September 29th, 2007

END OF A YEAR / SINKING SHIPS / SHOOK ONES (#122, 02-2007)

Posted in interview by jörg

Nach einigen Jahren eher experimentellerer Veröffentlichungen schwenkt das Kalifornische Kult Label REVELATION jetzt wieder auf einen durchaus Hardcore lastigeren Kurs ein. Fast zeitgleich erschienen Alben von SINKING SHIPS und SHOOK ONES (beide aus dem Raum Seattle, Washington) und END OF A YEAR (aus dem Bundesstaat New York).

Während SINKING SHIPS von allen drei Bands die härteste ist und man die familiäre Verbindung zu CHAMPION deutlich hört, haben sich SHOOK ONES eher der Verehrung von KID DYNAMITE verschrieben. END OF A YEAR dagegen sind von allen dreien mit ihrem sprechgesang-artigen DC Punk nicht nur die interessanteste der drei Bands, sondern im Interview auch noch die Auskunftsfreudige.

Ein guter Zeitpunkt also um sich die drei Gruppen genauer anzusehen, vor allem da SINKING SHIPS und SHOOK ONES nicht nur die geographische Nähe sondern auch eine tiefe Freundschaft verbindet. Was logischerweise auch zu einer gemeinsamen Europatour führte. END OF A YEAR haben sich ebenfalls bereits die Bühne mit beiden Bands geteilt, scheinen aber allein schon durch ihre Herkunft von der Ostküste der USA etwas abseits zu stehen.

Alle drei Bands bekamen sehr ähnlich Fragen gestellt, was dazu dienen sollte Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Gruppen klar hervorzuheben. Ausserdem wurde noch Vique Martin von REVELATION interviewt um einige Details und Hintergründe aus der Sicht des Labels darzustellen.

Um das Eis zu brechen frage ich zu Beginn ob die Bands das TRUST vielleicht aus dem Vorspann des Grunge-Liebesfilms „Singles“ kennen. Ausgerechnet die beiden Gruppen aus Seattle reagieren gar nicht darauf, lediglich END OF A YEAR outen sich als obsessive Fans des Films…

***

Patrick / END OF A YEAR

Patrick: Unser Gitarrist wird deinen Hinweis auf „Singles“ lieben! Wir reden viel zu oft über den Film und wir werden definitiv nach dem TRUST Ausschau halten wenn wir ihn das nächste mal sehen!

Welche Rolle hat denn das Medium Fanzine in deiner persönlichen Entwicklung gespielt?

Patrick: Ich denke das ich 1995 oder 96 zu meinem ersten Konzert ging und zu diesem Zeitpunkt war das Internet natürlich schon vorhanden, aber noch nicht so allmächtig wie heute. Fanzines waren also der beste Weg sich darüber zu informieren was in der Szene los war. Ich mochte regionale Zines schon immer am liebsten, aber über die Jahre hinweg habe ich das HeartattaCk am häufigsten gelesen. Was seltsam ist, da ich mit den dort geäusserten Dingen selten einverstanden bin. Vielleicht lese ich es nur damit ich etwas habe über das ich mich aufregen kann.

Wie fandest du heraus das es etwas wie Punk/Hardcore überhaupt gibt? Und was war es das dich angezogen hat?

Patrick: Als ich in die High School kam gab es dort zwei Hardcore Kids, aber keine Punks. Ich freundete mich mit ihnen an und sie schleppten mich zu meinem ersten Konzert. Das wars eigentlich – ab dem Punkt hing ich am Haken. Der eigentliche Moment der meine Liebe für Hardcore dann richtig gefestigt hat war dann jedoch mein zweites Konzert – WARZONE aus New York traten auf. Um die hundert Kids sangen mit und als das Lied vorbei war sagte Raybeez leise zu sich selbst: „This is better than drugs“. Ich weiss nicht warum – aber das blieb bei mir hängen.

Und wann hast du realisiert das du ein aktiver Teil dieser Jugendkultur werden kannst anstatt nur Konsument zu sein?

Patrick: In dieser Beziehung läuft bei mir etwas falsch. Wenn ich etwas sehe das mir gefällt, dann muss ich es auch selbst tun. Ich kann nicht nur daneben stehen und zusehen. Das war bei mir schon immer so. Vielleicht ist es eine Ego Sache, vielleicht glaub ich auch nur das ich es besser machen kann. Meine Eltern wünschten wohl ich hätte das selbe Interessen für Sport aufgebracht, damit ich damit Geld verdienen könnte. Stattdessen mache ich Musik und bin pleite.

Wann habt ihr denn bemerkt das eure Band mehr sein könnte als eine dieser typischen lokalen Punkbands? Das Leute nicht nur auf nationaler Ebene Interesse an euch haben, sondern sogar International?

Patrick: Ich denke es gibt vier Kategorien von Bands wenn es darum geht die lokale Szene hinter sich zu lassen:
a) Die Band ist in ihrer Heimatstadt erfolgreich und will sie deshalb nicht verlassen.
b) Die Band ist in ihrer Heimatstadt erfolgreich und denkt das es sich auch im Rest des Landes so verhalten wird und geht deshalb auf Tour.
c)Die dritte Sorte ist zuhause nicht sehr populär und glaubt im Rest der Welt wird es sich genauso verhalten und versucht gar nicht erst auf Tour zu gehen.
d)Die Band ist zuhause nicht gerade beliebt, also will sie überall anders spielen. Wir sind jetzt schon lange Zeit eine „Typ D“ Band. Wir dachten nicht das uns die Leute woanders mögen würden, wir wussten einfach das uns zuhause niemand ausstehen kann. Wir können es immer noch kaum glauben das Leute uns in ihrer Stadt spielen lassen wollen.

In eurem – nennen wir es mal „Promo-Info“ – sagt ihr: „We wanted to play music we liked so we got together and did that shit. No one else really liked it and we were pretty comfortable being the band who tours the country but no one really likes.“ Da ihr jetzt bei einem grösseren Label seit und auch Tourangebote für Europa habt: Fühlt ihr euch jetzt mehr gemocht und geschätzt?

Patrick: Speziell das Feedback aus Europa war grossartig. Wir haben jahrelang vor niemanden gespielt. Wir begannen Shows als Chance zu sehen sehr hart zu proben. Dieses kleine bischen mehr Aufmerksamkeit das wir jetzt bekommen ist für uns immer noch sehr seltsam. Die Leute bieten uns von überall her Shows an und ich rufe sie an und frage: „Wirklich? Uns? Seit ihr sicher das ihr die richtige Band kontaktiert habt?“

Jetzt mal ehrlich: Kein Künstler macht Kunst nur für sich selbst. Wenn niemand seine Kunst bemerkt oder schätzt wird er höchstwahrscheinlich nach einer Weile damit aufhören. Was wäre ein Grund für euch aufzuhören? Und welche Reaktionen auf eure Band motivieren euch dazu weiterzumachen?

Patrick: Ich denke das Leben kommt jedem irgendwann mal in die Quere. Aber wir haben uns nie viel davon erwartet in einer Band zu sein, weshalb wir uns auch nie so schnell wie andere Bands von Publikumsreaktionen entmutigen haben lassen. In gewisser Weise haben wir uns auch eingestanden das die Art von Musik die wir spielen so schnell nicht besonders populär werden wird. Was ich also sagen will ist: Wir werden möglicherweise länger in der Obskurität dahin dümpeln wie andere Bands ohne uns davon entmutigen zu lassen.

Wie haltet ihr die Band am laufen? Ist es nicht manchmal ermüdend so hart zu arbeiten, seinen gesamten Jahresurlaub für Touren aufzuopfern und dann pleite zu einem Scheissjob zurückzukehren. Und das alles während deine Freunde und Arbeitskollegen ihre Zeit in eine richtige Karriere investiert haben?

Patrick: Wir alle versuchen Musik auch in unser Leben ausserhalb der Band zu integrieren. Unser Schlagzeuger Eric designt Webseiten für Bands und ähnliche Dinge. Unser Basser Andrew baut gerade sein eigenes Studio auf. Ich nehme die Erfahrungen die ich beim „am Leben halten“ meiner Band gelernt habe und versuche dies beim Gründen meiner eigenen Firma zu verwenden.

In dieser Hinsicht haben wir alle das Gefühl zumindest in kleinen Schritten in unseren „professionellen“ Leben voranzukommen. Aber um realistisch zu bleiben: Du hast sicherlich recht damit das eine Band durchaus fordert andere Ziele hinten an zu stellen. Aber wie ich das sehe ist es durchaus ein würdiges Ziel die beste Band der Welt zu sein und ich bin durchaus bereit pleite zu sein während wir diesem Ziel näher kommen.

Wie kam euer Kontakt mit REVELATION zustande?

Patrick: Bob Shed, der lange Zeit auch sein eigenes Label Collapse betrieben hat, ist jetzt der grosse Mann bei REV. Bob fragte eine seiner Collapse Bands – FORCED FORWARD – was sie momentan für Bands hören und unser Name wurde erwähnt. Bob wurde neugierig und eins führte zum anderen. Wir haben ihnen niemals ein Demo geschickt oder irgendetwas anderes in der Art unternommen.

Woher denkst du kommt dieses wiedererweckte Interesse von REV an „klassischem“ Hardcore? Ernsthaft – wenn du wirklich Geld verdienen willst veröffentlichst du doch keine Old School Hardcore Alben, oder?

Patrick: Das wird jetzt vielleicht einige der REVELATION Mythen zerstören aber Jordan Cooper hat schon lange selbst keine Bands mehr unter Vertrag genommen. Er hört sich alles auf dem Label an und es muss seinen Qualitätsstandards entsprechen, aber er ist nicht derjenige der aktiv nach Bands Ausschau hält. Die Person in dieser Postion wurde in den letzten Jahren desöfteren ausgewechselt, was sich am Backkatalog von REV wiederspiegelt.

Jordan vertraut seinen Mitarbeitern sehr und hat ihnen erlaubt ihren eigenen Richtlinien zu folgen wenn sie Bands unter Vertrag nehmen. Der Mann der gerade auf dem heissen Stuhl sitzt ist besagter Bob. Er ist ein Hardcore Kid durch und durch. Als Jordan ihn also zum A&R beförderte war klar das er als erstes Hardcore Bands unter Vertrag nehmen würde.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit REV für euch? Denn anfangs scheint immer jede Band begeistert zu sein bei einem derartig legendären Label zu unterschreiben. Nach einer Weile haben die meisten jedoch nicht mehr viel gute Worte für das Label übrig (z.B. PLOT TO BLOW UP THE EIFFEL TOWER, CHRISTIANSEN, SINCEBYMAN,…).

Patrick: Viele Leute hatten in der Vergangenheit riesige Probleme mit Leuten die für Jordan arbeiteten. Manchmal wurde Bands wohl vorgegaukelt das mehr Mittel zur Verfügung stehen würden als REV dann wirklich aufbringen konnte. Ich denke das war die Beschwerde die immer wieder aufkam. Als Bob den Posten übernahm war es für ihn besonders wichtig diese Missverständnisse aus dem Weg zu räumen und dafür zu sorgen das REV nur im Rahmen seiner Möglichkeiten operierte.

In dem Fall können die Bands diesen Rahmen nutzen oder sich für eine Zusammenarbeit mit anderen Labels entscheiden. Wir selbst behandeln REV grösstenteils wie ein kleines Label. D.h. wenn sie uns unter die Arme greifen können ist das für uns ein grosser Erfolg und wenn es nicht geht dann werfen wir ihnen das auch nicht übermässig vor.

SINKING SHIPS und SHOOK ONES haben fast zeitgleich mit euch Alben auf REV veröffentlicht. Diese beiden Bands scheinen alleine schon durch die Geographische Nähe sehr eng befreundet zu sein. Wie passen da END OF A YEAR ins Bild? Fühlt ihr euch als Teil einer „new school of REV hardcore“ oder Teil einer neuen Bewegung?

Patrick: In dieser Beziehung sind wir wohl mehr der Stiefbruder der gerade aus dem Knast kam. Ich bin mir sicher beide Bands sind erfolgreicher als wir. Aber beide Bands haben uns wirklich enorm unterstützt und das ist etwas was wir sehr schätzen. Sie waren nett genug Konzerte mit uns zu spielen und uns ihre Heime zur Verfügung zu stellen. Ich weiss nicht ob wir perfekt mit diesen Band zusammen passen, aber das ist uns nicht wirklich so wichtig. Wir mögen was beide Bands tun und sind froh Labelkollegen von ihnen zu sein.

Wo liegen die Gemeinsamkeiten zwischen den drei Bands – wo sind die Unterschiede?

Patrick: Alle drei Bands sind mehr auf die Musik fokusiert als darauf sich Freunde zu machen, was ich sehr schätze. Alle drei bewegen sich musikalisch in Richtungen durch die sie Fans verlieren werden, was ich sehr schätze. Wir unterscheiden uns dadurch das wir niemals viele Fans hatten die wir verlieren könnten!

Ihr scheint viel Arbeit sowohl in die Texte als auch in das Booklet gesteckt zu haben. Unter anderen verweist ihr neben den Texten immer auf Bands oder Schriftsteller die euch zu diesem Lied inspiriert haben.

Patrick: Denkst du das sowas die Leute in den Zeiten von MP3, itunes und Filesharing überhaupt noch interessiert? Wird die Verpackung und Botschaft einer Band unwichtiger als noch vor ein paar Jahren? Darüber hab ich in letzter Zeit viel nachgedacht weil ich selbst einen Computer bekommen habe und damit begonnen habe mehr Musik runterzuladen als jemals zuvor. Es ist ein wahnsinnsgefühl wenn jedes Lied auf der Welt nur einen Knopfdruck entfernt ist, aber es ist schon fast zuviel verfügbar.

Es scheint aber als wird ein spezieller Song weniger wert wenn du 100.000 davon auf deiner Festplatte gespeichert hast. Für Hardcore bedeutet das m.M. nach das die Qualität der Texte stark darunter gelitten hat. Als ich mit Hardcore in Berührung kam war das Booklet oder Textheft essentiell um die Lieder wirklich voll geniessen zu können. Jetzt scheint es den Leuten egal zusein solange sie den Chorus und damit den Song wiedererkennen können.

In euren Texten kommen Frauen eigentlich immer nur als verehrungswürdige, aber auch unerreichbares Figuren vor. Denkst du das ihr Frauen mit solchen Lyrics ausschliesst? Seit ihr eine Band „von Jungs für Jungs“?

Patrick: Das ist eine sehr interessante Frage über die ich ehrlich gesagt nie nachgedacht habe… Wir sind sicher keine dieser Frauen-Hasser Bands die vor einigen Jahren im Hardcore so populär waren. Aber ich denke das du hier durchaus recht hast – die Texte sind teilweise sehr geschlechts-spezifisch. Ich denke jedoch das es Frauen nicht davon abhalten sollte die Band zu mögen aber wer kann das schon mit Sicherheit sagen? Die Texte sind so persönlich und spezifisch wie es mir nur möglich ist, weil ich hauptsächlich daran interessiert bin die Leute hören zu lassen was ich denke anstatt zu versuchen eine Hymne zu schreiben.

Und da ich wirklich immer exakt schreibe was ich denke, ist es bestimmt möglich das die Texte manche Leute ausschliessen. Ich denke das ehrlich zu sein meine Aufgabe in dieser Band ist, selbst wenn das manchmal auch negativ rüberkommen kann. Aber um deine Frage konkret zu beantworten: Ich habe von uns nie als Band auschliesslich für Jungs oder Mädchen gedacht und ich hoffe dass das auch nicht der Fall ist.

Ihr habt ja mit Don Zientera in den Inner Ear Studios in Washington DC aufgenommen. Warum habt ihr das Studio ausgesucht? War es das Geld wert? Oder hattet ihr das Gefühl hier bezahlt man mehr für den quasi legendären Ruf als für die Arbeit?

Patrick: Wir haben zu Beginn eine Liste mit Engineers und Studios gemacht die wir mögen. Das Ergebniss war Don Z. und einige Briten die schon ein paar Jahre tot sind, also war Don der klare Gewinner! Wir haben alles von Don bekommen was wir wollten, speziell das er mit unserem ganzen Blödsinn umgehen konnte. Ich bin beim Aufnehmen wirklich furchtbar. Es dauert ewig um mich überhaupt so beschissen klingen zu lassen wie auf der Aufnahme. Glaub es oder nicht – die Art wie ich auf der Platte klinge nahm viel Zeit in Anspruch.

Wenn wir meine ersten vierzig Versuche genommen hätten würden die Leute mich wegen Hörschäden und emotionaller Grausamkeit verklagen. Neben Don`s Geduld haben wir auch noch ein Studio mit einer sehr warmherzigen Atmosphäre bekommen. Er ist ausserdem ein Engineer der alles weiss, aber der Band die Entscheidungen überlässt.Wenn es sein und unser Zeitplan erlaubt wollen wir für das zweite Album auf alle Fälle auch wieder mit Don zusammenarbeiten.

Wo wir gerade über Don sprechen: Wie war es mit dem Mann aufzunehmen der auch der Produzent der EMBRACE Platte war, nach der ihr euch benannt habt? Wie waren seine Reaktionen auf eine junge Band die scheinbar so von seiner bisherigen Arbeit beeinflusst ist?

Patrick: Das einzige was ich an einer Zusammenarbeit mit Don nicht liebte war das damit einhergehende Stigma. Wir klingen vage DC-Punk mässig, also war es fast zu vorhersehbar mit Don im Inner Ear aufzunehmen. Und wir hätten die Leute gerne damit aus der Bahn geworfen, in dem wir mit jemand komplett unerwartetem aufgenommen hätten. Aber sobald du dort ankommst und Don triffst weisst du sofort warum all diese Bands zu Don gingen als sie jung waren und bei ihm blieben als sie älter wurden.

Der Mann ist unglaublich geduldig und professionell. Ich weiss nicht wie es sich für ihn anfühlt das unser Sound von Alben inspiriert ist, an deren Entstehung er mitgewirkt hat. Ich denke er hat das bereits schon so oft gesehen, das ihn das gar nicht mehr grossartig beeinflusst.

Habt ihr in der Zeit die ihr in DC und mit Don verbracht habt eigentlich auch einige der führenden DC Punks getroffen?

Patrick: Während wir das Album gemixt haben sass Guy Picciotto mit einem Freund in der Lounge und spielte Gitarre. Wir waren alle Fans seiner Arbeit aber haben ihm nur kurz zugenickt und uns ihm nicht vorgestellt. Ich hasse es Leute zu belästigen. Ich denke Brendan Canty hatte eine Geburtstagsparty und Don lud uns ein mitzukommen, aber wir waren vom Aufnehmen zu müde, weshalb wir dankbar abgelehnt haben. Ansonsten kommt nur FUGAZI`s Tambourine auf unserer Platte zum Einsatz.

Wenn immer ich etwas über eure Band lese – egal ob Homepage, Bio, Reviews – wird im gleichen Satz immer DC Punk, Revolution Summer oder EMBRACE erwähnt. Da ihr also so offensichtlich von dieser Bewegung und ihren Bands beeinflusst seit: Denkst du das ihr dadurch nicht wirklich kreativ und originell genug seit? Bands wie EMBRACE oder RITES OF SPRING waren ja bekannt dafür nach vorne zu blicken und sich weiter zu entwickeln. Habt ihr das Gefühl ihr geht eher rückwärts? Und ist es vielleicht ganz einfach unmöglich heute etwas wirklich originelles und wirklich neues zu schaffen?

Patrick: Grossartige Frage und etwas über das ich momentan sehr viel nachdenke. Wir haben immer akzeptiert das wir diesen DC Anstrich haben, aber auch nie viel darüber nachgedacht. Das war keine Absicht, sondern scheint einfach das zu sein was aus unseren Fingern und Stimmbändern kommt und wir haben uns damit immer wohlgefühlt. Ich selbst war mir dessen gar nicht so bewusst bis es in den Besprechungen von „sincerly“ immer wieder auftauchte. Aber jetzt frage ich mich immer wie schwer es sein wird von diesem Vorurteil loszukommen.

Wir werden jetzt unser Songwriting nicht bewusst verändern nur um das loszuwerden, wir werden also darauf warten müssen bis sich unsere Musik natürlich in eine andere Richtung entwickelt. Es ist aber ganz sicher nicht unsere Absicht rückschrittlich zu sein. Aber gleichzeitig bemühen wir uns auch nicht um Progressivität. Meine Hoffnung ist das mit der Zeit etwas entsteht das die Leute dann als „unseren Sound“ erkennen werden.

Und in welche musikalische Richtung wollt ihr in Zukunft gehen?

Patrick: Für eine Weile dachte ich wir würden in eine langsamere, repetivere Richtung gehen. Was mich sehr glücklich gemacht hätte. Ich bin riesiger LUNGFISH Fan und langsame Lieder mit lediglich einem oder zwei Teilen zu spielen begeistert mich. Aber das neue Material hat diese Richtung dann doch nicht komplett eingeschlagen. Stattdessen nehmen wir sich wiederholende Elemente und spielen sie schneller. Wir haben also jetzt Zwei-Minuten-Songs mit zwei Teilen die schier vorbeifliegen.

Es erinnert mich an eine Hardcore Version der ersten GUIDED BY VOICES Alben, da die Lieder vorbei sind bevor sie dich langweilen. Stattdessen willst du sie sofort nochmal hören. Und lieber animiere ich die Leute dazu auf ihren CD Playern den „Back“ Knopf zu drücken als nach vorne weiter zu schalten und ich denke die neuen Lieder tun genau das. Textlich hatte ich gehofft etwas cleverer zu werden, aber ehrlich gesagt sind sie die direktesten die ich je geschrieben habe.

Was wird an eurer Band generell überbewertet? Und was unterbewertet?

Patrick:Schwere Frage. Wo fang ich an? Am meisten überwertet ist das gute Gefühl das unsere Band den Leuten anscheinend vermittelt. Das verwirrt mich, denn die Lieder sind eigentlich recht traurig oder zumindest sehr „anxiety ridden“. „Midwest“ zum Beispiel handelt davon pleite zu sein, sich nicht mal leisten zu können eine Frau zum Essen auszuführen und dem Gefühl das ich es nicht schaffe mein Leben als Erwachsener zu meistern. Aber den Leuten scheint es ein gewisses „warmes Gefühl“ zu vermitteln und das werde ich nie verstehen.

Unterbewertet ist auf alle Fälle unser Hardcore Background. Oft sagen Veranstalter „ich weiss nicht wie man ein Emo Konzert macht“ und ich habe keine Ahnung wovon die reden. Ich denke live sind wir definitiv eine HC Punk Band. Die Leute bei REV machen sich immer über mich lustig, weil ich END OF A YEAR immer behandle als seien wir eine sehr, sehr harte Band. Aus irgendeinem Grund sehe ich uns so, aber ich weiss nicht warum.

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Paul / SINKING SHIPS

Welche Rolle hat denn das Medium Fanzine in deiner persönlichen Entwicklung gespielt?

Paul: Als ich aufgewachsen bin waren Zines das grösste für mich. Als ich jung war habe ich das MAXIMUMROCKNROLL verschlungen, um soviel als möglich über Punk und Hardcore zu lernen. Als ich älter wurde entwickelten sich CHANGE und HARDWARE zu meinen Favoriten. Ich habe immer noch mehrere Kartons voll von Fanzines auf meinem Regal stehen.

Wie fandest du heraus das es etwas wie Punk/Hardcore überhaupt gibt? Und was war es das dich angezogen hat?

Paul: Auf Umwegen über „Alternative-Rock“. Ich wuchs in den Vororten von Washington DC auf, wodurch es sehr einfach für mich war etwas über lokale Bands wie FUGAZI oder JAWBOX herauszufinden. Was mich zu Dischord Records und den BAD BRAINS brachte. Und das wiederum zu Punk und HC. Ich liebte es, weil keiner den ich kannte es gut fand und es etwas war das nur mir gehörte.

Und wann hast du realisiert das du ein aktiver Teil dieser Jugendkultur werden kannst anstatt nur Konsument zu sein?

Paul: Nun, es fühlte sich von Anfang an sehr speziell an. Obwohl ich in keiner Band war oder Konzerte veranstaltete fühlte es sich anders an. Ich war Zeuge von etwas von dem der Rest der Welt keine Ahnung hatte.

Wann habt ihr denn bemerkt das eure Band mehr sein könnte als eine dieser typischen lokalen Punkbands?

Paul: Wir haben von Anfang an getourt und ausserhalb unserer Stadt gespielt. Nach ein paar Monaten auf Tour haben wir auch angefangen uns als Band zu fühlen die auch ausserhalb Seattle eine Berechtigung hat.

Wie haltet ihr die Band am laufen?

Paul: Wir sind sehr gut darin einen passiv/aggressiven Umgang miteinander zu pflegen, was wiederum alle in ständiger Bereitschaft hält.

Ist es nicht manchmal ermüdend so hart zu arbeiten, seinen gesamten Jahresurlaub für Touren aufzuopfern und dann pleite zu einem Scheissjob zurückzukehren. Und das alles während deine Freunde und Arbeitskollegen ihre Zeit in eine richtige Karriere investiert haben?

Paul: Durchaus.

Wie kam euer Kontakt mit REVELATION zustande?

Paul: Wir trafen sie als sie ein Lied von uns auf der „generations“ compilation haben wollten. Nachdem das abgeschlossen war blieben wir in Kontakt und die Dinge haben sich einfach entwickelt.

Woher denkst du kommt dieses wiedererweckte Interesse von REV an „klassischem“ Hardcore?

Paul: Es hat viel mit den Leuten zu tun die dort arbeiten. Hauptsächlich mit unserem Mann Bob Shed der dort die Bandauswahl übernommen hat. Und während es viel Interesse an HC bei REV gibt sollte man sich trotzdem die anderen Bands anschauen: GRACER, END OF A YEAR, MEMORIAL, SHOOK ONES – das sind alles Bands mit einem gewissen HC-Hintergrund aber definitiv keine HC Band im klassischen Sinne.

Ernsthaft – wenn du wirklich Geld verdienen willst veröffentlichst du doch keine Old School Hardcore Alben, oder? Richtig. Ich kann mir nicht vorstellen das „Cash-Money-Major-Records“ in naher Zukunft versuchen wird den SIDY BY SIDE Backkatalog aufzukaufen.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit REV für euch?

Paul: Es läuft „fucking sweet“. Wir rufen sie ständig an und gehen ihnen auf die Nerven und bis jetzt hat uns noch immer niemand gesagt das wir uns verpissen sollen. Stattdessen versuchen sie immer uns zu helfen. Es ist toll.

Denn anfangs scheint immer jede Band begeistert zu sein bei einem derartig legendären Label zu unterschreiben. Nach einer Weile haben die meisten jedoch nicht mehr viel gute Worte für das Label übrig (z.B. PLOT TO BLOW UP THE EIFFEL TOWER, CHRISTIANSEN, SINCEBYMAN,…).

Lass uns das klarstellen: Es gibt kein Label – kein einziges – das alles für dich tun kann was du willst. Das ist die Realität. Aber alle Bands die du aufgezählt hast – und das ist jetzt kein Angriff – haben versucht Dinge zu tun an denen wir nicht interessiert sind. Z.b. „gross“ zu werden. Wir sind einfach nur normale Typen die Lieder mit vier Akkorden spielen.

Das Artwork euer Platte hat mich sehr an das Album von BY THE GRACE OF GOD interessiert. Hatte die Szene in Louisville einen grösseren Einfluss auf euch?

Paul: Ich bin immer froh wenn uns Leute darauf ansprechen. Danny und ich sind beide Riesenfans der alten Louisville Sachen und die BY THE GRACE OF GOD Platte war grossartig. Ich bin immer begeistert wenn jemand unser Layout mit den Mittneunziger Emo Sachen vergleicht, denn das war unser Ziel (nicht das BTGOG sehr Emo wären, aber du weisst was ich meine).

Ich habe gehört das eure europäische Bookingagentur Avocado fast verklagt worden wäre, weil ihr vor Jahren einen Vertrag mit jemand anderen unterschrieben habt…Kannst du kurz erklären was passiert ist, wer involviert war und wie ihr das Problem gelöst habt?

Paul: Eigentlich ist das immer noch am laufen und ich denke es wäre besser wir gehen jetzt nicht zu sehr darauf ein. Ich will aber sagen das Avocado für uns eingetreten sind wie wir das nie erwartet hätten. Sie haben uns wirklich den Arsch gerettet und wir schulden ihnen die Welt.

Wie seit ihr überhaupt in der Situation gelandet?

Paul: äh – Wir waren einfach eine neue, junge Band und haben Sachen nicht richtig durchdacht.

Fühlt ihr euch von der manchmal doch recht engstirnigen Hardcore Szene eingeschränkt?

Paul: Nein, denn welche Szene ist nicht engstirnig? Ernsthaft, jede Szene kümmert sich darum was du anziehst, was die spielst und wie du aussiehst – egal für was du dich interessierst. So ist das Leben und so sind die Menschen.

Und denkst du das ihr euch musikalisch weiterentwickeln und drastisch verändern könntet und eure Fans das mittragen würden?

Paul: Ich denke manche würden das bestimmt nicht und das ist in Ordnung. Aber wir haben nicht vor das zu tun, denn wir haben als Hardcore Band angefangen und so werden wir auch enden. Sollte es in der Zwischenzeit etwas schräger werden ist das auch cool. Aber es ärgert mich wenn Bands nicht wissen was sie sein sollen.

Ich habe Fotos von euch gesehen auf denen mind. zwei Bandmitglieder TRAGEDY Shirts tragen – ist das eine Band die euch in letzter Zeit stark beeinflusst hat?

Paul: Das haben sie auf alle Fälle, aber wirklich nicht übermässig.

Ach komm! Eure Textzeile ‚i won’t wait for nothing‘ scheint doch direkt von diesem TRAGEDY shirt geklaut zu sein,oder?

Paul: Haha. Aber nein – wir haben das nicht von TRAGEDY ausgeliehen.

Ihr habt im letzten Herbst ja in Europa getourt. Und jetzt mal ehrlich – welche Vorurteile haben sich wirklich bestätigt? Und was habt ihr am meisten an Amerika vermisst?

Paul: Okay, du wirst in Europa immer besser behandelt und ich verstehe jetzt auch warum diese ganzen Bands immer dorthin fahren um Reunion Touren zu spielen. Was Vorurteile angeht würde ich empfehlen den Film „euro trip“ anzusehen. Denn wir haben das Gefühl das alle diese dort gezeigten Dinge auf wundervolle Art und Weise für uns wahr wurden.

Was wird an eurer Band generell überbewertet? Und was unterbewertet?

Paul: überbewertet: Ich bin ein beschissener Gitarrist und ich bin nicht sehr gut oder kreativ weshalb das Gitarrenspiel überbewertet wird. Unterbewertet: Andy Rice ist ein fantastischer Schlagzeuger.

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Scott / SHOOK ONES

Welche Rolle hat denn das Medium Fanzine in deiner persönlichen Entwicklung gespielt?

Scott: Ich persönlich war selbst nie ein grosser Fanzine Leser. Ich denke sie sind eine gute Informationsquelle für viele Leute, mich selbst haben sie aber nie sonderlich interessiert. Das kommt wohl davon weil ich so eine kurze Aufmerksamkeitsspanne habe. Du erwischst mich höchstwahrscheinlich dabei wie ich die Seiten beschmiere bevor ich den Artikel überhaupt fertig gelesen habe. Ich mag es übrigens rumzumalen.

Wie fandest du heraus das es etwas wie Punk/Hardcore überhaupt gibt? Und was war es das dich angezogen hat?

Scott: Meine Einführung in Sachen Punk und Hardcore waren Bands wie die DESENDENTS, BAD RELIGION und dann so Sachen wie DINOSAUR JR, PAVEMENT oder SUNNYDAYREALESTATE. Das sind alles Bands die ich noch immer sehr mag und sie sind sehr natürliche Wegweiser zu den etwas obskureren Punk/HC Bands.

Was mich bei diesen Bands angezogen hat war „the music, the message“. Wobei das mit der „message“ eigentlich nur für BAD RELIGION gilt. Und was die Musik angeht – es ist für einen 13jährigen wohl unumgänglich sich nicht für schnelle, verzerrte Riffs zu begeistern wenn du weisst was ich meine!

Und wann hast du realisiert das du ein aktiver Teil dieser Jugendkultur werden kannst anstatt nur Konsument zu sein?

Scott: Das war kein bewusster Moment oder Entscheidung. Ich wollte schon immer Musik machen – wobei ich jetzt nicht mehr weiss ob das war bevor oder nachdem ich BAD RELIGION entdeckt habe. Wenn ich Lieder wie SUNNYDAYREALESTATE schreiben könnte wrde ich das tun, anstatt versuchen wie LIFETIME zu klingen. Wir lieben es in einer Band zu sein, also tun wir es.

Wann habt ihr denn bemerkt das eure Band mehr sein könnte als eine dieser typischen lokalen Punkbands? Das Leute nicht nur auf nationaler Ebene Interesse an euch haben, sondern sogar International?

Scott: Das versuche ich noch immer zu realisieren und zu verstehen. Ich kann mit Sicherheit sagen das wir schon immer mehr als nur eine lokale Band sein wollten. Wir waren uns von Anfang an klar das wir Lieder schreiben können die Leute ansprechen würden.

Also haben wir alles mögliche getan um diese Lieder möglichst geographisch breitgefächert zu den Leuten zu bringen. Das fühlte sich für uns ganz natrlich an. PRINCE ist wohl der einzige Künstler der will das alle seine Lieder in einen Safe eingeschlossen werden. Der Rest von uns will das die Leute das Zeug auch hören.

Wie haltet ihr die Band am laufen? Ist es nicht manchmal ermüdend so hart zu arbeiten, seinen gesamten Jahresurlaub für Touren aufzuopfern und dann pleite zu einem Scheissjob zurückzukehren. Und das alles während deine Freunde und Arbeitskollegen ihre Zeit in eine richtige Karriere investiert haben?

Scott: Wir sind auf alle Fälle sehr kreativ was unsere Finanzen angeht. Wir kommen alle sehr gut miteinander zurecht, ich glaube also das die Band ewig so weitergehen könnte. Ich denke das härteste ist den Leuten zu erklären das auf Tour gehen kein entspannter Campingtrip durch das Land ist.

Sondern – zumindest für mich – sehr stressig und mit jeder Menge Leerlauf und Langeweile verbunden. Wir stecken alle viel Arbeit rein damit die Band auch funktioniert, weshalb es auch bei uns so gut klappt. Was das aufbauen einer Karriere angeht: Kaum einer meiner Freunde kümmert sich überhaupt um sowas.

Wie kam euer Kontakt mit REVELATION zustande?

Scott: Unser Freund Paul von SINKING SHIPS hat uns wiederholt mit ihnen in Kontakt gebracht. Dann mussten wir die Gespräche leider selbst weiterführen, aber es war auf alle Fälle Pauls Verdienst. Ich denke REV mochten einfach nur unseren Bandnamen.

Woher denkst du kommt dieses wiedererweckte Interesse von REV an „klassischem“ Hardcore? Ernsthaft – wenn du wirklich Geld verdienen willst veröffentlichst du doch keine Old School Hardcore Alben, oder?

Scott: Richtig, deshalb denke ich das sie mit uns auch kein Geld verdienen… Ich würde jetzt auch nicht sagen das sie momentan nur an Hardcore interessiert sind. Ich denke sie haben und hatten schon immer ein breites Spektrum an Bands, aber keine davon welche ihnen das grosse Geld bringen könnte.

Ich denke das ihr Hauptinteresse hoffentlich darin besteht Bands zu veröffentlichen die sie selbst mögen. Das ist m.M. nach der beste Weg etwas wie ein Label anzugehen. Einigen wir uns darauf – sie haben einen vielseitigen Geschmack.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit REV für euch? Denn anfangs scheint immer jede Band begeistert zu sein bei einem derartig legendären Label zu unterschreiben. Nach einer Weile haben die meisten jedoch nicht mehr viel gute Worte für das Label übrig (z.B. PLOT TO BLOW UP THE EIFFEL TOWER, CHRISTIANSEN, SINCEBYMAN,…).

Scott: Weisst du – jede Band hat etwas was sie an ihrem Label stört, egal um wen es sich handelt. Das ist einfach die Natur einer Zusammenarbeit zwischen zwei Gruppen und speziell wenn es dabei auch noch um Geld geht. Ausser du stolperst per Zufall auf ein Label das unabhängig, wohlhabend und sehr verschwenderisch ist.

Und ich denke das es kein Label gibt auf das dies uneingeschränkt zutreffen würde. Ich kann nur soviel sagen: Tausend Chancen hätten wir NICHT bekommen wenn wir nicht in Verbindung mit REV stehen würden – z.B. die GORILLA BISCUITS Tour, die anstehende LIFETIME Tour und vieles mehr. Und dafür werde ich ewig dankbar sein.

Wenn immer ich etwas über eure Band lese – egal ob Homepage, Bio, Reviews – wird im gleichen Satz immer Dan Yemin oder seine Bands LIFETIME bzw. KID DYNAMITE erwähnt. Wollt ihr euch in Zukunft davon distanzieren?

Scott: Ich denke wir werden einfach versuchen gute Lieder zu schreiben, wie wir es immer getan haben. Ich denke wir werden wohl nie davon loskommen, aber ich glaube auch das die Leute erkennen werden das wir durchaus unser eigenes Ding durchziehen. Es stört uns aber nicht sonderlich, du wirst also auch nicht erleben das wir ein spaciges Konzeptalbum aufnehmen, nur um anders zu klingen.

Da ihr also so offensichtlich von anderen Bands beeinflusst seit: Denkst du das ihr dadurch nicht wirklich kreativ und originell genug seit? Und ist es vielleicht ganz einfach unumgänglich heute etwas wirklich originelles und wirklich neues zu schaffen?

Scott: Ich glaube nicht das es unumgänglich ist neu und originell zu sein. Aber ich denke das die meisten Musikhörer sich nur auf einen Aspekt einer Band konzentrieren, sie danach beurteilen und die anderen Aspekte relativ unbeachtet bleiben. Ich denke eine Menge Bands sind sehr originell und voller kreativer Ideen und werden nie beachtet. Ernsthaft – unsere Band wurden nicht gegründet um künstlerische Barrieren niederzureissen.

Sondern weil es nach viel Spass klang und ich persönlich habe Musik auch immer als Vehikel für die Texte gesehen – nicht als künstlerisches Austoben. Die Texte sind auch das worauf ich sowieso die meisten Zeit verwende.

Euer Song „ebb and flow“ hat ja durchaus einen gewissen BILLY BRAGG Touch. Ist das die musikalische Richtung die ihr in Zukunft verstärkt einschlagen wollt?

Scott: Ich habe es wirklich sehr genossen diesen Song zu machen und ich könnte mir durchaus vorstellen mehr in die Richtung zu schreiben. Das ist ein Gebiet das ich als Gitarrist noch nicht wirklich erforscht habe. Also ist das einerseits sehr fordernd, andererseits ist es auch leichter neue Riffs und Melodien zu finden weil ich in dem Stil noch keine 20 Lieder geschrieben habe. Wir werden sehen ob es diese Songs auch auf SHOOK ONES Alben schaffen oder ob ich sie selbst veröffentlichen muss. Ich würde sagen ihr solltet etwas wie „ebb and flow“ erwarten, jedoch von der ganzen Band gespielt und etwas lärmiger. Aber ich kann keine Versprechungen machen.

Um das Thema Dan Yemin endgültig abzuschliessen: Ihr wart ja jetzt im Vorprogramm seiner Band PAINT IT BLACK unterwegs. Wie wars und wie hat er auf eure Band reagiert?

Scott: Er war einfach unglaublich. Und das gilt auch für alle Mitglieder von PAINT IT BLACK. Mittlerweile sind wir alle gute Freunde geworden und Dan und ich versuchen alle paar Wochen zu plaudern. Was anfangs sehr surreal war. Wir haben uns gegenseitig über Ideen für unsere neuen Alben ausgetauscht und es war sehr anspornend über das Innenleben von Bands zu erfahren die ich schon so lange Liebe und zu merken das sie unserer Band sehr ähnlich sind. Dadurch fühle ich mich besser wenn SHOOK ONES auch manchmal etwas unorganisiert sind. Seit ich Dan jetzt kenne war er immer wahnsinnig unterstützend. Einfach ein grossartiger Freund (und darf ich es wagen ihn sogar Gleichgesinnten zu nennen?).

Ihr habt im letzten Herbst ja in Europa getourt. Und jetzt mal ehrlich – welche Vorurteile haben sich wirklich bestätigt? Und was habt ihr am meisten an Amerika vermisst?

Scott: Ich muss ehrlich sagen das wir keine Vorurteile hatten bevor wir nach Europa kamen. Es war genau wie wir gehofft hatten und abgesehen von den verschiedenen Währungen haben wir nichts vermisst was sonst mit Touren in den USA zusammenhängt. Die Konzerte waren total grossartig und das war für uns als Band sehr inspirierend. Es hat viel frisches öl in unsere Maschinen gegossen, wenn du mir diesen kitschigen, beschissenen Vergleich erlaubst.

Ernsthaft – es war toll. Und ich hab was die Vorurteile angeht vielleicht ein bischen gelogen – wir erwarteten das alle Briten schlechte Zähne haben. Was (meistens!) nicht stimmte. Ich denke die meisten von uns waren nah dran nach Schweden auszuwandern, nachdem wir dort ankamen. Sie haben Glück das es wohl nicht passieren wird – wir würden die Bevölkerung definitiv hässlicher machen! Kurz um: Europa – bitte lasst uns wiederkommen!

SINKING SHIPS und SHOOK ONES haben fast zeitgleich mit euch Alben auf REV veröffentlicht. Diese beiden Bands scheinen alleine schon durch die Geographische Nähe sehr eng befreundet zu sein. Wie passen da END OF A YEAR ins Bild? Fühlt ihr euch als Teil einer „new school of REV hardcore“ oder Teil einer neuen Bewegung? Wo liegen die Gemeinsamkeiten zwischen den drei Bands – wo sind die Unterschiede?

Scott: Das ist schwer zu beantworten. Ich muss sagen das END OF A YEAR durch ihre blosse Anwesenheit REV und dadurch auch den Rest von uns aufwerten. Sie sind der Hammer und auch sehr liebenswerte Kerle. Ich denke das die Platte wirklich einige Leute überrascht und staunend zurück gelassen hat, die normalerweise diese Art von Musik nicht hören würden. Also Kompliment an die Band das sie so vielen Menschen den Kopf verdreht haben. Ich denke REV hat gerade eine nette Mischung.

Es ist keine „Bewegung“ und ich würde es auch keine „new school“ nennen. Bands dieser Art hatten schon immer die Unterstützung des Labels. Vielleicht nicht in der jüngsten Vergangenheit, aber doch während der längsten Zeit die das Label existiert. Ich denke warum es funktioniert ist die Tatsache das alle Bands einem gewissen Genre zu zuordnen sind, aber sich im Detail sehr unterscheiden.

Was wird an eurer Band generell überbewertet? Und was unterbewertet?

Scott: überbewertet….ich glaube gar nicht das die Leute uns so sehr mögen um überhaupt etwas überzubewerten. Warte – der Mythos über unser unglaublich gutes Aussehen. Wir sind richtig hässlich wenn du uns näher kommst! Unterbewertet: Ich denke manche Songstrukturen. Ich denke das wird gerne übersehen und für simple, verzerrte Gitarrenmusik gehalten.

Aber wenn du nur auf den Aufbau achten würdest denke ich würde dir auffallen das wir viele sehr eigenständige Strukturen und Rhythmen haben. Ich treibe meine Bandmitglieder zum Wahnsinn all diese Details in die Lieder einzuarbeiten. Du kannst sie ja mal fragen. Und nun die spassige Antwort: Unser Muskelbau wird schwer unterschätzt. Wir mögen hässlich sein aber dafür könnten wir die meisten Leute in zwei Teile zerbrechen! „Its a regular meat market with shook ones“.

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VIQUE MARTIN / REVELATION RECORDS

Vique Martin, vielen bekannt als Betreiberin des britischen Fanzines/Labels Simba, arbeitet nun seit mehreren Jahren bei REVELATION in Kalifornien und ist dort vor allem für den Vertrieb zuständig. Sie nimmt sich Zeit um per Email kurz aber informativ ein paar Fragen zu den neuen REV Bands und den geschäftlichen Hintergründen eines Indielabels zu beantworten.

Als ich mit den drei Bands darüber gesprochen habe wie der Kontakt zu REVELATION zu Stande kam erwähnten alle Bob Shed. Wer ist er und warum wurde er bei REV als A&R für die Bandauswahl zuständig?

Vique: Bob hat schon einige Jahre als Publizist für REV gearbeitet. Als unser alter A&R Jamen Allen das Label verliess wurde Bob der Posten angeboten.

Wer war der A&R vor Bob und warum wurde er ersetzt?

Vique: James Allen hat hier 18 Monate gearbeitet bevor er kündigte um bei einer lokalen Bookingagentur zu arbeiten. Er hat in seiner Zeit PLOT TO BLOW UP THE EIFFEL TOWER, CALL ME LIGHTNING und TEMPER TEMPER unter Vertrag genommen.

Wie denkst du persönlich über die eher „artsy“ angelegten Bands wie SINCE BY MAN oder CALL ME LIGHTNING?

Vique: Im Falle von SINCE BY MAN war ich selber involviert. Zu der Zeit waren sie noch nicht besonders „artsy“ – mehr Punk und den SWING KIDS sehr ähnlich (eine Band die ich immer geliebt habe!). Unser alter Publizist Ghazal Sheei hat sie mir empfohlen. Ich sah eine Live Show und war begeistert. Mittlerweile klingen sie aber wesentlich metallischer. Ihr nächstes Album wird auch woanders erscheinen, weil sie ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenber REV erfüllt haben.

Von den Bands die James unter Vertrag genommen hat waren TEMPER TEMPER ganz klar meine Favoriten. Ich war wirklich traurig als sie sich auflösten. Die Richtung die REV in letzter Zeit eingeschlagen hat scheint jedoch wieder etwas mehr Bezug zu unseren älteren Veröffentlichungen zu haben. Und ich denke das dies wesentlich mehr „wir“ ist – und das halte ich definitiv für eine gute Sache.

Woher kommt deiner Meinung nach das wiedererweckte Interesse von REV an „klassischem Hardcore“?

Vique: Nun, wir haben eigentlich immer „klassischen Hardcore“ veröffentlicht. Ob es nun ganz am Anfang des Labels war, später mit IGNITE, SPEAK 714, IN MY EYES, NERVE AGENTS oder 2002 mit DAG NASTY. Und zusätzlich haben wir auch die JUDGE und BOLD Platten neu aufgelegt. Und wir werden auch weiterhin Platten veröffentlichen die wir für relevant und wichtig halten.

Waren die Veröffentlichungen von SINKING SHIPS, SHOOK ONES und END OF A YEAR geplant bevor die „generations“ Compilation veröffentlicht wurde? Oder war REV so zufrieden mit den Reaktionen auf diesen Sampler das es sich entschied diese Bands zu veröffentlichen?

Vique: Diese Compilaton wurde geplant bevor eine der Bands unter Vertrag genommen wurde. Aber einige der Bands haben wir unter Vertrag genommen bevor der Sampler erschien!

Ganz im Ernst: Wenn man Geld verdienen will gibt es doch vernünftigeres als Old-School-Hardcore Platten zu veröffentlichen, oder?

Vique: Nun: Geld zu verdienen ist nicht das Ziel wenn wir anfangen mit einer Band zusammen zu arbeiten. Es läuft mehr nach diesem Prinzip ab: Wir nehmen Bands unter Vertrag die eine oder mehrere Personen hier bei REV mögen und die wir auch live gerne sehen wollen. Wir hoffen dann das es anderen genau so geht und das wir mit den Bands kein Geld verlieren.

Wie erklärst du dir das anfangs Bands wie CHRISTIANSEN, THE PLOT TO BLOW UP THE EIFEL TOWER oder SINCE BY MAN begeistert waren mit REV zusammen zu arbeiten und jedoch später wenig gutes über das Label zu sagen hatten?

Vique: Ich denke viele Bands haben sehr unrealistische Vorstellungen was eine Plattenfirma für sie tun kann. Denn alles was wir für eine Band tun können ist Mittel für Studioaufnahmen und Werbung zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus promoten wir die Veröffentlichung und bringen sie unter die Leute.

Und wenn wir von einem Album nicht mehr als 30 000 Stück verkaufen schiebt die Band uns ziemlich schnell dafür die Schuld zu, selbst wenn wir unser bestes versucht haben. Wir tun halt was wir können. Und wer weiss schon warum manche Bands populär werden und andere nicht?

Ist es also einfacher mit Hardcore Bands zu arbeiten? Haben sie kleinere Erwartungen als sog. „Rockbands“?

Vique: Ja, ich denke Hardcore Bands haben in vielerlei Hinsicht wesentlich realistischere Erwartungen. Dadurch entwickeln sich die Dinge meistens auch mehr in eine Richtung welche die Bands mögen oder erwarten.

Ist es denn leichter mit solchen Bands „auf null zu kommen“? Verkauft man weniger Platten, gibt dafür aber auch weniger für Werbung und Studiokosten aus?

Vique: Das ist korrekt, vor allem wenn es um Studiokosten geht. Ausserdem scheinen diese Bands auf Tour besser zurecht zu kommen – sie brauchen also weniger finanzielle Hilfe und Tour Support. Die Chance das eine Old-School-Hardcore Band 30 000 Platten absetzt ist natürlich kleiner, aber die Chancen sind um einiges grösser das sie auf alle Fälle mehr als 5000 Alben verkauft. Wir geben aber normalerweise gleichviel Geld für die Aufnahme- und Werbekosten all unserer Bands aus.

Da dies ein Artikel über SINKING SHIPS, SHOOK ONES und END OF A YEAR ist: Wo denkst du liegen die Gemeinsamkeiten dieser drei Bands und worin unterscheiden sie sich?

Vique: Ich denke das alle drei Bands wirklich sehr unterschiedlich sind. Lediglich SINKING SHIPS fallen m.M. nach in die Kategorie „Classic Hardcore“. SHOOK ONES sind wesentlich poppiger als viele Gruppen da draussen und END OF A YEAR sind ja sehr von diesen älteren Washington DC Bands beeinflusst. Ich denke unsere neuen Bands sind sehr eigenständig und darüber bin ich wirklich glücklich.

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Links:

www.myspace.com/sinkingships
www.myspace.com/shookones
www.myspace.com/endofayear
www.legitimatebros.com
www.endofayear.com
www.revelationrecords.com

Interviews: Oise Ronsberger

 

 

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