Februar 18th, 2007

JAMES PLOTKIN (#98, 02-2003)

Posted in interview by sebastian

Vorhang auf und eine respektvolle Verneigung für einen Grenzgänger der ganz besonderen Art. Mehr als 80 Veröffentlichungen hat der New Yorker James Plotkin seit den ausgehenden 80er Jahren auf dem Gewissen und bis dato gleicht kein von ihm begangener Mord an etablierten Hoergewohnheiten im Allgemeinen und an festgefahrenem Formelspiel im Besonderen dem anderen.

Von minimaler Ambient-Experimentation, wie zuletzt mit seinem Projekt LOCUST EATERS, über knietief im Verwesungssumpf sich dahinschleppendem, mega-tief frequenziertem Todes-Doom la BURNING WITCH oder KHANATE bis hin zu seinem neusten Anschlag PHANTOMSMASHER als horizonterweiternde übertragung des “Rock/Grindcore”-Konzepts mit Bass, Schlagwerk und Gitarre auf eine neuzeitliche, Computerprozess-gesteuerte Ebene, schüttelt Plotkin konstant neue Karten im Spiel gegen die immerwährende Langeweile aus dem ärmel.

Ohne Rücksicht auf Vermarktungsinteressen und scheinheilige Kompromisse, einzig dem natürlichen Zwang folgend, sich selbst stets in irgendeiner Form reproduzieren zu müssen und der Freude, hin und wieder Neuland betreten zu koennen, ist der Mann im Verlauf der Jahre zu einem Noise-Terroristen der ganz besonderen Art avanciert.

Nach dreieinhalb Platten mit seiner damaligen Band O.L.D. erkannte Plotkin frühzeitig, dass das Festhalten an klassischen Bandformationen das frühzeitige Ende jeglicher musikalischen Weiterentwicklung bedeutet und setzte fortan auf Projekte mit Freunden und Bekannten: JOHN ZORN, FRANZ TEICHLER (YOUNG GODS), MICHAEL GIRA (SWANS), MICK HARRIS (SCORN) oder zuletzt DAVE LOMBARDO (SLAYER), (um nur einige seiner Weggefährten zu nennen).

Diese Flexibilität gab und gibt ihm die Möglichkeit, immer wieder neue, momentbezogene Ausdrucksformen zu schaffen, ohne sich zu sehr im Dschungel persönlicher oder kommerzieller Abhängigkeiten zu verrennen, die Kontrolle über sein eigenes Werk zu bewahren und seine Zuhörerschaft stets aufs Neue herauszufordern.

Besonders symphatisch macht Plotkin neben seinen Kamikaze-Eigenschaften dabei der Umstand, dass er im Vergleich zu vielen seiner, sich avantgardistisch schimpfenden Kollegen, nicht künstlerisch-überzuckert auftritt und sein Nieschendasein intellektuell überstrapaziert. Viele seiner Veröffentlichungen sind augenzwinkernd zu verstehen und von einem subtilen Humor geprägt, doch genug der Vorrede und ein zweites Mal den Vorhang auf, bitte.

***

Hi James, wie geht`s Dir in New York?

James: Ich bin okay.

Klasse, dass diese Verbindung endlich steht. Ich wollte schon seit einer halben Ewigkeit ein Interview mit Dir machen. Deine musikalische Entwicklung von OLD bis PHANTOMSMASHER habe ich über die Jahre hinweg eigentlich immer aus der Ferne begleitet. Dein OLD LADY DRIVERS-Debut auf Earache mit dem herrlich schlechten Cover kaufte ich mir noch zu Schulzeiten und damals hast Du ja mit derbem Knüppel aus dem Sack-Hardcore angefangen

James: So ziemlich. Das fing sogar noch vor dieser Platte an, als ich in lokalen Trash-Metal-Bands spielte. Das ging über zwei, drei Jahre, bevor wir diese LADY DRIVERS-Platte machten. Ich denke, das war ein kleiner Bruch in meinen Aktivitäten. Verschiedene Dinge passierten, ich versuchte herauszufinden, ob ich nun in der Schule sein wollte, oder ins College gehen oder nach New York ziehen sollte, um zu arbeiten, also was ich machen wollte. In der Zeit wurde ich auch mit soviel neuer Musik konfrontiert. Rückblickend war das eine Zeitspanne, in der ich mental enorm wuchs, denke ich.

Wobei ich Dein Debut damals auch als Karikatur, als humorvoll-überzogene Spiegelung eines Genres verstand, welches versuchte durch ein Mehr an Gewalt und Geschwindigkeit jegliche Grenzen zu sprengen.

James: Ja, klar und vieles von dem Zeug könnte auch wirklich lächerlich sein. Eigentlich steckt aber in allem, was ich bisher gemacht habe, selbst wenn manches ernsthaft erscheint, eine ganze Menge Humor.

Musikalisch jedoch vollzogst Du rapide Quantensprünge. Schon die nachfolgenden OLD-Alben mit ihren irrwitzigen psychedelischen und elektronischen Einschüben machten Deine Band zum musikalisch Spannendsten, was die Earache-Era zu bieten hatte. Gib` uns doch bitte einen kleinen historischen Abriss, was bei Euch passierte, schliesslich habt Ihr, soweit ich weiss, nie den Sprung nach Europa geschafft.

James: Für das zweite OLD-Album spielten wir vielleicht fuenf oder sechs Shows in Holland und Belgien. Das war 1992 oder 1993. Mehr kam in Europa jedoch nicht zustande. Ich denke, die Musik war ein wenig zu merkwuerdig fuer Leute, die Konzerte buchten und wollten, dass auch Leute kommen. Daher bekamen wir nie eine wirkliche Chance, in Europa zu spielen.

Nach einiger Zeit wurde aus der Band jedoch eh fast soetwas wie ein Studioprojekt, weil wir, wie schon gesagt, keine Shows, Tourneen oder irgendetwas bekommen konnten. Also schrieben Alan Dunbar und ich einfach weiter neues Material und nahmen es auf. An einem Punkt hatte Earache dann kein Interesse mehr daran, durch uns weiterhin Geld zu verlieren, also

TRUST: (lacht)

James: Also liessen sie uns gehen. Doch zu dem Zeitpunkt war Alan in gewisser Weise generell desillusioniert von Musik, und ich denke, er wollte mit Film und Video Karriere machen. Jetzt arbeitet er am Times Square und macht Video-Editing für eine ziemlich grosse Firma, die Werbespots und kleine Specials fürs Fernsehen gestaltet.

Und ich selbst entschied mich dafür, aufzuhören in Bands zu spielen, und bewegte mich stattdessen von Projekt zu Projekt. Ich betrieb das FLUX-Projekt für ungefähr ein Jahr, viele Solo-Platten und Kollaborationen. Ich neige stärker in die Richtung, mit Leuten zusammen zu arbeiten, als Sachen alleine zu machen.

Kannst Du Deine mentale und emotionale Entwicklung beschreiben, die mit Deiner musikalischen Wandlung vom frühen Strukturalismus zu immer offener und freier fliessenden Klangkollagen doch sicherlich einherging?

James: In gewisser Weise wundere ich mich selbst darüber. An einem Punkt dachte ich, vielleicht werde ich einfach nur erwachsener und dann war die jeweilige Musik ein zeitgerechter Ausdruck dafür. Vielleicht entstanden bestimmte Projekte, weil ich ernsthafter wurde. Aber dann, mit Sachen wie PHANTOMSMASHER oder KHANATE, die ich jetzt mache, würde das eine absolut gegensätzliche Theorie zu dem ergeben. (lacht) Ich habe wirklich keine Ahnung, was es war, dass Dinge hat entstehen lassen.

Wahrscheinlich einfach natürliche Entwicklung durch die Sachen, mit denen ich mich beschäftigte und dann in mich aufnahm und zu etwas verarbeitete. Platten kaufen, mit neuer Musik und Künstlern konfrontiert werden. Das ist fast unmöglich für mich zu schildern, was da jeweils genau ablief. Vielleicht war das eine Art künstlerischen Heranwachsens, etwas, was in Verbindung zu einem emotionalen Wachsen stand, vielleicht einfach der Umstand, älter zu werden, im normalen Sinn dieser Phrase. Keine Ahnung. Für mich war das zumindest vollkommen natürlich und hatte mit dem Entdecken neuer Ideen und unterschiedlicher ästhetik in Musik zu tun.

Ich kenne so gut wie niemanden, der wie Du auf kontinuierliche Veränderung setzt und derart viele verschiedene extreme musikalische Gesichter besitzt. Hat das vielleicht auch mit dem Umstand zu tun, dass Du von einer Sache schnell gelangweilt bist und allein von daher schon weiterziehen musst?

James: Ja, ich beschäftige mich sicherlich nicht mit Musik einer Karriere wegen oder um Geld zu verdienen. Ich versuche wirklich nur, mein Interesse zu bewahren. Leute sagen ja, dass Amerikaner im Vergleich zu Menschen in anderen Ländern die kürzeste Aufmerksamkeitszeitspanne hätten, und da ist sicher etwas dran

TRUST: (lacht)

James: Vielleicht liegt das an der ganzen TV-Werbungskultur und diesem ganzen Zeug, aber wenn ich nicht interessiert bliebe, gäbe es absolut keinen Grund, all` diese Sachen zu machen. Wenn ich eine Platte mache, mit einem speziellen Sound oder einem bestimmten Genre, und ich mag, wie es ausgefallen ist, oder ich denke, auf diesem Gebiet nicht viel weiteres gestalten zu können, oder möchte das vielleicht auch gar nicht mehr, und dann dauert es schliesslich eine ganze Weile, eine Platte zusammenzufügen und herauszubringen, also natürlich habe ich zu dem Zeitpunkt schon wieder neue Ideen und bin an anderen Bereichen in Musik, an anderen Sounds interessiert. Auf eine Art hat das also damit zu tun, meine eigene Zufriedenheit und mein Interesse zu erhalten und grundsätzlich ist es das, was mich wirklich in verschiedenste Richtungen treibt.

Gab es zu einem Zeitpunkt in Deinem Leben irgendetwas, das Dich die Schönheit im weiten Feld des “Krachs” realisieren liess? Ich erinnere mich gerade an dieses tiefgehende Album, das Du vor Jahren zusammen mit ZENI GEVA`s K.K.Null aufgenommen hast.

James: Ich weiss nicht, das ist schwer in Worte zu fassen. Ich schätze, ich hatte Freunde zu der Zeit, die mich der Schule ambienter Gitarrenmusik näherbrachten, Leute wie Michael Brook und Sachen in diese Richtung. Vorher hatte ich derartiges nie gehört. Die einzigen Male, in denen ich solcher Musik ausgesetzt war, waren die wenigen Momente, in denen ich so etwas zufälligerweise im College-Radio finden konnte. Es gibt soviel Musik da draussen, und wenn du Sachen hörst, die du niemals zuvor gehört hast und die eine Wirkung auf dich haben, ist es nur natürlich, dass ich dergleichen selbst ausprobieren wollte.

Leute versuchen häufig, tief in Musik hineinzuschauen und oftmals gibt es ein grosses Ereignis im Leben, das Auslöser für viele ist, dieses oder jenes zu kreieren, während bei mir das ziemlich genau so abläuft, wie ich schon immer gewesen bin: Es geht um die Musik als solche, neue Dinge zu entdecken und einfach ein natürliches Interesse an der Materie zu haben. Ich halte nicht wirklich danach Ausschau, sondern bin nur am Handeln.

Ich nehme mir nichts Bestimmtes vor, nach dem Motto, “schlag` jetzt mal wieder eine härtere Gangart ein”, so wie die letzten paar Projekte von mir ausgefallen sind, “sei jetzt mal wieder weitaus aggressiver und krachig”. Ich weiss nicht einmal, wie das passiert. Beispielsweise befinde ich mich mitten in einem Projekt oder habe eine Band am Laufen und kann dann einen Schritt zurücktreten, mir das Ergebnis ansehen, mich jedoch nicht daran erinnern, wie ich dahin gekommen bin. (lacht) Das ist schon etwas seltsam. Wie ein roter Faden in meinem Leben; da geht etwas in seine eigene Richtung und mir bleibt nichts anderes übrig, als dem zu folgen.

Was kann Musik Dir geben? Hält Musik Dich in einer kalten Welt warm, rettet sie Dir Dein Seelenheil?

James: Ja, definitiv verschafft sie mir Zufriedenheit. Ich habe keine Ahnung, was ich machen würde, wenn ich ohne Musik wäre. Ich weiss nicht, Du kennst das vielleicht auch, Du kannst etwas erschaffen und es Dir später mit etwas Abstand anschauen, und wenn es etwas Gutes ist, dann wirst Du es noch immer mögen. Das ergibt ein unglaubliches Gefühl der Befriedigung, wenn du etwas gemacht hast, das bleibt, das deiner Existenz eventuell sogar einen Wert zufügt, schätze ich.

Wenn ich daran denke, morgen sterben zu müssen, würde ich zumindest eine echt seltsame Ansammlung von Musik hinterlassen, die Menschen daran erinnern würde, das ich wirklich existiert habe. Profunder ausgedrückt, kann ich auch von einem Kampf gegen die Sterblichkeit sprechen. Wie auch immer, jedenfalls gibt es nichts, was sich so gut anfühlt wie der Spass, etwas in diese Richtung gemacht zu haben, dass von Leuten gemocht wird, die du sehr respektierst. Das ist so ziemlich das Grösste, was ich aus all` dem herausholen kann.

Glaubst Du generell gesprochen, dass Menschen ein grosses Anliegen haben, Spuren zu hinterlassen?

James: Ich denke, dass viele Leute, viele Künstler genau das als Grund angeben, warum sie tun, was sie tun. Für mich ist das definitiv einer der Gründe, der mich vorantreibt, aber daneben gibt es noch eine Vielzahl weiterer Beweggründe. Ich kann mehr aus meinen Aktivitäten schöpfen, als allein diesen Aspekt. Wichtig ist auch die soziale Aktivität, viele grossartige Menschen durch Musik und das Umfeld treffen zu können. Also schafft das eine Verbindung zu anderen Menschen, hilft Zeit sinnvoll zu nutzen und hat daneben noch diverse andere Effekte.

Die musikalische Diversität Deiner verschiedenen Veröffentlichungen lässt mich immer an ein Maskenspiel erinnern und sicher nicht in einem negativen Sinne. Es scheint, als ob Du Deine Musik, wie ein jeweils zum Moment passendes Gesicht, Ausdruck dessen ist, was Du gerade gebraucht hast.

James: Das trifft die Sache recht genau, das ist ein guter Punkt. Meine Musik ist sicherlich Ausdruck der Stimmung, in der ich mich zur jeweiligen Entstehungszeit befunden habe und was mich beschäftigt hat. Viele Leute haben mir in letzter Zeit erzählt, dass sie denken, ich würde wieder zurück zu aggressiver Musik gehen, weil meine Musik der letzten Jahre dies vielleicht auszudrücken scheint. Ich selbst kann allerdings nicht aus meiner Haut heraus, um zu überprüfen, ob das nun stimmt oder nicht. Ich selbst fühle, das ich emotional stärker gereift bin als in den ganzen Jahren zuvor, dann jedoch (stockt)

Was macht Dich denn aggressiv in diesen Tagen?

James: Ähm, das Stadtleben. (lacht) Alles, einen Scheck von einer Firma zu erhalten und zu wissen, dass die Hälfte davon von der Regierung weggenommen wird, um das Geld für die schlechtesten Zwecke, die nur möglich sind, zu nutzen. Gewöhnlich also alltägliche Dinge wie so etwas eben. (im Hintergrund ist plötzlich Lärm zu hören) Ah, entschuldige mich, das ist eine ziemliche Unordnung hier. Ich bin über Sachen am Stolpern.

Läufst Du herum, während Du am Telefon sprichst?

James: Gelegentlich, ja (lacht), ich neige dazu.

Wer bezahlt Dich dann?

James: Du meinst, was für einem Beruf ich nachgehe?

Genau.

James: Im Augenblick arbeite ich für eine Firma, die Studioausrüstung und Instrumente vermietet. Ich bin in der Abteilung für Qualitätskontrolle und überprüfe grundsätzlich die Ausrüstung und erfülle die Bestellungen für einige der grösseren Konzerte in und um New York, wie den Madison Square Garden. Wir hatten erst gerade den Auftrag für ein Festival hier mit Sting, James Taylor und was weiss ich.

Hmm, also bist Du auf täglicher Basis von einer Menge ekelerregendem Zeugs umgeben.

James: Nichts als ekeligem Kram. Diese grossen Konzerte, und in letzter Zeit ist mir verstärkt aufgefallen, das wirklich jede Band der Vergangenheit, selbst jene, die nicht mal in ihrer Zeit gut waren, sich reformieren. Dieses Jahrhundert scheint das Jahrhundert der verfickten Comebacks zu sein. Das ist lächerlich. Bands wie, erinnerst Du Dich noch an diese Gruppe SURVIVOR?

Klar, die waren mit ihren beiden Singlehits, diesem “Eye Of The Tiger” auch in Europa unterwegs.

James: Ja, und wenn die damals schon nicht gut waren, warum sind die dann überhaupt wieder zusammen? Das macht doch keinen Sinn.

Nun, die Dinosaurier wollen einfach nicht sterben.

James: (lacht) Das ist wohl der richtige Ausdruck. Das mache ich also grundsätzlich, um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Bezahlung ist in Ordnung, wirklich lebe ich jedoch zusammen mit meiner Freundin, weil ich mir ansonsten die Miete hier in Brooklyn nicht leisten könnte.

Wenn ich jetzt nicht völlig danebenliege, bist Du doch in den letzten Jahren immer stärker in die Rolle des Produzenten geschlüpft, und zwar nicht nur für deine gesamte eigene Arbeit, aber auch für andere Leute, richtig?

James: Nein, das ist schon akkurat beobachtet. Ich war schon immer sehr an der Produktionsseite von Musik interessiert. Jedesmal wenn ich für eine Aufnahme in einem richtigen Studio bin, liege ich halbwegs über dem Board und der Engineer ist bemüht, mich von den Fadern und allem fernzuhalten. Ja, daran habe ich definitiv Interesse entwickelt und in gewisser Weise bin auch so etwas wie ein Techhead, wenn es um Aufnahmen geht, aber irgendwann hat mich das ein wenig ermüdet.

Ungefähr vor vier Jahren habe ich mir als Konsequenz daraus dann meinen ersten Computer gekauft, mir Aufnahme-Software besorgt und das war der Punkt, an dem ich erstmals vollständige Kontrolle über meine Musik erlangt hatte. Von da an konnte ich wirklich genau das tun, was ich mit Musik machen wollte. Natürlich nehme ich damit nichts anderes, als meine eigenen Bands und Projekte auf, jedoch ist das genau auch mein Hauptinteresse neben dem Schaffen der Musik selbst.

Bei dem PHANTOMSMASHER-Kram ist dies deutlich zu realisieren, dass das allein ich bin, der mit Computer-Software und dem Produktionsaspekt von Dingen wirklich nach vorne geht, handelt es sich hier doch nicht um eine Band-Angelegenheit, als um eine Montage von produzierten Klängen und Aufführungen. Ja, die Produktion nehme ich schon sehr ernst, sicherlich in einem höheren Masse als viele andere Bands und bestimmt nicht, um damit Karriereziele zu verfolgen, jedoch weil ich starkes Interesse daran habe und eben massgeblich die Umsetzung meiner Musik selbst bestimmen möchte.

Hast Du eine spezielle Philosophie im Umgang mit Computern, die für die Schaffung interessanter Musik schliesslich besonders behandelt und manipuliert werden müssen, um nicht Opfer ihrer linearen, dummen Prozessführung zu werden?

James: Absolut. Das wichtigste Ding ist einfach zu erkennen, das es sich um etwas Bloedes handelt. Der Arbeitsablauf ist sehr instabil, alle fünf Minuten musst du abspeichern und Dinge konstant festigen, dann kann ich aber Sachen mit Computer-Software gestalten, die ich ohne niemals hätte einführen können. Ich muss das also aus beiden Perspektiven betrachten. Ein gewichtiger Grund, warum ich begann, mich mit Software zu beschäftigen, ist, dass es eben weitaus weniger kostet.

Für 1000 Dollar kann ich mir einen Computer kaufen, für weitere 500 bis 600 Dollar eine gute Soundcard und schon hast du die Basisausstattung zum Aufnehmen zusammen. Meine Freunde haben die ganze Software, die sich mich nutzen lassen, also Grundsätzlich geht es auch bei Computern darum, sich an ein Medium zu gewöhnen, es zu benutzen und einfach sicherzustellen, dass du den Regeln folgst, die du selbst aufstellst, um mögliche Desaster zu vermeiden.

Was bedeutet, abspeichern, abspeichern, abspeichern, back-up-way-files und den Computer nicht zu treten. (lacht) Anderes Gerät kannst du durchaus treten und es funktioniert danach immer noch, wenn du jedoch auf deinen Harddrive haust, während der läuft, ist der halt ruiniert. Gerade in meiner Anfangszeit mit Computern habe ich da einige Verluste hinnehmen müssen. Computer sind halt nur, nun, ich bin erstaunt, dass sie machen können, was sie machen, um das einmal vorwegzusetzen. Also ist für mich grundsätzlich alles, was ich da herausholen kann, eine Offenbarung, ein Geschenk.

Mit Computern umgehen zu können hat schliesslich auch sehr viel mit der alten D.I.Y.-Idee zu tun, beispielsweise beim Musik machen nicht mehr von anderen abhängig zu sein, kein grosses Budget im Entstehungsprozess zu benötigen, ja nicht einmal Musiker mit entsprechenden instrumentalen Fähigkeiten sein zu müssen.

James: Richtig, richtig. Ich denke, dass es eine ungeheure Vielzahl an Menschen mit tollen Ideen gibt, nur sind sie halt keine tollen Musiker. Mit Software jedoch können sie Dinge, die unter Umständen nicht anhörbar sind in etwas Grossartiges transformieren. Das sind dann die stärker elektronisch orientierten Platten, Breakcore und so`n Zeug. Oftmals ist das von Kids gemacht, die zum grössten Teil kein musikalisches Talent besitzen, also nicht generell gesprochen, aber es gibt halt viele Kids, die musikalische Fähigkeiten noch nicht besitzen, aber mit diesen Platten ankommen, die einen um den Verstand bringen können.

Für Musik ist das eine tolle Angelegenheit, all` diese Dinge mit einem Computer machen zu können. Und da taucht das D.I.Y. eben wieder auf, etwas, was ich selbst auch immer versucht bin umzusetzen. Niemand braucht mehr danach zu fragen, in ein teures Studio zu gehen, du kannst dich komfortabel fühlen, eine halbe Stunde lang essen und musst nicht daran denken, dass du jetzt 50 Dollar Studiozeit ungenutzt gelassen hast, was einfach lächerlich ist. Nein, das hat auf jeden Fall Leuten die Tür geöffnet, die ansonsten keine Möglichkeit gehabt hätten, Platten aufzunehmen.

Konzentrierst Du Dich gegenwärtig überwiegend auf Elektronica oder greifst Du auch noch zu Deiner Gitarre?

James: Nun, die Projekte und Bands, die ich derzeit betreibe, sind recht verschieden. Bei PHANTOMSMASHER handelt es sich um meine Besessenheit, die Rockformel mit Gitarre, Bass und Schlagzeug auf elektronischer Ebene mit Computersteuerung anzuwenden. Das ist schon fast elektroakustischer Hardcore, durchfährt also beide Welten. Und dann bin ich seit zwei Jahren in KHANATE zusammen mit Stephen O`Malley und Alan Dunbar, der ja auch für OLD sang. Unser erstes Album erschien im vergangenen Jahr auf Southern Lord und geht in etwa in Richtung BURNING WITCH, nur noch ein wenig extremer und Alan am Mikro macht wohl die beste Arbeit, die er jemals gemacht hat.

Im kommenden Jahr wollen wir Euch mit KHANATE in Europa heimsuchen und heute, in ungefähr einer Stunde, will ich ein paar Mikrophone kaufen, um mit den Aufnahmen für das zweite Album beginnen zu können. KHANATE kann ich wohl am ehesten als Kreuzung aus sehr, sehr frühen SWANS und SAINT VITUS-artigem Doom-Metal beschreiben. Ein wenig Elektronik gibt es auch bei KHANATE, weil ich diesmal Bass spiele, aber auch einen Laptop benutze. Und laut ist diese Band. Stephen kommt immer mit drei Verstärkern an, selbst wenn wir in einem kleinen Club auftreten. Das ist schon verwüstend, gleichzeitig jedoch unheimlich tief gestimmt.

Erinnerst Du dich noch an EARTH?

James: Natürlich. Mit PHANTOMSMASHER eröffnete ich zwei Shows für EARTH in der vergangenen Woche in New York. Der Typ ist wieder aufgetaucht und spielte einige Konzerte, wobei ich ihn bei einigen davon unterstützt habe. Er macht wirklich den Eindruck, in Ordnung zu sein und hat sich geradegemacht, ich denke, dass er jetzt völlig clean ist.

Ich wusste gar nicht, dass EARTH wieder aktiv sind. Das Album, das ich habe, ist schon einige Jahre alt und auch diese seltsamen Singles, von denen ich nie wusste, in welcher Geschwindigkeit die nun abzuspielen sind.

James: (lacht) Ich weiss auch nicht, ob er EARTH nun wirklich reformiert hat, jemand in Philadelphia brachte jedenfalls eines ihrer alten Alben neu heraus und überzeugte ihn davon, einige Konzerte hier zu geben.

James, Danke für unser Gespräch und hoffentlich bist Du mit KHANATE, PHANTOMSMASHER oder einer Deiner anderen Geburten bald in unseren Breitengraden zu sehen.

***

Tom Dreyer

Empfehlenswertes aus dem Hause PLOTKIN der vergangenen zwei Jahre:

JAMES PLOTKIN`S ATOMSMASHER – “Atomsmasher” (Double H Noise Industries/`01)

JAMES PLOTKIN`S PHANTOMSMASHER – “Phantomsmasher” (Ipecac/`02)

KHANANE – s/t (Southern Lord/`01)

LOTUS EATERS – “Alienist On A Pale Horse” (Double H Noise Industries/`01)

LOTUS EATERS – “Mind Control For Infants” (Neurot/`02)

BURNING WITCH/GOATSNAKE – Split (Southern Lord/`00)

BURNING WITCH – “Crippled Lucifer” (Southern Lord/`00) / produziert von Steve Albini

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