März 15th, 2007

MURDER CITY DEVILS (#83, 08-2000)

Posted in interview by sebastian

Schon seit langem war ich nicht mehr so stolz darauf gewesen, in meiner Heimatstadt ein Konzert besuchen zu können, hatte ich die Band meiner Begehr vor einigen Jahren im Urlaub gesehen (na wo wohl… Mallorca war’s nicht) und sie hatten mich schlicht & einfach restlos überzeugt.

Zwar viel wegen dem Konzert eine weitere Möglichkeit, Hot Water Music zu sehen, aus, aber fünfmal reicht dann auch für zwei oder drei Wochen. Am gleichen Tage spielten zu allem überfluss Leatherface und die Kick Joneses in Wiesbaden, so dass ich nicht sonderlich verwundert war, bei meinem Eintreffen an der Au keinen sonderlich regen Zuschauerzuspruch zu erfahren.

Um so erstaunlicher die Tatsache, dass die MASSLOSS ÜBERBEWERTETE HAUPTBAND Zeke in einem doppelstöckigen Nightliner anreisten, was uns zumindest einiges über die Finanzkraft von Epitaph mitteilt. Dafür war das Publikum unter aller Kanone, viele Macho-tattoo-biker-schmocks eben, die sehr gerne als Beruf ‚Rocker‘ angeben würden, wenn sie morgens im Supermarkt Getränkepfand entgegennehmen. Anyway – die Murder City Devils kamen, äh humpelten auch zum Teil, tranken & siegten. Orgel getränkter Punkrock wie ihn seit den Mummies niemand mehr so gut hinkriegt, wilde Songs, wilde Augen – yow!

Die Platten, die ich von denen habe, sind:
Dance hall music 7″ (Empty US, 1997): schlecht
S/t LP (Die young stay pretty, Distro Sub Pop) : die Anfänge… der Sound ist noch nicht so brachial abgefuckt wie auf der nächsten, dennoch mit bestechendem Songmaterial ausgestattet & noch sehr punkrocklastig
Empty Bottles Broken Hearts LP (SubPop): Exzellente Platte, um nicht zu sagen Meilenstein, wobei beim Layout etc. ganz schön auf die wilder Rockerschiene geklopft wird…

In name and blood CD (SubPop): Habe ich hier nur als Vorabpressung rumliegen, noch orgellastiger als der Vorgänger, das ’18 wheels‘ der Platte davor heisst hier ’someone else’s baby‘ – vielleicht einen kleinen Tick schwächer von den Songs als ‚Empty bottles‘ aber dennoch uneingeschränkt hörenswert.

..und ich glaube, dass dies alle sind…

Interview & Photos von daniel

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In einem Gespräch mit Omar und Cedric von At the drive in, die mit euch ja wohl ganz gut bekannt sind, sprachen wir über das Empty bottles -Album mit dem Song ’18 wheels‘ als Dreh- und Angelpunkt. Beide meinten, dass nicht nur dieses Lied, sondern das ganze Album vom Touren handeln würde – dem Einsamsein?

S: Das ist wahrscheinlich der Hauptpunkt der meisten Songs. Die meisten Lyrics habe ich auf Tour geschrieben, die Musik enstand nach unseren ersten Touren, was letztlich eine grosse Veränderung für mein Leben war. Auf der Platte sind auch noch andere Sachen, eben einfache, dumme Rockdinger eben.

Also basiert das alles auf Wahrheiten?

S: Wahr schon, aber in einer Art und Weise, dass sich zwar nicht alle Inhalte so zugetragen haben, aber ich sie durch und durch meine, wenn ich davon singe. Das Gefühl ist wahr – die Facts nicht immer.

Das erinnert mich an wenig an Jawbreaker, die ihren ‚Tour song‘ schrieben, als sie noch nie richtig auf Tour gewesen waren, dessen Inhalt sie aber wohl einholen sollte. Was ist es – am Touren?

S: Das ist eben das, was wir tun. Wir sind eine Band, also touren wir.

C: Es ist auch unserer einziger Weg, uns als Band zu promoten. Es ist der beste und ehrlichste Weg, uns als Band anderen Leuten vorzustellen, ihnen zu zeigen, was wir tun. Wenn ich nach Hause komme, will ich spätestens zwei Wochen danach wieder los.

Was macht ihr, wenn ihr nach hause kommt – neben ausschlafen?

S: Wenn wir, sagen wir, auf eine einmonatige Tour geht, passiert so verdammt viel, die ganze verrückte Scheisse, und dann kommen wir nach Hause und nichts ist dort passiert, während wir alle dies durchlebt haben – es gewinnt eine surreale Note, die Zeit läuft unterschiedlich schnell ab. Es macht süchtig.

Wie lange seid ihr im Jahr unterwegs?

S: So in etwa 2 Wochen zuhause, 4 Wochen unterwegs, 2 Wochen zuhause..

C: Als Empty bottles rauskam, waren wir 5 Monate des Jahres unterwegs. Im Moment wird’s mehr. Wir waren gerade zwei Wochen zuhause, jetzt 6 Wochen hier, und wenn wir wieder in die USA fliegen geht’s dort gleich weiter.

Wie lang kann man das Trinken & die Parties mitnehmen?

S: Sehr lange. Es kommt auf jeder Tour dieser Moment, wo es für mich sehr schwer wird & ich Heimweh kriege… sieht man von solchen Momenten ab, trinken wir immer, aber es sind keine grossen Parties oder so, sondern wir hängen zusammen ab.

C: Innerhalb der ersten zwei Wochen hat’s dann jeder das ein oder andere Mal so übertrieben, dass es nicht mehr geht, und man sich dann eher mal zurückhält.

Als Freund des gepflegten Getränks würde es mich mal interessieren, ob ihr je darüber nachdenkt, dass der durchschnittliche Arbeiter genauso gerne und viel trink wie ihr, es aber nie Rock’n’roll nennen würde. Letztlich macht man das, was alle tun, huh?

S: Naja, wir denken ja nicht so, dass wir wegen des Klischees saufen müssten. Sondern einfach nur ‚I need a drink‘.

C: Wir sind jetzt auch nicht direkt diejenigen, die damit angeben würden, wieviel in sie reinpasst.

Wenn ich mir den Titel euerer Alben anschaue, oder das Innencover der Empty Bottles, wo ihr als wilde Rocker posiert, mit dem Schriftzug ‚the murder city devils would like to thank rock’n’roll‘ dann kann ich das Euch schlecht abnehmen.

S: Hmm jaaaa. Mir ist schon klar was du sagst, und wir haben sicherlich diese Sex Drugs R’n’r Sache bei der Covergestaltung laufen… das hat auch damit zu tun, dass es eben das ist, was die Leute von einer Rockband erwarten – das Klischee ist ja schon richtig.

C: Als wir anfingen, gab es in unserer Heimatstadt keine kleinen Bands, die mit solchen Sachen rumgespielt haben, so dass wir es eben witzig fanden. Das wandelt sich auch ein wenig jetzt auf der neuen Platte…

S: …Du weisst, gleich werden Photos gemacht, dann nimmste eben ein paar Bier, yippie! Es ist keine bewusste Entscheidung, sondern einfach – einfach.

… auch auf den Lyrics von der 1.LP singst du vom Saufen, weil die Liebe unglücklich machte–

S:– ja. über irgendetwas will man ja singen, will man Texte schreiben, und ich weiss eben, wie’s ist, verliebt zu sein, verlassen zu werden, zu saufen, um zu vergessen. Sicherlich keine neue, funkelnde Idee, aber trotz allem die Wahrheit. Sicher ist das Lied sehr dramatisch aufgezogen, aber auf einer nüchternen Ebene betrachtet stimmt es eben mit Realitäten überein. Die Klischees, die man mit Musik assoziiert, sind ja kein Gimmick, sondern haben eben einen realen Hintergrund.

Was macht ihr den ganzen Tag im Bus? Nur schlafen geht ja nicht, oder?

C: Scheisseschwätzen, Lesen und aus dem Fenster starren. Manchmal wird viele geredet, manchmal überhaupt nicht – wenn eben dieser Zyklus, in dem man sich befindet, die Kontrolle über dich bekommt: In der Mitte von nirgendwo zu sein.

Wann gibt’s meisten Kicks auf der Tour? Vor der Show, nach der Show?

S: Natürlich gibt’s auch hier unterschiedliche Sachen. Aber die Momente, wo zu siebt im Auto sitzen, und uns freuen, eben mit den anderen dort zu sitzen und eben zusammen zu sein, dass sind für mich die schönsten Momente. Oder im mittleren Westen zusammen nach den Gig in eine Drag-Bar zu gehen und zu saufen.

Aber immer mit dem zentralen Punkt, Freundschaft zu erfahren?

C: Ja.

S: Und eben zusammen neue Dinge zu sehen. In diesem Falle eben Europa.

Und einen Bus der Grösse einer Kleinstadt.

S: äh ja – das war sehr aufregend, dass hatte uns keiner gesagt, und wir kennen es logischerweise auch nicht aus den Staaten, und kamen hier an: das ist der Bus, wow. Die Länder, in wir jetzt kommen, all das rechtfertigt die ganze Mühe, die man hat, so etwas hinzubekommen.

Wartet auf jeden von Euch ein Partner zuhause?

S: Auf mich niemand. Da war jemand.

Und das Touren hat’s zerstört?

S: In diesem Fall – nein. Aber es ist sehr schwer, mit jemandem in der gleichen Stadt zu leben, oder sogar zusammen, sich jeden Tag zu sehen, und dann einige Monate wegzugehen. Trotzdem ist es auch nicht einfach, unterwegs zusein, wenn man niemanden hat, der irgendwo auf dich wartet. Du kommst und gehst und das Leben geht ohne dich ja auch weiter.

Du denkst, du hättest irgendeinen Einfluss auf die Welt, aber letztlich hast du den nicht, die würde sich mit oder ohne die Show hier und heute auch weiterdrehen.

S: Im Moment ist es so, dass ich aus Geldgründen kein… Zimmer habe – keine Platz, an dem ich lebe. Was mir gehört, ist bei Bekannten über einige Keller verstreut. Wenn ich nach Hause komme, weiss ich nicht, wo ich wohnen werde. Ich habe Heimweh – ich würde gerne nach Hause gehen und freue mich darauf, aber da ist nichts.

Jetzt im Moment – auf Tour – gibt’s jede Nacht einen Platz zum Schlafen. Alles ist geregelt. Es gibt auch niemanden, der mich zuhause erwartet, kein Freundin oder so. Und da frage ich mich schon oft – warum habe ich diese Entscheidung für mein Leben getroffen – auf der anderen Seite ist es alles, was ich je wollte. Es ist aber sinnlos…

‚Heimat‘ ‚zuhause‘ muss ja nicht unbedingt ein physischer Raum sein, sondern es kann ja auch so etwas wie Zuflucht bedeuten. Vielleicht gibt es etwas anderes, woran du ein ‚zuhause‘ festmachen kannst.

S: Hm ja. Es gibt meine Freunde, oder auch meine Eltern – ausserdem sind wir dann sowieso nur drei Wochen zuhause und danach 6 Wochen unterwegs. Ich finde es dabei erstaunlich, dass man auf der einen Seite die Möglichkeit hat, etwas zu tun, wovon man immer träumte, auf der anderen Seite sich aber dann fragt ‚warum mache ich das eigentlich?‘

Fragst ihr euch je, ‚wo werde ich eigentlich später mal sein‘? Realistisch ist, dass ihr bis Mitte 30 in einer Band spielt. Bis dahin haben sich nämlich 99,99% aller Bands zwölfmal aufgelöst, viereinhalb Drummer verschlissen…

S: Keine Band sollte es länger als 10 Jahre versuchen.

C: Eine Band sollte es so lange geben, so lange es gut in der Hinsicht ist, dass es den Mitglieder Spass bereitet. Wenn der Punkt kommt, dass man sich nur noch an die ursprünglichen Gründe, die Band zu starten, erinnert, ohne dass die Gefühle von damals mehr da sind…

über so etwas haben wir im Rahmen unseres Fanzines oft gesprochen. Warum etwas tun, was in Anbetracht unseres Durchschnittsalters reichlich bescheuert aussieht – aber man es eben so liebt, dass man es nicht missen möchte.

S: Dabei darf man aber nicht vergessen, dass alles andere, sagen wir ein regulärer Job und wenig Freizeit, nicht wirklich klüger ist. Ich sehe diese jetzige Zeit meines Lebens als Gelegenheit, mir länger Gedanken darüber zu machen, was ich dann einmal machen werde.

Viele von uns werden wahrscheinlich etwas mit Musik machen wollen, aber Nate kennt sich mit graphischen Dingen gut aus, vielleicht entwickelt er sich dorthin. Cody wird immer trommeln!

Also eher als Musiker…

S: Ich denke wir halten uns eher für Rock’n’roller als Musiker

o.k. – Künstler oder Handwerker? Kunst oder Arbeit?

C: Es ist eher eine handwerkliche Tätigkeit, aber so wie ein Mechaniker ein Auto customized. Wir machen gerade dass, was wir eben tun und hoffen, auf dem Wege irgend etwas anderes zu entdecken, was vielleicht .. besser ist?

S: Wir sind eher kreativ als technisch versiert.

C: Wir sind ja keine Musiker mit Notenkenntnis?

Würdet ihr mit einer Gitarre umgeschnallt in Unterhosen zuhause rumlaufen?

Beide: Nein!!

C: Aber ich kenne viele Leute, die dies tun!

Wenn du ein Auto nun restaurieren müsstest, welches wäre es? Das, was jeder von Rockern erwartet?

C: Ich weiss nicht – Autos mag ich nicht.

S: Einen ’75er Trans Am.

C: Jeder von uns mag Trans Ams

Warum mag niemand den AMC Pacer?

S: Dan mag den AMC Eagle, kennst du den?

Ich glaube es – wir hatten lange die GI s hier in unserer Stadt.

S: Der Eagle ist wie ein Pacer, aber noch mehr Goldfischglas-artig.

Noch mehr?! Noch mehr Glas.

Roadie: Dan mag den Eagle wirklich – es ist das hässlichste Auto, dass je gebaut wurde.

Oh für das hässlichste Auto braucht er aber diese Holzimitat Folie auf den Flanken–

S: Aber die muss schon zum Teil abgezogen sein!

Warum mögen Amis den neuen VW Beetle und die Deutschen nicht?

S: Keine Ahnung, aber ich finde ihn ziemlich schlecht. Ich habe den alten Käfer gemocht, aber zB die Radkappen sind so scheisse, die sind wie eine Blume geformt. Oder vorne gibt es eine Ablage, in der man eine Blume pflanzen kann.

C: Das gute am alten Käfer war ja, dass es ein sehr spartanisches, auf Zweck ausgelegtes Auto war. Der Motor hinten, wo er ja – was viele sagen – auch hingehört.

S: Der neue Beetle hat den Motor vorne, er ist einfach nur ein Compact (Car) wie ein Honda. Es ist ein Stück Plastik. Sie hätten die alten in Mexico weiterbauen sollen.

C: Volkswagen definitely lost their shit.

Wieso ist eine Band wir ihr eigentlich auf Sub Pop?

S: Bis heute hat niemand uns gefragt ausser denen. Niemand hat uns ein Angebot gemacht. Ausser Empty…

C: Das einzige andere Label war Empty, aber da hätten wir das Studio vorfinanzieren können.

Wie es euch aufgefallen sein dürfte, gehen mir die Fragen aus, daher die Standardfrage zum Schluss: In welcher aktiven oder verblichene Band würdet ihr gerne wen ersetzen?

S: (nach langem Nachdenken) Ich würde gerne Bass für die Birthday Party spielen

Ups – ich hab‘ mal Mick Harvey während seiner Bad Seeds Zeit gesehen, wie er während eines Stromausfalles die BassLinie von Dead Joe zupfte… um mal ein wenig anzugeben, hups.

C: In einer der ff. Bands würde ich gerne irgend etwas gemacht haben – Aerosmith, Led Zeppelin.. Nirvana, Melvins…. ich mag die heavy hitting Drums!

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