August 19th, 2007

PEACHES (#121, 12-2006)

Posted in interview by jörg

Peaches ist eine dieser Künstlerinnen, die jeder kennt, aber niemand wirklich. Natürlich assoziiert man sie mit sexueller Provokation und minimalistischem Elektropop, was sie aber gleichzeitig oft in Verruf gebracht hat.

All denen, die glaubten Peaches sei weder idealistisch motiviert noch technisch versiert, sei gesagt, dass Impeach my Bush von der musikalischen Spannbreite wohl zur Zeit im Bereich kommerziell erfolgreicher Musik einzigartig ist. Klassische Rockhymnen wechseln sich mit Discoperlen ab und Peaches stellt zumindest ihr gesangliches Können unmissverständlich unter Beweis.

Von der Bühneperformanz, die sich früher ausgiebig Hilfsmitteln bediente ist nun ein gutes Drittel den restlichen Bandmitgliedern zu verdanken, die eben nicht wie Hampelfrauen hinter der grossen Künstlerin aussehen sondern den Sound extrem bereichern und glücklicherweise eine ernst zu nehmende Vereinigung symbolisieren.

Zusammen mit Radio Sloan, die früher bei der experimentellen Kill Rock Stars Band The Need war und auch Courtney Loves letztes Album mit eingespielt hat, JD Samson (Le Tigre) und Samantha Maloney (Shift, Hole, Motley Crue, Courtney Love Band) alias The Herms hat Peaches ihren Divastatus zwar nicht aufgegeben aber dennoch zurückgeschraubt um das in den Vordergrund treten zu lassen was wirklich zählt, die Musik und die Botschaft.

Sichtlich gut getan hat das wohl allen Beteiligten und so kann sich Peaches ernsthaft im Rock- als auch Elektrozirkus mit denen messen, die sie immer nur belächelt haben. Gut zu wissen, dass sich nicht alles zum Elektro hinbewegt, sondern manches eben auch davon weg.

Ob die Motivation dahinter nun Provokation ist oder nicht ist fast schon egal, denn Peaches schwimmt einfach nicht auf Wellen mit, sondern beschwört stets ihre eigenen. Und noch etwas fiel mir auf, als ich mit ihr sprach, sie benutzt, was als typisch männliches Sprachverhalten gilt. Sie unterbricht ständig, ist laut, ironisch und versucht stets die Kontrolle zu behalten. Dass ich nichts anderes erwartet hatte bestätigt jedoch nicht notwendigerweise, dass ich mit ihrem Alter Ego sprach, wer weiss, vielleicht lebt sie sich auch einfach nur aus.

***

Wie kam denn die Kollaboration mit Scream Club auf der Girl Monster CD zu Stande?

Peaches: Ich war zu der Zeit im Studio in L.A. und dank moderner Technologien schickten sie mir dieses Lied und fragten ob ich darauf rappen könnte. Während ich im Swimming Pool herum schwamm hörte ich es mir an und da kam mir auch schon die Idee. Ich rannte ins Studio, nahm es auf und schickte es ihnen. Für manche Leute ist diese neue Arbeitsweise nichts aber für mich war das gut, weil ich wusste, dass ich sie länger nicht sehen würde und wir so alles noch rechtzeitig hinbekamen. Man weiss nie ob die Person am anderen Ende mag was du gemacht hast, aber in diesem Fall mochten sie es.

Ich habe dich immer eher als Fortsetzung einer Band wie den Yeastie Girlz gesehen. Hast du diesen aufklärerischen Ansatz?

Peaches: Es ist merkwürdig, dass es nicht so viele Frauen gab, die das gemacht haben. Ihr Song You Suck ist ein Klassiker. Klar ist Sex eine Form des menschlichen Kontakts aber man kann es sich auch selber besorgen. Ich sehe mich da eher als Mainstreamrapperin oder Rockerin, die die Welt aus der weiblichen Perspektive sieht, wie 50% der Weltbevölkerung. Das kommt mir nicht besonders schockierend oder andersartig vor, und die Yeastie Girlz haben das auch getan.

Du scheinst jetzt eher nicht mehr so sehr auf der Suche, du lebst an einem Ort

Peaches: Eigentlich tue ich das zur Zeit weniger als vorher. Ich bin für 8 Monate auf Tour und habe zwei feste Wohnsitze, einen temporären in L.A. und einen in Berlin

Aber du stellst es auf der Bühne so dar als hättest du jeden Tag mit einer anderen Person Sex

Peaches: Das kommt vielleicht so rüber. Die Leute haben diese Vorstellung was ich bin während ich mich eher als eine Art Iggy Pop sehe, wir haben die selbe Art Energie. Für mich ist Prince der Künstler, der am meisten Sex versprühte.

Du singst ja aber auch nicht über Beziehungen oder Gefühle

Peaches: Einige meiner Songs handeln sehr wohl von Beziehungen. Die meisten Leute verstehen nicht, dass zwei Songs von Teaches of Peaches, nämlich Lover Tits und Sucker sich mit Beziehungen auseinandersetzen. Ich rede gar nicht immer nur über Sex Haben oder Stellungen, es geht mehr um Machtrollen und Autorität und darum Dinge in Frage zu stellen.

Was das Thema Beziehungen angeht bin ich zur Zeit bestens versorgt, alles ist super. Es ist auch unhöflich Songs immer noch singen zu müssen, in denen es um ganz bestimmte Personen geht. Dann kommt die Person zum Konzert und wird als Herzensbrecher beschimpft. Ich habe dass am Anfang gemacht aber das ist nicht mein Ding.

Du kritisiert das Schönheitsideal der Medien sehr stark, dein eigenes Image setzt sich davon aber nicht besonders ab, ist das eine Art Machtzurückeroberung?

Peaches: Ich versuche einfach nur ich selbst zu sein und wenn Leute mich sexy finden habe ich damit kein Problem aber wenn sie mich ekelhaft, dreckig und haarig finden ist das auch in Ordnung. Wenn sie die verrückte Rockenergie spüren, cool, wenn sie mich für Elektroclash halten, fein. Das sind die Wahrnehmungen anderer Leute. Ich war mal auf einem Folktrip und habe da immer über Beziehungen gesungen aber da hatte ich keine Ahnung, dass ich eine Musikkarriere haben würde. Ich sang in Bars mit einer Gitarre und einer Freundin.

Sie baten uns jede Woche zu spielen und wir haben uns dann ein Programm ausgedacht, dass uns viel bedeutet hat. Wir haben unsere eigene Beziehung auseinander genommen und gegenseitig über uns gesungen und Scheisse über den anderen erzählt. Das hat mich echt abgetörnt, diese falsche Ehrlichkeit des Folk. Was ich zur Zeit mache ist sehr viel ehrlicher. Es war einfacher die Elektrosache als Einzelperson zu machen.

Ich habe zwei Alben ohne jegliche fremde Hilfe gemacht, ausser der von Maschinen. Das war einfacher, weil ich nichts über Schlagzeugmikrofonierung wusste und so. Jetzt auf dem dritten Album habe ich mit einen Koproduzenten gearbeitet der keinen Egotrip fahren wollte und sich mit dieser Mikrofonierung sehr gut auskennt. Wir haben viel mehr Liveinstrumente benutzt. Es klingt grösser und besser.

Wenn du Leuten sagst sie sollen Wir Wollen Peaches ficken rufen, ist das eine Kritik am Konsumkult, dass Leute gar nicht mehr selber wissen was sie wollen sondern es sich von anderen sagen lassen?

Peaches: Ja, das passiert ständig und das beeinflusst ihr Selbstbild was richtig gefährlich ist. Leute wollen ja wissen wer sie sind. Vielleicht sind sie zum Beispiel nicht komplett heterosexuell und wenn sie nur mit Filmen, Plakaten, etc. konfrontiert werden wo Frauen und Männer zusammen gezeigt werden werden sie unglücklicher sein. Deshalb will ich den Mainstream erweitern. Ich will es nicht im Untergrund lassen, denn da ist es ja schon, es soll keine Phase oder Mode sein, so wie es einige Popstars zur Zeit versuchen, sondern zum Mainstream werden.

Du tourst mit Samantha Maloney von Shift, die sich kurz nach ihrem Majordeal auflösten, ist das symptomatisch, dass viele Bands davon kaputt gemacht werden?

Peaches: Du kennst Shift? Wow. Sie ist meine Sheila E. Man müsste sie mal zu dem Thema befragen

Du sagst immer es gäbe keinen Hype um dich, gibt es das Märchen vom Künstler der einfach so entdeckt wird?

Peaches: Für mich trifft das zu. Fuck the Pain Away wurde live mitgeschnitten mit einem Minimischpult als ich in Toronto spielte, die Technikerin gab mir die Kassette und ich hab`s auf mein Demo gepackt. Ich dachte die Leute würden sich beschweren es sei zu lärmig, meine Stimme sei zu laut, der Mix wäre beschissen, aber alle meinten nur es sei unglaublich klasse, und irgendwann war der Song dann bei Lost in Translation zu hören und jeder hatte es plötzlich auf seiner Lieblingsliste. Ich habe nie ein Video dafür gemacht oder es im Radio gespielt, wenn ein Song gut ist werden Leute von Madonna bis Sonic Youth ihn hören, genau wie andere Leute in jedem Land in Clubs, überall.

Früher hast du auch viele Super8 Filmprojekte gemacht, was ist daraus geworden?

Peaches: Ich interessiere mich mittlerweile mehr für Digitalkameras, das ist sehr viel billiger, ausserdem wird Super8 Film nicht mehr hergestellt, was es sehr schwierig macht. Wenn ich mir selber ein Drei-Minuten-Limit aufzwinge kann ich kleine Filme machen. Und ich mache auch einen nichtendenwollenden Dokumentarfilm über alles was so passiert.

Wie schwer ist es dir gefallen Toronto zu verlassen? Es war zu der Zeit als du dort diese Filme machtest eine richtiges Sammelsurium von interessanten originellen Künstlern und dann sind alle irgendwie weggezogen.

Peaches: Stimmt, alles sind gegangen, wir waren bereit für den nächsten Schritt, wollten etwas Neues machen. Die Super8 Szene ist nach Montreal abgewandert und der Rest ging nach Europa.

Weil du da besser ankommst?

Peaches: Ich weiss nicht so genau, es kommt drauf an. Ich glaube in grossen Städten komme ich am Besten an, am Besten in L.A., das ist mir noch stärker aufgefallen seitdem ich dort lebe.

Sind deine Songs eher Unfälle oder schon durchstrukturiert?

Peaches: Ich versuche vorher eine Art Idee zu haben, dann suche ich mir einen Beat aus, dann fange ich an zu singen und Texte zu schreiben, dann versuche ich die beiden zu verbinden und baue mehr und mehr darauf auf um es dann wieder wegzunehmen bis das übrig bleibt was mir gefällt.

Macht es dich stolz, dass du auch für Werbung oder Filme genutzt wirst oder siehst du es kritisch, dass Leute deine Musik benutzen um ihre Produkte zu verkauen?

Peaches: Ich wurde jetzt für einen GAP Werbespot ausgewählt, und das wurde der Song, den die Leute am meisten herunter geladen haben. Es hat also Leute erreicht die mich noch nicht kannten, die dann hoffentlich das Album kaufen und sich für meine Musik interessieren. Ist mir egal ob die bei GAP einkaufen oder bei H&M oder Humana.

Du hast mit Shock-Rockern wie Marilyn Manson und Nine Inch Nails getourt, positionierst du dich dort nicht wieder in die Provokatuerszene?

Peaches: Die Tour mit Nine Inch Nails war eine super Erfahrung. Mit Marilyn Manson war es etwas schwieriger, aber das NIN Publikum mochte uns sehr. Ich bin Underground und war es schon immer und werde es wohl immer bleiben aber warum sollte ich mich nicht auch Leuten präsentieren, die mich noch nicht kennen, vielleicht mögen die es auch.

Sehr viele NIN Fans haben eine Reaktion gezeigt, ob es jetzt war dass sie mich mochten oder furchtbar fanden, es hat etwas ausgelöst. Man muss es eben versuchen und abwarten was passiert. Ich meine das jetzt nicht im kapitalistischen konsumeristischen Sinne sondern einfach die Musik zu verbreiten hinter der man steht.

Die haben mich gefragt. Marilyn Manson hat mich eingeladen, Björk auch. Es ist nicht so als hätte meine Plattenfirma gesagt wir müssen dich jetzt mal mit diesen Leuten in Verbindung bringen, da dort dein Markt liegt. So sind sie nicht.

Du solltest ja auch an der Berliner Popakademie als Dozentin arbeiten, worum wäre das gegangen?

Peaches: Ich habe leider noch nicht die Zeit gehabt das zu machen aber es wäre wohl mehr um popkulturelle Aspekte gegangen, eher über Musik als die Texte, was mir sehr wichtig war.

***

Interview: Alva Dittrich

http://www.peachesrocks.com/

Links (2015):
Wikipedia
Discogs

Both comments and pings are currently closed. RSS 2.0