Juni 1st, 2007

MOENSTER (#120, 10-2006)

Posted in interview by jörg

Mönster. Berlin. Das begann alles 2004, als Marek (INSUICIETY, ex-DYSMORFOFOBIA), Alexandre (BORN DEAD ICONS, ex-THE BLACK HAND), Jobst Eggert (ex-PEACE OF MIND, ex-HIGHSCORE), und Matthias Dabrowski (A THIN RED LINE, ex-COSTA`S CAKE HOUSE) anfingen, zusammen Musik zu machen.

Alexandre, ihr Schlagzeuger musste irgendwann auch wieder nach Kanada zurück und so sprang fürs erste Frytek (LOST/DISABLE) ein. Bald stieg Iffland (ex-MVD/vocal, ex-UGLY AESTHETICS) ein und das ist auch schon die Story. Musikalisch bewegen sich Mönster irgendwo in der Hardcore-Punk Ecke mit einer ordentlichen Kante Rock, wie man auf dem neuen Album besonders gut hören kann.

Der Name lässt schon an Motörhead denken, dabei ist es das schwedische Wort für Muster und damit beschreibt die Band selbst ihre Songstrukturen: sie gehen nach Mustern vor und diese sind immer wieder in ihren Songs zu finden. Hier nun ein Interview mit den Vieren, das per E-Mail geführt wurde – denn auf dem Mönster Konzert standen die Fragen noch nicht.

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Wohnt Ihr nun eigentlich alle in Berlin oder müssen einige längere Strecken fahren? Marek, Euer Basser z.B. muss schon ein wenig fahren, oder? Wie kann Mönster also so “funktionieren” bzw. bestehen?

Iffi: Ich wohn seit 6 Jahren in Berlin. Die anderen auch schon einige Jahre. Aber alle in Berlin. Also, kein Problem mit Proben oder so.

Jobst: Richtig. Alles easy mit Proben. Ob das sonst so mit der Band klappen würde, weiss ich nicht. Ich hab zwar schon in Bands gespielt, wo wir ein paar Stunden voneinander gewohnt haben, ich weiss aber nicht, ob ich das heute noch so könnte / wollte.

Was würdet Ihr Euch denn in Berlin wünschen, was Ihr in anderen Städten bzw. in einer anderen Stadt, in denen/der Ihr gespielt habt, gab?

Iffi: Das is schwer, ich bin hier eigentlich ganz zufrieden. Manchmal is hier einfach zuviel Stress auf Konzerten…irgendwelche stumpfen Hauereien etc. Aber die gibts irgendwo anders genauso oft. Berlin is geil!

Jobst: Stimmt, Berlin ist schon ganz geil, auch wenn ich für mich als Dorfjunge, der danach jahrelang in einer Kleinstadt gelebt habe, das überangebot an Konzerten und anderen coolen Sachen schon manchmal erschlagend finde.

Einerseits ist es natürlich cool jeden Abend auf ein Konzert zu gehen, wenn man will. Andererseits ist der Anreiz, selbst etwas auf die Beine zu stellen, geringer und man sucht sich dann doch sehr genau aus, was man sehen will. Und das ist dann schon auch der Effekt, den ich hier bei vielen Leuten sehe. Dass es in Berlin so viele Sub-Szenen gibt, passt da auch ganz gut ins Bild. Was ich an manchen anderen (oft kleineren) Städten cool finde ist, dass verschiedene Leute teils viel mehr zusammen machen.

Das fehlt mir in Berlin etwas. Hier haben sich die Leute schon etwas zu sehr aufgeteilt. Und auch wenn es schon einige coole Bands gibt (Battle Royale, Final Prayer, Deleometer, Cold War, Ivan Drago, The Working Dead,…) bin ich doch immer wieder erstaunt, dass aus einer so grossen Stadt bisher so wenig herausragende Bands (mal abgesehen von den Troopers, hihi) entstanden sind. Vielleicht hat das auch was mit dem überangebot an konsumierbarer Musik zu tun; vielleicht lähmt das auch die eigene Kreativität.

Matze: Also Berlin kann schon viel bieten und Konzerte gibt es genug, da sind wir in Berlin schon im Vorteil. Was mich hier stört, ist die Preispolitik bei DIY Konzerten. Bei 2 tourenden Bands (auch aus übersee) kann es schon sein, dass der Eintritt 3,50 kostet und es gibt noch Leute an der Kasse, die sich beschweren, es sei zu teuer. 50 Cents gehen dann meistens als Spende sowieso flöten und die Bands können nur hoffen, dass viele Leute kommen.

Kann manchmal schon passieren, dass viele Leute kommen und dann die Bands vernünftig bezahlt werden, leider aber geht diese waghalsige Theorie der Veranstalter nicht in Erfüllung und die Bands werden mit einem feuchten Händedruck nach Hause geschickt. Viele, der meiner Meinung nach Konservativen Dogmatik-Punks sind halt überhaupt nicht up-to-date und denken, man kann das mit alten DM Preisen, die schnell umgerechnet in Euro, noch irgendwie rechtfertigen. Mir tun oft die Bands leid, weil sie oft mit hohen Erwartungen nach Berlin kommen.

Diese Preispolitik resultiert wohl zum Teil auch wieder aus dem überangebot.

Jobst: Das denke ich eigentlich nicht. Das hat eher wieder etwas mit Ansprüchen zu tun, die ich z.B. generell cool finde. Natürlich hört es irgendwann auf und wenn ich ein Konzert mache, dann sollte ich schon drauf achten, dass die Bands wenigstens die Unkosten wieder rein kriegen.

Das wünsch ich mir als Band ja auch selbst. In Berlin wird da in der Tat manchmal um des Prinzips willen übertrieben und bei mehreren tourenden Bands und der Gewissheit, dass da eben keine x-hundert Leute kommen, ist es teils schon grob fahrlässig so wenig Eintritt zu verlangen und die Bands mit 20-50 Euro weiterzuschicken naja

Interessant finde ich ja, dass Ihr scheinbar tatsächlich längere Zeit über Euren Namen nachgedacht habt und noch immer über die verschiedenen Cover-Artworks in der Band und mit den Künstlern diskutiert. Macht Ihr Euch auch über Eure Konzertorte so viele Gedanken – z.B., ob das wirklich ein Ort ist, an dem Ihr spielen möchtet etc.?

Matze: Naja, mit dem Namen war es schon so, dass wir uns da Gedanken gemacht haben. Ich sass stundenlang vor einem schwedischen Lexikon und suchte nach was Coolem. Und dann so was! “MöNSTER” – heisst Muster und kann auch noch die Leute in die Irre führen, die denken, die Band hiesse MONSTER!

Als Muster sahen wir uns sowieso, weil wir das Rad des Rocks nicht neu erfinden wollten und das erste Logo im Motörhead Stil musste das natürlich auch noch unterstreichen. Schwedischer Sound – schwedischer Name, konnte Muster mässig auch abgehakt werden. D.h. der Name hat alles was wir wollten. Wir nehmen uns nicht zu ernst und so soll der Name auch verstanden werden… also nix MONSTER, böse und so…

Iffi: Wir sind halt alle so verschieden, da bleibt das Diskutieren nicht aus und das is auch gut so…keine Lust ne tote Band zu sein, bei der sich niemand was zu sagen hat. Sicherlich gibt es manchmal Orte, wo einer lieber spielt als der andere aber wir einigen uns eigentlich immer….. oder so, ha ha.

Jobst: Stimmt, aber bei Konzerten sind wir meist nicht so wählerisch. Ich find das auch ganz gut. Natürlich haben wir unsere “moralischen” Grenzen was Eintrittspreise angeht und mit Bands, von denen wir vorher wissen, dass sie rassistische, sexistische oder homophobe Texte haben, spielen wir auch nicht zusammen.

Bands mit rassistischen, sexistischen oder homophoben Texte – ist Euch das schon öfter einmal (unwissend) geschehen?

Jobst: Bestimmt. Lässt sich wahrscheinlich auch nicht verhindern, wenn man halt irgendwo hinfährt und mit irgendwelchen Bands zusammenspielt. So ganz explizit Nazi-Bands waren da natürlich nicht dabei, aber bei einigen Melodycore-, Death Metal- oder Schweinerock-Bands kann ich mir gut vorstellen, dass da jetzt nicht nur explizit antisexistische Texte gesungen werden. Das ist natürlich ein generelles Problem was den Anspruch an Texte angeht. Ich für meinen Teil habe da einen relativ hohen und hoffe den auch bei Mönster irgendwie zu erfüllen.

D.h. ich hoffe, dass meine/unsere Texte zumindest ein wenig zum Nachdenken bzw. Hinterfragen anregen und nicht nur cool klingen. Ob das jemanden interessiert ist natürlich auch noch einmal eine andere Frage und mir letztlich auch egal. Für mich ist Hardcore/Punk nach wie vor eine “Bewegung” in der Inhalte eine bedeutende Rolle spielen. Mir ist in dieser Hinsicht das ständige Hinterfragen eines als natürlich oder normal geltenden Status Quo ein grösseres Anliegen. Natürlich immer mit dem Hintergedanken, Dinge zu bewegen und zu verändern. Das ist natürlich einerseits schwierig, weil sich auf grösserer Ebene wenig tut und tun wird.

Andererseits kann da persönlich schon eine Menge passieren und zumindest eigene Einstellungen und letztlich auch mehr oder wenige alltägliche Handlungen (insbesondere im Umgang mit anderen Menschen, aber beispielsweise auch in der Rolle als Konsument in einem reichen Industriestaat oder [wenn man denn Lust dazu hat] als demokratischer Wähler). Da zumindest einen Standpunkt oder eine Meinung zu haben, find ich prinzipiell erstmal gut. Und da können Texte (aber auch Musik) schon viel bewirken und Anstösse geben.

In einem Interviews mit Euch habe ich von Eurer Tour durch Griechenland gelesen. Dort haben die Veranstalter Eurer Konzerte keinen Eintritt genommen und meist die Konzertorte noch am gleichen Tag erst besetzt. Wie funktioniert so etwas dann finanziell für Euch als Band? Wie könnt Ihr da Eure Spritkohle zusammen bekommen, Essen, etc.? Wie können da mehr als 10 Leute auf Konzerten erscheinen, wenn keine Werbung für das Konzert gemacht wurde?

Iffi: Also Greece war kult. Kann man mit hier nicht wirklich mit vergleichen. Komplett andere Strukturen etc. und ich muss sagen, das dit da alles geklappt hat d.h. Werbung // Kohle etc. die haben da ordentlich gesammelt und dit hat geklappt. Muss dazu sagen, dass die Merchandise gekauft haben, als ob`s kein morgen mehr gäbe. Würde ich gerne mal wieder hin.

Jobst: Griechenland war in der Tat ein spannendes Erlebnis. Da laufen Dinge in vieler Hinsicht sehr anders als hier. Grundsätzlich ist es ja immer spannend auch die HC/Punk-Szenen in anderen Ländern/Kulturen kennen zu lernen und andere Strukturen mitzuerleben. Und Griechenland war da schon extrem anders als das in vielen Fällen sehr geordnete Deutschland.

Klar, hängt natürlich auch immer davon ab in welchen Szenen/Kreisen man sich bewegt. Wir waren da glücklicherweise in einer sehr politischen und aktiven Szene unterwegs und wer sich ein wenig mit der Geschichte der griechischen Autonomen auskennt bzw. die z.B. mal auf Grossdemos wie in Genua, Prag oder Göteborg erlebt hat, der weiss, dass die… ich sag mal: nichts anbrennen lassen.

Und diese starke, aber auch gewalttätige Atmosphäre von Leuten, die sich nicht alles gefallen lassen haben wir in der Tat auch öfter auf Konzerten erlebt. Und das habe ich so in noch keinem anderen Land bzw. keiner anderen Szene erlebt. Auch wenn das jetzt nicht zu 100% meine Welt ist, fand und finde ich das sehr faszinierend. Auch, dass es absolut selbstverständlich ist, dass Konzerte keinen Eintritt kosten und dass das trotzdem klappt, weil eben dann viele ein paar Euro in einen Karton oder Helm legen, ist schon sehr cool.

Das Spektrum an Leuten war auch relativ gross. Schon alles sehr politische Menschen, und davon auch viele ältere. Und dadurch, dass es eine breite Politszene da gibt, kommen eben auch nicht nur 10 Leute zu Konzerten, sondern am Wochenende eben 3-400. Egal, wer spielt.

Matze: Erstaunlicherweise hat alles super geklappt. Wir waren auch sehr skeptisch, als wir vor Ort erfuhren, dass der Laden erst besetzt werden muss… Plakate waren gemacht und Leute kamen genug zu Konzerten (Athen ca. 500 und Thessaloniki ca. 350).

Ui, das ist natürlich grossartig, das hätte ich nicht gedacht. Diese andere Mentalität/Einstellung (ich betitele das jetzt einfach einmal so) scheint sich ja auch derzeit bei den besetzten 75% der Hochschuleinrichtungen in Griechenland widerzuspiegeln. Etwas seltsam finde ich wiederum, dass da so viele Leute auf Konzerte kommen, egal, wer spielt. Sind Konzerte so rar oder sind die einfach so starke Konzertgänger bzw. halten da zusammen?

Jobst: Da gibt`s schon weniger Konzerte und andererseits ist halt die linke Szene, aus der die Leute, die unsere Shows gemacht haben, kamen, einfach viel stärker. Die 75% besetzten Hochschuleinrichtungen sprechen da ja mehr als klare Worte! Zum anderen existiert (zumindest ist das mein Eindruck) wirklich auch mehr Zusammenhalt.

Ich hatte den Eindruck, dass Ihr keine Schwierigkeiten hattet, mit den Zuhörern auf Euren Konzerten zu kommunizieren und habt Ihnen Sympathien für Euch abgewinnen können. Habt Ihr da auch schon Gigs gehabt, wo es richtig Probleme gab – welcher Art auch immer?

Iffi: Probleme??? Krieg davon immer nich soviel mit was die da vorne anstellen. Jobst meistert das, glaub ich, immer ganz adrett….

Matze: Manchmal verstehen die Leute den Humor nicht, aber das kommt eigentlich superselten vor. Jobst meint vieles sehr ironisch was er sagt und manche verstehen das nicht, aber wie gesagt: eher selten.

Jobst: Naja, es gibt eigentlich immer ein paar Leute, die uns (oder mich, weil ich halt am meisten auf der Bühne rede) scheisse finden. Du sprichst ja unser Konzert in Trier an. Konkret an dem Tag haben Marek und ich nach dem Konzert noch ein Gespräch unter ein paar anwesenden Heavy-Metal-Typen mitbekommen, die uns z.B. wegen den Ansagen scheisse fanden. (O-Ton: “Nee, das ist echt nicht cool, wenn man von der Band, für die man bezahlt hat, beleidigt wird!”).

Aber manche Menschen verstehen Ironie auch nicht bzw. haben bestimmte Erwartungen, wie eine Band sich “ihrem” Publikum gegenüber zu verhalten hat. Ich bin ehrlich gesagt froh, wenn wir ein paar Leuten so oder so vor den Kopf stossen und zumindest ein paar Reaktionen hervorrufen. Auch wenn wir ja nun wirklich nicht extreme Sachen machen oder sagen. Aber ernsthafte Schwierigkeiten gab`s bisher nicht. Als ich noch bei Highscore gespielt habe, wollte mich mal ein Typ wegen irgendeiner Ansage verprügeln. Der konnte dann aber noch von seinen Kumpels zurückgehalten werde und konnte mir nur “Hamburg-Verbot auf Lebenszeit” aussprechen!

Haha, super. Das mit den Metallern in Trier hatte ich gar nicht mit bekommen. So ist das eben. Stört es Euch eigentlich, wenn Leute auf Konzerten (ob auf Euren oder auf denen, die Ihr besucht) rauchen oder ist Euch das egal?

Iffi: Mir is das egal, o.k., wenn das so`n ultra kleines Kellerloch is dann vielleicht ja, aber grundsätzlich is das mir egal.

Jobst: Naja, geil find ich`s nicht. Aber ich ärgere mich da auch nicht drüber. In Deutschland ist das halt normal. Aber wo wir ja schon bei Griechenland waren: da ist das noch 1000mal extremer mit dem Rauchen. Ich glaube wir haben einen Griechen kennen gelernt, der nicht Kettenraucher war!

Matze: Mir ist das egal, ausser der Raum ist total winzig und hat keine Lüftungsmöglichkeiten und es rauchen sehr viele. Das ist aber eher selten… ausser in Frankreich, da war es fast immer so, egal wo ich war!

Dann wechseln wir noch einmal nach Trier. Dort habt Ihr Euch mit Sätzen, wie “Pfingstmontag – was war denn da noch mal? War das das mit der Auferstehung?” als grosse Kenner des christlichen Glaubens geoutet, haha. Da drängt sich folgende Frage geradezu auf, in dieser Form gestellt zu werden: Ist eine USA Tour in näherer Zukunft ins Auge gefasst? Dort könntet Ihr wohl missionarisch Grosses vollbringen.

Jobst: Gute Idee eigentlich! Vielleicht sollten wir der Neuen Welt tatsächlich mal ein paar gute “Werte” vermitteln! Die Amis könnten ja schon viel von uns lernen… aber Spass beiseite: konkrete Pläne haben wir nicht, aber wer weiss. Wobei die USA für mich persönlich nicht wirklich top priority sind.

Zu lange Fahrten zwischen den Konzerten und als Band, die da keine Sau kennt, stell ich mir das wenig spannend vor. Dann schon lieber weiter in den Osten. Russland, Südostasien, Japan oder Australien würde ich gern machen, aber das wird wohl auch erstmal nichts; zu teuer, zu wenig Zeit.

Hört sich gut an. Um gleich noch ein weniger weiter auf dem Religionsquatsch rumzureiten: Was sagt Ihr denn zum dritten Versuch Stoibers/CSU, in Bayern eine Gesetzesänderung zu bewirken, welche ermöglicht, Blasphemie härter zu bestrafen?

Jobst: Finden wir super. Am besten gleich Todesstrafe. Vielleicht sollte das generell auf alle Nicht-Christen ausgeweitet werden. Wo kommen wir denn da hin, wenn irgendwelche Dahergelaufenen nicht mit unserer christlich-abendländischen Leidkultur übereinstimmen.

Matze: Naja, Stoiber versucht halt alles um sein Bayern noch “intakt” zu halten. Er verschliesst seine Augen vor der Veränderung und versucht halt sein Ding da durchzuziehen. Dritter Versuch? Naja da merkt man, wie ernst er genommen wird…

Genau, da wollen wir lieber über andere Sachen weiter reden: Eines der geilsten T-Shirt Designs ist Euer “Mönster. Hardcore gegen alles”-Motiv. Hammer. So simpel und doch so genial. Wer hatte die Idee dazu und verdient die Lorbeeren – oder habt Ihr das geklaut?

Jobst: Tja, das ist so eine Art Kooperation gewesen. Ich habe (anscheinend) vor einigen Jahren auf einem Konzert mit meiner alten Band Highscore mal gesagt, dass wir “Hardcore gegen alles” machen. Anscheinend war jemand im Publikum, der das total inspirierend fand und dann ein Poster mit ebenjenem Design gemacht hat. Eine gemeinsame Freundin hat mir das dann irgendwann später mal gegeben und das Teil lag die letzen paar Jahre in meinem Zimmer.

Ich wusste nicht mal, wer das gestaltet hatte. Als wir jetzt neue Shirts machen wollten, ist mir das wieder eingefallen und ich hab es nochmal nachgebaut und dann haben wir die Shirts gedruckt. Witzigerweise hat sich der Typ, der das ursprünglich gemacht hat, jetzt gemeldet und ich kannte den sogar! Verrückte Welt. Also die Lorbeeren verdienen ich und Rolf!

Auf Eurem ersten Album “Death Before Disorder” gibt es den Song “Failed”, dessen Text mir ganz interessant scheint. Es geht um die Problematik, inwieweit man überhaupt sein Leben möglichst selbst bestimmt leben kann und wie schnell Scheitern und Resignation sich als wichtige Themen heraus stellen. Ist da eine gewisse Hilflosigkeit, eine Art “Was nun?/Wie geht es weiter?” heraus zu lesen?

Jobst: Uiuiui, umfassende Frage. Generell hast du das schon gut heraus gelesen. Ich hab ja vorher schon mal bemerkt, dass ich gewisse Ansprüche an Texte habe. Die ergeben sich natürlich aus meinen persönlichen Ansprüchen an mich und mein Leben. Die sind schon recht hoch, ganz einfach weil ich 1. vieles um mich herum scheisse finde und 2. kein Freund von einfachen Antworten bin (bzw. vielleicht einfach nicht blöd genug dafür).

Diese beiden Faktoren machen das Leben in der Tat nicht unbedingt leichter und können leicht zu einer gewissen Resignation führen. Vielleicht lässt sich das mit einem gewissen Alter auch nicht ganz vermeiden. Wobei ich dazu erwähnen möchte, dass ich “Scheitern” jetzt nicht nur negativ sehe, sondern viel mehr als Normalität, die ich zu akzeptieren versuche. Nenn es Resignation, aber ich denke damit realistischer zu sein, als zu denken, dass ich immer alles erreiche, was ich mir vornehme.

Und einen halbwegs realistischen Anspruch an mein Leben und mein Verhalten zu haben, bedeutet definitiv am Scheitern nicht komplett zu verzweifeln. Und die Antworten auf Fragen wie “Was nun?” oder “Wie geht`s weiter?” sind halt auch immer wieder neue, zumindest dann, wenn man sich die Fragen immer wieder stellt. Solange da kein Stillstand ist finde ich das ok. Aber was das “selbstbestimmt leben” angeht bin ich in der Tat relativ skeptisch. Und auch wenn das natürlich irgendwie ernüchternd ist, geh ich auch an diese existentiellen Fragen lieber realistisch ran als mit einem verklärenden, blauäugigen Weltbild.

Das neue Album “Arms” ist grösstenteils etwas mehr catchy als die “Death Before Disorder” und die Lyrics scheinen mir teils persönlicher. Ein passendes Beispiel ist wohl “Personne n`est clandestine”, also kein Mensch ist illegal. Der Text handelt von Rashid, der als “illegaler Einwanderer” galt, ohne etwas dagegen tun zu können. In der Erklärung zum Text werden einige der Probleme “illegaler Einwanderer” beschrieben. Da wären wir wieder bei “Failed”, wenn ich das richtig verstehe – der Bogen kann, denke ich soweit gespannt werden: sein Leben nicht so leben zu können, wie man es gerne möchte.

Jobst: Das ist aber ein ganz schön weiter Bogen, den du da zu spannen versuchst und der meine Meinung nach hier auch nicht angebracht ist. Es macht schon einen gehörigen Unterschied, ob ich als weisser Mittelklasse-Mann mein eigenes Scheitern (was meines Erachtens auch viel mit hohen Erwartungen meinerseits zu tun hat) zu akzeptieren versuche oder ob jemand aufgrund eines latent rassistischen Systems bzw. beschissenen EU-Gesetzen gezwungen ist, in der Illegalität zu (über)leben. In Deutschland leben mindestens 1 Million Menschen ohne Aufenthaltgenehmigung (MigrantInnen ohne Visum, abgewiesene Flüchtlinge, Familienangehörige), weil sie nicht mehr in ihre “Heimat” können oder wollen.

Dabei ist es egal, ob sie einen Arbeitsplatz haben oder ihre Kinder hier geboren werden. Als Illegaler zu arbeiten (wenn man überhaupt die Chance hat) bedeutet in den meisten Fällen (Hilfs-)Arbeit im Bau-, Reinigungs- und Gaststättengewerbe, in der Landwirtschaft oder der deutschen Sexindustrie. Dabei sind Menschen ohne Papiere faktisch ohne Rechte und können sich weder gegen Gewalt, nicht gezahlte Löhne oder unmenschliche Arbeits- und Lebensbedingungen wehren. Der Zugang zu ärztlicher Versorgung oder Bildung, z.B. dem Schulbesuch, ist extrem schwierig.

Jeder Schritt in der öffentlichkeit bringt die Gefahr mit sich, entdeckt und abgeschoben zu werden: Das kann bei Kontrollen durch die Polizei geschehen, aber auch durch Denunziation aus der Nachbarbarschaft oder schlimmer noch dem vermeintlichen Freundeskreis. Ein Zustand der systematisch ausgenutzt wird und der vor allem in Deutschland nicht vernünftig diskutiert wird. Anscheinend gab es in anderen europäischen Ländern wie Belgien, Frankreich, Italien, Portugal, Griechenland oder Spanien immer wieder Initiativen Illegalisierten Papiere und somit einen Aufenthaltsstatus anzubieten. Ausser der Kampagne “kein mensch ist illegal” gibt es hierzulande wenig Lobby für diese Menschen.

Dabei geht es natürlich nicht nur um Zahlen, sondern letztlich um die Tatsache, dass jeder dieser Hunderttausende in Deutschland seine eigene Leidensgeschichte durchmacht und es politisch kaum eine Diskussion darum gibt. Rashid war ein guter Freund, der letztes Jahr plötzlich verstorben ist. Ungeklärte Ursache und definitiv kein Selbstmord. Wie krank würde es dich machen, wenn du 7 Jahre lang in Angst leben müsstest? Und das sind dann doch ganz andere Probleme, oder?

Natürlich, so schon. Findet Ihr es problematisch, wenn ein Fanzine eine Band interviewt, die Mitglieder dieses Fanzines enthält? Oder wo wären da eventuell Grenzen zu ziehen?

Jobst: Nein, überhaupt nicht. Wobei ich das TRUST in diesem Zusammenhang auch noch mal ganz anders beurteile als andere “Fanzines”, die mit dem ursprünglichen Fanzine-Gedanken meist relativ wenig zu tun haben und sich höchstens in der Musikrichtung von normalen Musikmagazinen unterscheiden. Das TRUST sehe ich da wirklich noch als Fanzine im Sinne von “Alle machen wozu sie Bock haben und insbesondere weil sie Bock drauf haben”:

Andere Hefte funktionieren da nach ganz anderen marktwirtschaftlichen Prinzipien und wenn man sich nur mal anguckt, dass da alle Bands drin sind, die gerade neue Platten raus gebracht haben bzw. auf Tour waren bzw. kommen, dann wird schnell klar, dass hier Promo-Abteilungen und -Agenturen ganze Arbeit leisten und die Hefte da gern mitmachen. Wohl auch um keine wichtigen Anzeigenkunden zu verlieren. Ist ja auch alles ok, aber mit Fanzine hat das nicht mehr viel zu tun. Beim TRUST ist das zum Glück anders. Vielleicht auch weil Dolf so ein sturer alter Mann mit überholten Prinzipien ist! Und das ist wirklich nicht negativ gemeint.

Okay, wir kommen zum Schluss und fahren eine durchaus interessante Standardfrage auf: Was hört Ihr momentan so für Musik (egal, ob älter oder aktuelles)?

Iffi: Also neben meinem Plattenspieler steht: UFO, Austin Lucas, Toxic Holocaust, Rainbow, Sisters Of Mercy, Discharge, Sodom, Annihilation Time, Burial, Post Regiment, Dictators, Celtic Frost und ne Menge mehr, das würde wohl den Rahmen sprengen uhhhhhh.

Jobst: Jetzt gerade z.B. Agent Orange, ansonsten gerade wieder viele alte melodische HC-Sachen, die ich lange nicht gehört habe wie z.B. Dag Nasty, Descendents, Gorilla Biscuits, Farside, Sticks & Stones, All oder Naked Raygun. Absoluter Wahnsinn! Ich bin auch grosser The Gossip-Fan. Aber die Austin Lucas-Platte ist auch gross. Kann ich nur jedem ans Herz legen.

Matze: Also ich höre zur Zeit viel Verschiedenes. Alte Sachen, wie auch neue. Von den alten höre ich viel: Pink Floyd, Jimi Hendrix, Black Sabbath, (ältere) Depeche Mode, Beatles.. . neuere Sachen sind zur Zeit: Isis (Oceanic Remixes), Khoma, Tristeza, The Weight, The Streets, Cult of Luna,.. ach ja und diese neue Austin Lucas ist auch der Hammer! DANKE!

***

Diskografie:

2005 – Death Before Disorder CD/LP (Sabotage Records) 2005

Death Before Disorder MC (Trujaca Fala) 2006

Arms CD/LP (Day After Records/Sabotage Records) 2006

Split-7″ mit CHAINBREAKER (Vendetta Records)

Homepage: www.myspace.com/monsterberlin

Interview: Andreas Lehnertz

Links  (2015):
Discogs

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