März 17th, 2007

KATE MOSH (#118, 06-2006)

Posted in interview by jörg

Kate Mosh. Der Name hat mich zuerst abgeschreckt. Aber die Band mag solche Wortspiele, deswegen hiess die EP aus dem vergangenen Herbst ja auch „It’s 4 A.M. And Already Hell“. Anfangs, ich erinnere mich flüchtig an ein frühes Konzert, fand ich auch die Musik nicht so besonders.

Aber das muss man den Herren Musikern lassen: Sie haben sich verdammt gut entwickelt. Das zeigte schon die besagte EP und jetzt auch das Album „Breakfast Epiphanies“. Schicken Postcore im Dischord-Stile nimmt ja immer gerne mit. Dass so etwas aus Berlin kommen kann, überrascht allerdings. Ein Interview mit Thom Kastning und SN Cleemann.

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Wie wichtig ist euch denn das Kollektiv?

Thom: Ziemlich wichtig.

SN: In Zusammenarbeit mit anderen entsteht eben was Neues. Das gegenseitige Pushen funktioniert in der Band natürlich genauso wie darüber hinaus. Man nimmt sich Arbeit ab…

Thom: …reibt sich aber auch auf…

SN: Wobei das auch positive Folgen hat. Das ist schon so, dass man eigene Entscheidungen in der Zusammenarbeit mit anderen überdenkt und zu coolen Kompromissen kommt. Nichts Halbgares, sondern zu Sachen, mit denen alle leben können.

Wie entstand dieses Kollektiv Sinnbus? Was kam zuerst?

Thom: Wir sind nicht die Urgründer von Sinnbus, sondern stiessen als eine der ersten Bands hinzu. Eine gemeinsame Bekannte erzählte uns davon, dass da Leute was machen. Michael und ich – wir sind die einzigen, die von der alten Besetzung übrig geblieben sind – hatten damals Probleme, in Berlin mit unserer Musik Fuss zu fassen. Wir lernten niemanden kennen, der dasselbe machen wollte. Damals waren alle so drauf, dass sie Gitarren überhaupt nicht mehr hören wollten. Da sind wir bei Sinnbus dazu gekommen.

SN: Die Arbeit als Label ist dann in Zusammenarbeit mit uns als Band und als Personen in den Vordergrund gerückt.

Wie wichtig ist es dir, dass die Arbeit mit Sinnbus über die Musik hinausgeht?

SN: Kann ich dir gar nicht sagen. Es ist schon wichtig, dass die Zusammenarbeit über Musik hinausgeht. Aber ich würde auch nicht sagen, dass wir niemanden anderen ans Artwork lassen würden, der nichts mit Sinnbus zu tun hat. Es ist schön, dass es funktioniert. Und da spielt natürlich die Freundschaft eine grosse Rolle.

Thom: Es ist auch wichtig, dass man weiterhin Sachen von aussen zulässt. Es soll ein Kollektiv sein, aber man muss auch mal rausgehen können. Weil man sonst nur noch auf sich selbst schaut und denkt, das ist der Mittelpunkt der Welt.

War das auch der Grund, warum ihr den Schritt rausgemacht habt? Und wie schwer war das dann?

Thom: Das war sehr schwer. Sowohl in der Entscheidungsfindung als auch in dem folgenden Prozess. Das stand eben nicht auf der Sinnbus-Agenda, dass man den Kreis verlässt. Es war halt schwer, das zu verstehen, dass wir zu Nois-o-lution gehen. Mittlerweile hatte jeder Zeit, darüber nachzudenken, was für Chancen das bringt.

Wir wollten ungern Sinnbus verlassen, andererseits haben wir schon beim letzten Album gemerkt, was alles nicht geht. Wir sind in den ganzen Prozess involviert, nehmen die Platte selber auf und gestalten das Artwork. Man merkt, dass man irgendwann einfach durch ist. Und dann würde die ganze Labelarbeit beginnen. Das konnten wir nicht mehr leisten.

SN: Insofern war es ein sehr willkommenes Angebot von Arne / Nois-o-lution. Es war sehr cool, die Platte aus der Hand geben zu können.

Ich kann mir allerdings vorstellen, dass das gar nicht so einfach ist, Kontrolle abzugeben, wenn man vorher alles selber in der Hand hatte. Man muss schliesslich das Vertrauen haben, dass der andere alles richtig macht, und es akzeptieren, dass vielleicht eine Entscheidung eine andere ist als die, die man selber getroffen hätte.

SN: Da sind wir hier sehr gut aufgenommen worden, weil Arne gemeinsam mit uns zu Entscheidungen kommt. Es ist nicht so, dass er uns Sachen aufzwingt. Wir vertrauen ihm auch, falls es mal zu dem Punkt kommt, wo wir einfach keine Ahnung haben. Das gab es aber bislang noch nicht.

Thom: Und dann käme es sicherlich eher verbunden mit der Frage, dass wir aufgrund seiner Vorschläge letztlich selber die Entscheidung treffen. Mag sein, dass Arne irgendwann sagt, dass er bestimmte Sachen nicht so super fände, aber wir vielleicht trotzdem die Erfahrung machen wollen, auch wenn wir hinterher herausfinden, dass er Recht hatte.

Was für Kritik habt ihr zu hören bekommen, als ihr gesagt habt, ihr würdet von Sinnbus zu Nois-o-lution wechseln?

SN: Auf Sinnbus-Seiten herrschte das Gefühl, dass ein wichtiges Zugpferd und ein wichtiger Bestandteil entzogen wird. Es war schwierig zu vermitteln, dass wir trotzdem eine Sinnbus-Band sind, die weiterhin bei Sinnbus-Veranstaltungen dabei ist.

Und wie läuft es in Berlin nun für euch? Wie gross ist das Interesse an euch?

SN: Wir hatten im März ein „Band-Battle“ im Postbahnhof, wo 350 Leute kamen. Das war sehr gut. Und im Januar spielten wir sehr kurzfristig im Roten Salon mit Sometree, wo der Laden komplett dicht war. Das ist sehr schön, aber es kommt natürlich auf den Kontext an. Im letzten Sommer kamen junge Leute sehr enthusiastisch auf uns zu und wollten in ihrem Jugendclub in Weissensee mal was probieren. Da haben wir auch gespielt, es waren auch ein paar Leute da, aber nach Weissensee kommt natürlich niemand, egal wer da spielt. Da halten wir den Ball flach, was so etwas angeht.

Thom: Es war ja auch kein Geschäft. Wir wollten einfach nur eine Veranstaltung aufziehen und haben gehofft, dass das Geld reinkommt.

Ich wollte das auch nicht auf Zahlen beziehen, sondern eher auf den Gedanken, dass vor Jahren niemand mehr Bock auf Gitarre hatte. Was für ein Gefühl ist das, wenn man jetzt sieht, dass man durchgehalten hat, auch wenn eure Musik zunächst nicht angesagt war?

Thom: Das ist eine Bestätigung dafür, dass man auf dem richtigen Weg ist. Ich denke, dass wir unabhängig von irgendwelchen Strömungen sind. Sinnbus hat uns das Vertrauen gegeben, das durchziehen zu wollen. Wir haben damals Mitte der Neunziger in Berlin einen Laden gesucht, wo unsere Musik gespielt wurde. Das war höchstens mal Britpop, der als Indie verkauft wurde. Wir merkten dann, dass es tatsächlich Leute für diese Musik gab, aber es passierte einfach nichts.

SN: Vor allem war es so, dass damals keine Band etwas Eigenes machte. Alle klangen so wie die Karrera-Klub-Bands.

Das fehlte mir auch immer. Wenn ich mir angucke, wie Dischord die Musikszene von Washington D.C. dokumentiert hatte und wie viele Bands es dort im Laufe des Jahre gegeben hat. Ein ähnlicher Versuch für Berlin wäre ziemlich aussichtslos.

Thom: Das wäre definitiv schwierig. Sinnbus ist natürlich auch einfach nur ein loser Haufen, mit ein paar Strukturen, aber sehr chaotisch. Wir haben in Berlin zugleich festgestellt, dass die taz in ihrem Feuilleton über Marsonne schrieb, aber in die zitty oder den Tip sind wir nie gekommen…

SN: Dabei war das doch eine geile Sache, die in Berlin passiert…

Thom: …aber das hat die nie interessiert.

Ihr wart dann mit New Black auf Tour, die bestimmt so etwas wie Brüder bzw. Schwestern im Geiste mit ähnlichen Ideen waren. Nur stammen die aus Chicago.

Thom: Es ist ziemlich leicht zu sagen, dass man viel mehr erreichen würde, wäre man selber aus New York oder Chicago. New Black hatten eine viel kürzere Bandgeschichte als wir, was man durchaus auch merkte. Zugleich bekamen sie eine viel grössere Aufmerksamkeit. Wir merkten, dass wir verdammt lange arbeiten müssten, um auch dahin zu kommen. Woran liegt denn das, dass so etwas nicht bei einer Band aus Deutschland passiert? Oder ein extremes Beispiel: die Arctic Monkeys. Die machen gerade ihr Debütalbum, und die ganze Welt ist schon verrückt danach. Andererseits gibt es auch Sachen, die hier viel einfacher sind – touren zum Beispiel. Das ist in den USA ein wesentlich härteres Brot.

Ein besseres Beispiel als New Black, die ja doch noch auf einem sehr kleinen Level arbeiten, sind Q And Not U, die bestimmt musikalisch für euch sehr wichtig sind. Bei denen sah man, wie sie sich entwickelten und vor wie vielen Leuten sie spielten, bis sie sich aufgelöst haben. Und hätten sie sich nicht aufgelöst, hätten sie bestimmt noch einen erheblichen Schritt nach vorne gemacht. Glaubt ihr, dass solch eine Entwicklung auch für euch möglich wäre? Und wollt ihr das überhaupt?

SN: Klar. Weil es cool ist, wenn man merkt, dass sich Leute dafür interessiert, womit man sich beschäftigt, und dass es Leuten nahe geht.

Ihr hattet jetzt diese Einladung nach London, um bei dieser Partyreihe von Fierce Panda zu spielen. Das ist doch schon sehr cool.

SN: Es ist sehr schön zu erleben, dass sich jemand ausserhalb des deutschen Indie-Kosmos dafür interessiert. Vor allem, wenn es jemand ist, der sich sehr viel mit Musik beschäftigt und noch dazu aus einem Land kommt, wo es an guten Bands nicht fehlt.

Kommt dabei denn irgendwas raus?

Thom: Zumindest wollte Ian, der Label-Chef, die fertige CD haben. Das wäre wahnsinnig gut, wenn dabei was rauskommen würde. Wir haben gedacht, dass Ian bei dem Konzert nicht mal da sein würde. Der macht doch bestimmt 400 Konzerte im Jahr, und wir spielten um acht Uhr als erste Band. Aber hinterher hörten wir, dass Ian es super fand.

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Interview: Dietmar Stork

Links (2015):
Wikipedia
Discogs

 

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