Oktober 5th, 2018

EX HEX (# 171, 2015)

Posted in interview by Jan

EX HEX

Ex Hex sind alles was die ’neuen‘ Sleater-Kinney nicht sind: zugänglich, auf dem Boden geblieben, fröhlich und unverkniffen. Warum der Vergleich? Mary Timony, eine der besten Gitarristinnen der Welt, wenn man mich fragt, ist Frontperson dieser Band und war Mitglied von Wild Flag, zusammen mit Janet Weiss und Carrie Brownstein von Sleater-Kinney.

Sie ist erleichtert, dass mittlerweile die Reunion der alten Band ihrer Mitstreiterinnen bei Wild Flag bekannt gegeben wurde, denn sie wusste natürlich schon sehr lange, warum Wild Flag auf Eis gelegt wurde, durfte darüber aber noch nicht sprechen. Wurden Wild Flag noch als Supergruppe vermarktet, so sind die anderen Mitglieder von Ex Hex nicht unbedingt unbeschriebene Blätter, aber zumindest keine Ikonen der Riot-Grrl Szene. Diese Szene, so Mary, war ohnehin regional beschränkt. In Washington DC, wo Ex Hex herkommen, orientierte man sich eher an Fugazi und der Szene, die diese begründeten.

So wundert es nicht, dass das Mary Antimon Album, Ex Hex, damals von Brendan Canty aufgenommen wurde und Devin Ocampo von Medications, einer anderen Dischord Band, dort Schlagzeug spielte. Das war vor 10 Jahren. Ex Hex wurde zu meinem Album des Jahres, gerade weil es sphärisch, sperrig, verträumt und dadurch innovativ war.

Die band Ex Hex hat trotz derselben Sängerin und Gitarristin diesem Konzept völlig abgeschworen und orientiert sich eher an 60er Girl Groups, denn bei keinem Song auf deren Platte fehlt ein ’schubidu‘ oder ‚oooh-aaah‘, 70er Classic Rock (vor allem dessen Gepose! Auf nicht-existenten Bühne ruht der Fuß von Bassistin Betsy Wright doch oft genug auf der Monitorbox oder der Bassdrum) und einem 90er Jahre Riot-Grrl-Sound. Sie sind wie in die Jahre gekommene Bangs, singen über Jungs und lächeln sich beim Konzert im Kölner King Georg permanent gegenseitig an, frei nach dem Motto: Girls just wanna have fun.

Laura Harris, ihres Zeichens Schlagzeugerin der Band, erzählt, dass sie normalerweise wie die Jungfrau zum Kinde ans Schlagzeugspielen in Bands kommt. „Ich habe nie Unterricht genommen und in Punkbands gespielt, und dafür hat es funktioniert. Dann habe ich mit einem Singer/Songwriter gespielt und dort waren alle technisch super fit. Ich musste dort lernen ganz andere Musik zu machen. Musikalisch ist es also bei Ex Hex zurück zu meinen Ursprüngen gegangen, aber mit der Herausforderung mehr auf das Tempo und die Arrangements zu achten. Ich musste viel lernen, muss ich immer noch. Trotzdem fühlt es sich natürlich an, wie wir die Songs schreiben. Obwohl Mary und Betsy beide Musik studiert haben, sagen sie nie Sachen, die ich nicht verstehe. Sie sprechen nicht in technischen Begriffen oder so. Wir sind ja keine Prog-Rock-Band. Wir sind Musikerinnen, die Musik machen. Es ist cool naiv an Musik heranzugehen, aber wenn du jeden Abend spielen musst und zu einem Klick aufnehmen sollst, dann musst du lernen effizienter zu spielen.“

Ob es Zufall oder Karma war, jedenfalls sprach Mary Laura und Betsy genau in dem Moment an, als sie alle drei eine Trennung von ihren Partnern durchmachten – sie gingen zurück zu der Idee von „girl love“ die in den Grrrlzines der 90er hochgehalten wurde. Die Jungs können nach Hause gehen, und die Mädels hängen zusammen ab und machen Musik. Betsy musste für die Band das Bassspielen erst lernen und trotzdem sagt sie, dass „alles was wir vorher gemacht haben einfach nicht perfekt gepasst hat, und jetzt tut es das und das fühlt sich sehr gut an“.

Es verwundert vielleicht, dass die Band in keinster Weise an Marys Album versucht anzuknüpfen, obwohl sie sich danach benannt haben. Generell scheinen die Bands der drei eher kurzlebig zu sein, bei Mary gab es da zunächst Autoclave mit Christina Billotte (Slant 6, Casual Dots), dann Helium, die immerhin 6 Jahre zusammenblieben. Mind Science of the Mind, The Spells (mit Carrie Brownstein), Green 4, und Wild Flag, die jeweils eine Platte aufnahmen und nun Ex Hex mit ‚Rips‘. „Wir sind immer dafür alte Sachen rauszuwerfen und weiterzumachen, wir hängen nicht an der Vergangenheit oder der Musik, die wir damals gespielt haben. Wenn wir keine Lust mehr auf diese Songs haben, werden wir unserem Namen ändern und damit hat sich das Nachfragen nach alten Songs auch erledigt“, scherzt Betsy.

Mary, die selber Jazzgitarre studiert hat, gibt Gitarrenunterricht um sich zwischen den Touren von Ex Hex zu finanzieren schwört aber auch nicht darauf. „Einige der kreativsten Musizierenden, die ich kenne, haben nie Musik studiert. Aber andere wiederum schon, darauf kommt es auf jeden Fall nicht an, aber es kann einem helfen. Wenn ich einen Song schreibe, ist die erste Frage, die ich mir stelle: Würde ich als Hörerin das Lied mögen. Über was anderes sollte man sich auch gar nicht messen wollen. Klar fühlt es sich gut an, wenn andere Leute zu den Liedern tanzen und sich über die Sachen freuen, aber wir versuchen unverkrampft an die Dinge heranzugehen und uns selbst nicht zu ernst zu nehmen “

Dabei ist sie sehr kritisch mit sich selbst und meint 90% der Stücke, die sie schreibt seien schlecht. „Als ich die Soloplatten gemacht habe, war es als würde ich in einem Vakuum arbeiten, das macht einen auf Dauer einsam, weswegen ich den kollaborativen Ansatz von Ex Hex liebe“.

Was den weiteren Weg der Band angeht, sind Ex Hex bescheiden, aber für alles offen. „Als ich das letzte Mal in Köln war, haben wir auf einem Museumsdach gespielt“ erzählt Betsy „das war cool, ich mag alle Arten von Läden, besonders wenn es durchmischt ist. Gestern waren wir in einem Riesenladen in Berlin, in Lille haben wir auf einem Boot gespielt, wir haben draußen im Schnee gespielt. Das macht die Sache spannend, dass es immer anders ist. Dann schreiben wir neue Songs und machen das ganze wieder und wieder in Folge. Wenn wir kurz Zeit haben uns zu Hause auszuruhen, bekommen wir auch ganz schnell wieder Hummeln im Hintern“. „Wobei ich es auch okay fände, wenn wir es wie Black Sabbath machen könnten. Ein Konzert und dann fünf Pausentage“ wirft Mary amüsiert ein.

Vielleicht sind Ex Hex im Moment einfach zur richtige Zeit am richtigen Ort, den überall, wo sie spielen, lösen sie Begeisterungsströme aus. Dazu Mary: „Ich finde, dass im Moment eine gute Zeit für Rock-Musik angebrochen ist. Es gibt super viele tolle Bands, obwohl oft auch eine sehr dünne Linie gute von schlechter Musik trennt“. „Das wichtigste Kriterium ist, dass Fred Durst nicht mitmischt“ ergänzt Laura. „In den 90ern war die Musikszene wie eine High School – man kannte alle und kam nicht um sie herum. Jetzt ist es wie eine Uni und man kann sich zwischen super vielen Angeboten entscheiden und sich die guten Sachen herauspicken. Das heißt für die Bands aber auch, dass sie dranbleiben müssen, mehr veröffentlichen müssen, weil die Leute eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne haben und dich sonst einfach wieder vergessen“.

Wenn das hießt, dass es bald ein weiteres Ex Hex-Album geben wird, auf dem Mary ohne mit der Wimper zu zucken die genialsten Gitarrenriffs fabriziert, die sich trotzdem in den minimalistischen Sound des Trios perfekt einzufügen scheinen, dann freue ich mich deren Seminare belegt zu haben.

Alva Dittrich

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