Oktober 4th, 2011

ONLY CRIME (#136, 06-2009)

Posted in interview by jörg

Von Fatwreck neben Me First and The Gimme Gimmes als eine All-Star Band angepriesen, sollen Only Crime wohl besonders Good Riddance Fans über deren Auflösung hinwegtrösten, da doch Russ Rankin hier singt.

Auch wenn man seine Stimme sicherlich wiedererkennt, hat er sich doch einem anderen Stil verschrieben und das Konzept geht, was Publikumsresonanz betrifft, nicht ganz auf. Zu kantig ist der Hardcore, der zwar melodisch ist, aber das eher im Stile der alten Helden wie Black Flag, deren Schlagzeuger Bill Stevenson sich ebenfalls dieser Formation zugehörig fühlt.

Bei der Europatour mit No Use For A Name ist er allerdings nicht dabei, was die erste und einzige Enttäuschung des Abends darstellen sollte. Im Allgemeinen scheinen die Verbindungslinien zu Bands wie Bane, Converge und Modern Life is War der Band den Start eher zu erschweren als zu erleichtern, ungerechtfertigterweise, weil Only Crime einen neuen und frischen Stil mitbringen und Unvoreingenommene viel eher begeistern können, als diejenigen, die ihren Vorgängerbands nachtrauern.

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Wen habt ihr denn am Schlagzeug dabei?

Russ: Sein Name ist Luke, er ist ein Freund unseres Bassisten und hat bereits auf unserer letzten Nordamerikatour mitgespielt, und es war grossartig. Er hat sich bereit erklärt Bill zu ersetzen wenn er nicht mitkommen kann.

Und wie fühlt es sich an ohne ihn zu touren, ist es noch eine Band im ursprünglichen Sinne?

Russ: Wir vermissen ihn. Dies ist die dritte Tour, die wir ohne ihn spielen, und Luke imitiert seinen Stil, so dass es musikalisch keinen Unterschied macht.

Fühlen sich die Leute nicht verarscht, wenn sie all die Bandnamen auf den Flyern sehen?

Russ: Da können wir nichts für, manche Leute fragen nach Bill, er hat viele Fans auch aus der Descendents und All Fraktion, es gibt diesen Personenkult den man nicht verlieren kann.

Wir haben aber vorher angekündigt, dass er nicht dabei sein wird. Ausserdem sind die Leute auch musikalisch enttäuscht, wenn sie wegen unserer Vorgängerbands kommen und sie zahlen dann um die Person zu sehen und nicht die Band. Veranstalter schreiben die Namen auf Flyer, vor allem in den Staaten, aber wir wollen eigentlich davon weg.

Ihr hattet ja jetzt auch einige Umbesetzungen, hat das den Stil verändert?

Russ: Wenn Bill jetzt ganz aufhören würde, dann hätte das grosse Auswirkungen auf unsere Musik aber Luke bringt nichts Eigenes zu den Songs, man kann sie nicht auseinander halten. Und so können wir öfters auf Tour gehen.

Hat sich das verstärkt, dass ihr jetzt mehr touren wolltet?

Russ: Ich wollte das schon immer, aber wir leben alle in verschiedenen Bundesstaaten, die anderen haben Frauen und Kinder und Bills Studio ist ständig ausgebucht. Bane touren sehr viel, also war klar, dass es eine Teilzeitband sein würde, obwohl wir so viel Zeit wie möglich in die Band stecken.

Was machst du um das auszugleichen, du wolltest einen Gedichtband veröffentlichen, oder?

Russ: Ich will ein Buch schreiben, ich schreibe eine Kolumne in einem Magazin und bin gerade dabei ein paar Solostücke aufzunehmen. Es ist jetzt nicht die typische Akustikmusik sondern vereint ganz viele Stile und Ideen.

Trotz der Zugkraft eurer Namen spielt ihr ja eher kleine Shows oder macht den Support von grösseren Bands, wie gross ist der Druck sich davon bald zu lösen?

Russ: Also wenn üben wir den selber aus und es stellt sich nicht so schnell ein wie wir gehofft hatten aber wir touren und machen dann vielleicht ein Jahr gar nichts und so funktioniert die Musikszene eben nicht, man muss ständig unterwegs sein, wir haben das früher gemacht, Aaron macht es noch immer, er ist eigentlich nie zu Hause.

Du bist ja auch Mitglied der Grünen, wie stehst du touren gegenüber, das ja gerade in den Staaten ziemlich un-grün ist?

Russ: Es wäre grossartig grün touren zu können. In den USA war es schon immer viel schwieriger zu touren als irgendwo sonst, mit der Wirtschaft und so. Die Punkszene, also die Leute die parallel aber weit unter dem Mainstream agierten ist in den letzten zehn Jahren verschwunden. Bands die erfolgreich sind müssen also in die Kulturindustrie eintreten und sich Manager suchen und zu Majors gehen, dass ist nicht mehr Punk, dass sind Konzerte, keine Shows.

Das hat unabhängige und kleinere Bands geschädigt, weil dadurch auch die Infrastruktur dezimiert wurde. Man kann heute nicht mehr vor 250 Kids spielen, weil die einen Song von Dir auf einem Mixtape haben, die Industriebands holen sich diese Kids in ihr Monopol.

Ihr tourt ja durchaus mit solchen Bands anstatt euch auf die DIY Szene einzulassen, seht ihr euch als eine Band auf der Schwelle zwischen diesen beiden Welten?

Russ: Wir haben nie darüber nachgedacht, da wir alle schon so lange dabei sind, kennen wir viele Leute von früher, die uns jetzt helfen indem sie uns auf Tour mitnehmen. Dafür sind wir dankbar, weil wir sonst diese Möglichkeiten einfach nicht hätten, bereits solche Touren zu spielen.

Das hat uns aber auch keinen Massenerfolg eingebracht weil wir nicht so leicht ins Ohr gehen wie die Musik der Bands mit denen wir touren. Wir beziehen uns musikalisch auf eine Zeit in der Musik nichts mit den heutigen Trends zu tun hatte, es ist also nicht eingängig sondern unbeliebt aber wir wollen uns nicht anbiedern.

Vielen Leuten in deinem Alter scheint es so zu gehen, Cinder Block von Tilt hat sich mit Retching Red zu ihren widerspenstigeren Wurzeln begeben und nur so können ja auch jüngere Leute das mitbekommen, weshalb ich es schade finde, dass du aufgehört hast über politische Inhalte zu sprechen. Ist das auch um von diesem Personenkult weg zu kommen?

Russ: Ich habe meine früheren Bands als Vehikel für meine Meinungen benutzt, ob politisch oder sonst wie, aber darum geht es mir bei dieser Band nicht. Deswegen will ich eigentlich auch keine Interviews alleine geben, es geht nicht um mich, der eine Stunde über Politik redet. Mit dem älter werden habe ich das Gefühl ich sollte vielleicht Akustikmusik machen und mich hinsetzen, stattdessen habe ich mich einer noch aggressiveren und anstrengenderen Band angeschlossen. Die Herausforderung ist aber grossartig, gerade weil es sonst kaum jemand macht.

Es kann ja sicher auch nervig sein immer als repräsentativer US-Amerikaner über Bush, jetzt Obama ausgenommen zu werden, andererseits ist das natürlich ein wichtiger Teil einer Tour, oder?

Russ: Manche Leute interessiert es einfach, was gerade in den Staaten passiert, und da wir gerade verfügbar sind, werden wir danach befragt. Wenn die Leute wütend über die USA waren hat sich das auch tatsächlich negativ auf das Tourklima ausgewirkt. Ich habe keine Stimme in Washington, da meine Partei nicht vertreten ist. Mit meiner alten Band waren wir direkt nach 9/11 hier unterwegs und haben uns dazu entschieden darüber nicht zu sprechen, wir waren einfach noch nicht bereit dazu, was viele Leute nicht akzeptieren wollten.

Wir waren gestern in den Niederlanden und der Betreiber aus dem mittleren Osten sagte nur Obama, Daumen Hoch! Das ist vorher nie passiert, das war ganz nett. Als er vereidigt wurde waren wir schon hier, deshalb haben wir noch gar nicht viel mitbekommen, wie es ist mit diesem neuen Präsidenten. Wir verfolgen die Nachrichten aber es fühlt sich noch nicht wirklich an. Hoffentlich wird er unser Image verbessern.

Die USA leidet an nationalem Narzissmus, wir denken was wir tun hätte keine Konsequenzen und viele Bürger reisen kaum und wir haben keine freie Presse wodurch wir nur einen Mini-Ausschnitt der Welt mitbekommen. Ich hoffe, dass diese Regierung die USA wieder zu einem globalen Bürger und Partner machen kann, anstatt zu einem Elefanten im Porzellanladen.

Was jetzt ja wieder eine Einzelmeinung ist, die du nicht mit der Band vertreten willst…?

Russ: Auf jeden Fall. Gerade bei meiner alten Band war es oft so, dass die Leute mich als Person interviewten und bei Only Crime soll es nicht um eine Botschaft oder Politik gehen, es geht um Musik, was natürlich eher langweilig für die Leser ist. Wir wollen immer so viele Meinungen wie möglich durch verschiedene Leute vertreten, um zu sehen was jeder in die Band mitbringt, das stärkt auch den Zusammenhalt.

Dennoch hast du dich wiederum dazu entschieden „nur zu singen, obwohl du ein Instrument spielst, geht es da auch um den Performance-Charakter?

Russ: In dieser Band ist es mir wichtig im Takt wie ein Idiot rumzustolpern, ausserdem könnte ich die Stücke nicht spielen.

Du hast auch mal gesagt du würdest gerne in Südostasien touren, was ja viele kleinere Bands machen. Ist es für euch so, dass ihr finanziell nicht viel in die Band stecken könnt oder wollt?

Russ: Wir können nicht viel alleine machen, dazu sind wir nicht beliebt genug. Ich würde sehr gerne dahin, weil ich noch nie da war. Es kostet uns ja schon Flüge um bloss zu proben deshalb ist die Situation für uns schwieriger. Wir haben so viel Geld reingesteckt, vor allem Bill und Ich, in der Hoffnung, dass wir irgendwann ein paar Alben und Tickets verkaufen könnten, aber der Fall ist noch nicht eingetreten.

Ich habe noch nie so viel in eine Band investiert, und dass ist auch okay so, aber mehr ist nicht drin. Wenn wir die Möglichkeit haben neue Fans zu gewinnen, nehmen wir die Chance war. Viele Leute haben zunächst keinen Zugang zu uns, es dauert eine Weile bis man uns mag.

Aber ihr könntet auch mit Bands touren die vielleicht ein ähnliches Publikum haben?

Russ: Wenn wir mit Hardcore Bands touren finden die Leute uns weniger gut als wenn wir mit Lagwagon spielen. Wenn du über 30 bist und ein Saccharine Trust T-Shirt trägst kannst du vielleicht was mit uns anfangen, aber wir bedienen sicher nichts was gerade angesagt ist, die jüngeren Fans sind nicht so begeisterungsfähig, aber wir wollen eben keine einfachen Strukturen.

Uns bedeutet die Musik viel und früher hatten wir auch eine sofortige positive Reaktion, es ist frustrierend, aber wenn es dann doch klappt freut es uns umso mehr. Wir sind motiviert und wollen etwas machen, was sonst niemand tut. Wir haben viele Dinge in unserem Leben erreicht und deshalb sind wir entspannter darüber was hier passiert. Es wäre grossartig irgendwann auch etwas Geld damit zu verdienen, aber wenn nicht, auch gut.

Was ist eigentlich mit euren Albumcovern los, es es einfach ein zufälliges Motiv, dass irgendwie zur Kriminalität passt?

Russ:  Ja absolut, dem bleiben wir auch treu, wir werden demnächst zehn Tage im Studio verbringen und vielleicht wird da eine neue Veröffentlichung daraus entstehen, und dann gucken wir, wie wir das illustrieren. Wir haben einen neuen Gitarristen und Bassisten und das wird sich auch widerspiegeln, es ist viel kollektiver in dieser Band, für mich ist es schwieriger aber auch befriedigender so Songs zu schreiben. Es sind zwei Jahre vergangen seit Virulence.

Wir werden mit No Use For A Name auch in Kanada touren und würden auch gerne zurück nach Europa. Wir können eben nicht Headlinen, denn es würden keine Karten verkauft werden, wir müssen erst unser Publikum finden. Wir machen so viel wir können und haben Spass, wenn jemand anderes uns dabei hilft, super. Wir wissen noch nicht mal wer das neue Album veröffentlichen wird.

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Interview: Alva Dittrich

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