Dezember 5th, 2008

NUMBERS (#127, 12-2007)

Posted in interview by jörg

Sind laut eigener Aussage „private people“, die ihre Musik gerne im Vordergrund sähen und weniger ihre Persönlichkeiten. Das geht im Falle der Sängerin und Schlagzeugerin Indra sogar bis zum Geschlecht. Freudig erzählt sie mir von ihren Erfahrungen in Japan.

In der Rockszene gäbe es da keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen und es interessiere auch niemanden, wie die Band zusammengesetzt ist. Bemerkenswert gerade deshalb, weil der Rest der japanischen Gesellschaft noch in striktem Rollenverständnis aufzugehen scheint, pflichtet mir auch Gitarrist und Sänger Dave bei. Perfekt ist es also auch dort nicht, aber wo ist es das schon? 

Wie ist also die Musik des mysteriösen Trios beschaffen? Auf Kill Rock Stars erschien vor kurzem das neue Album „Now You Are This“ das schon dem Titel nach den Werdegang einer angeblich vormals tanzbaren Gruppe nachzeichnet. Zu vertrackt für den einfachen Genuss und vor allem zu voll gestopft von etwas was man vielleicht Synthesizer-Wand taufen könnte. Und über all dem thront der teils mechanische teils melodische Gesang von Indra und der leicht schräge von Dave. Sympathisch wird das Ganze vor allem dadurch, dass trotz allem hier keine übermusiker am Werk sind sondern inspirierte Individuen die sich, wie man so schön sagt, gefunden haben.

***

Deshalb verwundert es auch nicht, dass selbst die für den Laien kompliziert klingenden „Stücke vermehrt in Jams entstehen, und die restlichen Teile nach und nach hinzugefügt aber auch oft wieder weggenommen werden“ wie Dave zu berichten weiss. „Eigentlich ist der Aufbau immer ziemlich simpel aber wir spielen die verschiedenen Sounds so gegeneinander aus, dass es so vielschichtig klingt“ lenkt Indra ein.

Früher wäre ihre Platte vielleicht auf 5RC gelandet aber auch Kill Rock Stars musste in den letzten Jahren den Gang zurückschrauben „was uns jetzt nicht so betrifft, weil wir immer noch mit den gleichen Leuten zu tun haben“, sagt Dave, „aber ich mache mir Sorgen um sie und hoffe, dass sie durchhalten.“ Tastenmann Eric ist sich jedoch sicher, dass „Maggie und Portia einen guten Plan entwickelt haben, wie sie mit weniger und kleineren Releases mehr erreichen können haben“ „Andererseits kauft niemand mehr CDs“ seufzt Dave.

Trotzdem kennen die Leute die Numbers seit Jahren, ob nun mit gekauften CDs oder über anderem Wege und wie Dave erklärt, „scheint es so als ob US-amerikanische Bands in Europa immer noch besser Touren können als zu Hause. Obwohl hier weniger PR läuft. Hier gibt es Unterstützung für die Musik“ „Wir hatten aber auch sehr viel Glück weil unserer Booking Agent super ist, Andreas von Puschen aus Berlin“ lobt Indra. „Man muss sich auch entscheiden ob man wirklich so lange Touren will, natürlich ist es dann finanziell sinnvoller, aber man wird auch verrückt, wir sind Babies“ fügt Dave hinzu.

Numbers haben sich nämlich noch nicht so recht entschieden ob sie Kämpfer oder Babies seien wollen, während diese Diskussion ausbricht stimmen Veranstalter Torben, der uns zu einem fantastischen Essen in seine Wohnung einlud, und ich schon mal Warriors von Blitz an. „Wir sind auch immer davon überwältigt, wie toll die Läden hier sind und dann erklären uns die Leute, ja, sie sind toll, aber lokale Bands dürfen hier nie spielen“ entschuldigt sich Dave für sein Privileg in einer US-Band zu spielen.

In ihrer Heimatstadt San Francisco gibt es aber auch einfach zu viele gute Bands. „Es gibt verschiedene Musikszenen da, die unabhängig voneinander funktionieren, aber es ist auch nicht so, dass es sehr zerstückelt ist“ beschreibt Indra die Stadt. „Es gibt keinen richtigen Kern so wie früher Gilman es war, wo sich immer alle treffen“

Numbers scheinen fester Bestandteil dieser grossen Szene, obwohl sie einen denkbar ungünstigen Namen für das Google-Zeitalter gewählt haben. „Wenn man nach Artikeln über uns sucht muss man schon unsere Namen eingeben“ lacht Indra, „aber es ist nicht so, dass wir absichtlich obskur bleiben wollen“. Dennoch ist auch die Bookletgestaltung eher minimalistisch, die Texte lassen sich nicht mal auf der Internetseite finden, und man fragt sich ob nicht doch eine Abneigung gegen den von der Musikindustrie im Allgemeinen erzeugten Personenkult herrscht.

„Wir wollen leidenschaftliche Musik machen und nicht uns als Personen zur Schau stellen“ gibt Indra zu, „ein weitere Grund ist, dass wir durch diesen Minimalismus wenigstens etwas finden können, mit dem wir alle einverstanden sind“ kichert sie. „Selbst eine Biografie als Presseinfo zu schicken ist schwierig für uns“ kommentiert Dave.

Da müssen sich die Journalisten eben schon selber ein Bild machen, „aber erfahrungsgemäss klauen sie sich selbst die Rezensionen zusammen“ lamentiert Indra, die kürzlich vom Venus Magazine interviewt wurde ohne dass die Interviewerin je ihre Musik gehört hatte. Deswegen stellen die Numbers auch gerne mal Stolperfallen und brachten einige Gerüchte in Umlauf nach wem sie denn so klingen würden.

Als selbst diese völlig unzutreffenden Dinge abgeschrieben wurde, war der Beweis geliefert „Die Faulheit der Amerikaner ist kaum zu übertreffen“. Na ja, das gilt wohl nicht für alle Amerikaner, denn die Numbers machen fleissig weiter damit ihre musikalische Verschrobenheit mit übersprühender Spielfreude zu paaren.

***

Text: Alva Dittrich

Links (2015):
Wikipedia
Discogs

Both comments and pings are currently closed. RSS 2.0