März 1st, 2018

FOUR LETTER WORD (#114, 10-2005 )

Posted in interview by Jan

Ich kenne Welly, Sänger der FOUR LETTER WORD, seit einigen Jahren, und schreibe auch gelegentlich für sein großartiges Fanzine – ARTCORE, das bereits seit 1986 erscheint. Welly steckt sehr viel Arbeit in seine verschiedenen Projekte, die alle einen wichtigen Beitrag zur aktiven Unterstützung der UK-Punk/Hardcore Szene darstellen. FOUR LETTER WORD entstanden 1991 in Wales/Großbritannien. Die erste Veröffentlichung in Form einer 7“, erfolgte allerdings erst 1997. Später unterschrieb die Band bei B.Y.O. Records (Better Youth Organization) aus Los Angeles, verpflichtete sich dort für zwei Alben sowie eine weitere 7” und tourte in den USA, Kanada und dem Vereinigten Königreich. Während die Band noch bei B.Y.O. war, gab es rechtliche Probleme mit einem amerikanischen Unternehmen, weil es den Bandnamen für eine konzerneigene Boy Band verwendete. FOUR LETTER WORD kämpften trotz heftigen Besetzungsproblemen weiter und spielen trotzdem immer noch unter dem selben Namen. 2004 kam die ‚Crimewave!‘ 7” EP raus (der Titelsong befindet sich auch auf der neuen CD) und nach langer Verzögerung war es 2005 endlich soweit die neue CD zu veröffentlichen – ein guter Anlass für dies Interview.

Wer spielt aktuell in der Band und wo haben die Leute vorher Musik gemacht?

Welly: Die anderen Mitglieder sind Chris (Bass), der ist seit der Entstehung der Band `91 dabei, stieg `94 aus und kam dann neun Jahre später wieder zurück. Dave Beer (Gitarre) ist jeder Grund recht um auf der Bühne zu stehen, er spielte vorher in der Band “A Kid Called Power”. Dave Millinship (Gitarre) war mit “Punk Action Shotgun” aktiv und in etwa 6 anderen Projekten – wenn er Bock hat. Murphy (Schlagzeug) spielt auch in einer Metal-Band mit dem Namen “Shape of my Addiction”. Ich (Gesang) war immer nur bei Four Letter Word.

Du hast den Hals bestimmt gestrichen voll von dieser Frage, aber wenn über die Jahre so viele Besetzungswechsel stattfanden, ist es da nicht frustrierend immer erst die Banddynamik neu ankurbeln zu müssen? Oder glaubst du neue Mitstreiter helfen den Sound frisch und aufregend zu halten?

Welly: Während der 14 Jahre haben wir über 17 Mitglieder gehabt….is` ja nu nich` unbedingt `ne Meisterleistung. Es ging uns aber halt immer darum Leute mit den selben Zielen zu finden, aber in einer Welt der neurotischen Weicheier-Musiker ist das eine schwere Aufgabe. Über die Jahre gab es auch Konflikte zwischen unterschiedlichen Charakteren, aber die Hauptgründe warum die Leute aus der Band ausgestiegen sind, waren, dass sie kein Bock auf Touren hatten und dass sie nicht mit den anderen Mitgliedern klar kamen. Und wir hatten eine lange Geschichte schwacher Glieder in der Kette. Dies ist einer der Gründe weshalb wir in der Vergangenheit bei Gigs nicht 100% Stoff geben konnten. Die jetzige Besetzung ist die enthusiastischste, engagierteste und dynamischste der gesamten Bandgeschichte. Was diese Jungs mitgebracht haben really made a difference – eben der Wille Ideen und Projekte in die Tat umzusetzen und nicht nach Ausreden zu suchen. Das kann man live genauso spüren wie auf den Aufnahmen. Und es war nie eine bewusste Entscheidung das Line-Up ständig zu wechseln, es stand kein Konzept dahinter um den musikalischen Fortschritt zu steuern, es war einfach Pech… und ja, es ist frustrierend nicht voran zu kommen, weil man beim Realisieren seiner musikalischen Fortschritte immer einen Schritt vor und zwei zurück geht – das war immer ein sehr nervenaufreibender Prozess

Warum hat es solange gedauert bis die neue CD fertig war – die hätte doch schon 2004 draußen sein sollen, oder?

Welly: Na ja, eigentlich sollte sie ja schon 2000 raus kommen, aber wir hatten verschiedene Schwierigkeiten und legten deshalb auch nie ein verbindliches Datum fest. Als die ganzen Probleme anfingen, hab ich mir geschworen, dass wir ein drittes Album rausbringen würden – und so ist es ja auch gekommen. Natürlich sind aus diesem Grund einige Songs bereits 2001 entstanden.

Wer beeinflusst dich gesangstechnisch?

Welly: Das ist eine komische Frage. Ich hab nie richtig darüber nachgedacht. Aber ich schätze wahrscheinlich eine Mischung aus D.I., Social Distortion und Bad Religion, aber auch Black Flag, Stiff Little Fingers, Poison Idea und sogar The Mighty Mighty Bosstones wenn’s bei denen etwas rauer wird, und auch ein bisschen Government Issue, Adolescents, T.S.O.L. und Agent Orange… ich schätze ich könnte ewig so weiter machen, auf der neuen Platte sind viele Einflüsse von unterschiedlichen Bands zu spüren, aber es ist Sache der Leute das rauszuhören.. ha ha.

Es gibt viele Texte auf der CD, die sich mit den Standard Punk-Themen beschäftigen: die Ignoranz der Massen, Kapitalismus, Krieg, Umweltzerstörung u.s.w. warum nicht mal lieber über positive Dinge singen, z.B. den Abzug Syriens aus dem Libanon, Fortschritte der medizinischen Wissenschaft, die riesige Menge Geld, die für die Opfer des Tsunami gesammelt wurde u.s.w. ?

Welly: Ich habe nie einen Sinn darin gesehen über Dinge zu schreiben mit denen man zufrieden ist oder die Leute glücklich machen – das sollte ohne Worte funktionieren. Ich finde es einfach überflüssig… Ich meine wer hat Lust auf Liebeslieder? Davon gibt es Millionen, und alles wurde schon einmal gesagt. Ich bin der Meinung, eine der treibenden Kräfte des Punkrock ist sein Verlangen nach Veränderung. Wenn du also über etwas schreibst, was du nicht verändern willst, dann verfehlst du den Kern der ganzen Sache. Die Tatsache, dass ich über die Standardthemen schreibe, ist ein Zeichen dafür, dass es immer noch viel zu verändern gibt… ich sehe meine Herausforderung dabei in dem Versuch neue Wege zu finden wie man diese Sachverhalte ansprechen kann – mit einer Relevanz für das Hier und Jetzt. Es muss natürlich auch gesagt werden, dass alles positive auch etwas negatives bedingt, wie in deinen Beispielen in der Frage.

Der Song „Crisis of faith“ – richtet der sich an ein Ex-Bandmitglied? Oder an die Punkszene im allgemeinen? Worauf willst du hinaus?

Welly: Eben wieder so ein „Szenesong“. Es geht aber nicht darum Ex-Bandmitglieder fertig zu machen. Auch nicht die mit denen wir im Bösen auseinander gegangen sind – ich bin nicht sauer auf die Leute, ich wünsch ihnen sogar alles gute für ihr weiteres Leben. Das Lied beschäftigt sich eher mit dem Niedergang des Punk, mit dem allmählichen Ausverkauf der Underground-Kultur. Es geht um einige Jungs der ersten Generation, die sich entweder dünn gemacht haben, oder sich haben einspannen lassen in dieses Kabarett der alten Herren. Und es geht um junge Bands die so eine Einstellung haben wie „was ist falsch daran auf nem Majorlabel zu erscheinen, n Manager zu haben und n dickes Video drehen zu wollen.“ Es behandelt diesen substanzlosen und stillastigen Trend der heute Punkrock genannt wird. Das ist doch nur noch ein verwaschener „independent Rocktrend“, der unter massivem Einfluss von Bands und Labels steht, die nie mit Punk in Berührung kamen.

Es ist wohl sehr einfach geworden sich den Trend auf die Fahne zu schreiben und den Untergrund als Trittleiter zum großen Geld zu missbrauchen – in der Hoffnung auch mal bei den großen Jungs mitzuspielen. Ne Menge Leute haben heute ihre feine Nase für Scheißdreck nicht in Benutzung und leben in einer fröhlichen Ignoranz ohne jegliche Qualitätskontrolle – in einem Sumpf der Mittelmäßigkeit. Sogar die Kids im Untergrund werden heute mit der erbärmlichen Rechtfertigung abgefertigt, hier ginge es um richtige Musik – sogar Hardcore ist da einfach nur noch New Heavy Metal. Alles wird zu einem homogenen Gemisch und letzten Endes vom Mainstream assimiliert. Und jede Band die dem Ausverkauf frönt, repräsentiert für mich ein weiteres Stück Kultur das zu Geld gemacht wird. Die lyrischen und graphischen Verweise auf Minor Threat sollen meine tiefe Überzeugung verdeutlichen, meine Inspiration möglichst nahe am Ursprung zu suchen. Es geht um die wirklichen schwarzen Schafe von damals, die heute mit der Herde ziehen. Ein deutliches Zeichen ist auch, dass ein Song wie „Salat Days“ in der Gegenwartsform geschrieben ist – nicht unbedingt ein gutes Zeichen – haha!

Was ist die Message von „Repeat to Fade“? Geht’s um die Stimme des kleinen Mannes der nie Gehör findet?

Welly: Es behandelt die Frustration eine schwache Stimme zu haben in einer Welt in der alle brüllen, um den vergeblichen Versuch Ideen und ne Message rüberzubringen, in einer Welt in der niemand zuhört oder interessiert ist. Der Song schließt das Album ab, nicht nur auf Grund des Titels, sondern weil danach einfach alles gesagt ist. Ich weiß, egal wie viele tausend Wörter du zum kommunizieren nutzt – sie sind nichts weiter als schwache Morsesignale in einem Ozean des weißen Rauschens. Es geht darum eine kleine, unbekannte Punkband zu sein, die gegen diejenigen zu Felde zieht, die nichts zu sagen haben – denn paradoxerweise haben Leute, die am wenigsten zu sagen haben die größte Plattform um es zu verkünden.

Reden wir über den Song “Johnny foreigner” – kommt rüber wie ein Pro-Einwanderung-, Pro-Asyl- Statement. Ich finde das interessant, denn du lebst ja in Wales, einem Landstrich mit eigener Sprache – eine der ältesten Europas. Und der Grund, warum sie bis in unsere Tage überliefert wurde, resultiert aus dem nationalistischen Verhalten der Waliser… denkst du, dass beide Standpunkte heutzutage miteinander vereinbar sind?

Welly: Zu sagen es handle sich um einen Pro-Einwanderungs-, Pro-Asyl-Song ist mir etwas zu einfach, aber ich kann nachvollziehen wie man dazu kommt. Das Lied wurde am 21. September 2001, zehn Tage nach dem Beginn des Dritten Welt Krieges geschrieben, als direkte Reaktion auf die Propaganda und Xenophobie, die dir zu dem Zeitpunkt aus jedem Kanal der globalen Marionetten-Medien entgegen gebrüllt wurde. Ja, es geht um Grenzen, ja, es geht um Nationalismus und ja, es geht um Einwanderung – aber aus der Sicht der kapitalistischen Globalisierung. Es beschäftigt sich mit der Tatsache, dass die westliche Welt glaubt ein angestammtes Recht zu haben die ganze Erde zu plündern, überall hin zu gehen und alles zu nehmen was sie will, nur um hinterher der Welt ihre Propaganda zu verfüttern. Schau dir die Situation mal aus der Perspektive von jemanden aus einem Entwicklungsland an… er muss nicht nur zusehen wie Bodenschätze und Arbeitskräfte seines Landes für den Vorteil anderer genutzt werden, er muss auch im Fernsehen, in der Werbung und in Filmen mit ansehen wie der Westen als das gelobte Land dargestellt wird. Wie würdest du da reagieren? Du würdest gern dieses heilige Land besuchen, und eine Kleinigkeit zurückbekommen, für die natürlichen Ressourcen und die Arbeitskraft, die du gegeben hast.. Aber was passiert, wenn diese Leute an die Tore des Westens klopfen? Sie werden abgewiesen, oder werden als Verdächtige behandelt. Sie müssen zusehen wie rechte Politiker die Rassen-Karte ausspielen und diese Menschen bezichtigen Seuchen einzuschleppen und alles an sich reißen zu wollen.

Wie würdest du dich fühlen? Ich empfinde einen ausgeprägten Mangel an Sorgen bzw. Empathie im Westen bezüglich dessen, was in unseren Namen passiert ist, und es geht dabei ja vor allem um Macht und Kontrolle. Das Lied beschäftigt sich mit beiden Seiten dieses neuen Krieges. Es geht an die Massenmörder, aber letztendlich geht es auch um die endlose Liste von Schwarzmalereien der Propagandisten die den Menschen Angst einjagen wollen – um sie letztendlich leichter Kontrollieren zu können. Ich empfinde deine Wahrnehmung die Waliser seien nationalistisch als eine ziemliche Beleidigung, aber ich glaube dies ist das Resultat der Indoktrinierung und Propaganda die du als junger Engländer erfahren hast. Diese Provinz ist nicht mehr und nicht weniger nationalistisch als jeder anderen Staat auf diesem Globus. Ich sehe das so: die walisische Sprache konnte nicht im Alleingang überleben, sie wurde künstlich durch eine Minderheit während der letzten 30 Jahren als Werkzeug zur Trennung der Klassen eingesetzt. Aus meiner Sicht, ist dies nicht mehr als ein Weg für eine Elite die Vorteile eines Zwei-Schicht Bildungssystems (Sprich: getrennte Bildung der Minoritäten) zu genießen, und Menschen in bestimmte Arbeitsumgebungen zu nötigen. Es sollte nicht überraschen, dass diese Elite die größte Lobby hat, um ihre eigenen Interessen weiter zu fördern. Ich spreche nicht Walisisch, und habe keine Ambitionen die Sprache zu lernen. Ich bin der Meinung, dass die künstliche Aufrechterhaltung eines Mythos und einer Kultur unwillkommene Konsequenzen nach sich ziehen kann. Den Gedanke, Waliser seien überwiegend Nationalisten, finde ich sehr interessant, denn aus meiner Perspektive hat es immer den Propagandisten aus dem Süd-Osten Englands geholfen um die Waliser (und die Schotten) als Barbaren darzustellen und dies gründet sich nur auf einer langen Tradition von Sozialismus und Wiederstand. Für mich ist das ein auf Mythen basierender Unsinn.

(anm. d. Red. Hoffentlich versteht der Leser, dass ich mit dieser Frage kontrovers sein wollte, um eine starke Reaktion zu stimulieren, und nicht tatsächlich der Meinung bin, dass alle aus Wales stammenden Bürger Faschos sind!!)

Warum ist auf dem Cover der “FLW is a registered trademark”-Spruch? Das klingt genau nach dem Big Business das du im Song “Crimewave” verurteilst….

Welly: Muss ich das alles wirklich noch mal durchkauen? Ein US Unternehmen, das 1999 eine Boy-Band fabrizierte, ließ sich unseren Namen schützen und drohte unserem Label mit gerichtlichen Schritten. Unser Vertragsverhältnis wurde beendet und ich versuchte jede Unterstützung zu kriegen die ich bekommen konnte. Es gibt weitere Aspekte von denen ich hinsichtlich des Statements erzählen könnte, aber ich will den ganzen Krempel nicht wieder aufwühlen. Was ich sagen möchte ist folgendes: Dieses Statement dient lediglich als Schutz vor weiteren gerichtlichen Maßnahmen, denn ich will nicht, dass unser aktuelles Label Newest Industry da steht wie unser voriges Label B.Y.O. Nämlich mit einer Menge unverkäuflicher Platten deren Herstellung ein kleines Vermögen gekostet hat. Es hat nichts mit Geschäfte machen zu tun, es hat damit zu tun, gezwungen zu werden die gleichen Maßnahmen wie die Leute im Big-Bussines zu ergreifen, aus reinem Selbstschutz. Ich weiß, jemand der den Hintergrund nicht kennt, könnte diese Aussage als Heuchelei empfinden, aber ich hoffe die Hand voll von Leuten die sich unsere Musik anhören, wissen bescheid – eigentlich ne glasklare Angelegenheit. Übrigens, Tom, es hat mich gefreut, dass du „Crimewave!“ als eine Metapher für Globalisierung aufgefasst hast – nicht für Bullen und Anarchie, wie die meisten – ha ha!

Deine künstlerischen Arbeiten scheinen sehr stark vom II. Weltkrieg-Schick und 50er Jahre Wirtschaftswunder-Postern beeinflusst zu sein. Gibt es dafür einen bestimmten Grund? Was ist wichtiger für dich – Musik oder Kunst?

Welly: Jedes Projekt ist anders, und dieses mal wollte ich alte Propagandaposter nutzen. Offensichtlich hab ich dieses mal die meiste Zeit damit verbracht das graphische Konzept zu entwickeln und es mit dem Texten in Einklang zu bringen. Ich hab meine Zeit damit verbracht so viele Ideen wie möglich umzusetzen und sie in das Gesamtbild einzuarbeiten. Einige der alten Propaganda-Poster habe ich bearbeitet um den Sinn umzudrehen, bei anderen musste ich nichts ändern, woran man mal sieht wie dünn bei Propaganda die Trennlinie zwischen Schwarz und Weiß ist. Ich mag die Idee Propaganda gegen ihre Urheber zu verwenden – ihre eigenen Lügen richten sich dann gegen sie.

Wenn du mich jetzt fragst was am Ende wichtiger ist: Musik und Kunst haben den selben Stellenwert. Viele Bands fokussieren mehr die Musik… ich bin der Meinung, sie nutzten nicht ihr Gesamtpotenzial aus. Bands aus der Vergangenheit, die mich wirklich bewegt haben, waren diejenigen die Musik, Texte und Kunst nutzten um daraus einen totalen Angriff zu kreieren. Mir persönlich geht es darum Musik zu veröffentlichen die dem Hörer zu kauen gibt, also versuche ich auch Bilder zu malen und am Ende die ganzen Medien zusammen zu schmeißen. Deshalb werden die Veröffentlichungen von FLW mit Musik, Texten, Grafiken, und auch Samples & Zitaten versehen. Es geht darum die Botschaft so deutlich wie möglich zu gestalten, dem Zuhörer so viel wie möglich zu geben – in der Hoffnung mehr als reine Unterhaltung zu bieten – sondern Inspiration.

Ich weiß, wie du über Religion denkst und das diese Gefühle nichts mit Punk zu tun haben. Aber ist Punk nicht etwas für diejenigen die sich in der Gesellschaf fremd fühlen, wie z.B. auch Christen oder Krishnas die sich von der moralfreien hedonistischen Gesellschaft entfremden und das Gefühl haben sie hätten etwas gemeinsam mit der Ideologie des Punk?

Welly: Ich würde nicht sagen, dass religiöse Gruppen das Gefühl haben, sie könnten der Punk-Ideologie etwas abgewinnen, denn ich glaube, die große Mehrheit hat nicht mal etwas davon gehört. Offensichtlich gibt es jetzt eine Gruppe von jungen Christen die tatsächlich glaubt sie hat mit der Ideologie des Punk something in common und sie sind wohl der Meinung sie seien da richtig tief drin – nicht meine Meinung. Wenn man nun behauptet die Christen seien eine Art rebellische Minderheit die um Gehör ringe, lässt man die Rahmenbedingungen völlig außer acht. Man könnte in bestimmten ethnisch moralischen Gesetzmäßigkeiten Gemeinsamkeiten sehen, das war´s dann aber auch schon. Ich führe mein eigenes Leben. Meine Moral und Ethik entspringen mir und ich lasse sie mir nicht von einer fremden Macht diktieren. Ich kann nicht erkenne das irgendeine religiöse Doktrin auf Unabhängigkeit oder Selbstverwirklichung basiert – außer sie legt die Begriffe anders aus. Letzten Endes ist jeder für sein Handeln selbst verantwortlich – wenn ich einen Fehler mache, trage ich die Verantwortung und die Folgen.

Es ist nicht einfach mit beten oder beichten getan. Grade bei den Krishnas ist es so, dass sie sich Leute aussuchen die punkig oder einfach anders gekleidet sind, ich weiß das aus eigener Erfahrung. Sie denken, dass Menschen die anders aussehen auf der Suche nach Antworten sind und versuchen aktiv diese Leuten zu indoktrinieren. Ich hab auf jeden ein Problem mit Kishnas und mir geht es gegen den Strich wie sie den Leuten auf der Straße das Geld abziehen. Sie glauben nämlich wirklich sie beklauen uns, weil wir nämlich Ungläubige sind und aus diesem Grund auch minderwertigere Wesen – durch ihre Lehre wird dieses Verhalten gerechtfertigt. Nicht nur das wir es hier mit einem religiösem Kult zu tun haben der mentale Beeinflussung und Liebe („love bombing“) instrumentalisiert, auch der Glaube an ein Mann-Kuh-Frau-Hund Hierarchie ist einfach nur krank und falsch – jedenfalls soweit es mich betrifft. Für mich ist die Religion das Gegenteil von Punk, für mich ging es immer um die Verweigerung gegenüber solchen Sachen – das in Frage stellen von Traditionen und Institutionen, weniger sie durch Umarmung zu bändigen. Ich denke um überleben zu können, müssen wir nach Vorne blicken, und eine Aufgabe die wir bewältigen müssen, ist das Ausmerzen solch veralteter Doktrinen. Wenn Punk und Hardcore sich so weit verändert haben, dass sie scheinbar mit Glaubensrichtungen, die das Individuum kontrollieren wollen, konform gehen, sollte man dem Kind einen anderen Namen geben. Denn diese Begriffe scheinen eh immer mehr zu Relikten der Vergangenheit zu werden, je mehr sie ideologisch und inhaltlich verwischen.

Stimmt es, dass du ein Buch über die Geschichte des walisischen Punks schreibst? Wie geht’s voran? Klappt es die ganzen Leute von damals zu aktivieren?

Welly: Stimmt fast. Das Projekt ist eigentlich eine Compilation CD die chronologisch die Geschichte des „south-wales-Punk“ aufarbeiten soll. Es musste speziell Süd-Wales sein, da ich nicht genug Ahnung davon habe, was im Norden abgeht. Ich hab auch damit begonnen das Booklett graphisch und textlich zu gestalten um das Projekt abzurunden. Allerdings ruhte das Projekt auch einige Zeit, da das Auftreiben der Master Bänder fast unmöglich ist und einige Bands nur sehr schwer zu finden sind. Es ist ein riesiger Brocken Arbeit den ich bewältigen will, aber wenn ich Zeit zwischen den anderen Projekten habe wird’s auch weiter gehen.

Du singst in einer Band, stemmst eine Fanzine (‚Artcore‘), und hast Familie – findest du überhaupt Zeit für nen regulären Job?!

Welly: Ja, ich kriege das mit nem Vollzeitjob klar, allerdings nur weil es mit den Arbeitszeiten gut hinhaut, so kann ich mich auch um andere Sachen kümmern – obwohl der Job echt Dreck ist. – All I know is, life is short, so I want to get as much done as possible, but on my own terms!

Letzte Frage – Pläne für die Zukunft?

Welly: Einfach mit dem Zine und der Band weiterzumachen – wenn die Umstände es erlauben. Wer sich für die Band (oder das Zine) interessiert, checkt: www.fourletterword.org.uk oder www.fourletterword.org.uk/artcore, oder die Band per E-Mail anschreiben an: flw@ntlworld.com oder schriftlich an: c/o 1 Aberdulais Road, Gabalfa, Cardiff, CF14 2PH, Wales, U.K. Danke Tom für die Mühe und TRUST für die Veröffentlichung dieses Interviews.

Interview: Tom Craven
Übersetzung: Jens Joh

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