April 11th, 2019

KLINSMEN (#71, 1998)

Posted in interview by Thorsten

Im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft bin ich bei meinen Ermittlungen auf eine Band namens KLINSMEN gestoßen. Die drei großen Ausrufezeichen leuchteten auf, als ich die eigenständige Musik einer reifen Band aus Minden zum ersten Mal hörte. Die Namensverwandschaft zum damaligen Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft war also nicht der alleinige Grund für dieses Gespräch. KLINSMEN machen 1998 ihr eigenes Ding, ohne sich um irgendwelche Trends oder Erwartungen von Dritten zu kümmern. KLINSMENs Debut-Album macht genau dort weiter, wo die DROWNING ROSES vor Jahren aufgehört haben.
Hier die Geschichte …

Die erste Frage ist in eurem Fall leider ein Muß. Warum KLINSMEN?

Prüse: Das kommt eigentlich daher, weil ich einmal die Woche Fußball spiele. Die anderen haben mich immer Klinsmann genannt – weil ich mit meinen längeren Haaren ein wenig wie Jürgen Klinsmann aussehe… Wir waren einfach zu blöde einen vernünftigen Bandnamen zu finden, da haben wir es uns einfach gemacht. Mein Spitzname vom Fußball in die englische Mehrzahl gesetzt, und fertig. Ich glaube jedoch, daß es ein blöder Name ist. Uns haben Leute erzählt, daß sie nicht auf unser Konzert gegangen sind, weil der Bandnamen so beschissen ist (lacht). Unsere Band hat mit Fußball aber nichts am Hut. Außerdem ist ja KLINSMEN als Bandname noch wesentlich besser als beispielsweise „Matthäus“. (Gelächter)

Eure erste CD heißt ja auch KLINSMEN. Warum habt ihr die selbst produziert und veröffentlicht?

Das war alles gar nicht so geplant. Wir teilen unseren Übungsraum mit einer zweiten Band, und da war irgendwann einmal eine split-Single oder LP im Gespräch. Irgendwie kam aber nichts zustande. Wir hatten aber schon an die fünfzehn Stücke fertig. Da wir permanent mit der Zeitnot kämpfen, haben wir uns gesagt, eine CD in kleiner Auflage (500 Stück) einzuspielen und zu veröffentlichen. Innerhalb der nächsten beiden Jahre wird es aufgrund unserer Zeitsituation auch keine neue KLINSMEN Scheibe geben. Mit unseren Aufnahmen sind wir mehr als nur zufrieden, obwohl wir mit sehr geringem Aufwand gearbeitet haben.

KLINSMEN klingt für mich fern von jedem Trend der 90er Jahre. Eure Scheibe hätte genauso gut schon vor 10 Jahren erscheinen können. Warum ist das so?

Ja, das stimmt. Das liegt daran, weil ich mir kaum noch neue, aktuelle Musik anhöre. Wir machen das, was uns Spaß macht. Und das ist Punkrock! Wir sind auch noch nie motiviert gewesen, die ganz neue Schiene zu fahren. Das ist nicht unser Ding.

Eine beliebte Frage. Warum englische Texte?

Das ist ja wirklich eine gute Frage! – Ich habe Probleme mit der deutschen Sprache. (Gelächter) Ich habe Probleme Texte in deutsch zu schreiben. Für mich sind so viele Begriffe mit Assoziationen behaftet, die bis ins Peinliche abdriften können. Oft frage ich mich: „klingt das nicht kitschig, klingt das nicht gefühlsduselig?“ Für mich ist Englisch zwar eine Fremdsprache, es ist aber auch ein Medium gewisse Dinge auszudrücken. Da ist es für mich einfacher.

Es ist aber doch schwieriger eine Aussage in einer Fremdsprache besser zu treffen, als in der Muttersprache.

Das ist natürlich ein Argument, das ich gelten lassen muß. Mein Englisch ist jedoch auch nicht so schlecht, und unser Drummer war einige Jahre in den USA. Er kann mich dann auch gut korrigieren. Aber du hast schon recht. Ich habe mit DROWNING ROSES englische Texte gemacht und jetzt mit KLINSMEN wieder. Zwischenzeitlich hatte ich auch einmal versucht beides zu machen, englische und deutsche Texte. Mit deutsch hatte ich immer Probleme. Ich weiß auch nicht, ich kann meine Gefühle und Emotionen auf englisch wesentlich besser ausdrücken.

Was hast Du in der Zeit zwischen DROWNING ROSES und KLINSMEN musikalisch gemacht?

Ich habe permanent Musik gemacht. Klar, ich habe auch mal kleinere Pausen eingelegt. Als ich in Bielefeld wohnte, machten Frank (jetziger Schlagzeuger) und ich FUNERAL BINGO HONGKONG. Das war zwar etwas andere Musik als jetzt mit KLINSMEN, aber Spaß hat es auch gemacht. Irgendwann war es zu Ende, und zusammen mit Ray hat sich dann die neue Band entwickelt. Wir sind drei richtige Freunde, die Spaß haben zusammen Musik zu machen.

Eindrücke von den Konzerten zusammen mit den NEUROTIC ARSEHOLES?

Wir haben drei Konzerte zusammen gespielt. Zahni ist schon lange einer meiner besten Freunde. Für KLINSMEN waren die Gigs natürlich gut, weil wir wußten, daß da doch ein paar Leute hinkommen würden, und so war es dann auch. Es hat absolut Spaß gemacht, mit den NEUROTIC ARSEHOLES zu spielen. Ich kenne die Band ja noch aus alten Zeiten. Ich bin damals oft mit denen mitgefahren. Die sind noch so drauf wie früher! Keiner hat sich von der Persönlichkeit her geändert, obwohl von den Jungs mittlerweile jeder etwas anderes macht und sie in den verschiedensten Orten wohnen. Es war total witzig.

Schluß mit den Fragen über die Musik. Wir machen etwas anderes. Was fällt Dir zum Thema „Euro“ ein?

Euro? Puh. Die Geschichte geht mir, ehrlich gesagt, so ziemlich am Arsch vorbei. Ich kann da nicht pro oder kontra sein, weil ich mich mit diesen wirtschaftlichen Komponenten nicht auskenne. Für manche ist es ein nationaler Aufhänger, für andere ein wirtschaftlicher. Ich halte mich da raus. Ich hoffe, daß mir das Ganze keine Nachteile bringen wird. Ansonsten ist es mir egal, wie ich bezahle, in DM, Pfund oder Euro. Bezahlen muß ich sowieso!

Wahl in Sachsen-Anhalt. DVU. Was denkst Du darüber?

Ja, das ist ja auch so eine Sache. Auf der einen Seite sind da die ganzen Politiker, die jetzt aufschreien und sich über das plötzliche Erstarken dieser Partei wundern. Die bedenken nicht, daß das Spektrum ja schon lange vorher da war. Und die Regierungspolitiker brauchen sich auch wirklich nicht zu wundern, denn die Politik, die betrieben wird, die produziert so etwas. Ich will nicht sagen, daß es sich bei den Wählern in Sachsen-Anhalt um 13% Faschisten handelt, nein, der Großteil davon ist lediglich Opfer dieses kapitalistischen Systems. Der kleine Mann wählt aus Protest die DVU, weil es für ihn die einfachste Lösung zu sein scheint. Ich hoffe nur, daß diese Entwicklung nicht noch größere Dimensionen erreichen wird. Wenn jedoch die Unverteilungsprozesse hier so weiterlaufen werden, dann gnade uns Gott, denn diese Leute schrecken dann auch vor Gewalt nicht zurück.

DIE ÄRZTE und DIE TOTEN HOSEN und die Charts. Wie siehst Du das?

Ich finde es sehr schlecht, daß Bands mit diesem Ruf und dieser Publicity kaum etwas machen. Besonders DIE ÄRZTE – ich finde das voll ok, daß die Jungs damit Geld verdienen, denn das alles läuft sowieso auf einer riesengroßen Kommerzschiene ab – und Bands in dieser Position könnten vielleicht wirklich etwas verändern, anstatt sich im BRAVO über irgendwelche Mädchen, Frauen oder sonst etwas auszulassen. DIE TOTEN HOSEN unternehmen wenigstens noch kleinere Sachen. Die spielen auf Demos und lassen teils gute Statements ab. Alles in allem hat das Ganze finanziell solche Dimensionen angenommen, daß wahrscheinlich keiner mehr so genau weiß, woher das Geld eigentlich kommt, daß die verdienen. Ich denke wir können mit „kleineren“ Bands auch schon eine Menge erreichen.

Deine deutsche Lieblingsschauspielerin?

Jetzt fragst du mich aber etwas. Puh. Ich weiß nicht. Es gibt keine.

Last words?

Ich freue mich über jegliche Resonanz über die KLINSMEN CD!

Interview: howie b. hlava

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