März 16th, 2007

MODERN LIFE IS WAR (#113, 08-2005)

Posted in interview by jörg

Modern Life Is War haben im Trierer Exhaus auf dem Krakfest gespielt und waren eine der besten Bands dort. Genau der richtige Tag also, um ein bisschen über die Band und ihre Ansichten zu quatschen. Bei den Fragen zu den Bühnenansagen und der Message der Band haben wir den schon etwas müde werdenden Sänger Jeff vielleicht zu sehr gefordert aber vielleicht hat er uns auch nicht ganz verstanden.

Die Musik, die diese Band macht, ist jedenfalls grossartiger Hardcore und die Live Show verdammt intensiv. Eine Band, bei der es sich lohnt, sie einmal oder mehrmals gucken zu gehen, wenn sie Iowa verlassen und auf Europa Tour sind. Modern Life Is War sind: Jeff (Voc), John (Git), Matt (Git), Chris (Bass) und Tyler (Drums).

Hey Jeff. Erzähl mal etwas über eure letzte Europa Tour! Wie war die so?

Jeff: Wir machten letzten Sommer eine Europa Tour, die einen ganzen Monat dauerte und auf der wir 31 Shows spielten. Ich denke, sie war so gross, wie die Tour mit Converge und mir wurde erst in der letzten Zeit klar, wie gross diese Tour war. Okay, sie war vielleicht ein bisschen kleiner als die mit Converge aber sie ist sehr gut und erfolgreich für uns verlaufen.

Wir waren richtig weggeblasen davon, da wir bisher immer nur von Bands hörten, die nach Europa tourten, zurück kamen und sich dann auflösten – das ist eine Art Europa-Fluch, schätze ich. Aber trotzdem hatten wir eine tolle Zeit auf der Tour und glauben auch, eine gute Reaktion auf unseren Shows bekommen zu haben, obwohl nur 30 Kids im Raum waren. Ich denke, wir haben etwas erreicht bei den Kids und eine weitere Europa Tour war nun wichtig für uns.

Zum Artwork der „My Love, My War, das mir sehr gut gefällt

Jeff: Ich fand einen Grafiker für das Album und wir mochten einige seiner Arbeiten, die er tat – nicht nur Plattenartwork – sondern besonders auch andere Dinge, die er in seinem Portfolio hatte.

Also fragten wir ihn und sagten ihm, dass wir gerne etwas haben würden, dass Veränderung von Leben, Zeit und Ausrichtung zum Thema hat und anschaulich darstellt. Ausserdem erklärten wir ihm, dass es schön wäre, wenn er diese Dinge in einer Art so mit einander verbinden würde, dass es auf Leute zu trifft, die auf unserer Wellenlänge liegen und in der gleichen Verfassung sind, wie wir – auch wenn sie in anderen Ländern leben, eine andere Sprache sprechen und verschiedene Erfahrungen gesammelt haben. Ich denke, da gibt es etwas, das uns verbindet – das unsere Erfahrungen verbindet – besonders für die Menschen, die sich, wie wir, als Aussenseiter und Ausgestossene fühlen.

Wir passen nicht so richtig in diese Welt – we all are misfits – und ich denke, da gibt es eine Menge gemeinsamer solcher Erfahrungen und gemeinsamer Gedanken, die Kids auf der ganzen Welt haben. Das ist die grosse Idee, die hinter diesem Cover steckt. Wir lieben dieses Cover sehr und finden, dass es anders aussieht als andere.

In eurem Booklet der „My Love, My War“ ist eine Karte, auf der die Insel Athos zu sehen ist. Also die Insel, auf der es Frauen nicht erlaubt ist, sie zu betreten. Gibt es da einen besonderen Grund, weshalb die dort abgebildet ist?

Jeff: Das war mir nicht bewusst. Aber wenn ich irgendetwas in Bezug auf das Layout zu bedauern habe, dann das, dass ich nicht stärker in die Arbeit für das Cover involviert war. Allerdings kamen wir in so grossen Zeitdruck mit der Platte, dass wir uns einfach lieber auf die Musik und das Texte schreiben konzentrierten. Zudem hatten wir ja vor, auf Tour zu gehen und die neue Platte vorzustellen, so, dass es einfach alles sehr schnell ging und die Arbeit aber gemacht werden musste.

Ich mag die Authentizität der Idee, die hinter dem Cover steckt und die ästhetik des gesamten Booklets. Trotzdem: Müsste ich alles noch einmal machen – und ich würde mir wünschen, dass es so wäre – ich würde mich mehr um die Angelegenheiten kümmern, die das Booklet mit sich bringt – obwohl wir versuchen, dieselbe Idee zu vermitteln.

Warum denkst du, habe die meisten Hardcore Bands nichts zu sagen? Weder auf Platte, noch auf der Bühne, noch in Interviews? Du, sagtest in einem Interview, dass du dir Mühe gibst, Aussage in deine Lyrics zu packen.

Jeff: Du meinst, was da das Problem ist? Ich weiss nicht, was da das Problem ist. Ich denke, da ist momentan auch einfach zu viel Gewicht drauf. Weisst du, mich langweilt es, immer wieder Booklets aufzuschlagen mit egozentrischen Scheisslyrics.

In einem Info von Reflections Records steht: „MLIW offer a way to redeem yourself, to turn your life around and pick the pieces and get on with your life. Was denkst du über solche Beschreibungen, wenn du die liest? Zu hoch gegriffen?

Jeff: Es ist sehr schmeichelhaft, solche Dinge zu hören. Manchmal möchte ich sagen, dass uns die Leute ganz bestimmt nicht so ernsthaft beim Wort nehmen sollten, da ich denke, dass es sehr schön ist, dass unsere Texte, unsere Musik, unsere Band für manche Menschen so viel bedeutet und sie vielleicht inspirieren kann aber auf der anderen Seite denke ich auch, dass es wirklich nicht so das furztrockene Ding ist – seit ich Sätze wie diesen höre und ich denke, es stimmt nicht wirklich, denn es ist ja schliesslich nicht so, dass wir DIE Platte gemacht haben.

Doch die Probleme und der ganze Scheiss mit dem wir in unserem Leben zu kämpfen haben verschwinden dann und so ist es mit diesen Leuten, die zu unseren Shows kommen oder unsere Platte hören. Ich denke, ich schätze, ich tendiere dazu zu sagen, dass in diesem Moment unsere Songs eine Art Katharsis, eine Art läuternden, reinigenden Wert für diese Leute und für uns haben. Da ist Schwere, da ist Intensität. Einfach nur (mit)schreien und verdammt noch mal auf und nieder springen und den ganzen Scheiss aus deinem Kopf kriegen, der raus muss.

Aber ich möchte auch, dass man uns als eine Band sieht, die nachdenkt über das, was sie sagt und bei der mehr unter der Oberfläche ist und bei der du auch nach mehr Substanz suchen kannst. Es soll nicht einfach oberflächlicher Krach sein und dazu bullshit fucking lyrics. Also: es ist schmeichelhaft, so etwas zu lesen – doch ich hoffe, dass die Kids uns verstehen. Weisst du, Leute sprechen über Bands in dem Kontext, dass sie nicht einfach nur fünf Punkrock Kids sind, die sich zusammen gefunden und eine Band gegründet haben, hart arbeiten, das beste tun, was sie können und bei all dem Spass haben.

Sie versuchen daraus etwas grösseres zu machen als das. Die Idee von meinen vier Freunden und mir, sich zusammen zu tun und mehr daraus zu machen als all das ist verdammt toll aber auf der anderen Seite sind wir schliesslich einfache menschliche Wesen. Ich finde man hebt uns auf einen Wert, der uns gegenüber nicht fair ist – dass heisst, ich finde man überschätzt uns da in diesem Zitat.

Sag mal, warum hast du praktisch keine Ansagen auf der Bühne gemacht?

Jeff: Nun, ich schätze, ich wollte nie in einer dieser Bands sein, die auf die Bühne gehen und gross über ihre Lyrics sprechen und alle diese verschiedenen Songs erklären.

Warum nicht?

Jeff: Warum ich das nicht tue? Weil ich es nicht mag, wenn Bands ihre Lyrics auf der Bühne bis ins Details erklären wollen. Ich finde, dass die Bands sich in einer Weise selbst repräsentieren müssen, die ihnen entspricht. Ich gebe mir Mühe, das in Grenzen zu halten und spreche auf jeder Show jeden Abend über den Text von nur einem Song. So sprach ich heute z.B. über den Song „John and Jimmy“, welcher auf unserem neuem Album „Witness“ enthalten sein wird. Ich möchte nicht jede Nacht so viel sprechen auf der Bühne.

Ich will auf die Bühne gehen, eine gute Show spielen und über ein oder vielleicht auch zwei Songtexte sprechen und danach von der Bühne gehen. Ich denke, dass sollte genug sein, um Leute auf uns aufmerksam zu machen und ihr Interesse für unsere Band zu wecken. Dann können sie, wenn sie möchten unsere Platte kaufen und sich darin die Lyrics genauer durchlesen.

Aber es heisst doch „Hardcore is always more than music!.

Jeff: Da bin ich absolut deiner Meinung und ich schätze, du hast uns an einem Abend erwischt, an dem ich wohl so wenig, wie seit vielen, vielen Shows nicht mehr über unsere Texte gesprochen habe. Allerdings war es auch ein langer Tag, dieses grosse Festival, wir waren schon früh hier und ich weiss ausserdem, dass wir heute vor einer ganzen Hand voll Leute gespielt haben, die wussten, wer wir sind und einige Metalheads, die sich wahrscheinlich sowieso nicht um uns gekümmert haben.

Ich bin ganz deiner Meinung, dass Hardcore mehr als nur Musik ist und dass die Texte sehr wichtig sind. Aber ich versuche die Ansagen auf der Bühne auf ein Minimum zu reduzieren und trotzdem den Kids zu erklären, worum es in unserer Songs geht. Ein paar Songs werden erklärt und dabei belassen wir es. Die Sache ist einfach die: Ich gehe auf die Bühne und rede von den Dingen, die ich in diesem Moment fühle und die ich für wichtig halte, an diesem Abend zu sagen.

Wir haben schliesslich kein vorbereitetes Set für jede Show. Wir spielen die Stücke, auf die wir gerade Lust haben in der Reihenfolge, auf die wir Lust haben und genauso ist es mit den Ansagen. Ich denke, ich mache bei der hälfte unserer Shows eine Ansage in der Richtung, dass ich sage: Habt Spass, mosht aber bitte achtet und respektiert euch gegenseitig, bitte schliesst niemanden aus, lasst Egos und die verdammte Aggression weg, denn wir sind nicht für so etwas.

Wenn du das allerdings gut findest, kannst du trotzdem bleiben und zugucken oder du verlässt die Show. Das ganze ist etwas, hinter dem wir sehr stark stehen – doch ich habe das heute nicht gesagt, weil ich nicht das Gefühl hatte, dass irgendetwas nicht in Ordnung war und ich der Meinung war, dass jeder der wollte auch seinen Spass bei uns hatte. Ich hatte das Gefühl, dass niemand dabei war, der in irgendeiner Weise nicht einverstanden war mit der Art, in der sich die anderen bewegt haben. Also dachte ich nicht, dass es nötig sei, etwas in dieser Richtung zu sagen.

Wir haben definitiv eine Aussage, jedoch bin ich der Meinung, dass man die nicht in einen kleinen netten Satz verpacken kann, wie: „Hallo. Wir sind Modern Life Is War und das ist unsere Message – und fertig“. Es ist schon um einiges Komplexer. Ich mag vielleicht von sozialen Aspekten sprechen, ich mag vielleicht von politischen Aspekten sprechen, ich mag vielleicht von persönlichen Aspekten sprechen aber ich trenne diese Dinge nicht wirklich voneinander. Als Band selbst haben wir keine politische oder moralische Tagesordnung.

Aber warum denn nicht?

Jeff: Was meine Auffassung einer Band betrifft, so möchte ich, dass sie möglichst ehrlich und aufrichtig ist und meinetwegen ist das nun ein verdammtes Klischee, so etwas zu sagen. Aber für mich ist es nicht richtig dort auf dieser Plattform zu stehen und mit Sätzen hervor zu sprudeln über Politik oder was auch immer du dir wünschst. Vielleicht sind das sehr wichtige Dinge für manche Leute aber ich denke Ich schätze, ihr habt mich ein bisschen aus der Bahn gebracht. Ich finde, das ist eine unfaire Kritik.

Okay. Lass uns zum Schluss noch ein kurzes Frage-Antwort Ding machen, um das ganze Ding ein wenig abzurunden.

Jeff: Okay.

Bad Brains?

Jeff: Niggers with attitude. Verdammt tolle Platten, die jeder besitzen sollte.

Born Against?

Jeff: „The rebel sound of shit and failure. One of the most embracive and ugly bands, that ever faced the earth!

Boney M.?

Jeff: What?! Ich glaube nicht, dass ich jemals von denen gehört habe.

Haha! Deine Lieblingsband?

Jeff: The Clash.

Wenn du noch etwas zu sagen hast, ist jetzt der richtige Zeitpunkt. Reden oder Schweigen.

Jeff: Ich schätze, ich möchte einfach nur all den Kids in Deutschland danken, die uns unterstützen und ich werde mich anstrengen, mehr Ansagen auf der Bühne zu machen. Ausserdem bin ich froh, letztlich von euerem legendären Zine erfahren zu haben, für das ich gerade ein Interview geben darf. Wir wuchsen in Iowa auf und unsere Stadt war eine Art Schutz für uns.

In unserer Stadt waren keine älteren Punkrock Kids und wir waren die erste Generation von Kids, die Shows veranstalteten und alles dafür taten und so gab es eine Menge Sachen, die wir versäumt haben, da es keine älteren Leute gab, die uns in die Materie begleiteten, die uns hinein führten und sagten: hey, wenn ihr Punkrock seid, dann guckt euch mal das hier an oder hört hier diese Platte von dieser Band. Also fehlte uns das und wir haben lange gebraucht, um all das zu erfahren und zu entdecken – länger als andere Kids. Bei all dem, was wir hören und lesen sollten. Nun, es ist also verdammt toll, dieses Interview gemacht zu haben und von diesem Zine zu wissen.

Wir sagen: Danke.

***

Diskografie Modern Life Is War:

2003 – Modern Life Is War 7″ Lifeline
2003 – My Love, My War CD/LP Reflections/Martyr
2005 – Witness CD/LP Reflections/Deathwish/Lifeline

Interview: Jan Röhlk und Andreas Lehnertz

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Modern Life is War Wikipedia
Modern Life is War Discogs

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