September 16th, 2019

EDO MAAJKA aus #147, 2011

Posted in interview by Jan

„Cause the real Gangsters are the Politicians here.“
Interview mit EDO MAAJKA, Hip Hop aus Zagreb

Es gab ihrer wenige, aber es gab sie, Hip-Hop-Bands, die von Punks gerne gehört und akzeptiert waren. Jetzt mal so Kunst-Hiphop wie Dälek beiseite gelassen. Waren es in den 80er Jahren Public Enemy, N.W.A. (schaut euch mal das Trust Cover von 1990 mit NWA an auf unserer Homepage) und auch die Beastie Boys, kamen in den 90er dann auch mal deutsche Bands in die Punkerläden. Anarchist Academy. Natürlich weiterhin auch englischsprachige, The Goats (mit ihrem Hit „I am not your typical american!“). Gunshot. Michael Franti mit seinen Disposable Heros of Hiphoprisy (die „California über alles“ sehr geil coverten). In den 2000er erweiterte sich das Spektrum um den sympathischen Chaoz One auf Twisted Chords. Und vielleicht wird auch Edo Maajka aus Bosnien bald mehr Zuspruch seitens der Punk-Szene bekommen (oder hat er den schon, dann sorry), sein politischer Rap hat es auf jeden Fall verdient.

Aus Köln bekam ich letztes Jahr Besuch in Frankfurt am Main, ein toller Rapper aus Kroatien würde eines seiner seltenen Konzerte in Deutschland geben, in einer Frankfurter Disco namens Gagos Bar. Wat? Eine Disco im zehnten Stock der Frankfurter Shoppingmeile Zeil soll eine coole Band veranstalten? Kleines Becks 6 Euro? Bin dabei?! Es stellte sich heraus, dass es der Rapper Edo Maajka war und live absolut großartig und von seinen jugoslawischen Landsleuten frenetisch abgeführt wurde. War sehr interessant, erstmal die Diskothek als unbekannter Ort (wir reden von einer solchen, wo du komisch angeschaut wirst, wenn du Jeans anhast, okay?) und dann lief alles – Ansagen, Zwischenrufe etc. – auf kroatisch ab. Es war sehr interessant, und mein Besuch brannte mir alles von Edo.

Auf Konserve fand ich seine Version von politischem humanistischem Hiphop zunächst etwas schwer zugänglich, diese Musik ist einfach echte live Musik. Vielleicht kennt der ein oder andere ja den Hit „No sikiri“ von 2004? Doch nach einigen Runden begeisterte mich auch seine Scheiben, ich wollte mehr wissen und Ende 2010 hat es dann über die Vermittlung des Düsseldorfer Label Selfmade Records (das von Edos Kumpel Elvir betrieben wird, danke noch mal!!!) mit einem Gespräch geklappt, dass ich im folgenden als Text wieder geben möchte.

Zuerst einige Fakten aus dem Netz (seine Homepage ist leider nicht auf Englisch…). Edo kommt aus Bosnien, ist heute 32 Jahre halt. Anfang der 90er flüchtete er wegen dem Krieg nach Kroatien und lebt seitdem in Zagreb. Dort begann er nach abgebrochenem Studium als Rapper. Er verzichtet völlig auf die bitches etc., sondern rappt über soziale Ungerechtigkeit, Liebe, Hass, Krieg. Seine Musik ist so dermaßen positiv erfrischend und ohne Macho-Attitüden, deshalb nehme ich an, dass er nicht von dem Gangsta-Rap beeinflusst wurde, ICE-T, N.W.A., Public Enemy?

„Für mich war Public Enemy ehrlich gesagt kein Gangsta-Scheiss. Jeder ist vielleicht am Anfang sehr direkt und will sich seinen Ruf erkämpfen, aber dieses Chains-Cars-Bitches Ding, das habe ich echt nie verstanden. Ich komme aus einer anderen Mentalität mit anderen Problemen und ich habe hier nie einen Rapper mit Geld gesehen. Bei uns gibt es Nationalismus, Kriege, eine korrupte Regierung und eine ebensolche Polizei. Die knüppeln erst auf dich ein und dann stellen sie Fragen. Rap ist ein tolles Genre, dass es dir erlaubt, all den ganzen Scheiss zu verarbeiten und deinen Frust rauszulassen. Natürlich gab es Leute, die den Gangsta-Trend nachmachten und solche Alben machten, aber es klang einfach absurd lustig. Die echten Gangster hier sind die Politiker, haha.“

Sein erstes Album „Slušaj Mater“ (Hör’ auf deine Mutter) erschien vor acht Jahren und machte ihn bekannt. Heute gilt ist er einer der besten Raper vom Balkan, so sagt das Netz und wer würde da widersprechen wollen? Hat vielleicht auch mit seinem Hit von vor einigen Jahren zu tun, „No Sikiriki„. Worum geht’s da eigentlich und war das sein Durchbruch? „Es war von meiner zweiten Platte, und es geht ums positive Denken. Die Wörter heißen einfach „Mach dir keine Sorgen“. Ich schrieb es für mich selber, in einer Zeit, als ich es am meisten brauchte. Der Song kam sehr gut an.“

Hier wäre vielleicht die Frage angebracht, was er als Raper im Trust eigentlich mit Punk zu tun hat und was er so an weiter oben erwähnten Rap-Bands, die Punks mögen, gut findet? „Also, Gunshot waren eine großartige Band. In den 90er gab es hier glücklicherweise sehr gute Musik, besonders im Rap und viele MCs kooperierten mit HC Punk Bands. Ich kam als bosnischer Flüchtling nach Zagreb und hörte als Teenager viel Crossover, harte Riffs liebte ich, besonders, wenn dazu hart gerappt wurde. Wir hörten damals alle möglichen Arten von Musik..:“ Ja, so war das damals, Edo und ich sind gleich alt und ich kenne das auch, dass die Leute nicht nur eine Schiene hörten, sondern neben Punk und Metal auch anderes.

Stimmt er mir zu, dass das heute nicht mehr so ist? „Exakt! Und das ist sehr schade und ein großer Verlust. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie ich etwas über Musik gelernt hätte, wenn ich nicht mit Punk oder Reggae oder Grunge sozialisiert worden wäre.“ Und ergänzt: „Wie ging es weiter, also, ich hab zuerst harte Musik gehört, bei denen Leute halt null rappten, dann entdeckte ich Bands wie Biohazard, Sick of it all, Bodycount, Downset, Rage against the maschine. Nach meinem ersten Album wollte ich eine echte Band haben, mit der man die Arrangements verändern kann und Riffs spielt, das war eine ganz andere Art von Energie als mit einem DJ aufzutreten. Das Publikum was das gleiche, sogar, als wir nur mit einem DJ spielten, du hattest HC-Leute, Punk-Fans im Publikum, großartig!“

Eine wichtige Rap-Band fehlte noch, DEAD PREZ aus New York (die ich ebenfalls mit dem Kumpel, der mich zu Edo brachte, in Frankfurt total abfeierte letztes Jahr live, allerdings nicht in der Gagos Bar, sondern im O25). Sieht er sich vielleicht als kroatische Version von Dead Prez? „Nein. Ich bin Edo, der Rapper mit dem größten Gehirn. Natürlich nichts gegen Dead Prez, sie sind eine tolle Band!“.

Ich weiß sehr wenig über die Musikszene in Kroatien, vielleicht sind Gogol Bordello da bekannt, obwohl sie ja aus der Ukraine kommen? Oder Klezmer? Black Metal? Edo, was geht da ab, was hören die Leute da so? „Die früheren jugoslawischen Länder habe große Wurzeln im Rock, es gab eine erstaunliche Rock-Szene bis zum Ausbruch des Krieges. In der vergangenen Dekade zerstörten Folk-Musik und Turbo-Folk alles, es gibt keinen Platz mehr für Rock, Rap, Punk oder irgend einen anderen urbanen Sound. Es gibt tolle Bands in ganz Kroatien, Bosnien, Serbien, aber es existieren keine Medien, die sie unterstützen könnten, keine Plattenlabels, da keiner Geld hat, die original CDs zu kaufen. So ist es für die Labels unmöglich, in ihre Künstler zu investieren, ihnen irgendwie Aufnahmen zu bezahlen, oder gar ein ganzes Album. Das ist alles ein abgefuckter Teufelskreis.“

Wie ist die Hip-Hop Szene in Zagreb, fühlt es sich wie eine von Konkurrenz geprägte Szene an? „Wie gesagt, in den 90er, da war alles super, viele MCs, Parties und all das. In den letzten Jahren verschwand das. Aber es gab nie Konkurrenz oder einen Diss, wie es in Deutschland einen gibt. Vielleicht liegt es daran, dass unsere Szene viel kleiner ist und eigentlich jeder jeden kennt, von daher: ja, mehr eine Netzwerk-Situation.“

In Deutschland existiert eine sehr konservative Mentalität in der Politik, ich vermute, das ist in Kroatien nicht besser . Zudem hörte ich in letzter Zeit einiges über die Probleme homosexueller Menschen dort. Im Rap (oder manchen Teilen davon) ist „schwul“ auch ein beliebtes Schimpfwort, wie ist die Lage vor Ort, Edo? „Toleranz ist ein wichtige Stütze, auf die eine Gesellschaft Wert legen sollte! Es sollte überall selbstverständlich sein und gerade in Ländern mit einem starken Einfluss der Religion, eben halt Kroatien. Aber primitive Intoleranz verschwindet nicht von alleine, wir alle müssen uns um die Beseitigung dieses Problems kümmern und es so an die neue Generation weitertragen. Sie müssen sich bilden. Bildung ist Freiheit. Die Menschen müssen es einfach lernen, die anderen zu akzeptieren; das die Mitmenschen verschieden sind… daran führt kein Weg vorbei.“

Wir sprachen schon von Deutschland, dort wurde Edo mit dem Song „Bruderkrieg“ bekannt, den er zusammen mit Slick One sang und auf dem schon erwähnten Label Selfmade Records raus kam. Wie kam da die Verbindung? „DJ Soul von der FMJAM Crew im bosnischen Tuzla veranstaltet jedes Jahr ein „Unity“ genanntes Festival. Vor einigen Jahren kontaktierte er Elvir von Selfmade Records und er kam, zusammen mit dem MC Flip Star von der Band Kroizvel Jakov. Wir freundeten uns bei diesem Festivalauftritt an und er nahm unsere CDs nach Deutschland. Das war toll für uns und ich will ihm hier noch mal danken, dass er zu uns kam, alles für eine gegen Null gehende Gage. Es war dann so, dass viele junge Leute aus Deutschland wieder nach Bosnien gingen und sie liebten die deutsche Szene. So wurden die deutschen Rapper sehr bekannt in Bosnien, ich glaube, wenn Azad oder Savash hier auftreten würden, wären sie sehr überrascht. Ich hörte sogar davon, dass Bushido ein Konzert in Sarajewo letztes Jahr gab und 1000 Leute kannten seine Texte und sagen von Anfang bis Ende mit, haha! Wir wollten Seed mal nach Tuzla holen, bitte sag ihnen, dass es hier sehr viele arme Leute gibt, die voll auf ihre Musik abfahren, haha!“

Gutes Stichwort, Konzerte, spielt er eigentlich (in Deutschland) auch in mehr alternativeren Clubs anstelle der Gagos Bar? „Wir würden es super finden, in deutschen Clubs aufzutreten, aber es ist sehr schwer, einen Booker zu finden, der darauf Bock hat. Wir hatten mal einen Auftritt im Berliner Mud Club und es war großartig. Wir spielten einige Konzerte in früheren jugoslawischen Clubs, aber mochten es nicht so sehr. Deshalb, jeder alternative Ort, Squat, Club, kontaktiert uns, ruft uns an und wir kommen“.

Bitte macht das auch! Wirklich, der Typ ist sau geil und sau nett, Kontaktadresse steht am Ende des Interviews, auf seiner Homepage gibt’s da ein Formular, bitte holt den und sagt mir Bescheid, ha. Am Ende sprechen wir noch über die Zukunft, wie werden die neuen Sachen? „Ich höre zurzeit ausschließlich harten Funk, deshalb wird mein neues Album live sehr funky sein, ich hoffe, ich werde es bis Mai fertig haben. Aber mach dir keine Sorgen, es wird auch eine gute Portion an Riffs dabei sein, haha. Zudem interessiere ich mich gerade für alles, was mit dem produzieren zusammenhängt, lerne es und breche mir meine Fingern beim MPC. … Meine letzte Platte war „Spomen Ploca“, eine Art best of mit neuen Arrangements und neuen Biegungen drin, es klingt jetzt wie die alte Schule plus Funk mit vielen Blechbläsern und harte Gitarren sind auch dabei“

Ich bedanke mich, Edo, hast du noch einen Gruss an unsere Leser? „Danke für das sehr interessante und erfreuliche Interview. Keep loving music.“ Dem kann ich nix hinzufügen. Einige seiner Songs findet man auf Youtube zum antesten.

Text: Jan Röhlk
Kontakt: edomaajka.com

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