März 15th, 2007

MISFITS (#66, 10-1997)

Posted in interview by sebastian

HORROR BUSINEss – ODER WAS !!!!

So kann man sich irren!! Genau so könnte die überschrift zu diesem Text auch heissen. Wer sich noch erinnert, weiss, dass ich die Misfits vor gut einem Jahr auf ihrer ersten Reunion-Tour gesehen und interviewt habe.

Als alter Fan war ich zwar ziemlich skeptisch, aber nach einem sehr netten Interview und einem überragend guten Konzert, eigentlich zu dem Resümee gekommen, dass die Band eine gute Entscheidung getroffen hatte, sie nicht ihren Ruf, ihre Roots, etc. ruinieren, bzw. vergessen würden. Tja das war vor einem Jahr. Ich kann mich auch noch erinnern, dass ich die Gleichung „Danzig = Misfits“ nicht mehr für gültig erklärte, und mit dem was der neue Sänger live machte recht zu-frieden war.

Auch die vier neuen Songs, die sie vor einem Jahr in Stuttgart spielten waren anständig. Die Musiker machten auf mich einen super sympathischen Eindruck und ich freute mich, dass es die Band wieder gab. Das war vor einem Jahr! Vor einigen Monaten verschlug es sie nach Karlsruhe und ich und ein paar Kumpels (Ich hatte allen erzählt, wie geil die Band in Stuttgart war!) fuhren auch sofort hin, um einen netten Konzert-abend zu verbringen. Es gab Gerüchte über eine neue Platte bei Geffen, aber keiner hatte sie auch nur auszugsweise gehört, und deswegen wollte ich bei Gelegenheit den Bassisten Jerry Only dazu befragen.

Das erste was mir auffiel, war, dass ziemlich viel Metal-Publikum (Oberlippenbart und Me-tallica-T-shirt) vor Ort war. Hey was weiss ich, vielleicht gibt`s da in Karlsruhe ein Nest? Ist ja auch nicht weiter schlimm. Sehr nervig empfand ich dann aber, dass irgend so ein übler Metal-dreck vor dem Gig und während der Umbaupausen aus den Boxen kam.

Soll laut Aussage eines Prolls Iron Maiden gewesen sein! Naja, die erste Vorband, Sub Zero, machten schnellen aber langweiligen Metal-NYHC und die zweiten, Sardonica, schnellen hardcorigen Metal. Nicht gerade toll. Irgendwann konnte ich kurz mit Jerry Only sprechen und ihn nach der neuen LP fragen.

***

Als wir vor einem Jahr miteinander sprachen, hattet ihr zwar ein paar neue Songs, wolltet selber eine Single rausbringen, aber mehr war noch nicht konkret……

Jerry: Ja, wir wollten eine Menge Sachen ma-chen….Damals hatten wir sechs neue Songs. Nach Europa haben wir dann als Headliner eine kurze Ostküsten-Tour gemacht, die sehr gut lief, um dann eine ganze US-Tour mit Canibal Corpse, Life Of Agony und Anthrax zu machen.

Da waren wir zwar auch Headliner, nur am Ende nachdem wir den ganzen Sommer gespielt hatten, hatte jeder von uns gerade mal 3-4 Tausend Dollar gemacht, weil die Tour so teuer war. Das lies uns in der schlechten Situation, dass wir unsere neuen Songs nicht veröffentli-chen konnten. Ungefähr zur Hälfte der US-Tour trafen wir Michael Alago, der für Geffen arbeitet und auch schon Metallica und White Zombie zu Verträgen verholfen hat.

Wir kannten ihn noch von früher, als er uns damals für das Ritz in New York bookte. Er sagte uns, dass Geffen etwas sehr Abstraktes und sehr Aggres-sives suche. Also fragte er uns, ob wir, wenn die Band die komplette Kontrolle habe, es in Betracht ziehen würden, zu Geffen zu gehen. Ich sagte ihm, dass wenn es alles vertraglich festgelegt würde, kein Problem bestünde. Also haben wir unterschrieben und Ende September waren wir im Studio und haben ange-fangen, Songs zu schreiben. Wir haben dann in 45 Tagen 36 Songs geschrieben. Das beinhaltet die sechs, die du letztes Jahr schon live gehört hast.

Aus diesen 36 Songs haben wir dann 22 Songs aufgenommen und dann 18 für die neue LP ausgewählt. Wir sind sehr zufrieden mit den Songs. Wir sind sehr zufrieden mit der Platte und denken, das sie zeigt, dass wir wirklich Songs schreiben können und das wir unsere Sinn für unsere Roots und unseren Ursprung nicht verloren haben. Wir sind unserer Tradi-tion treu geblieben und haben trotzdem ein tolles Album geschaffen.

Gibt es keinen neuen Sound….

Jerry: Naja, der Sound ist der selbe, aber jeder Song hat ein eigenes Feeling. Doyle hat einen Song, „Day Of The Dead“, geschrieben, der wie ein Elvis-Song klingt; oder der Titeltrack „American Psycho“ wirkt wie etwas von der „Earth A.D.“. Wir haben alle bei uns üblichen Elemente, nur war es uns wichtig sehr gute Songs zu schreiben, wo die Musik das Feeling diktiert. Die Platte ist auch sehr melodisch, was mir auch sehr gefällt.

Aber wenn ihr mit Bands wie Anthrax zusammen spielt, seit ihr da nicht metallischer geworden?

Jerry: Nein! Nein, überhaupt nicht. Ich würde keinen der neuen Songs metal nennen. Ihr? (zur Band)

Alle: Nein…Nö…No Way!

Jerry: Wir haben mit der Tour nur dummerweise so viel Arbeit gehabt, dass jetzt die neue Platte zu dieser Tour noch nicht in den Läden erhältlich ist. Auf der anderen Seite ist das aber auch nicht so schlimm, weil wir im Frühjahr 98 sowieso wiederkommen. Dann werden wir grössere Konzerte geben und vor mehreren tausend Leuten spielen.

Diese Tour ist so eine Art Privat-Tour für unsere alten loyalen Fans. Ich meine, schau dir die Halle an. Der Typ in der letzten Reihe ist höchstens 15 Meter von meiner Nase weg. Das ist doch gut noch mal für die alten Fans in kleineren Hallen zu spielen.

***

Naja, bescheiden waren sie ja noch nie. Obwohl ich mir vorkam wie auf einem Metalgig und die T-Shirt Preise mit 35-50 DM wirklich indiskutabel waren, das Bier auch nicht gerade billig, dachte ich mir wenn sie wieder so gut spielen wie in Stuttgart, dann ist das schon OK. Das taten sie aber leider NICHT! In Stuttgart hatten sie wie die Misfits 1982 geklungen. Gitarre immer verstimmt, alle Songs runtergeprügelt, aber trotzdem mit einer Power, einfach gut. Jetzt versuchten sie scheinbar „richtig“ zu spielen und dazu noch Solis ?!? einzubauen. Der Sänger versuchte seine Stimme grollen zu lassen, was dem ganzen so einen peinlichen Touch gab. Die neuen Songs klangen als wären sie einfach aus Teilen der alten Stücke zusammengebaut worden. Zu allem überfluss gab es dann auch noch ein paar Prügeleien im ziemlich prolligem Publikum. Auch wenn die Musiker immer noch einen sehr netten, zwar super von sich überzeugten, Eindruck machten, auch wieder jeder auf die Bühne kommen konn-te, um mitzusingen, hinterliess das Konzert bei mir den Eindruck, dass das mit Punk bzw. Hardcore rein gar nicht mehr zu tun hatte.

Der negative Nachgeschmack wurde endgültig in reinen Brechreiz verwandelt, als ich einige Wochen später das neue Album im Player liegen hatte. Mein Gott, was ein Desaster: Der erste Song ist keiner, sondern ein doomiges Bombastrockintro. Der zweite Song ist ein Mischmasch aus dem Chören von „Hatebreeders“ gepaart mit den Moshparts von „Devillock“. Geht noch in die alte Richtung, ist also OK, wirkt aber wie auf dem Reissbrett „konstruiert“. Song Nummer drei ist eine schlechte „Horrorbusiness-Kopie mit besonders blödem, will sagen einfachem, Refrain. Der 4. Song ist in keiner Weise Punk, sondern ein rockiges Irgendwas mit viel Chorgesang und furztrockenen Metalpowerriffs. Der Song heisst zwar „Walk Among Us“, hat aber mit der ersten LP nichts zu tun. Das was die Misfits immer besonders machte, die völlig überzerrte, stets verstimmte Gitarre, ist auf „American Psycho“ nur noch eine langweilige Metal-klampfe.

Die Stimme Danzigs, die stets an Jim Morrison erinnerte, aber zur Musik passte wird von neuen Sänger zwar oft kopiert, aber meistens klingt er wie gezwungen. Die Songs bei denen er in seiner eigenen Tonlage singt, klingen grausam nach Offspring. Das fällt besonders bei Song Nummer fünf auf. Die Stimme ist gesanglich eindeutig anders. Doyles Gitarre klingt nach 08/15 Rock, ohne jede Verzerrung. Der 6. Song hat ein gutes Intro, ist OK, aber insgesamt eine langweilige Kopie von Bekannte-rem. Das 7. Opus fängt mit Wolfsgeheule an und wird zu einem normalen Rocksong, Marke Metal-Ballade. Der Sänger nölt geheimnisvoll lüstern ins Mikro und ich bekomme Würganfälle. Der Re-frain ist bis jetzt der absolute Tiefpunkt der Platte: wie schlechte Offspring, GRAUEN-HAFT!! Der achte Song kann das Ruder auch nicht rumreissen. Es gibt moshigen Rockcore mit imitierter Danzig-Stimme in der Strophe und einem langweiligen Refrain. In Song Nummer 9 fällt der Sänger wieder extrem negativ auf.

Er scheint wie ein Zwitter zwischen Ozzy Ozzborne heute und Offspring klingen zu wollen, wobei der Song recht ordentlich ist, geht in Richtung Outtake von der 1. LP, ist aber eigentlich nur ein Riff. Und weiter: 10. Song, Hey, das ist doch Song Nummer neun, nur nölt der Sänger wieder wie Danzig, wenn er Verstopfung hat. Bei Song 11, wird`s noch schlimmer, jetzt ist es nur noch Metal. Intro könnte auch Whitesnake sein, dann langweiliger Hardcore Marke „zu Schlecht für Earth a.d.“ mit doomigen Refrain der sich fast „ne Minute hinzieht. Beim 12. Song spielt Ozzy einen schlechten Rocka-billy-Parodiesong, blöde, aber noch ganz amüsant. Beim 13. Song klingt der Anfang mal wieder nach „Astro Zombies“, dann kommt 08/15 Punkrock, geht aber noch, einer der 3-4 Hörbaren auf dieser Platte. Das der siebte Song doch nicht der schlechteste ist beweist Song Nummer 14. Der ist so schlecht, dass ich sogar den Titel nenne: „Mars Attacks“. Ich fand den Film zwar klasse, aber dieser Song könnte auch von Iron Maiden sein. Auch der 15. Song langweilt nur noch. Anfang bekannt, dann Iron Maiden mit dezenten Moshteilen. Song 16 ist wie Samhain, nur schneller gespielt mit viel Metaltouch. Der 17. Song sollte eigentlich der letzte sein, auch er ist nicht gerade berauschend, Marke „Inro-kenn ich-dann wie gehabt“, aber die Misfits beenden ihre Platte nach ca. drei Minuten Ruhe mit einem Bonustrack, der die Katastrophe nur noch verschlimmert, beziehungsweise den allgemeinen Eindruck nur noch bestätigt.

WAS SOLL DIE SCHEIssE ???? Ich kann es kaum glauben! Ich hatte ja schon durch das Konzert einige Bedenken, aber das es so schlimm werden könnte, daran habe ich nicht geglaubt. Ich weiss nicht, ob diese Platte so geworden ist, weil die neuen Misfits endlich auch den grossen, kommerziellen Erfolg haben wollen, oder weil sie einfach diese Art der Songs schreiben wollten, oder auch weil sie es nicht besser können. Das ist auch eigentlich egal, aber diese Platte ist einfach nur schlecht! Also, Vorsicht!! Ich rate jedem der die Misfits mag, sich die 4-CD-Box (den Sarg), anzuschaffen, aber um die neue LP einen grossen Bogen zu machen.

Text/ Interview : Al Schulha

Foto: Dominik Schunk

Links (2015):
Wikipedia
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Discogs

 

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