three Chords Fanzine, Flint und Phil vom Poisonfree-Message-Board bzw. Geb und Bernd vom Mafia-Forum Message Board

Ich weiß es noch genau, Frühjahr 2001, ich war Werksstudent bei einer mittelgroßen Chemie-Firma in Leverkusen und musste da irgendwelche Marketingreports erstellen. Auf jeden Fall, irgendwann schaltet sich der PC aus, ich rufe panisch die Service-Hotline an, die mich erst mal beruhigt: “Jetzt erstmal ganz ruhig bleiben, was genau steht denn jetzt auf Ihrem Bildschirm?” Und ich antwortete (in dem festen Glauben, ich hätte jetzt ganz Bayer Leverkusen lahm gelegt): “Auf dem Bildschirm? Äh äh, ja, also, gelbe Zettel, viele Kugelschreiber, eine Pflanze und…” JAAAAAAAAAAAAAAAAAA!!!!!!!!!!! 100 Punkte! Äh, da ich war ich 23, DANKE!

Mit diesem “Internet” wurde ich vorher schon mal bekannt gemacht. Es muss 1998 gewesen sein, in einem Cafe in Köln standen so Computer rum und ein Kumpel erklärte mir dort das Internet: “Tja, also, da oben in dieser Leiste tippst du dann in Zukunft ganz einfach Adressen ein, da gibt’s auch super viele Infos über Punk / HC im Netz, z.B., wenn du www.xxx.com eintippst, dann gibt es da eine RIESIGE Sammlung über Straight Edge Bands.” Gesagt, getan, und natürlich musste es so kommen, dass ich gerade auf dem PC-Bildschirm, der am meisten einsehbar war von den Cafe-Besuchern, sich dann eine riesige, na ja, sportliche Seite aufbaute. Ok, die gleiche E-Mail Adresse, seitdem mir das ein Freund 1999 eingerichtet hatte, kein Handy, noch nie eine SMS verschickt, vielleicht 10x in meinem Leben myspace-Songs angehört, und ich komme jetzt hier an mit einem Special zu Print vs. Online? Rischtisch!

Worum es geht, deutet die Überschrift schon an: einerseits stellt man fest, dass die Anzahl an blogs, Foren, Boards, myspace extrem wächst. Andererseits sinkt seit Jahren die Anzahl der Print-Zines. Das eine wegen dem anderem? Alle haben schon mal den Begriff Board oder Forum gehört oder, dat is halt so nen Ding online, wo man sich anmelden muss und dann kann man unter Pseudoynm (oder auch nicht) mit “tollen Leuten aus deiner Nachbarschaft” und bundesweit reden und die eventuell treffen, na ja, ihr wisst Bescheid. Also, was bieten denn Foren? Was kann ein Fanzine besser? Das hier interviewte Poisonfree-Board ist ja eine ganz interessante Mischform aus einem Online-Zine und einem Board, sprich es gibt Reviews, Interviews, Berichte, z.B. einen Hamburger Szene Guide, eine Redaktion und einen sehr großen Forenchatbereich. Vielleicht sieht so die Zukunft aus?

Auf reine Online-Zines habe ich komplett verzichtet. Es gibt ein paar okaye Online-Zines, das Wasteofmind gefällt mir ganz gut, aber irgendwie fand ich den Bereich „online zine“ schon abgedeckt durch das Poisonfree.

Die Auswahl der Gesprächspartner war also nicht zufällig. Mit Helge vom Plastic Bomb aus dem Ruhrpott wollte ich einen absoluten Old Schooler dabei haben, der noch die HC-Scene als Pionier Anfang der 80iger Jahre völlig ohne Internet kennt. Dann mit Carsten Herder vom straightesten aheadesten Zine derzeit, dem Three Chords Fanzine aus Münster, einen Printheft-Aktivist, für den das Internet halt auch neu, aber nicht soo neu war. Für die online-Seite gab es eigentlich nur zwei Möglichkeiten, zum einen natürlich das allererste Online-Magazin, inwzischen zum Message-Board ausgebaut, dass ich je gesehen habe, das Poisonfree-Forum aus Dortmund.

Flint und Phil haben freundlicherweise geantwortet und Glückwunsch für 10 Jahren Poisonfree in 2008. Zum anderen dasjenige Messageboard, in dem ich auch selber aktiv bin, das Mafia-Forum aus Mannheim / Ludwigshafen. Geb, Guitarreo bei der wunderbaren Black Shape of Nexus, beantworte zusammen mit mighty Bernd Bohrmann (u.a. früher konkret Stack-Sänger) einige individuelle Fragen am Ende.

Es ist lang geworden, das Special und interessant, deshalb nur noch kurz was zum Aufbau: es kommen erst allgemeine Fragen und die Antworten erscheinen in folgender Reihenfolge: Helge vom Plastic Bomb Zine, Carsten vom Three Chords Fanzine, Flint und Phil vom Poisonfree-Message-Board, Geb vom Mafi-Forum Message Board.

Dann kommen 4 Blöcke individueller Fragen und die Reihenfolge der Antwortenblöcke ist die gleiche (Helge vom Plastic Bomb Zine, Carsten vom Three Chords Fanzine, Flint und Phil vom Poisonfree-Message-Board) plus Geb und Bernd vom Mafia-Forum Message Board. Have fun!

***

Willkommen! Ich würde zu Anfang gerne von euch wissen, warum ihr euch eigentlich den ganzen Quatsch mit aktiv-sein in der Punk-HC-Szene noch antut – kostet doch alles nur Zeit, Nerven, Stress und Geld, warum seid ihr noch “dabei“ als Fanzine-Schreiber oder Administratoren auf einem Message-Board? Warum kein Rückzug ins Privatleben, schön Frau oder Mann, Kinder, Job, Arschlecken?

Helge: Weil ich nicht anders kann. Irgendjemand muss ja was tun, denn ansonsten wird es nur eine Szenen-Wüste ohne Aktivitäten geben. Gar nichts mehr zu tun, das wäre mir einfach zu langweilig. Ich kann mich aber daran erinnern, das ich so mit ca. 35 Jahren mal in einem meiner damaligen Kolumnen im PLASTIC BOMB geschrieben hatte, das ich mit 40 Jahren aufhören wollte. Um Platz für die Jugend zu machen…aber das war reiner Selbstbetrug. Mit meinen fast 43 Jahren fühle ich mich heute auch nicht anders als wie damals mit 35 oder 25 Jahren. Vom Kopf her habe ich das vollkommen gleiche Gefühl wie immer. In den Jugendjahren entwickelt man seinen Charakter, und wenn man älter wird, dann ändert man sich kaum noch. Diese ganze Punk Rock Geschichte ist aus meiner persönlichen Sicht eine normale Entwicklung gewesen, wo sich für mich in den letzten 28 Jahren jede Menge Kontakte ergeben haben. Und diese Kontakte kann ich nicht einfach abbrechen, nur weil ich jetzt was älter geworden bin.

Carsten: Da muss ich erst mal widersprechen. Zeit kostet das Ganze natürlich, aber andererseits habe ich auch gerne eine Art von positivem, also quasi selbstgewähltem, Stress. Wird zwar manchmal alles ein bisschen viel, da ich nebenher auch noch ganz gut beschäftigt bin, aber ansonsten wäre mein Leben, glaube ich, einfach viel zu öde. Nerven hats mich noch nie gekostet, da meine mittlerweile aus Stahlseilen sind und stressen lasse ich mich sowieso höchst selten – mir kommt immer zugute, dass ich ein mehr als ausgeklügeltes inneres Zeitmanagement in mir stecken habe, dass mir die Phasen der Belastbarkeit ordentlichst einteilt. Geld kostet mich der ganze Kram, zum Glück, auch nicht mehr, wobei ich früher durch das Verkaufen von Fanzines wenigstens immer noch genug Biergeld in der Tasche hatte und die Vorfinanzierung der Fanzines quasi eine Art Bierkredit war, falls man das so ausdrücken kann.

Mein Rückzug ins Private ist sowieso schon so geworden, dass ich mich vor 10 Jahren als schlimmstes Spießerschwein beschimpft hätte, aber das ist halt schon OK so. Ich kann jetzt auch nicht groß sagen, dass ich jetzt mit irgendeiner Szene groß verbunden sei und da einen zu erfüllenden Auftrag drin sehen würde, an einem Fanzine mitzuschreiben. Ich sag mal ganz blöd: zum Einen ist es Pflichterfüllung (wenn ich bei etwas zusage, dann mache ich das auch), zum Anderen natürlich auch ein Stück weit Gewöhnung, da ich das ganze Zeug nun schon seit über 15 Jahre mehr oder weniger mache. Aber nun gut ich will ehrlich sein: es ist ein bißchen auch der Drang nach Selbstdarstellung, v.a. aber auch einfach die pure Lust am Schreiben, das eigene Lachen darüber, Texte zu verfassen und die Freude, dass sich jemand darüber ärgern könnte.

Flint: Nach über 10 Jahren mit poisonfree.com und seinen spin off’s wie Label, Distro, Festivals und etlichen shows gibt es keinen „Rückzug ins Privatleben“; PXF ist schon immer Teil des Privatlebens gewesen. Das ganze ist schließlich keine Firma mit finanziellem Gewinn als Ziel, ansonsten hätten wir die Kiste schon mind. 10x einstampfen müssen. Uns wird immer noch regelmäßig unterstellt, wir würden damit Geld verdienen, dem ist (leider) nie so gewesen. Ich habe die Seite aus Langeweile gestartet, als ich am Arsch der Welt studieren, und den Kontakt zu Gleichgesinnten nicht verlieren wollte. Ich glaube das Teil war zu anfangs auch irgendwie eine Art digitale Nabelschnur zum Ruhrpott und den ganzen Bekloppten hier. Es gab von Anfang an keine Grenze zw. PXF und Privatleben, und das sollte auch so bleiben; z.B. haben später technische Kenntnisse, die ich nur für und durch die Seite erworben hatte, mein Berufsleben bis Heute entscheidend beeinflusst. Nicht zuletzt habe ich durch dieses “Projekt” einige der coolsten Menschen überhaupt kennengelernt. Und natürlich kann man ein Ding dieser Größenordnung schlecht alleine stemmen, da steckt eine kleine Horde von Menschen hinter, insb. Phil, der seit 1999 (?) reviews verfasst, und Daniel von SIRENS, der u.a. beim Label viel mitgewirkt hat.

Phil: Gute Frage. Nie drüber nachgedacht. Okay, ciao, ich bin raus. Nee, im Ernst: Wir haben ja alle mehr oder weniger normale Leben nebenher. Aber Punk und Hardcore ist eben eine Konstante, die es ebenfalls seit 10-15 Jahren gibt. Und die lebt man halt so oder so: Mal nur als Konsument, dann als Admin in einer Community, oder als Labelmacher. Ich fühle mein Privatleben von diesem Hobby nicht negativ beeinflusst, sondern bereichert. Was sicher auch daran liegt, dass wir alle unser Geld woanders, und nicht mit Hardcore verdienen.

Geb: Zum einen ist sicher etwas Nostalgie dabei. Ich erwische mich immer öfter dabei, wie ich kopfschüttelnd vor dem Rechner sitze wenn ich den verkopften Idealismus viele junger Hüpfer sehe. Zum anderen ist es einfach äußerst bequem zu Hause, faul auf seinem Hintern zu sitzen und in einem Messageboard zu moderieren. Im übrigen IST das bisschen „Szene“, dass ich mir noch genehmige mein „Privatleben“…es gehört seit Jahren dazu. Sicher nicht mehr so intensiv wie vor 10 Jahren, aber es gehört dazu. Ich hab mich daran gewöhnt.

Könnt ihr euch noch erinnern, wann das Internet in euer Leben getreten ist? Hat sich euer Nutzerverhalten im Internet seit der Anfangszeit verändert, ist es mehr oder nur anders geworden? Was genau macht ihr im Internet so, emails, Myspace, youtube, xing, studivz, das ganze Programm oder nur youporn, haha?

Helge: Ich kann dir gar nicht sagen, wann genau das Internet in mein Leben getreten ist. Aber ich habe immer schon länger gebraucht, bis ich bereit war moderne neue Techniken zu nutzen, ob das jetzt der CD- oder DVD-Player war, oder gar bestimmte Computertechniken. Gegen ein Handy wehre ich mich immer noch. Mein Nutzerverhalten im Internet hat sich im Vergleich zum Ende letzten Jahrtausends deutlich verändert. Ich kommuniziere viel mehr mit Leuten aus der ganzen Welt, wobei sich das Interessengebiet sehr stark auf Punk Rock und artverwandte Musikrichtungen konzentriert. In den 80er Jahren habe ich das amerikanische Maximum Rocknroll Fanzine verschlungen, vor allem habe ich damals die Adressen im MRR genutzt um weltweit mit Punks in Kontakt zu treten. Mir hat es nie ausgereicht nur deutsche Bands zu hören, denn es gibt weltweit viel mehr gute Bands, die es verdient haben gehört zu werden. Ich bin aber auch kein Exoten-Jäger, der unbedingt eine Punk Band aus z.B. Afrika oder Usbekistan „entdecken“ muß. Punk Rock spielt sich sehr stark in der westlichen Hemisphäre als auch in Teilen von Asien ab, und das reicht mir.

Vor allem für das PLASTIC BOMB als auch für mein Buch-Projekt „Network of Friends“ recherchiere ich sehr stark im Internet, d.h. gerade für mein Buchprojekt suche ich stets den Kontakte zu Leuten, die in den 80er Jahren in Punk und Hardcore Bands gespielt haben. Ohne das Internet wäre es sehr schwer gewesen just diese Leute wieder zu finden, wenn sie nicht gerade noch bei aktuell bekannten Bands spielen würden. Da kam dann aber z.B. Myspace ins Spiel, wo ich superviele Kontakte wieder herstellen konnte. Meine Myspace Seite ist dagegen nur reine Spielerei. Es ist doch scheiß-egal, wieviele Freunde man hat. Myspace ist einfach zu nutzen, vor allem es ist kostenlos, und als Band kann man absolut simpel seine Musik einstellen und sich superviele neue Bands anhören. Ich mag das, und die „Big Brother Murdoch is watching you“-Stories sind mir ziemlich egal.

Carsten: Klar, das Internet war damals für mich ne richtig geile Sache und das ist es immer noch. Ich kann mir kein Leben mehr ohne vorstellen und verbringe definitiv zuviel Zeit dort. Mein Nutzerverhalten hat sich allerdings seit Beginn kaum verändert. Habe das Netz eigentlich immer nur für Szenesachen, Platten bestellen, Kommunikation und Infos genutzt und so ist es heute noch. Von daher kann ich auch keine große Veränderung feststellen, nur dass man immer mehr Spastis sieht. Habe bei ein paar Sachen einen Account und bringe mich dort (mehr oder weniger) auch ein. Man entdeckt einfach Unmengen an interessanten Sachen und ich glaube auch nicht, dass ich auch nur die Hälfte so viel guter Musik ohne das Internet kennen würde. An Youporn und Co. hatte ich eigentlich noch nie Interesse, ebenso an diesen ganzen Rotten.com und so Geschichten, woran sich typische Volltrottel als erstes auslebten, als dieses Internetding größer wurde.

Flint: Das muss um 1995 herum gewesen sein. Ich war schon zuvor ein Nerd, dank einer Brotkiste namens C64 – damals habe ich schon bei Freunden mit so Kram wie Akustikkopplern gespielt, das waren diese Muscheln in die man den Telefonhörer stecken konnte, um sich dann in „Mailboxen“ einwählen zu können. Nach dem Untergang von BTX war erst mal wieder etwas Ruhe, aber als AOL dann anfing unsere Welt Milliardenfach mit diesen “Freistunden-CDs” zu überziehen, war es um mich geschehen. Mein tolles Wissen rund um Homepages wurde teuer erkauft, in Form teilweise sehr hoher Telefonrechnungen.

Phil: Informationen & Kommunikation & Unterhaltung. In dieser Reihenfolge. Ansonsten eher bieder. Neben pxf besuche ich nur eine weitere Community (für Videospiele), und ich weiss bis heute nicht, was Soulseek ist.

Flint: Emails, Wikipedia, IMDB, Google, Xing, etc. – ich lese auch gerne ausgewählte blogs wie “obsessed with film” oder „43folders“, ansonsten frequentiere ich natürlich unvorstellbare Mengen kostenloser Pornographie. Achja, nicht zu vergessen XBox Live – mein gamertag ist FL1N7.

Geb: Ich glaube ich habe Internet seit Mitte der 90er. Damals noch ein 33k Modem. Es wurde sehr schnell wichtiger Bestandteil. Anfangs weil alles neu war, dann trat immer mehr das kommunizieren mit anderen Menschen in den Vordergrund.

Das Internet startete trotz der militärischen Entstehungsgrundes ja mit großen Hoffnungen, Stichwort “Digitale Demokratie“, “jeder Mensch kommt nun an unabhängige Infos ran“ etc. Dann wurde es recht schnell kommerzialisiert und heute besteht das Internet zu 95 % aus Werbung und Pornos. Kann man das ein wenig mit der Entwicklung der HC-Punk-Szene vergleichen, also, dass aus einer idealistischen Herangehensweise – Welt verändern, Sachen bewegen etc. – nun eine Tattoo-Modenschau mit 0815 Bands, die nur die Kohle abschöpfen wollen, wurde?

Helge: Es ist immer derselbe Prozeß: wenn viele Leute anfangen das Gleiche zu tun, wird es kommerziell genutzt und zieht so unweigerlich Hohlköpfe an, die aus Scheiße Geld machen wollen. Ob das jetzt ein Porno- oder ein Handyvertrag-Anbieter ist, oder ob es sich um einen grell aufgemachten Punk Rock Mailorder dreht. Vielleicht sollte man es so wie beim Sex halten: alles kann, nichts muß! Und musikalische als auch modische Trends werden immer noch im realen Leben gestartet. Dahin gehend hat das Internet auf mich sturen Bock so gut wie keinen Einfluß.

Carsten: Sorry, falls ich mal so was wie “Idealismus” besessen haben sollte, habe ich den schon vor Jahren an der Garderobe von “Europas größter Kegelparty” abgegeben. Ich kümmere mich einfach weiter um die restlichen 5%.

Flint: Ich würde es eher mit der Entwicklung anderer Medien vergleichen. Radio war mal ein revolutionäres Medium, und Amateurfunker waren nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Fernsehen war vor nur 30-40 Jahren noch vergleichsweise radikal. Da haben qualmende Politiker noch Journalisten beleidigt und umgekehrt, oder langhaarige Typen auch mal ein Studio zerlegt. Heute ist Fernsehen ein einziger Klingelton-Werbespot, der von castingshows und per Google recherchierten Informationen unterbrochen wird. Stichwort „digitale Demokratie“ im Internet – die größten Freiheiten nützen nichts, wenn die Menschen nur passiv konsumieren wollen. Andererseits denke ich, daß es eigentlich eine Zeit lang schlimmer war. Als Altavista noch die populärste Suchmaschine war, gab es noch keine oder kaum Filter für Inhalte, d.h. man landete beim Suchen nach Tipps zu Spielen u.U. so oder so auf Pornoseiten, ob man nun wollte oder nicht.

Geb: Es ist alles schneller geworden, die Informationsbeschaffung ist heute viel einfacher als noch vor 15 oder 20 Jahren. Damals musste man sich noch mit Dingen, die einen interessierten, intensiv auseinandersetzen. Heute bekommst du alles auf dem Silbertablett serviert. Da wird etwas sehr schnell zur Fastfoodware und du bist schnell übersättigt und müde. Du bist heute nicht mehr gezwungen dich um Bands, Politik, Musik zu bemühen. Ein paar Klicks im Netz & schon hast du was du willst. Folglich identifizieren sich viele jüngere Leute nicht mehr so sehr mit der Szene. Das kommen & gehen, das vermarkten und hypen … alles wird schneller. Ich glaube ich habe früher mehr Herzblut in eine Sache gesteckt. Bin monatelang einer Platte hinterhergelaufen, hab Briefe geschrieben, Fanzines bestellt und mich mit den entsprechenden Medien sehr lange beschäftigt. Heute bekomme ich neue Platten schon gar nicht mehr mit und wenn ich zufällig über eine stolpere ist sie nach 24 Stunden schon nicht mehr so interessant. – ich finde das bezeichnend.*

Was waren eure ersten Fanzines? Welche Bedeutung hatte das damals für euch? Bei mir war es am Anfang tatsächlich der Grund, zu wissen, wo was abgeht, wo Konzerte stattfinden, deshalb hab ich mir immer zuerst die Giglisten im Plastic Bomb, Various Artists, Trust und den anderen Heften angeschaut… heute aus Nostalgie auch noch, aber hauptsächlich kommt das bei mir aus dem Netz, so untergrund news haben ja viele größere Städte…

Helge: Die ersten Fanzines? Ich kann mich heute nur noch daran erinnern, das ich seit 1983 das MRR regelmäßig gelesen habe. Damals gab es auch schon Fanzines in Deutschland, aber ich kann mich zu verrecken nicht daran erinnern, ob ich bzw. welche ich damals gelesen hatte. Damals gab es ja keine Deutschland-weit verkauften Fanzines wie das TRUST, OX oder PLASTIC BOMB hier in Deutschland, also woher sollte man etwas über die neuen guten Bands erfahren? Die deutschen Fanzines Anfang der 80er Jahre waren eher billig zusammen geklebt und bewegten sich eher auf dem kindlichen Niveau von Schülerzeitungen. Das amerikanische MRR dagegen war aufgemacht wie eine richtige Zeitung und man konnte nachlesen, welche neuen Platten weltweit erschienen waren. Das TRUST war Ende der 80er Jahre SUPERWICHTIG wegen der Konzert- und Tourdaten gewesen. Für Deutschland war das TRUST damals das wichtigste Medium gewesen. Auch heute ist mein Fanzine-Leseverhalten noch sehr ähnlich wie in den 80ern, soll heißen mit kleinen A5er Fanzines komme ich auch heute bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht klar. Ich brauche ein klassisches A4er Fanzine im Stile der drei oben genannten Hefte. Nicht mehr und nicht weniger. Das kann doch nicht so schwer sein.

Carsten: Lange Geschichte…also mein erster Kontakt war tatsächlich über die Metalschiene, ca. 1990 oder so. Ich habe da angefangen, bei Nuclear Blast zu bestellen, die Liste sah damals noch komplett anders aus, quasi wie ein mies kopiertes A5 Fanzine. Aus reinem Interesse haben ich und ein Kumpel dann auch dort “Fanzines” bestellt – wir wussten nicht wirklich, was das war, aber die Dinger waren halt billig. Es kam dann auch ein Teil an namens “Thantos” und das war wirklich unglaublich mies. Wir kannten ja vorher nur das Rock Hard und dieses Ding war wirklich der letzte Schrott. Wir entschieden also das zu tun, was wir auch Band mäßig nach dem Genuss der damaligen Grind- / Noisecore Bands taten (in Form einer Band, gegen die BGT noch Progressive Rock waren) und sagten uns “Was die können, können wir auch”. Wir fingen dann an, zu planen und Kontakt zu Labels zu suchen, wobei ich nicht wissen will, wie das klang, haben wir alles telefonisch gemacht und ich war noch nicht mal im Stimmbruch, haha. Ein Kumpel von uns hatte einen Amiga Computer mit Drucker (Nadeldrucker!) und dann lief das “Kult” (so der Titel) halt an.

Erste Ausgabe noch ziemlich mies und dilletantisch, zweite war schon OK, die dritte dann schon wirklich recht professionell und die finde ich auch heute noch richtig gut – so mit Morgoth Tourstory, langem Protector Interview, Farbcover, etc. Naja, dann war der Saft aber auch etwas raus und auch die Death Metal Szene wurde mieser und wir lernten auch nen paar Punker in unserer Heimatstadt kennen. In der Zwischenzeit hatte ich dann (auch bei Nuclear Blast bestellt) ein “Think” vom Karl Heinz Stille und so Sachen wie das “Amok”, “Speedshit”, “Wishmopper” oder “Pseudo Pope” gelesen und das war direkt ne ganz andere Welt – guter, sehr lustiger Schreibstil, Musik war zwar wichtig, aber nie das alleinbeherrschende Thema, eben halt ganz anders als dieser biedere Rock Hard Journalismus, der in erster Linie ja so spießig Wein-Weib und Gesang mäßig war und ist. Habe dann auch noch mehrere Punk Fanzines, wie das Scumfuck oder die ersten Ausgaben des Plastic Bombs (damals auch noch herrlich unverkrampft) gelesen und das hat dann nochmals gekickt.

Statt irgendwie seriös wirken zu wollen, wurde einfach frei Schnauze gegen alles geschossen und das imponierte mir schwer. Wenn im Metalzines eben alles wie angezogene Handbremse wirkte, also nach dem Motto: “Wir sind zwar wild drauf, aber sind doch ganz normale Leute, die gerne laute Musik hören”, klang das in den ganzen Punkzines halt wesentlich destruktiver, aber gleichzeitig halt auch viel lustiger und nicht darum bemüht, im öffentlichen Fokus “verstanden” zu wirken. Zwischendurch waren dann ja noch diese Nazianschläge in Rostock, etc und zur gleichen Zeit bekamen ja auch die Onkelz ihren Persilschein vom Rock Hard, da war für mich der Ofen endgültig aus, was solche Art von Metal angeht. Aufgrund der Erfahrung, dass man eben durchs Fanzine Machen schnell in Kontakt mit Leuten aus der Szene kommt, habe ich dann mit 19 mein erstes Punk Fanzine, den “Krachturm”, gemacht.

Davon gabs drei Ausgaben, die bei einigen Spießern nicht so pralle ankam, aber dafür von den Leuten, deren Verständnis von Punk nicht am Schrebergartenzaun endete, auch abgefeiert wurde. Ich habe zum damaligen Zeitpunkt (1994 – ca. 1999) Fanzines massenweise verschlungen. Infos, Reviews (bin nach wie vor auch jemand, der Platten “blind” nach Review kauft und bin damit seltenst auf die Fresse gefallen), Konzertdaten, Reiseberichte, Politik, etc – die Dinger waren für mich die perfekte Unterhaltung und ihre Bedeutung für die Szene war, meiner Meinung nach, immens. Es gab ja sonst relativ wenig Infos über Konzerte in AZs oder so, also guckte ich immer im Zap, Plastic Bomb, etc nach Konzertdaten, auf den Konzerten gabs dann wieder Flyer, und so weiter.

Dann kam das Internet und viele Sachen wurden einfach überflüssig, Fanzines wurden für mich zusehends unwichtiger, was auch einfach daran lag, dass es nach dem absoluten Boom der 90er einfach nicht mehr so viele gab und auch einfach zuwenig (fähige) Leute nachkamen. Meine schreiberischen Tätigkeiten, abseits von 2-3 Sachen fürs Plastic Bomb, konzentrierten sich danach eigentlich nur noch aufs Platten reviewen für den Green Hell Katalog, was ich seit sieben Jahren immer noch nebenher mache. Na ja, mit dem Three Chords gings dann wieder, was die Fanzine Szene angeht, bergauf. Sowohl für mich persönlich, weil ich auch endlich wieder richtig Bock bekam, mal wieder was zu schreiben, was über das Platten reviewen hinaus geht, da dort die Grenzen ja doch recht eng gesteckt sind.

Nach den ersten Ausgaben des Three Chords hatte ich zumindest den Eindruck, dass sich Leute dadurch auch wieder inspiriert fühlten, wieder Fanzines zu starten, zumindest ist das mein rein subjektiver Eindruck.

Flint: Ox (die mir meine Warzone in den „Giftschrank“ stellen wollten), Zap (wo ist der kleine wütende Mann eigentlich abgeblieben?), das Skin Up (welches mir damals manchmal fast wie der Katalog einer engl. Bekleidungsmarke daherkam), … eigentlich alles queerbeet und wirklich sehr gerne. Es gab auch ein paar kleinere lokale Zines wie z.B. das eher experimentelle „Deep Breath“, oder das „Repel“, in dem das korrekte Tragen von Faustfeuerwaffen anschaulich illustriert wurde. Ich denke der Hauptgrund für den Start eigener Aktivitäten war die Unzufriedenheit mit dem was es zu dieser Zeit bereits gab. Ein paar Monate später erschien das „Incorrect Thoughts“, welches ich mit meinem damaligen Freund Sebastian zusammengeschustert hatte. Aus dem Titel des Zines ging meine erste Domain incorrect.net hervor (1997 war ich mit meiner Seite noch bei members.aol.com), daraus wurde wiederum im Mai 98 poisonfree.com.

Phil: Ich kam kurze Zeit später dazu. Vorher war ich klassischer Fanzine-Kunde, mit Ox und Zap und Against the Stream und Maximum RnR und Anti Matter. Ich habe noch 5 Kisten Fanzines aus den 90ern im Keller. Die sind auch heute noch zu lesen… Allerdings hat das Netz dort schon einiges abgelöst, wie auch in anderen Interessensgebieten (Videospiele, Filme).

Geb: Jep, genau …schließlich waren die Zines die einzige Möglichkeit, Infos gebündelt zu bekommen. Die ersten Zines waren für mich Zap, Trust, Ox und ab und an mal das Maximum Rock`n Roll.

Was denkt ihr über Fanzines und den Zusammenhang mit dem Internet? Sind das zwei sich ergänzende Medien, oder findet da auf lange Sicht ein Verdrängungswettbewerb statt? Ich las mal über die Entstehung des leider eingegangenen Punk Planet Zine, dass die Idee dazu in einem Chatraum von AOL entstand… heute wird ja im Internet so viel gechattet, da müsste es ja Unmengen von Print-Heften geben, aber es scheint, dass Printhefte abnehmen, und Kommunikation, Szenestreits über rechte, religiöse etc. Bands im HC-Punk nicht mehr über die Leserbriefseiten von Zines ausgetragen werden, sondern fast nur noch auf Messageboards?

Helge: Hmm…schwierig zu beantworten. In der Zukunft wird es wohl vermehrt in die Richtung Nutzung von Online-zines gehen. Im Augenblick ist es noch eindeutig so, das die Leute zu 80% das Lesen von bedrucktem Papier bevorzugen, ob das jetzt Tageszeitungen, Musik-Mags oder Bücher sind. Einen Computer kannst du z.Zt. noch schlecht mit im Haus oder draußen herum schleppen, auch wenn die Handytechnik heute schon mehr möglich macht. Aber ein A4 Musik-Mag ist etwas Reales in den Händen, es ist greifbar und man ggfs. das Heft zusammen rollen und seinem Gegenüber eins auf den Kopf damit geben. Auf lange Sicht wird das virtuelle Infotainment über das Internet wichtiger werden. Die Leute, die heute oder in Zukunft aufwachsen, werden mit dem Medium schon wieder anders umgehen als wir heutzutage.

Das die Zahl der Printhefte abnimmt, hat aber wohl damit zu tun, das der Trend mehr zum konsumieren als zum selber-machen geht. Es ist etwas anders, ob man ein Fanzine / Magazin oder auch ein Online-zine selbst macht, oder ob man gerade mal die Kraft aufbringt um auf einem Messageboard etwas zu schreiben. Meine ehrliche Meinung ist, das ich Message-Boards nicht leiden kann, denn zu einem sind die Beiträge in der Regel weniger als 5 Zeilen lang, oder es wird ein Stuss verbreitet wo ich mich oft genug gefragt habe ob die Leute nicht deutlich unter Realitätsverlust leiden, denn mit dem normalen Leben hat das leider zu oft kaum noch etwas zu tun.

Carsten: Manchmal kommt es mir auch so vor, als wenn “Szeneentwicklungen” im Zeitraffer vonstatten gehen. Früher wurden ja diverse Streitigkeiten über Wochen oder Monate (je nach Erscheinungsdauer) in den einschlägigen Leserbriefseiten diskutiert, jetzt passiert so was ja täglich und das auch noch auf `zig Foren. Das hat natürlich den Vorteil, dass sich so was nicht wie Kaugummi hinzieht und man auch eine Vielzahl an Meinungen lesen kann. Die Leserbriefseiten zeigten ja auch immer nur einen Ausschnitt der Diskussion oder es wurde einfach durch Nichtabdrucken auch zensiert. Leider ist es aber auch so, dass nun jeder Trottel seinen Senf dazugeben kann, was zum Einen lästig ist zu lesen und zum Anderen auch zu einer Verwässerung der Themen führt, auch nicht zuletzt dadurch, dass sich kaum noch einer die Mühe macht, längere Kommentare als zwei Sätze zu formulieren, weil einfach das nächste Thema schon “hotter” ist. Andererseits gibt es ja auch kaum noch große Rückmeldungen oder Leserbriefseiten – wofür auch?

Man weiß ja eh, dass man einfach im nächsten Forum nen Thread aufmachen kann und entweder das Thema mit 1543 anderen diskutieren kann oder den Auslöser seiner Rage einfach so diffamieren kann.Im Prinzip finde ich das ja auch nicht schlecht – kann mich noch gut an einen Briefwechsel um etwa 1991 rum erinnern, als ich mit einem Typen, der eine Mischung aus Burzum-Norwegen-Black Metal Fan und Militant-Tierbefreier-Linksradikaler war (sein Fanzine war dann auch eine interessante Mischung aus beidem, haha), über Briefverkehr diskutiert habe über Vikernes Aussagen – schwachsinnig hoch drei natürlich, hat aber trotzdem mehrere Wochen gedauert und führte natürlich zu nichts.

Flint: Zwischen Fanzines im Internet und im print Bereich gibt es ungefähr so viel oder so wenig Verdrängungswettbewerb wie z.B. zw. Vinyl und der CD. Es gibt kein “vs.”, lediglich Weiterentwicklung und Veränderung beim Medium und Geschwindigkeit von Publikationen. Den Rest machen immer noch die gleichen Menschen, und das Wichtigste sind und bleiben Inhalte, egal ob schwarz auf weiß gedruckt oder HTML. Sicherlich nimmt die Qualität einer hitzigen Diskussion manchmal schneller ab, wenn man nur kurz tippen und „reply“ klicken muss, anstatt etwas erst mühsam zu setzen, in Druck zu geben und über Monate hinweg über Kolumnen in gedruckten Zines auszutauschen, aber mit der neuen Qualität (der Geschwindigkeit) und der Quantität findet sich neben allerhand Müll auch sehr viel mit Herz. In über 2 Millionen postings aus über 10 Jahren steckt jede Menge Stoff für unzählige Ego-Zines, die vielleicht auch damals nie erschienen wären.

Geb: Ich glaube früher oder später werden die guten alten gedruckten Fanzines ein klägliches Nischendasein fristen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass sich im Internet ein ähnliches Format mit gebündelten Infos wie Interviews, Konzerttermine und vor allem Diskussionen etablieren wird. Hat sicher seine Vorteile, nur was lese ich dann beim kacken auf dem Klo?*

Stichwort Vor- und Nachteile von Print / Internet: Was kann ein Heft besser leisten, was kann ein Messageboard? Könnte man sagen, dass für schnelle Infos, also Konzerte, neue Bands abchecken, Leute kennen lernen, die Boards besser sind, aber für tiefergehende Interviews etc doch print-Hefte besser sind? Klar, E-Mail ist super, man kann viel schneller mit Menschen aus der ganzen Welt kommunizieren, statt wie früher ewig auf Briefe aus den USA zu warten oder teuer dorthin zu telefonieren, aber mir kommt es so vor, dass die meisten Leute sich 1042 Profile anlegen, auf myspace und wat weiß ich, diese aber kaum pflegen und wieder einschlafen lassen… dann hätten sie es doch gleich machen können und haben es wahrscheinlich nur gemacht, weil es gerade cool ist?

Helge: Der Vorteil an Print-Fanzines / Magazine liegt eindeutig darain, das man seine Aufmerksamkeit ganz auf das Geschriebene legen kann. Man setzt sich hin und nimmt sich die Zeit für etwas, was einen persönlich sehr interessiert. Im Internet wechselt man aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten einfach zu schnell zu anderen Inhalten über. Und wie du schon sagtest sind die abgedruckten Interviews oftmals länger und intensiver als im Internet. Auf der anderen Seite habe ich auch schon eine Reihe von sehr guten Interviews im Internet gefunden. Ich denke mir, das die Macher von Fanzines / Mags als auch von Online-zines jeder für sich sagen werden, das ihr jeweiliges Medium besser ist. Ich sehe es als normalen Zustand an, das es beide Formate gibt. Ich selbst greife ja auch sehr viel auf das Internet zurück, um für das PLASTIC BOMB oder mein Buch Projekt über den Hardcore in Europa in den 80er Jahren zu recherchieren.

Hmm… was wichtig ist, wenn man eine Homepage im Internet macht, egal ob auf Myspace oder woanders, dann sollte man seine Seite auf jeden Fall pflegen. Wenn es eine Homepage einer alten Band ist, die es z.B. von 1982 bis 1987 gab, dann gibt es nicht viel daran zu pflegen, wenn man alles eingestellt hat, was an der Band interessant wäre. Aber bei aktuellen Bands sollte man sich Mühe geben. Denn unsere Gesellschaft funktioniert seit jeher so: der Käufer (oder User des Internets) entscheidet. Ist eine Homepage Scheiße gemacht oder es erfolgen keine Updates, dann wird die Seite ignoriert.

Carsten: Der große Vorteile von Printsachen ist meiner Meinung nach ganz klar zum einen der Komfort (man kann’s halt überall hin mitnehmen und sich’s gemütlich machen beim Lesen), zum anderen auch das Aussehen. Webseiten sehen fast immer Scheiße aus, nerven mit irgendwelchem Gedöns und sind eigentlich nur für die schnelle und kurze Informationsaufnahme zu gebrauchen. Ich glaube, die Anzahl der im Internet gelesenen Interviews kann ich an einer Hand abzählen. Finds einfach zu steril zum Lesen und zu unbequem. Jeder bebrillte Gymnasiast kann in 10 Minuten sein eigenes Fanzine zusammenbasteln und per Copy-And-Paste E-Mail Interviews in die Welt setzen. Klar, werden diese Weichköppe jetzt sagen, ist doch voll der Punkgedanke, dass jeder was machen kann.

Wenn der Gedanke allerdings in die Richtung geht, dass plötzlich nur noch Schreibtischhengste Programme ohne jede Kreativität bedienen, von deren Ergebnis der Leser Augenkrebs bekommt, ist das auf jeden Fall ad absurdum geführt. Genauso wie plötzlich jedes 1000 MP3 besitzende Arschloch auf Szenehengst macht, nur weil er sich innerhalb von einem Jahr mehr Alben runtergeladen hat als der zahnlose Altpunk vorm Karstadt in 20 Jahren kaufen konnte. Die Aktualität und Lebendigkeit des Internets ist aber natürlich andererseits nicht zu überbieten. Schnelle News, interessante Links zu neuen Bands, etc – das ist schon prima und will ich auch nicht missen.

Allerdings hole ich mir so was auch immer in Foren ab, wie gesagt, Webzines finde ich saumäßig uninteressant und frage mich auch, wer so was braucht. Ich mein, ich bin doch nicht so blöd und mache mir die Mühe, in einem Webzine mir ein Review über eine Band durchzulesen, wenn ich mir doch einfach zwei Klicks weiter bei Myspace die Musik selber anhören kann. Das konterkariert das Ganze etwas.

Flint: Ich sehe nicht, warum ein Print-Zine eher tiefgehende Interviews als irgendein anderes Medium produzieren könnte, da gibt es genug Klolektüren, die eher das Gegenteil beweisen. Wo ich im Bezug auf Interviews heutzutage manchmal eher einen Rückschritt sehen würde, ist der Wandel von Diktiergeräten zu Email, und das betrifft dann wieder beide Medien. Auch hier liegen die Vorteile auf der Hand: Man macht Interviews mit Leuten, die man vielleicht nie treffen wird, man muss nichts abtippen. Nachteil: Es fehlt ein Gesprächsfluss, man hangelt sich abgehackt von Frage zu Frage. Bei persönlichen Interviews kommt man einfach auf so viel lustigen und interessanten Scheiß, der per Email selten Gesprächsthema würde.

Was ich im Übrigen Fanzine-Machern sehr ans Herz legen möchte, ist kollaboratives Schreiben. z.B. bei „Google Docs“ ein Dokument mit Fragen anlegen, die Band dazu einladen, und dann gemeinsam dran rumschrauben. Der größte Vorteil von Fanzines ist immer noch die Haptik, man hat ein liebevoll gestaltetes Produkt, welches man anfassen kann. Egal wie viele Webseiten man macht, und wie kompliziert die Technik dahinter ist, man kann Fehler immer ausbügeln. Bei Fanzines ist mit Drucklegung Schluss, deswegen arbeitet man anders, und das spürt man auch. Klar kann man ein iPhone mit aufs Klo nehmen, aber beim kacken lese ich z.B. lieber die GEE, egal wie gut ign.com je werden wird.

Hier sind wir wieder beim Vergleich Vinyl vs. CD. Stelle eine gut gestaltete 12″ neben den schönsten Digipack, da verliert man allein aufgrund der Gestaltungsfläche. Trotzdem scheiße ich auf beides, weil ich ein latest feature freak bin und der mp3 player vom Nutzen her alle in die Tasche steckt. 😉 Ich denke der größte Nachteil am Internet ist das Ausgabegerät. Man muss die Informationen mit den gleichen klobigen Geräten lesen, mit denen sie erstellt werden. Man stelle sich vor, man bräuchte zum lesen einer Zeitung eine Druckpresse. Ich glaube sobald „digitales Papier“ weit genug entwickelt ist und es Stromsparende, faltbare Displays für den Massenmarkt gibt, sieht die Geschichte schon wieder ganz anders aus.

Geb: Größter Vorteil von den Printzines ist sicher ihre Handlichkeit. Kann es immer und überall dabei haben und darin lesen. Allerdings ist es nur bedingt aktuell. Da erstrecken sich entstehende Diskussionen über lange Zeiträume und ich frage mich, wie groß heute noch die Bereitschaft ist, so viel Geduld und Sitzfleisch aufzubringen. Vermutlich sind Printmedien einfach zu langsam für unsere Zeit. In einer Webpräsenz kannste einfach viele verschiedene Medien unterbringen. Videos, mp3s, Bilder und natürlich gedrucktes etc. – ich glaube aber, dass sich das Problem bei ALLEN Printmedien stellt. Die großen Tageszeitungen verringern ihre Auflagen, weichen mehr und mehr auf die Internetausgaben aus. Du abonnierst Newsletter, lädst Podcasts und das ganze Gedöns. Ich sehe das mit einem lachenden und einem nostalgisch weinenden Auge.

Im Internet kann jeder sich verstellen, andere User anpöbeln, einen auf dicke Hose machen und anderen ihm unbekannten Leuten Sachen an den Kopf werfen, die er / sie sich im echten Leben nie trauen würde – ist das Internet also nur ein großer Selbstdarstellungswettbewerb oder kann da eine echte fortschrittliche Kommunikation stattfinden?

Helge: Das Internet ist das größtmögliche Format für Selbstdarstellung. Man kann seine Launen ausleben, positiv wie negativ, wie man will, ohne das man Angst haben muß persönlich für den Mist, den man verzapft hat, gerade stehen zu müssen. Aber es gibt ja zum Glück eine Mehrheit von normalen Leuten, die „pfleglich“ mit der Kommunikation untereinander im Internet umgehen. Es ist nur ein kleiner Prozentteil von Usern, die sich so verhalten wie du es in deiner Frage beschrieben hast. Wenn man die normale Kommunikation im richtigen Leben gelernt hat, dann setzt man das auch im Internet als User um. Und Leute, die ihre persönlichen Defizite nicht aufgearbeitet haben, nutzen eben auf der anderen Seite das Internet als Ventil.

Carsten: Hm, also ehrlich gesagt habe ich bislang keine Leute im Web kennen gelernt, die groß anders sind als sie sich darstellen. Liegt aber auch evtl. daran, dass ich relativ wenig Interesse habe, oben beschriebene Leute kennen zu lernen und ich wenig junge Leute kennen lerne übers Internet, sondern eben eher die in jeder Hinsicht reiferen. Klar bekommt man solche Vögel auch mit, aber die liefen und laufen auch auf Konzerten und Co. genug rum – eben Leute, die fast als lebende Liftfasssäulen rumlaufen, alle sechs Monate eine Komplettrenovierung von Aussehen oder “Image” betreiben oder zwei Jahre lang als ach so toller Szenemacker auf dicke Hose machen bis das Studium beginnt und dir die Welt erklären wollen, nichts ahnend, dass die ganzen Bands, von denen man die tollen Vinyleditions hat nach Ablauf der zwei Jahre genau noch 278 Horste weltweit interessieren. Ein gutes altes Emsdettener Motto verheißt “Verhalt’ Dich ruhig, passiert Dir nix” – hab mich immer dran gehalten, ist bislang auch immer von Erfolg gekrönt gewesen, haha.

Flint: Ich muss gestehen, dass ich damals auch ohne Internet schon Leute per Printzine beleidigt habe. Heute geht es viel schneller – Hurra Computer!

Phil: Wie Flint schon sagte haben wir uns, und viele andere Freunde in aller Welt, über das Internet kennen gelernt. Insofern scheint das mit der Kommunikation sehr wohl zu funktionieren. Klar begegnet man hier auch mehr Oberflächlichkeit und Selbstdarstellern, aber das ist halt die übliche Kehrseite, die man wenigstens mittlerweile recht gut bewerten kann.

Geb: Ein großer Vorteil des Internets ist die Tatsache, dass es darauf ankommt was du daraus machst. Einerseits kannste es als Selbstdarstellungsplattform missbrauchen, deinen Fetisch ausleben oder halbwegs ernsthaft und sinnvoll damit umgehen. Alles hat zwei Seiten und du hast im Internet fast alle Freiheiten, etwas daraus zu machen.

Thema Datenschutz: was heute die Leute in Foren / im Internet von sich preisgeben, das konnte man sich in den 80igern bei der Volkszählungsdebatte noch gar nicht vorstellen… sicher, man muss schon etwas von sich preisgeben, sonst läuft keine Kommunikation, aber… wie geht ihr damit um?

Helge: Der Datenschutz ist ein schwieriges Thema. Beim Plastic Bomb geben wir nur soviel Preis von einander, wie wir es auch wirklich wollen. Das heißt jeder kann selbst entscheiden, was er über sich veröffentlicht. Jetzt auch auf unsere Homepage bezogen. Das Thema ist daher schwierig zu beantworten, da man nicht abschätzen kann, wie viele Informationen über uns von anderen Stellen (staatlich oder von Firmen, die mit Internetdaten arbeiten) gezogen werden. Wie sieht mein Nutzerverhalten im Internet aus, wo liegen meine Vorlieben, was ist mit vertraulichen Infos auf mein Leben bezogen? Das sind die Aspekte, die für mich in Bezug auf den Datenschutz auch heute noch wichtig sind. Ansonsten entscheide in Bezug auf die Szene oder persönliche Kontakte, wie viel ich über mich selbst Preis gebe.

Carsten: Muss sagen, dass ich da schon manchmal ein wenig schlechtes Gewissen habe, wie ich mit solchen Sachen umgehe. Bin da eigentlich recht sorgenfrei (positiv formuliert) und kriege dann doch manchmal nen guten Schrecken, wenn mein Google Mailaccount mir Werbung für Black Metal Vinyl anzeigt… da wird mir schon recht schnell bewusst, wie gläsern man doch ist.

Flint: Emailadressen sind bei uns für niemanden außer für Administratoren einsehbar, und niemand ist gezwungen ein Bild von sich einzustellen, von daher besteht schon von Grund auf ein gewisse Privatsphäre, über deren Grad man im Weiteren selbst entscheiden kann. Wir tun zusätzlich was wir für sinnvoll erachten, um unsere user bei der Wahrung ihrer Privatsphäre zu schützen: Suchmaschinen lassen wir momentan genauso wie unregistrierte / nicht eingeloggte Benutzer nur sehr begrenzt mitlesen. Wir haben noch nie Emailadressen herausgegeben. Selbst bei Gewinnspielen geben wir keine Daten weiter, sondern versenden Gewinne auf eigene Kosten. Die Daten die wir selbst haben benutzen wir nur sehr zögerlich; newsletter von uns sind bisher eine Seltenheit.

Wenn trotz aller Vorsichtsmaßnahmen jmd. unbedingt im Internet einen psychologischen und / oder physischen Striptease hinlegen möchte, werden wir ihn so oder so nur schlecht daran hindern können, ansonsten passiert es halt woanders. Zu den Themen Datenschutz und informelle Selbstbestimmung gibt es wesentlich wichtigere und kritischere Bereiche als Foren, die aber kaum jmd. zur Kenntnis zu nehmen scheint. Ein sehr wichtiger Punkt ist die geplante Vorratsdatenspeicherung. Kein Unternehmen der Welt, nicht mal „die Datenkrake“ Google, möchte personenspezifische Daten so genau erfassen wie es das BKA gerne hätte. Ein interessanter link hierzu ist vorratsdatenspeicherung.de

Geb: Ich würde manchmal gerne sensibler damit umgehen, aber ich vergesse es schlicht. Vermutlich weil einem das Medium so vertraut ist und ich noch keine schlechten Erfahrungen damit gemacht habe. Bin mir der Gefahren durchaus bewusst und versuche meinen Rechner auf alle erdenklichen Arten zu schützen. Gelingt aber gerade in der Kommunikation auf einem Messageboard nicht immer. Aber vermutlich sind es viel zu belanglose Daten mit denen eh niemand etwas anfangen will oder kann. Sicher ein Thema über das man sich Gedanken machen sollte. Vor allem in Zeiten, wo es immer mehr auf eine ganzheitliche Überwachung hinausläuft

Wie wird die Zukunft aussehen? Verschwinden Print-Hefte irgendwann ganz, kommunizieren wir nur noch über Boards? War früher alles besser?

Helge: Grundsätzlich war früher alles besser, merk´ dir das endlich, Junge! Damals, als Heinz Schenk noch lebte und zum „Blauen Bock“ moderierte. Aber Spaß beiseite. Für die nächsten Jahre wird es keine großen Änderungen geben. Solange etwas gut aufgemacht ist, ob als Printmedium oder im Internet, wird es Zuspruch geben. Leistung und sich-Mühe-geben wird honoriert – so war es schon immer.

Carsten: Nein, definitiv nicht. Three Chords war ja eines der ersten Fanzines, die wieder eine relativ breite Masse an Leuten angesprochen hat (behaupte ich mal einfach so), ich denke und hoffe eher dass sich die ganzen Webzine Horden bald verpissen, wenn die Leute merken, was die Dinger für ein Quatsch sind. Fanzines sind integraler Bestandteil der Punk und HC Kultur und solange die Leute das begreifen, wird’s die Dinger auch geben. Es kommt eben auch nur drauf an, dass nicht nur die großen Dinger bestehen, die quasi (mehr oder weniger) den Ton angeben und die Leute sattmachen, sondern dass die Leute auch checken, dass etwas weniger verbreitete und professionelle Zines mindestens so geil sind und durch weniger Verpflichtungen auch wesentlich rotziger sind.

Fanzines sind sowohl durch das Layout, als auch durch die ganzen lustigen Kolumnen, Erlebnisberichte und so weiter einfach lebendiger und transportieren die ganze Kreativität der Szene 1000x besser als jedes Webzine. Ich habe großen Respekt vor z.B. Poisonfree.com, die haben sicherlich eine Menge für die Hardcore Szene geleistet. Aber das Einzige, was ich dort in all den Jahren innerhalb des “redaktionellen” Teils gelesen habe, war der eingescannte Artikel aus der Bravo über Straight Edge.Kommunizieren über Boards finde ich super, gerade auch als Schaffender bekommt man ja auch schneller Rücklauf (positiv wie auch konstruktiv-kritisch) über seine Sachen.

Flint: Print Hefte werden genauso wenig komplett verschwinden wie Vinyl, auch wenn Steve Ballmer von Microsoft der Druckindustrie schon mehrfach den Tod vorausgesagt hat. Ich befürchte die Nische wird enger werden; viele Magazine werden sich allein durch Spezialisierung halten können. Aber so viele blogs ich auch lese, und so sehr ich deren unbestreitbare Aktualität zu schätzen gelernt habe, so viel Spaß macht mir auch das Stöbern in den Magazinen einer Bahnhofsbuchhandlung oder einer gut ausgestatteten Tankstelle. Wie schon weiter oben erwähnt, digitales Papier und von jedermann bedienbare Content Management Systeme werden Internet- und Print-Schreiberlinge wieder vereinen.

Phil: Sicher verlieren die Printmags an Bedeutung, das sehe ich wie gesagt am eigenen Konsumverhalten. Aber genauso wie hoffentlich physische Tonträger nie verschwinden werden, wird’s immer noch genug Platz für normale Zeitschriften geben. Im Netz findet man halt auch viel Mist, weil jeder nen Blog oder ein Zine machen kann. Die Qualität im Print ist immer noch weitaus höher, und es ist einfacher die Perlen zu finden, weil es nicht so eine unüberschaubare Masse an Quellen gibt wie im Netz. Spezialisierung und „anders machen“ sind Ansätze, die Print das Überleben sichern werden.

Geb: Na klar war früher alles besser. Haha! Ich sehe Printzines leider als ein Nischenprodukt. Mehr wird da nicht mehr gehen. Diskussionen werden sich künftig vermutlich ausschließlich auf den entsprechenden Messageboards abspielen.

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HC-Punk-Fanzines vs. HC-Punk-Messageboards: Ergänzung oder Verdrängung beider Medien? Teil II

Nachdem im letzten Trust der erste Teil des Specials zu „Print-Hefte vs. Hc-Punk-Online-Boards“ erschienen ist, kommt hier der zweite und letzte Teil. Für die, die später zugeschaltet haben, hier noch mal eine kurze Zusammenfassung von Teil Uno: Helge vom Plastic Bomb Zine, Carsten vom Three Chords Fanzine (für die Print-Seite), Flint und Phil vom Poisonfree-Message-Board und Geb vom Mafi-Forum Message Board (für die online-Seite) beantworteten in der letzten Ausgabe jeweils zehn allgemeine Fragen zu Boards, Fanzines, Vor- und Nachteile von Heften und Online Communities, Datenschutz.

Die Auswahl der Gesprächspartner war nicht zufällig. Mit Helge vom Plastic Bomb aus dem Ruhrpott wollte ich einen absoluten Old Schooler dabei haben, der noch die HC-Scene als Pionier Anfang der 80iger Jahre völlig ohne Internet kennt. Dann mit Carsten Herder vom straightesten aheadesten Zine derzeit, dem Three Chords Fanzine aus Münster, einen Printheft-Aktivist, für den das Internet halt auch neu, aber nicht soo neu war. Für die online-Seite gab es eigentlich nur zwei Möglichkeiten, zum einen natürlich das allererste Online-Magazin, inwzischen zum Message-Board ausgebaut, dass ich je gesehen habe, das Poisonfree-Forum aus Dortmund.

Flint und Phil haben freundlicherweise geantwortet. Zum anderen dasjenige Messageboard, in dem ich auch selber aktiv bin, das Mafia-Forum aus Mannheim / Ludwigshafen. Geb, Guitarreo bei der wunderbaren Black Shape of Nexus, beantworte zusammen mit mighty Bernd Bohrmann (u.a. früher konkret Stack-Sänger) einige individuelle Fragen am Ende.

Noch kurz was zum Aufbau des zweiten Teils: es kommen jetzt vier Blöcke individueller Fragen und die Reihenfolge der Antwortenblöcke ist: Helge vom Plastic Bomb Zine, Carsten vom Three Chords Fanzine, Flint und Phil vom Poisonfree-Message-Board plus Geb und Bernd vom Mafia-Forum Message Board.

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Plastic Bomb

Helge, das Plastic Bomb hat ja auch ein online- Forum, beteiligst du dich dort?
Nein. Message-Boards und Foren sind nicht meine Welt.

Du kommst ja noch aus der Generation, die kein Internet hatte, wie veränderte das Internet die Szene, das könntest du ja ganz gut beurteilen, weil du beide Zeiten kennst…
Das Tor zur Welt hat sich für mich geöffnet. In den 80er Jahren hatte ich das amerikanische Maximum Rocknroll Magazin als Infobörse genutzt, wie ich es bereits vorhin gesagt hatte, um mit Punks in der ganzen Welt in Kontakt zu treten. Diese Kontakte hatte ich dann auch später genutzt und bin erst in Deutschland, dann in Europa und Nordamerika und später auch in Australien und Neuseeland gereist und habe Leute besucht. In Australien habe ich 1996 geheiratet, mit einer fetten Party, die von Punks aus Brisbane für uns vorbereitet worden war. Daher war das Aufkommen des Internets für mich ein Segen, denn auch heute habe ich Kontakt mit Leuten auf der ganzen Welt.

Wie das Internet die Szene geändert hat? Effektiv ist es heute doch so, das ohne die Internetnutzung keine Tour mehr vorbereitet wird. Heute kannst du dir Infos zu jeder Band, Fanzine oder Plattenlabel ziehen, wann immer du es willst. Direkt und schnell ist alles geworden, so liebe ich es. Damals mußte man immer lange auf Antworten warten, wenn man jemanden angeschrieben hatte. Oder man fragte sich, ob seine Bestellung bzw. das Geld angekommen ist, wenn man in den USA etwas bestellt hatte. Es war immer etwas besonderes, wenn man in den 80ern Post bekommen hatte. Ich habe auch heute noch die Briefe von Jello Biafra, Pushead, Tommy Victor (Prong), Bruce (Adrenalin O.D.) und vielen anderen mehr, die ich damals bekommen hatte.

Gegenfrage: speicherst du Emails von Leuten ab, die du für dich als wichtig erachtest? Wann hast du das letzte Mal einen Brief geschrieben? Ist es nicht geil, wenn du von jemanden ein kleines Päckchen bekommst, wo eine Single, eine CD oder ein selbst gemachter Sampler (CD-R oder Tape) beiliegt, wo du siehst, das sich jemand total die Mühe gegeben hat, um mit dir in Kontakt zu treten? Wenn du Bands aus Neuseeland, aus Asien, USA oder Argentinien zu hören bekommst, wo du hier NIE dran gekommen wärst (zumindest nicht im Plattenladen…aber hättest du dir die Mühe gegeben im Internet nachzuforschen?) das es dort solch gute Bands gibt.
Du hast für das MRR geschrieben, warst beim OX lange Jahre aktiv und bist auch schon seit über 10 Jahren beim Plastic Bomb. An wen richten sich Hefte noch? Man bekommt ja ausser den Fanzine-Kollegen kaum Feedback von aussen in Form von Leserbriefen oder so, das war ja, wenn man sich Leserbriefdebatten in älteren Heften anschaut, ganz anders… sind Fanzines nur noch was nostalgisches für alte Säcke und Säckinnen? Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich einem ganz jungen Punk in Leverkusen vor 3 Jahren mal ein Trust andrehen wollte, der sah zwar aus wie Wattie von Exploited, hatte aber noch nie den Begriff “Fanzine“ überhaupt gehört…
Meine Vorstellung ist, das ich Leuten, die in Bands spielen, ein Fanzine oder Plattenlabel machen, gerne ein Feedback gebe über das, was sie gerade heraus gebracht haben. Ich weiß, das ist leider ungewöhnlich, denn manche Leute reagieren eher verdutzt, wenn sie überhaupt mal ein Feedback kriegen. An wen sich das PLASTIC BOMB richtet? Ganz einfach: an die Punk Rock Szene im deutsch-sprachigen Raum. Wir gehen allesamt oft genug auf Konzerte, bzw. Micha Will veranstaltet mit dem Mustermensch e.V. ja auch selbst Konzerte, wir stehen mit hunderten von Bands und Leuten in Kontakt, daher sehe ich uns mitten in der Szene. Und wenn unser Heft Scheiße wäre, dann würde es sich auch nicht so gut verkaufen.

Die Anzahl der verkauften Hefte ist in der Vergangenheit sogar eher gestiegen, denn heute sind wir bei einer Auflage von 10.000 Stück pro Ausgabe angekommen. Und egal, wen du von Fanziner-Seite nach seinen Verkaufserfahrungen auf Konzerten fragst, wird dir jeder eine oder dutzende Geschichte wie deine Story aus Leverkusen erzählen. Da fühlst du dich wie ein Aussätziger, der jemanden eine Krankheit verkaufen will. Ich persönlich finde es auch unter aller Sau auf Konzerten wegen eines beschissenen Fanzines angequakt zu werden! (hysterisches irres Lachen). Der Verkauf läuft bei uns heute fast ausschließlich über Bahnhofs-Kiosk- bzw. Mailorder-Verkäufe.
Du bist ja noch an einem ganz anderen Print-Erzeugnis beteiligt, wie laufen die Arbeiten an deinem Buch über die Euro-HC-Szene? Kannst du schon sagen, wann es eventuell fertig sein wird?
Danke, das du deinen Finger noch einmal in eine Wunde stecken musstest. Ja… mein „Network of Friends“ Buch Projekt. Inzwischen vermeide ich es in der Öffentlichkeit darüber zu reden. Ich arbeite bereits seit 2004 an diesem Buch, daher ist die Frage vollkommen gerechtfertigt, WANN das Buch denn endlich fertig sein wird. Es kommt nicht sehr gut an, wenn man sein Buch bereits ankündigt, wie ich es mal vor 2 oder 3 Jahren im PLASTIC BOMB getan habe, es aber einfach nicht fertig wird. Vielleicht sollte ich erwähnen, das sich der Inhalt des Buches um die europäische Hardcore Szene der 80er Jahre drehen wird. Entsprechende Bücher in Bezug auf die USA (wie „American Hardcore“, „Going Underground“, „Banned in DC“ etc) und England („Burning Britain“, „The day the country died“) gibt es ja bereits seit längerem.

Vermutlich haben die Leute zeitgleich wie ich angefangen. Bei mir besteht das Problem, das ich einen Beruf habe, der mich zeitlich sehr stark einschränkt und auch mit Überstunden verbunden ist. Dazu haben meine Frau und ich vor 4 Jahren ein altes Haus gekauft, wo viel dran zu tun war und auch heute immer wieder daran herumzuwerkeln ist. Daher kann ich einfach nicht so viel Zeit in das Buch stecken, wie ich es gerne möchte. Ich habe inzwischen jede Menge Fotos, Flyer, Fanzines und anderes Layout Material zusammen getragen. Ein guter Freund aus Bremen, Ingo von BOLZEN, hat für mich eine exzellente Euro-HC Discographie zusammengestellt.

Der Grund, warum ich bis jetzt noch nicht fertig bin, liegt daran, das ich immer noch Interviews mit Leuten aus Bands von damals führe. Ich weiß natürlich, das ich nicht akribisch jede einzelne Band von damals interviewen kann, weil es auf ganz Europa einfach zu viel werden würde. Ich suche mir daher Bands bzw. Leute raus, die damals für die Szene wichtig waren. Das Ziel meines Buches ist, das ich Leute interviewe, die auch heute in irgendeiner Art und Weise aktiv sind, um aufzuzeigen, welche Strukturen wir damals in den 80er Jahren aufgebaut haben, die heute immer noch als Basis der Szene funktionieren.

Es gibt immer noch jede Menge alte Säcke um und über 40 Jahre, die Konzerte veranstalten, Record Labels oder Vertriebe betreiben oder Fanzines machen, die als Vorbild für Jüngere dienen oder dienten. Eine Szene, die nicht dokumentiert wird, wird irgendwann in Vergessenheit geraten. Ich finde es einfach nur geil, was in der Punk Szene in der Zwischenzeit erreicht wurde, daher möchte ich den Anfängen einfach Tribut zollen. Schon 1987 war ich maßgeblicher Initiator des „Welcome to Cruise Country“ Photozine, welches als Koproduktion vom MAXIMUM ROCKNROLL und dem TRUST Fanzine heraus gebracht wurde, wo damals jede Menge Fotos von europäischen Punk Bands abgedruckt waren. Musikalisch hatten wir 1999 auf PLASTIC BOMB Records mit dem Doppel-LP Sampler „Network of Friends Vol. 2“ der Euro-HC Szene ebenfalls Tribut gezollt. Um noch einmal auf das Buch zurück zu kommen. Ich hoffe, dass das Buch 2008 oder 2009 fertig werden wird, wobei ich nicht so schnell vorankomme, wie ich es gerne hätte. Ich bemühe mich.
Glaubst du, es wird in 10 Jahren so sein, dass wir alle uns am Bildschirm unterhalten können über die neuesten Platten und Bands und sogar das Internet dann überflüssig wird?
Keine Kennung. Hättest du mir in den 80er Jahren versucht zu erklären, was bereits heute technisch alles möglich ist, hätte man dich in Bezug auf George Orwells Buch „1984“ vermutlich als Hexer verbrannt. Nee, mal ehrlich… ich hätte dir nicht geglaubt. Aber heute ist es eben so. Was aber in 10 oder 20 Jahren sein wird??? Lassen wir uns überraschen. Da mache ich mir jetzt noch keinen Kopp drüber. Es gibt wichtigeres.

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Three Chords

Hey Carsten, du hast ja früher das Krachturm-Fanzine gemacht und warst ja auch bei dem “legendären” Fanzinetreffen vom Blurr dabei… glaubst du, eine Wiederbelebung von so einem bundesweiten Zine-Treffen wäre sinnvoll oder ist die Zine-Szene zu sehr aufgesplittert?
Wegen der Fanzinetreffen gabs mal in einer Ausgabe des wohl besten Fanzines der 90er (Suburbia aus Bonn) nen Artikel von Meia oder Lehmann, dass das nur eigenes Abgekulte oder Selbstbeweihräucherung sei und mit der eigentlichen Fanzine Idee nicht mehr viel zu tun habe. Kann man ja so auch erst mal nichts gegen haben – allerdings hat das einfach tierisch Spaß gemacht. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass ich irgendwann mal nachmittags (leicht angesäuselt natürlich) noch so in mich rein dachte “Ey, das ist genau das richtige hier”. Nicht, weil da so viele wichtige Leute waren, sondern weil das einfach eine tolle Atmosphäre war. Ich war ja noch relativ jung und neu in der Szene, habe aber direkt Anschluss gefunden und habe ein geniales Wochenende mit tollen Leuten, die ich zum Teil bis heute noch aktiv sehe, verbracht.

Es ist einfach ne gute Sache, Leute zu treffen mit gleichen Interessen und gleicher Ausrichtung. Letztens auf dem Fanzinefest in Mülheim war das schon deutlich anders, da waren ja viele Gedichte – Kartoffeldruck – Jutebeutel Leute da, kannte auch keines der Fanzines (außer dem Trust natürlich) und das ganze war mir auch zu ernsthaft – ich will ja die Leute hinter den Zines bzw. den ganzen lustigen / abgefuckten Stories kennen lernen und nicht irgendwelche Diskussions- und Workshopkacke. Ich denke, mit den richtigen Leuten macht das sicherlich ne Menge Spaß!
Wie kamst du eigentlich zum Three Chords? Gibt’s dein altes Heft noch?
Nein, mein altes Heft gibt’s seit bald 10 Jahren nicht mehr. Drei Ausgaben haben auch gereicht. Ich habe das zwischen Abi und Zivildienst gemacht, quasi bis zum Auszug aus dem Elternhaus. Danach war das nicht mehr ganz so interessant. Ist ja schon ein Unterschied, ob man im gutbürgerlichen Haushalt wohnt und sich seine Nischen schafft oder eben seitdem in Punk / Hardcore WGs, wo eben so was zum guten Umgangston gehört. Da ist’s auch nur noch halb so interessant, darüber zu schreiben, finde ich, und meistens ging’s in dem Ding ja auch über selbsterlebte Sachen. Das Three Chords habe ich auf ner RAMBO Show in Kassel zum ersten mal gesehen bzw. dort vom Herrn Bohrmann gekauft. Fand das auf Anhieb ganz gut, das Heft war zwar musikalisch gesehen für mich relativ uninteressant, aber Einstellung und Schreibstil passten gut. Habe die Leute dann nach und nach kennen gelernt und mit ner Kolumne angefangen, dann Interviews, etc.
Was ich am Three Chords immer witzig finde, im Heft sind oft SE-Bands drin, aber die “Macher” sind eher die trinkfreudigen oder spiegelt sich das schon ziemlich genau wieder, was im Heft ist, so sind die Macher auch drauf?
Ähem, Du solltest nicht von mir auf andere schließen, haha. Betrachtet man die komplette Mannschaft, dann ist der Anteil der Edger schon sehr hoch. Markus, Kaupel, Lars, Acki, Torsten, etc sind alle Edger. Diejenigen, die mit dem Heft relativ viel zu tun haben und der Sauferei nicht abgeneigt sind, sind da schon deutlichst in der Unterzahl. Aber wenn’s so ankommt, finde ich das schon klasse. Auf diese ganze religiös anmutende Edge Predigerkacke hätte ich auch null Bock und das sehen wohl auch die anderen so. Genau das fand ich auch geil, als ich das Heft zum ersten Mal gelesen habe, eben diese Vermischung aus dem doch eher sauberen Teil des Hardcore, aber dennoch ordentlich “Fuck You” Attitude. Was mich damals spätestens von der Coolheit überzeugte war, als die anfingen, sich gefakte Leserbriefe zu schreiben.

Einer war dann aus Sicht einer Nachbarin geschrieben so a la “Bitte nicht mehr so laut sein” und die haben dann geantwortet “Liebe XY, kannst Dich gerne beschweren, aber komm’ bitte erst nachmittags, morgens pennen wir noch”, das fand ich schon echt lustig, da das vieles von dem Edger Klischee konterkarierte. Der Markus kannte mein altes Fanzine ja auch, da war ja auch alles nur auf Saufen, Kaputtkloppen, Prügeln, Sticheln und Pöbeln ausgelegt. Frank Herbst, damals noch beim Plastic Bomb, hat damals meine erste Ausgabe total verrissen, so “das ist ja wohl das asozialste, wie ihr euch benimmt” – na ja, wenn das Ding schon bei Edgern geiler ankommt als bei Punks / Skins, dann aber gute Nacht, Marie.
Wer glaubst liest heute noch das Three Chords? Denkst du, auch junge Punks oder HCler lesen das noch oder spielt sich für die alles im Netz ab?
Also, wir haben eine Auflage von 1000 Exemplaren, die wir auch verkaufen, da wird der ein oder andere dabei sein, denk ich. Wenn man vom “reinen, klassischen” Hardcore ausgeht, dürften wir Deutschlands größtes Fanzine sein in dieser Richtung. Ich persönlich fänds auch geil, wenn mehr Punks das Ding lesen würden, aber dazu haben wir auch (leider) zu wenig Punk relevantes im Heft und im Punkbereich ist das Three Chords halt auch nicht bekannt genug. Das merkt man bei Reviews auch schnell, die fangen in Punkbereich immer an mit “Hardcore ist ja nicht so mein Fall, aber…”. Meine Erfahrung ist da meist, dass sich Punks mehr gegen HC abschotten als andersrum, schade eigentlich.
Du bist ja selber sowohl als Heavy User im Mafia-Board als auch als Fanzine-Schreiber aktiv, was unterscheidet die beiden Medien voneinander? Ist eines “besser” als das andere?
Naja, das eine nutze ich fast täglich, das andere erscheint halt nur alle paar Monate. Wenn ich einen Post aufm Board mache, ist das jetzt nichts tolles, aber ein komplett geschriebener Artikel mit Layout, Vorwort, Fotos, etc macht mich immer noch stolz und ich lese den auch oft mehrfach durch, um Fehler zu finden oder auch um den Langzeittest zu machen, ob ich das noch gut / lustig finde. Das könnte mir natürlich auf einem Messageboard nicht passieren, dafür ist dort vieles zu beliebig. Denke beides hat seinen Vorteil, wobei ich natürlich schon eher das Messageboard als “vorteilhafter” ansehe – klar, ist schneller, aktueller, etc. Allerdings ist das eben auch nur so wertvoll wie ein Furz im Winde. Hab’s bislang jedenfalls noch nicht mitbekommen, dass mir jemand sagte “Boa, geilen Post haste da letztens gemacht, Alter”. Dass Leute mir geschrieben oder gesagt haben, dass sie sich sau bepisst haben über eine Kolumne oder ein Special interessant fanden, dafür umso öfter. Und ja, da bin ich auch ein bisschen eitel: das geht mir runter wie Öl, auch wenn mir das (bin ja gut erzogen) immer auch ein bisschen peinlich ist.
“Kochen mit Hansa” ist mit meine Lieblingsrubrik im Three Chords, da könnt ihr ja bald auch wie das OX eine Buchreihe rausbringen… hast du nen aktuell gutes Rezept?
Ich koche eigentlich immer nur Eintöpfe… das geht schnell, ist gesund, günstig und man hat drei Tage lang was zu essen. Prinzipiell kann man da ja auch alles miteinander vermischen und es schmeckt immer geil. Also: Tiefkühlgemüse kaufen, Gemüsebrühe, Gnocchis, bisschen Tofu dazu, paar Gewürze köcheln – FERTIG!

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Poisonfree

Flint und Phil, Poisonfree ist nach Eigendarstellung das älteste und größte “mag” in Europa – wart ihr früher ein Magazin und daraus wurde das Board oder wie ist das alles entstanden? Ihr bringt ja auch noch Platten raus?
Flint: Die community läuft so unheimlich gut, dass oft vergessen wird, dass wir auf unserer Seite u.a. auch mittlerweile fast 3000 Plattenrezensionen haben.

Phil: Flint hat mal ein Zine gemacht, ich bin nach seinem Internet-Start zu ihm gestoßen. Das ist fast 10 Jahre her. Seitdem ist viel passiert. Wir haben zwischenzeitlich kleine und große Konzerte veranstaltet, es ist ein Label dazugekommen – aber pxf war immer unsere Kernkompetenz. Einige andere Dinge laufen derzeit eher langsam, weil wir uns alle auf normale Jobs und so konzentrieren müssen. Das Board ist aber ein Selbstläufer und eine Konstante – und in der Tat eine der größten Hardcore / Punk-Related Communities der Welt.
Was hat es mit dem Namen auf sich?
Flint: poisonfree war nur eine von vielen Ideen. Ich hatte eine ganze Din A4 Seite voll – die meisten hatten wenig bis nichts mit straight edge zu tun. Eigentlich wäre meine erste Wahl auf backstabber.com gefallen; mir schwebte damals noch eine etwas aggressivere Berichterstattung vor, da hätte der Name gut gepasst. Nur leider war diese Domain bereits vergeben.
Findet man bei euch nur vegan se Leute?
Flint: Absolut nicht. Ich würde sagen weit weniger als die Hälfte ist straight edge, Veganer eher eine Minderheit. Wir haben einen erfreulich hohen Anteil an Vegetariern, was ich persönlich wesentlich mehr schätze als sämtliche Szene-Schubladen der Welt.
Warum ist euer Forum eigentlich von außen einsehbar? Man kann ja alles mitlesen, ohne sich anzumelden…
Flint: Wir hatten bisher wenig Grund gehabt, es geschlossen zu halten. Es ist schließlich kein Geheimclub, vernünftige Leute sind jederzeit willkommen und sollten auch gerne vor Registrierung reinschauen können. Nicht zuletzt weil uns manchmal immer noch der Ruf einer „straight edge community“ anhängt, was schlicht nicht der Fall ist. Allerdings haben wir dies vor kurzem etwas abgeändert. Man kann jetzt ohne eingeloggt zu sein immer noch in die einzelnen Foren und die Themen sehen, allerdings nicht die Diskussionen selbst lesen. Gründe hierfür zum einen technischer Natur: Wenn alle postings frei zugänglich sind, geht der Server halt manchmal in die Knie wenn mal wieder irgendeine Suchmaschine meint, über 2 Millionen Seiten in sehr kurzer Zeit hintereinander abzurufen. Zum anderen muss nicht wirklich jeder Furz den man lässt per Google auffindbar sein, siehe meinen Kommentar zum Thema Datenschutz.
Was hat es eigentlich mit den Szene-Points auf sich?
Flint: Wir haben auf unserem message board neben jedem posting einen kleinen Knopf. Wenn Dir ein bestimmtes posting zusagt oder missfällt, kannst Du dem entsprechenden User per Knopfdruck Punkte schenken oder klauen, zusammen mit einem kurzen Kommentar, den nur der Empfänger zu sehen bekommt. Mit Anzahl der “scene points” wächst oder schrumpft ein kleiner grüner Balken, der immer neben dem Usernamen angezeigt wird. Rutscht man in den negativen Bereich, wird es rot. Das ist nicht mehr oder weniger als ein einfacher Weg jmd. kurz „danke“ oder „fuck you“ zu sagen, ohne eine große Diskussion anzuzetteln.

Jmd. schreibt etwas Witziges – hau auf den Knopf. Jmd. schreibt etwas unheimlich dummes – hau auf den Knopf. Ich glaube dieses feature erspart uns eine Menge unnützer Diskussionen, und viele Kleinigkeiten verlagern sich so vom message board hin zu privaten Nachrichten unter den Usern. Das ganze ist kein Beliebtheitswettbewerb, es ist eher so eine Art privates Barometer, wie viel brauchbares oder eben Scheiße jmd. schreibt. Und da wir Admins nicht alles lesen können (und wollen), ist es manchmal auch ein guter Indikator, um Leute zu erkennen, die nur da sind, um sich abzureagieren. Allein der Name „scene points“ sollte genug Aufschluss geben, wie ernst das Feature gemeint ist.

Phil: Haben mich nie tangiert, aber die Welle, die daraus entsteht ist bemerkenswert! Ich hätte das Feature gar nicht aktiviert, da hat Flint sich durchgesetzt – und den richtigen Riecher gehabt!
Was sind eure Aufgaben bei dem Forum?
Flint: Eigentlich beackere ich die ganze Seite, querbeet, je nachdem was anfällt. Serverhardware, Softwareupdates, Design, Struktur, Content Management – eigentlich fast alles was man sieht, bis auf die meisten Inhalte im redaktionellen Bereich.

Phil: Admin, Moderator, Reviews schreiben, Interviews, Redakteure nerven damit Reviews fertig werden, Flint nerven damit irgendwas fertig wird.
Schmeißt ihr Leute raus, die andere User flamen, beleidigen?
Flint: Ich banne auch nervige User, aber wir versuchen uns so wenig wie möglich einzumischen.
Glaubt ihr, es gibt Internetsucht, z.B. bei ganz jungen Kids, die nur noch in Boards abhängen?

Phil: Ja, aber ich glaube, Hardcore ist da das kleinste Übel. Da gibts andere Hobbies/Interessensgebiete mit weitaus mehr Suchtpotential.

Flint: Pr0n!!! OMFGLOLZ!!!EINEINSELF!
Was haltet ihr von dem Board von Bridge9, da hängen ja auch Vögel rum, Waffenfreaks, die HC hören…?
Flint: Ehrlich gesagt, ich bin dort nicht registriert und weiß nicht was dort abgeht. Ich weiß nur, dass es die Heimat von Moshzilla ist.

Phil: Dort ist es schlimmer als bei uns!
Was war der bescheuerteste Thread, was der lustigste bisher auf Poison Free?
Flint: Der bescheuerteste Thread ist meiner Ansicht nach “worst of myspace”, wo ausschließlich Bilder von seltsamen Menschen mit absurden Frisuren gepostet werden. Dieser Thread sorgt regelmäßig für Anrufe besorgter 15jähriger Mädchen, die sich auf einmal auf PXF wieder gefunden haben und nun mit Papas Anwalt drohen. Meine Lieblingsthreads sind momentan “Die uninteressanteste Information des jeweiligen Tages” – eine Art gemeinsamer blog-thread, in den jeder pro Tag eine Banalität seines Lebens schreibt – und der Film-Bilderraten-thread, wo man anhand von screenshots einen Film identifizieren muss – ich liebe Filme!

Phil: Bescheuerte Threads haben wir zu viele. Aber das gehört auch irgendwie dazu. „Sachen, die ihr toll findet, obwohls unlogisch ist“ mag ein solcher Thread sein, der jedoch ungemein unterhält. Lustige Threads gibt es natürlich alle Nase lang. Ich mag allgemein das Musik-Forum mit vielen guten Tipps und Meinungen. Der „HEAVY-Mucke“-Thread mit 1.300 Replies sei besonders erwähnt. Überhaupt haben sich die Special-Interest Foren (Filme, Animal Rights, Videospiele, Kunst, …) sehr gut entwickelt.

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Mafia-Forum

Geb und Bernd, ist eigentlich noch jemand von den Gründungsmitgliedern des Mafia-Boards mit dabei?
Geb (auf dem Board unter dem Usernamen coltseavers bekannt): Von den Gründungsmitgliedern ist eigentlich nur noch Bernd dabei. Ich selbst bin zwar Mitglied der ersten Minute, bin aber als Moderator erst später eingestiegen.
Wie und wann ist das Board entstanden? Das läuft ja irgendwie über euer altes Label Scorched Earth Policy und hieß doch früher vegan hardcore, warum der Namenswechsel?
Bernd (auf dem Board unter dem Usernamen Golden Vanilla bekannt): Seit Mitte 2004 läuft das Ding unter mafia-forum.de, vorher wurde das Board über die Seite der Hollwedel brothers auf veganhardcore.de bereitgestellt, die mittlerweile eingestellt wurde. Die beiden hatten da vorher ein eher lokales und etwas verkürzt gesagt auf ihren Focus (siehe Namen) bezogenes Board mit paar Usern. Gleiches galt für Gonzo/Horizons, der am Anfang auch bei der Mafia dabei war. Ich hab die drei so ca. 2001 rum gefragt, ob wir nicht zusammen ein Board machen wollen. Auf scorchedearthpolicy.de, der Seite meines ehemaligen Labels, gab’s ab 1998 auch ein kleines, auch eher lokales Forum. Das war die Zeit, in der immer mehr Leute Internetzugang bekamen.

Nachdem der Boardzusammenschluss ne Zeit lang lief, kamen wir auf den Titel mafia-forum. Ich weiß nicht mehr, wessen Idee das damals war, kann sein meine, aber mit fortschreitendem Alter (40) und dem Eintritt in die erste Demenzstufe vergisst man so was. Letztendlich auch latte. Was Geb da in der ersten Frage gesagt hat, stimmt nicht ganz. Beim mafia-forum gibt’s auf der Führungsebene eigentlich keine Aussteiger in dem Sinne, sie haben eher ihren Status und Standort ein bisschen verändert. Die anderen drei sind jetzt mit ihrem neuen Schuhwerk aus Beton auf dem Boden des Hudson Rivers tätig und leisten dort ihren Beitrag für den Fortbestand der Familie
War das am Anfang ein geschlossener Kreis von nur- Rhein-Neckar-Kreis-Aktivisten? Wann wurde es bundesweit?
Geb: Nein eigentlich nicht, wie gesagt, das mafiaboard ist ein Zusammenschluss von mehreren Messageboards. Natürlich waren die ersten Nutzer zunächst fast nur Leute, die man persönlich kannte. Das hat sich mit der Zeit geändert, aber ich glaube, das ist nach wie vor der Charme des mafia boards. Es ist immer noch klein und halbwegs überschaubar
Bei Mafia muss man sich ja im Gegensatz zu Poison free beispielsweise anmelden, um überhaupt mitlesen zu können, why that?
Geb: Wir hatten in der Vergangenheit ab und zu Probleme mit Idioten, die nicht wussten, wie man mit anderen boardnutzern umgeht. Leute die sich dutzende Profile anlegten & anfingen das board zu spammen. Es hat sich als sehr sinnvoll erwiesen, es so zu machen.
Als Administrator auf dem Board, was genau heißt das eigentlich? Ist die Aufgabe also, herauszufinden, welche User unter fake Namen agieren, andere „flamen“ etc. oder „nur“ Datenlöschung?
Geb: „flamen“? Was ist denn das? Hahaha! Du versuchst als Admin oder Moderator einfach alles etwas im Rahmen zu halten und etwas Ordnung zu schaffen. Sonst wäre die Informationsflut ein einziges Chaos. Dazu gehört auch das löschen von Treads, manchmal das Ermahnen von Usern, das bannen und Freischalten von Mitgliedern. Letztendlich das Programmieren der kompletten Boardsoftware, was zum Glück Leute machen, die sich darin auskennen. Ich verstehe davon nur Bahnhof. Wir hatten sogar manches Mal die Bitte von Usern, sie vorübergehend zu sperren, weil sie das Board von ihrer eigentlichen Arbeit, Studium oder Prüfungen abhielt. Haha! Dem kommen wir dann auch gerne nach.

Bernd: Geb, ich glaub, der meint mit flamen die niederländischsprachigen Bewohner der belgischen Region Flandern. Anyway, auffem mafia board geht’s bissel freiheitlicher zu als z.B. bei poisonfree oder anderen boards – es gibt aber sicher noch *freiheitlichere*. Ich als ehemaliger Pate Don Vanilla will eigentlich jedem/jeder die Möglichkeit geben, sich in der Öffentlichkeit als Idiot darzustellen. Sei es nun mit obskuren, undifferenzierten, nicht zu Ende gedachten politischen Meinungen oder persönlichem Unwissen, was die Bereiche Musik (oder was auch immer auf dem Board als Oberthema gefeatured wird) angeht.

Jo, da posten jetzt keine klassischen Nazi-Skinheads etc. (also könne sich einige geneigte Leser/innen gleich abregen), aber man muss ja auch keine Probleme mit nem steifen rechten Arm haben, um einen an der Waffel zu haben. Irgendjemand findet sich immer, der fragwürdiges als solches outet, dabei natürlich u.u. auch wieder übertreibt, und entsprechend dann wieder von anderen in Frage gestellt wird. Zum Schluss setzen sich dann die mit dem längeren Atem durch – wie im richtigen Leben – survival of the fittest haha. Ob man diesen Humor versteht? Wenn man ein paar Jahre auf dem Board und in der Szene unterwegs ist wahrscheinlich schon, als Betroffenheitsbürger natürlich weniger, klar.
Seid ihr sonst noch auf anderen Boards aktiv, was für fremdsprachliche Boards gibt’s denn?
Geb: Ab und zu schaue ich bei poisonfree rein, was wir Mafiosi liebevoll „drüben“ nennen. Ansonsten bin ich noch bei stonerrock.com, hellride und doomedsouls aktiv – also eher jenseits des Punk/HC Zirkus.

Bernd: Muckemäßig bin ich eigentlich kaum mehr auf anderen Boards unterwegs, alles was man so braucht, bekommt man auch bei der Mafia (wer brauch schon Reggae, Ska oder Weltmusik). Gibt halt User, die ihr in anderen Musikbereichen angelesenes Wissen oder die neuste Infos gern auf’s mafia board tragen, um dafür fame zu ernten – was natürlich vollkommen okay ist, sind wir nicht alle heiß auf bissel Anerkennung?
Was genau ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Messsage Board und einem Forum?
Geb: Dachte immer das sei dasselbe … (kann man hier einen „erstaunt“ smiley einbauen?)

Bernd: Jan benutzt bei Unwissen, was bestimmte Themen angeht, genauso ungern google wie du z.B. beim Begriff *flamen* und ich, wenn’s um irgendwelche Computersoftwarefragen geht. Da hat man dann seine willigen Zuarbeiter (Chris Amboss oder Zistl)
Was war bisher das schönste, was dir auf dem Board passiert ist, was das ärgerlichste?
Geb: Das gibt es wohl beides, aber DAS ist meine private Angelegenheit.

Bernd: Wenn ich irgendwo Privatangelegenheit lesen, denk ich meist direkt: da geht’s um ficken oder Geld haha. Wer sich mit der Mafia Familie identifiziert, der lebt nach der Devise der genialen band TH’INBRED aus West Virginia, Amiland: *if you can’t keep it in the pants, keep it in the family.* On topic. das schönste: ab und an ein Lacher, bei dem man sich in die Hosen pisst. Das Ärgerlichste: vollgepisste Hosen.
Kiss oder Slayer?
Geb: Höre zwar zurzeit viele ace frehley Sachen, aber ganz klar
SLA YYYYYYYYYYYYYYYEEEEEEEEEEEER!

Bernd: Dei Mudda.

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Einleitung, Fragen, Zusammenstellung, gutes Wetter: Jan Röhlk

Kontakte: plastic-bomb.de, three-chords.de, mafia-forum.de, poisonfree.com

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