März 15th, 2007

MINUS (#91, 02-2002)

Posted in interview by sebastian

Schon unglaublich, wie das Land der Geysiere und Gletscher immer wieder obskure und auf unterschiedlichste art und weise auch radikale Künstler an die internationale Musik-Oberfläche zu spülen weiss.

Der neuste Zögling dieser frostigen Region hört auf den Namen MINUS und tendiert, entgegen der durch Björk und Sigur Ros geebneten Pfade, in eine völlig andere Richtung. Hardcore/Metal/Noise Rock Symbiose heisst die geheime Formel der Isländer, welche sie schon bald in ein ähnlich extravagantes Rampenlicht katapultieren könnte wie The Dillinger Escape Plan. Der Grund dafür liegt auf der Hand, und lässt sich vielleicht am besten anhand einer frage verdeutlichen.

Was haben Refused, At The Drive-In, The Dillinger Escape Plan und Minus gemeinsam? Na auf jedenfall mal ganz sicher nicht die selbe musikalische Stossrichtung. Was diese Bands vereint, ist ein Gespür für innovative Progressivität, die extrovertierte unbändige Energie in zuvor nicht gekannte musikalische Brillanz kanalisiert. Was genau die Isländer in ihrem treiben so einzigartig macht ist schwer zu sagen.

Die blossen musikalischen Fundamente, auf denen ihr Konstrukt baut, können es nicht sein, denn dieses Schema ist weder neu noch originell. Vielmehr scheinen sie das ganze in einer riesigen Gletscherhöhle aufgenommen zu haben, was im Resultat zu einem abenteuerlichen Klangbild fernab gängiger Konventionen führt.

Gesanglich zwischen nervenzehrendem Geschrei und emotionaler Leichtfüssigkeit wandelnd, schlittert die musikalische Basis mit einer nur selten zu bestaunenden Verbreaktheit über das nordische eis. Wilde aggressive Ausbrüche haben hier einen ähnlich angestammten Platz wie die `künstlerisch wertvollen` noisig rockenden Komponenten. Wie sich zwischen all dies Getöse dann noch ein atmosphärischer Grundton zu schummeln vermag, bleibt wohl auf immer und ewig ein isländisches Geheimnis.

Als Resümee lässt sich daher nur ziehen, dass nichts auf der Welt so spannend ist wie ungelöste Geheimnisse. Und dass diese Spannung auch nach dem nun folgenden Interview mit Frosti erhalten bleibt, macht unter einem solchen Gesichtspunkt dann auch mehr Sinn als man vordergründig vermuten würde. *augenzwinker*

torsten

***

Jungs, also ehrlich! Ich sitze hier immer noch mit blutenden Ohren und bin völlig am ende. Seit der Dillinger Escape Plan Debüt EP hat mich keine platte mehr mit einem solch freudigen Schmerz überzogen wie die neue Minus. Vielleicht könnt ihr mir mal einen kurzen überblick darüber geben, wer für diese Folterkammer eigentlich verantwortlich ist.

Frosti: Wir sind 5 Leute, alle Anfang 20 und leben in den Subburbs von Reykjavik. Unsere Namen lauten Bjossi, Bjarni, Ivar, Krummi und Frosti. Wir lieben es, krachig-knackige Musik zu machen. That`s what brings us together. Davon aber mal ganz abgesehen sind wir ziemlich normale Typen. Zumindest die meisten von uns…

Island hat ganz offensichtlich eine Tradition für schräge, unkonventionelle Musik. In den letzten Jahren konnten u.a. die SUGARCUBES, BJöRK und SIGUR ROS mit ihren einzigartigen und teilweise irritierenden Soundgebilden für grosses aufsehen sorgen. Nun haut MINUS in die selbe kerbe, jedoch mit einem sehr viel schärferen, lauteren und aggressiveren Twist. Habt ihr eigentlich eine Idee was genau isländischen Bands diese besondere Note verleiht? Gibt es da so etwas wie eine Island-spezifische quelle der Inspiration, welche zur bekannten soundtechnischen Extravaganz führt?

Frosti: Ich denke nicht, dass es etwas mit einer isländischen Herkunft zu tun hat. Björk zum Beispiel wurde schon als Weirdo und exzentrische Person gebohren. Die Sigur Ros Jungs haben wahrscheinlich in ihrer schulzeit jede Menge Schläge und Häme bezogen. Und auch wir selbst waren eigentlich immer irgendwie die Outsider, wenn man dies an den gängigen `Hip-Crowds` messen mag.

In unserem fall begründet sich dies natürlich mit dem obskuren und wuchtigen Musikgeschmack, den wir fraglos alle haben. Unser musikalischer Output ist schlicht und einfach das Ergebnis jahrelanger Isolation von irgendwelchen Einflüssen ausser unseren eigenen Ideen und werten. Das ist eigentlich für jeden überall auf der Welt möglich, wenn er die Sache richtig angeht.

Ich denke auch nicht, dass sich da so etwas wie ein islandtypischer Sound in unserer Musik entdecken lässt. Trotzdem muss ich natürlich schon sagen, dass Isländer ein ausgesprochen grosses musikalisches Talent zu haben scheinen, wenn man sich mal betrachtet wie viele herausragende und international erfolgreiche Künstler dieses Land mit seiner geringen Bevölkerungszahl von 280.000 hervor gebracht hat.

Mit einem Style der Hardcore Elemente genau so in sich vereint wie Metal und Noise Anleihen, werdet ihr wohl ziemlich sicher die Aufmerksamkeit unterschiedlicher Szenen auf euch lenken. Sind das alles Szenen, denen ihr euch selbst zugehörig fühlt, oder handelt es sich hier lediglich um klangliche Elemente, welche für JESUS CHRIST BOBBY unumgänglich waren.

Frosti: Wahrscheinlich ist ein kleines bisschen von beidem die richtige Antwort auf deine frage. Die einzelnen Bandmitglieder von MINUS sind sehr verschieden und die musikalischen Vorlieben weichen insofern auch von einander ab.

Das dürfte somit auch der ausschlaggebende Punkt für unseren vielschichtigen Sound sein.. weiterhin mögen wir ganz einfach alle diese unterschiedlichen Stile, und wollen uns auch nicht auf eine Schubladenkategorisierung reduzieren lassen. Von daher mixen wir einfach alles was wir mögen in unser lecker Süppchen.

Wenn man so abstrakte Song Titel und texte hat wie ihr, setzt man sich doch bestimmt allerlei fragen zu tieferer Bedeutung der selbigen aus, oder?! Betrachtet ihr Lyrics eigentlich lediglich als künstlerische Ausdrucksform, oder steckt da wirklich so etwas wie eine Message hinter den Songs?

Frosti: Auf jeden fall sind Lyrics für uns ein mittel des künstlerischen Ausdrucks. Einige haben aber auch eine Message. Aber so etwas wie eine versteckte Message gibt es nicht. it just depends on the subject each time and they are as different as they are many

Ich hoffe, dass kommt jetzt nicht falsch rüber. Aber wie zieht eine isländische band in einem geographisch fraglos isolierten Land internationale Aufmerksamkeit auf sich? Gibt es da bestimmte Fäden an denen man ziehen muss? Muss man vielleicht auch gewisse Kontakte haben ohne die sonst gar nichts laufen würde? Oder läuft alles genau so ab wie im restlichen teil der Welt? Will sagen, genau so wie von mir beschrieben… *lol*

Frosti: Nein, du musst hier nicht an gewissen Fäden ziehen. Wie überall sonst auch, brauchst du ganz einfach ein gutes Gespür dafür was gut ist und was nicht. demzufolge unterscheidet sich unsere Situation nicht von der anderer. you simply have to stand out and do something different.

Es gibt ein paar Bands da draussen, die Interviews kategorisch ablehnen, um die Musik für sich alleine sprechen zu lassen. Zumindest heisst es das immer… sie sind wahrscheinlich ganz einfach nur zu tode gelangweilt von einem nicht enden wollenden Strom beknackter fragen, gestellt von einem Haufen wenig enthusiastischer Rock Journalisten. Wie geht ihr selbst mit dieser Langeweile um, immer und immer wieder die selben belanglosen fragen beantworten zu müssen? Geht ihr diese Belastung mit einem professionellen Ansatz an, in dem ihr euch ständig einredet, dass es sich hierbei um Arbeit handelt, die ganz einfach gemacht werden muss?

Frosti: Ja, ich würde schon sagen, dass wir Interviews aus professioneller Richtung angehen. Aber um ganz ehrlich zu sein, Interviews sind in der tat oftmals das langweiligste der Welt. Vor allem, wenn man sie per E-Mail führt, denn es gibt nun wirklich spannenderes, als stundenlang diese langweiligen Wörter in die Kiste zu hacken.

Aber letztlich müssen wir das ja nicht tun, niemand zwingt uns dazu. Interviews abzulehnen wäre auf der anderen Seite ganz einfach unfair denen gegenüber, die ein Interesse an dir und deiner Musik zeigen. Das würde ganz einfach von schlechten Manieren zeugen.

Woran sollen sich die Leute eurer Meinung nach erinnern, wenn sie in sagen wir mal 10 Jahren an MINUS denken? Was haltet ihr für eure Essenz, die es wert ist, in das ungeschriebene Buch der Hardcore/Metal/Noise Historie einzugehen?

Frosti: Ach, wir wären schon zufrieden, wenn sich die Leute überhaupt noch an uns erinnern. Natürlich hoffen wir schon, dass die Leute spüren, dass wir ehrliche Musik machen. Wenn wir für etwas in Erinnerung bleiben möchten, dann vielleicht dafür, dass wir unseren eigenen weg gehen und Hardcore um einige neue Sounds bereichert haben.

Kennt ihr Vögel KAMPFSTERN GALACTICA? Vielleicht könnt ihr ja endlich diese frage hier beantworten, welche in TRUST reihen seit Jahr und Tag ein einziges Mysterium darstellt. Diese kleinen Einmann-Kampfschiffe sind mit einem Steuerknüppel ausgestattet auf dessen Oberseite sich 3 Druckknöpfe befinden. Einer davon ist für Schubumkehr und einer zum feuern. Aber wozu verdammt ist der mittlere Knopf da?

Frosti: Wir sind nicht gerade Galactica Fans, aber lass mich dir folgendes sagen… der mittlere Knopf aktiviert das automatische Arschabwischsystem des Spaceships.

Schonmal vom KOMMANDO FRIESISCHE WIESE gehört?

Frosti: Nein, noch nie davon gehört.

Dann will ich nur für euch hoffen, dass es dieser heisse scheiss nie zum Nordpol schafft. Denn dann wäre Island durch eine katastrophale Polarbschmelzung massiv bedroht *lol*

***

Kommando Friesische Wiese

Links (2015):
Wikipedia
Facebook
Discogs

Both comments and pings are currently closed. RSS 2.0