Juli 20th, 2016

GURD (#57, 04-1996)

Posted in interview by Jan

In der Schweiz gibts neben Bergen, Kühen und Heidi noch etwas, was vielleicht auch interessant seien könnte. Die Rede ist von Gurd, einer neuen schweizer Band, die nun ihr zweites Album “Addicted“ herausgebracht hat. Beim lesen des Promozettels allerdings überkam mich eine herbe Enttäuschung, (alles drehte sich um Drogen, und war mehr als platt aufgemacht) und es stellte sich die Frage, was man auf Grund eines solchen Promozettels diese Band fragen sollte, zumal man sie zuvor noch nicht kannte. Aber ein zuerst netter Gesprächspartner am anderen Ende der Telephonleitung räumte alle Bedenken aus. Hier nun das Resultat des Gesprächs vom 16.11. des letzten Jahres …

Kannst Du mir etwas über die Bandgeschichte von Gurd erzählen?

Die Band Gurd ist eigentlich aus den Trümmern von zwei anderen Bands entstanden, zum einen aus Poltergeist, da kommen der Bassist und Sänger her, und zum anderen Erotic Jesus, da komm‘ ich her. Ziemlich parallel lief bei uns eine Frustphase ab, da man immer die gleichen Probleme hat, und im Frühling letzten Jahres hat es dann geknallt. Beide Bands gingen auseinander und die logische Konsequenz war, daß ich mit unserem jetzigen Sänger, den ich schon länger kannte, etwas zusammen gemacht habe. Wir gingen dann ganz locker ans Werk, um einfach den Stress unserer vorigen Bands zu vergessen. Nach kurzer Zeit hatten wir dann Material zusammen, das wir dann auf einem Demotape aufgenommen haben. Von diesem Zeitpunkt an ging dann alles recht schnell voran. Wir haben dann noch einen Schlagzeuger gefunden, er ist 18 Jahre alt und spielte vorher in lokalen Bands. Wir haben ihn dadurch kennengelernt, weil er den gleichen Proberaum wie wir benutzte Ja so ungefähr hat alles angefangen.

Was hat Euch dazu überhaupt bewogen Musik zu machen?

Du meinst in jugendlichen Jahren?

Ja genau. War es einfach nur der Spaßfaktor?

Ich habe jetzt vor ungefähr 16 Jahren angefangen Gitarre zu spielen. Damals in der Schule bot sich einfach nichts anderes an, da mich nichts anderes interresiert hat. Fußball ist schon toll, aber irgendwie hat mich das alles nicht angesprochen. Ich saß immer vor dem Fernseher und wenn die ganzen Prolls mit ihrer Gittare rummachten, hat mich das immer schwer beeindruckt mit meinen 10 Jahren damals. Daraufhin habe ich meine Eltern gedrängt mir eine Gittare von Herti zu kaufen. Die Motivation ist eigentlich erst mit der Zeit gekommen. Am Anfang klimpert man halt nur so rum.

Mit der Zeit lernt man die Musik als eine Ventil zu gebrauchen, indem man einfach den ganzen Scheiß rausschreit. Mit der Zeit als die Bands in denen ich spielte seriöser wurden und auch mal eine Platte aufgenommen wurde, wurde die Musik zu einem Lebensinhalt. Aber wenn der Spaß nicht mehr da ist, sollte man aufhören, denn das ist die Motivation und Basis um Musik zu machen. Wir werden auch nicht zu irgendwelchen Typen verkommen, die mit erhobenem Zeigefinger agieren und die Message zur Rettung der Welt parat haben. Es muß Spaß dabei sein, aber logischerweise haben wir auch unsere Ernsten Aspekte in der Musik. Man muß aber trotzdem den Stress der unmittelbar in Zusammenhang mit der Band steht, z. B. Interviews geben oder ein Video machen, durchstehen. Wenn man dabei nicht mehr motiviert ist, hat das Ganze auch keinen Wert mehr.

Wie ist eigentlich Euer Bandname entstanden? Soll es so sein, daß GURD rückwärts gelesen DRUG ergibt?

Naja, wenn man eine neue Band hat, muß auch ein Name her, und da haben wir uns überlegt bevor wir irgendeinen halbidiotischen Bandnamen nehmen, könnten wir auch gleich einen vollidiotischen nehmen. Leute die diesen Namen zum ersten mal hören, finden ihn wirklich bescheuert, aber das finde ich nicht unbedingt schlimm, denn so vergißt man ihn nicht so schnell wieder. Es steckt aber trotzdem eine Beziehung hinter dem Namen. Es geht nicht um irgendwelche verherrlichung von Drogen, sondern es hat damit zu tun, daß unser ganzes Leben von Süchten geprägt ist. Das wollen wir auch irgendwie in unserem Namen ausdrücken. Durch die Umdrehung des Namens soll uns etwas Spielraum gelassen werden. Aber am Besten hat uns an dem Namen gefallen, daß er bescheuert ist und irgendwie gut klingt, und sich so von anderen Namen abhebt, wie z.B. Hellbound. Es gibt halt jede Menge bescheuerter Namen.

Seht Ihr denn Eure Musik auch als eine Art Droge an?

Für uns ist unsere Musik natürlich auch eine Droge, bzw. Sucht, aber der Bandname bezieht sich eigentlich auf unsere nette Gesellschaft.

Wenn Ihr Texte schreibt, geschieht das wahrscheinlich aus einem gewißen Grund. Wenn Ihr nun live spielt, habt Ihr dann die selben Gefühle, die Ihr beim schreiben des Songs auch hattet? Oder werden Songs/Texte mit der Zeit zu leeren Hüllen?

Man lernt die Lieder erst zu hassen oder lieben, wenn man sie tatsächlich auch live spielt. Aber sie verändern sich irgendwie im Kopf, obwohl sie sich noch genau so anhören. Zu bestimmten Songs bekommt man dann eine bestimmte Beziehung, weil sie halt tiefer gehen. Das sind meistens die Songs, die wichtiger sind. Die machen dann auch meistens den meisten Spaß, wenn man sie live spielt. Die Reaktionen des Publikums spielen natürlich auch eine Rolle. Sicher, es gibt auch Songs, da ist man weniger mit dem Herzen dabei, die spulen sich dann irgendwie runter. Wenn man die Songs z.B. 100 mal live spielt, spult sich bei 50% von ihnen sicher ein festgefahrenes Ritual ab.

Wo liegen Eure Einflüße?

Keine Band kann sich von äußeren Einflüssen freisprechen. Unser musikalischer Background ist ziemlich unterschiedlich. Von Hardcore über Metal zu Punk bis zu psychedelischen Sounds gibt es immer etwas, was einem von uns gefällt. Wir versuchen möglichst viel miteinander zu ver-schmelzen, was uns manchmal auch ganz gut gelingt. Auf der neuen Platte haben wir wirklich versucht unser Spektrum zu erweitern. Wir wollen nicht nur auf eine bestimmte Richtung fixiert sein. Wir wollen für Überraschungen gut sein. Es gibt sicherlich Bands, die uns stärker beeinflußt haben als andere, z.B. mögen wir alle Bands wie Helmet oder Prong, aber daneben gibt es auch andere Einflüße, aus ganz anderen Musikrichtungen.

Hängt Euer Musikstil auch ein wenig damit zusammen, daß Bands mit ähnlichem Stil ziemlich erfolgreich waren?

Nach unserer ersten Platte wurde uns, wie jeder neuen Band die eine Platte gemacht hat, Trendreiterei vorgeworfen. Aber wer uns länger kennt weiß, daß wir schon früher in verschieden Bands gespielt haben, die ganz andere Sachen gemacht haben. Erotic Jesus z.B. waren ganz anders, und ich haben auch mal in einer Jazz-core Band gespielt. Wir haben immer versucht so vielseitig wie möglich zu sein, wobei Gittaren immer der gemeinsame Nenner waren. Wir hatten dabei aber keinerlei Absichten auf irgendeinen Zug aufzuspringen, um so schnell wie möglich einen Plattenvertrag zu bekommen.

Selbst wenn es mit dem Vertrag nicht geklappt hätte würden wir heute noch zusammen spielen. Ich habe selbst während meiner Schulzeit in einer sehr deftigen Band gespielt und unser Sänger war bei einer der ersten Black Metal Bands in Europa, die eine Platte aufgenommen haben. Von daher kann man uns nicht vorwerfen, daß wir einem Trend nachgelaufen sind. Ich muß ganz ehrlich sagen,daß ich viele Bands auf dem Sektor ziemlich bescheuert finde, z.B. Pantera; Da wird einfach übertrieben und man hat aus sich selbst einen Trend geschaffen, aber man weiß nun nicht mehr wie man den Trend ‚doppeln‘ soll. Also ich nehme an, daß die noch weitere Platten aufnehmen werden, aber… wo sollen die denn noch hin? Noch härter und gemeiner? Insgesamt ist die ganze Szene eh mit Zurückhaltung und Ironie zu genießen. Aber wir versuchen durch unsere Vielseitigkeit zu vermeiden, daß man uns voll zu dieser Szene rechnet. Bei uns fließen mehr, und unverkrampft andere Einflüße ein.

Noch mal kurz zum Thema Plattenverträge, wie kommt es denn, daß Ihr als eine schweizer Band bei Major Records in Witten unter Vertrag seit?

Eigentlich hatten wir keine Demotapes oder so verschickt, und wollten eigentlich auch nicht so dringend an einen Deal kommen, aber ein Freund von uns hatte unser Demo an verschiedene Labels verschickt. Darüber kamen wir dann an einige Auftritte, und Major Rec. hat sich daraufhin für uns herauskristalisiert, weil es ein kleines Label ist, aber trotzdem recht gute Vertriebspartner und Connections besitzt. Was aber am wichtigsten für uns ist , daß dort noch Idealisten arbeiten, und daß wir immer die Kontrolle haben, und nicht ein Schreibtischtäter für uns Arbeit erledigt, die uns vor den Kopf stößt.

Danke für das Interview.

Interview: Knut Müll

Text: Knut Müll / Peter Rupprecht

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