März 13th, 2007

LAIKA (#63, 04-1997)

Posted in interview by sebastian

 Ganz weit draussen…

Man kann „Sounds of the Satellites“, die neue Platte von LAIKA, langweilig finden, belanglos, aber auch sympathisch, angenehm, ‚anders’… Ich möchte da keine Vorgaben machen, mir gefällt diese Stillosigkeit, die auf ihre Art ‚anders‘ ist – aber was heisst schon ‚anders‘?

LAIKA-Musik könnte man auch exemplarisch für eine ‚Schule‘ ansehen, die in den letzten Jahren entstanden ist, nämlich für eine Art Crossover aus Pop, Krautrock und Elektronik. Neben Gruppen wie TORTOISE, TRANS AM, PRAM und TO ROCOCO ROT, gehören sie zu den Bands, die open minded genug sind, keine Musik für eine ganz bestimmte Szene hin zuzuschneiden. Und so hat sich ergeben, dass genau ihre offene Form der ehemaligen Indie-Musik (was man mal so nannte, heute heissen riesige WOM-Abteilungen so) zu neuer Würde verholfen hat.

Wenn uns auch die Rockpresse Megastars wie PEARL JAM und OASIS mit ihrem je eigenen Retro-Sound als ‚Indie‘ verkaufen möchte (was sie strukturell gesehen schon mal gar nicht sind), so lebt doch das, was an Independent nicht rückschrittig gewesen sind, eher in Bands wie LAIKA weiter.

Wenn es derzeit drei grosse Pop-Universen gibt, nämlich das grosse Punk/Hardcore-Universum, das Mainstream-Universum und das Techno/Dancefloor-Universum, dann gehören LAIKA nirgendwo dazu: Es ist ein Satellit (siehe Plattenteil), der durchs All kreist, unschlüssig, wo er sich niederlassen soll.

Gerade diese Unschlüssigkeit macht die Musik so sympathisch (soll ich schreiben: undogmatisch?) – an keiner Stelle verpuffen die netten Lieder von LAIKA zu banalem Pop, weil sie verstehen, stets eine Spannung zu halten, ein Moment der Unberechenbarkeit. Musik in between, für die es (zum Glück) noch keine Etikette gibt.

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Als ich Margaret Fiedler, die damals noch bei MOONSHAKE spielte, vor einigen Jahren interviewt hatte, kam von ihr der prophetische Satz, dass Sampling mehr Punk sei als Punk je Punk gewesen ist, weil Sampling nun allen erlaube, Musik zu machen. Jahre später folgte die Ernüchterung: Sampling hat tatsächlich zu einer unvorstellbaren Zahl an Neuveröffentlichungen geführt, zu einer Flut an Material, das die Zahl der Punk-Veröffentlichungen weit übersteigt.

Margaret: Siehst du, ich hatte doch recht gehabt. Ich kann mich an den Satz von damals gar nicht mehr erinnern, das war zu einer Aufbruchsstimmung, die heute natürlich wieder verklungen ist. Von der demokratischen Seite her ist es ja wirklich so gewesen: Die elektronische Musik erlaubte einer Unzahl von Leuten, Musik zu machen, ohne ein Instrument im klassischen Sinne erlernen zu müssen.

Das Resultat ist natürlich sehr ernüchternd, denn ein Grossteil der Sachen, die dabei rauskommen, taugen nichts. Aber war das im Punk nicht ähnlich? Zählt nicht die Tatsache, einfach dabeizusein, mehr als die Frage danach, wie gut einer nun ist? – Ich weiss es nicht, denn ich bin in der Punk-Szene genausowenig drin wie in der ganzen Rave-Sache. LAIKA steht irgendwie aussen, ausserhalb der Szenen, aber profitiert natürlich von deren Ideen und Errungenschaften.

Ihr seid also weder Anti-Punk noch Anti-Elektronik, sondern mittendrin?

Margaret: Ich mag elektronische Musik, aber für die normale Rave-Musik habe ich mich nie besonders interessiert. Das ist mir meistens zu wenig, deshalb kommt bei uns ja auch der ‚human factor‘ dazu, menschliche Stimme, Pop-Elemente. Andererseits wäre es seit dem ‚Criminal Justice Act‘ auch vermessen, gegen Raves zu sein.

Ich meine, die Tatsache, dass die Polizei jederzeit berechtigt ist, eine Party aufzulösen und dir dein Equipment abzunehmen, ist doch krank! Es hat schon Fälle gegeben, wo sich Nachbarn über den Lärm beschwert haben, kurz darauf hat die Polizei geklingelt und ein Mischpult auf Nimmerwiedersehen einkassiert. Uns ist das nicht passiert, aber im Grunde kann es nach diesem Gesetz jeder Band passieren, ganz egal, welche Musik sie spielt. Das Gesetz ist in erster Linie ein Gesetz gegen Techno, House, also gegen Tanzmusik, aber ‚repetetive beats‘, das weisst Du ja auch, hat fast jede Popmusik.

Du solidarisierst dich also eher politisch als aus Geschmacksgründen?

Mararet: Nein, so kann ich das nicht sagen. Im Moment läuft mehr Interessantes in der elektronischen Musik ab als in der Rock-und Popmusik, nur es läuft eben nicht auf den kommerziellen Raves. Ausserdem ist es borniert, sich gegen Elektronik auszusprechen, wie das viele hier in England machen, um dann auf der anderen Seite OASIS zu hypen.

OASIS haben da eine riesige Lobby, aber es ist natürlich nur daraus zu erklären, dass hinter OASIS inzwischen Geld steckt. Es gibt so viel gute Musik zwischen den Stühlen, die einfach versandet, weil sie kein konkretes Etikett hat. Das macht es auch uns schwer: Wer Elektronik und herkömmliche Instrumente gleichwertig nebeneinander benutzt, wird von den Dogmatikern beider Seiten abgelehnt.

Sprichst du damit eine britische Situation an? Wenn ich mir betrachte, mit welcher Leidenschaft sich britische Band auf den alten deutschen Space-Krautrock stürzen, auf Sachen wie FAUST, CAN und KRAFTWERK, dann habe ich eigentlich den Eindruck, dass es bei Euch auch ein grosses Klientel gibt, das sehr open minded ist.

Margaret: Oh, es gibt sehr viele gute Bands in England, die sich keinem Stil zuordnen lassen, PRAM zum Beispiel oder FLYING SAUCER ATTACK, um nur zwei zu nennen, die Ihr wohl auch in Deutschland kennt -aber das ist eine Nische. Entweder machst du Indiepop oder du machst Dancefloor, Experimente, die dazwischenliegen, haben keine Chance. Insofern ist KRAFTWERK ein gutes Beispiel: KRAFTWERK lassen sich zu keinem Stil zuordnen, sie sind sehr amorph… Ihre Stücke sind Elektroniknummern, aber sie unterscheiden sich von heutigen Techno, weil sie auf der anderen Seite auch richtige Songs sind.

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Interview/Text: Martin Büsser

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