April 27th, 2009

CORETEX RECORDS (#128, 02-2008)

Posted in interview by jörg

Vor 20 Jahren – da stand in Berlin noch die Mauer, und Kreuzberg war alles andere als ein hipper Bezirk am Rande der Stadt. Vor 20 Jahren, 1988, war es auch, als sich ein paar Punkrocker entschieden, in der Adalbertstrasse nahe des Kottbusser Tors einen Plattenladen aufzumachen. Coretex Records.

Von den Gründern ist längst niemand mehr dabei – Udo Flütter hatte 1993 Fun Records eröffnet, dort stieg wenig später auch Andy Gindullis ein. 1996 schlossen sich die beiden Läden zusammen, ausserdem kam der ehemalige Drummer von Charley“s War, David Strempel, mit seinem Label Mad Mob dazu. Die drei sind es auch, die Coretex heute noch führen.

Im Interview geben David und Andy spannende Einblicke in die Zwänge, die ein Plattenladen und Label mit einigen Angestellten heute haben – reflektierend und durchaus selbstkritisch. Immerhin sind ja einige Coretex-Veröffentlichungen im Trust nicht besonders positiv besprochen worden, um es mal so zu sagen. Eine eigene Meinung zum Download-Problem haben sie auch noch.

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Ihr seid ja sozusagen die Napalm Death des Plattenladengeschäfts – kein Originalmitglied ist mehr dabei. Könnt ihr mir trotzdem erzählen, wie der Laden gegründet wurde?

Andy: Da müsste man jetzt die Gründer an den Tisch holen. Für mich existierte das Coretex schon so lange, wie ich mir Hardcore-Platten geholt habe. Und das war schon vor dem Mauerfall. Da waren Leute namens Annette, Olaf, Stoffel und Marielle. Der Laden war in der Adalbertstrasse und hatte immer viel zu spät auf. Ich hab doch immer die Schule geschwänzt und musste zu WOM am Kudamm, um mir meine Zeit zu vertreiben. Aber über das Warum, Weshalb, Wieso kann ich auch nicht viel zu sagen.

Das wäre daan meine nächste Frage, was der Laden für euch bedeutet hat. Deshalb die auch gleich an dich, David.

David: Meine Schule war näher an dem anderen Plattenladen, Vinyl Boogie in Schöneberg. Dann gab“s auch noch das Sasquatsch. Wenn ich die Schule geschwänzt habe, dann war ich im Vinyl Boogie. Da hatte ich einige Schlüsselerlebnisse, etwa als ich eine Suicidal-Tendencies-Platte sah, von der ich so fasziniert war, dass ich nicht mehr in die Schule zurückgelaufen bin.

Ich bin straight nach Hause und hab das Ding reingebügelt. Meine erste Coretex-Erinnerung war, dass ich Samstags aus Schöneberg „angereist“ bin und der Laden noch zu hatte. Dabei war es schon 13 oder 14 Uhr, aber der Abend davor ging wohl ein bisschen länger. Das Coretex war ein ziemlicher Insider-Laden. Es war nicht nur spannend zu gucken, was für Platten es gab, sondern auch, welche Leute vor und hinter dem Tresen standen. Man wusste anfangs auch, dass man nicht dazu gehörte.

Andy: Auch der Weg dahin war Teil der Sache – man ist nach SO 36 gefahren, nach Kreuzberg.

Was waren die ersten Platten, die ihr da gekauft habt?

Andy: Meine allererste Platte war Uniform Choice – „Screaming For Change“. Das weiss ich hundertprozentig. Und ne RKL – „Keep Laughing“. Und die Black Flag – „Everything Went Black“, über die ich mich hinterher tierisch geärgert habe, weil da 60 Mal der selbe Song drauf ist.

David: Ich glaub, das war eine der Sachen von Pollack (Dave Pollack, Chef von Destiny, Anm. Dietmar). Porno Patrol vielleicht. Combat No Conform hatte ich schon. Irgendwie so was.

Als ich 94 nach Berlin kam, gab es Coretex und Fun Records, das damals noch sehr neu gewesen sein muss. 1995 war ich erstmals bei Fun Records.

Andy: Udo hatte 1993 oder 94 in Mariendorf in einem Skateboard Laden namens Fun Sport einen Raum, um da Platten anzubieten. Den Laden hat er dann Fun Records genannt. Udo bot damals viele Independent-Sachen an, auch in eine härtere Richtung. Wir haben uns nachmittags immer in dem Skateboard-Laden getroffen.

Da habe ich Udo kennen gelernt. Ich hatte damals schon viele Briefkontakte in die USA, gerade an die Westküste, mit vielen Labels und Vertrieben. So haben wir in dem Laden angefangen, Musik zu importieren, die es sonst hier nicht gab. Ansonsten gab es nur Vertriebe wie Frontline, die Musik importiert haben. In Plattenläden hab ich die Musik nie gefunden.

Was ist denn mit den anderen Berliner Läden passiert?

Andy: Es ist generell sehr schwer, mit Underground-Musik Geld zu machen. Die Leute werden älter, und es hat sich irgendwann nicht mehr gerechnet. Das kann ich mir zumindest vorstellen. Einige der Leute kenne ich heute noch, bei denen habe ich nicht den Eindruck, dass sie das bereuen würden. Niemand hat es aufgegeben, weil sie kein Bock mehr gehabt hätten. Aber warum das Coretex noch da ist? Tja.

David: Das hat sicherlich damit zu tun, dass 1996 mit dem Zusammenschluss mit Fun Records neue Leute mit frischen Ideen dazu kamen, die den täglichen Stress im Ladengeschäft noch nicht erlebt haben.

Andy: Ich weiss noch, wie ich im ersten Urlaub war, seitdem ich mir nicht mehr in die Hosen gepisst habe, und Udo mich auf meinem ersten Handy anrief, um mir zu sagen, dass wir mit dem Coretex zusammengehen können. Ich bin früher immer ins Coretex gegangen. Natürlich war es danach seltsam, weil wir zu zweit mit Fun Records einen Mailorder aufgebaut haben und der Laden, obwohl es dort keine Laufkundschaft gab, immer gut besucht war. Trotzdem war Coretex für mich ein Riesending.

Wie lief das denn mit dem Zusammenschluss von Coretex und Fun Records? Da hatten M.A.D. auch ihre Finger im Spiel, oder?

Andy: Wir hatten einen coolen Laden. über den Mailorder und die Verkäufe bei Coretex kann ich nichts sagen, die Zahlen hab ich mir nie angeguckt. Die Idee, die Ute und Marc von M.A.D. ins Spiel brachten, war, sich zusammenzuschliessen und einen einzigen Laden zu machen. Der eine hilft dabei den anderen. Bei uns liefen die Geschäfte gut, bei Coretex offenbar nicht so. Dafür ist der Standort die Bombe – wir sitzen in der Oranienstrasse Nummer Drei am Görlitzer Bahnhof im SO 36.

David: Alle haben sich von dem Gedanken der Unity faszinieren lassen. Das ist das Schlagwort, das unsere Szene ausgemacht hat.

Von den Coretex-Leute von damals ist keiner mehr da.

Andy: Jetzt. Damals waren es noch Franco und Annette. Die beiden haben das Coretex damals gemacht. Zuerst ist Annette nach zwei Jahren ausgeschieden, dann Franco nach vier oder fünf Jahren. Ich glaub, die hatten einfach keinen Bock mehr. Annette hat, glaub ich, danach eine Ausbildung gemacht. Die hatte wohl keine Lust mehr auf den daily trouble, das Geld zählen und so. Es ist ein täglicher Kampf. Man kann sich nicht drei Monate eine Auszeit nehmen. Ich habe das Herz noch dafür, aber ich habe bei anderen Leuten gesehen, wie die Flamme erlischt. So ist das halt. Franco war ohnehin viel woanders, und Annette hatte viel Verantwortung durch die Buchhaltung.

David: Ich glaube, dass es beiden nicht leicht gefallen ist aufzuhören. Wahrscheinlich war es sogar ein Problem, dass sie zu lange damit gewartet haben. Sie hätten auch ein Jahr früher aussteigen können. Aber man trägt solche Sachen eben lange mit sich rum. Ich glaube aber nicht, dass es einer von denen bereut hat aufzuhören.

Andy: Aber da war eine ära vorbei. Ich konnte mir das gar nicht vorstellen, das Coretex ohne Franco. Man hat versucht, das mit seinen eigenen Ideen zu kompensieren, woraus dann was Neues entstanden ist. Deswegen hat so ein Ausstieg immer was Negatives, aber auch eine Menge Positives für die Firma. Wir waren am Anfang sieben Leute, ein richtiges Kollektiv, jetzt sind wir seit Jahren zu dritt.

Und nun ist die Aufteilung ideal? Du machst den Laden, Udo die Buchhaltung, David das Label?

Andy: Aussuchen konnte sich die Jobs niemand, das hat sich so gefügt. Aber ich glaube, dass das auch zu unseren Persönlichkeiten passt.

Du hast das Label reingebracht, David. War Mad Mob dein Label oder das von Ute, Marc und dir gemeinsam?

David: Das war meins. Ich hab ja früher bei Charley“s War getrommelt. Dann hat sich die Band zerschlagen, und ich hatte viel Zeit. Ich wollte was mit Musik machen und hatte kein Bock zu studieren. Da hing ich die ganze Zeit bei M.A.D. ab, ehrenamtlich sozusagen. 1992 hab ich zum Beispiel das erste Sick Of It All Tourposter designt. Weil ich so viele Kontakte in der Szene hatte und viele geile Bands speziell in Europa kannte, dachte ich mir, es wäre eine coole Idee, ein Label zu machen und zu zeigen, dass geile Bands nicht nur aus übersee kommen. Da hat das angefangen mit Mad Mob – der Name war bewusst an M.A.D. angelehnt.

Wir hatten dann schnell den Straight-Edge-Touch, obwohl das gar nicht geplant war. Aber man war nach zwei, drei Releases gebrandmarkt. Und dann kamen auch schon die Troopers, die ein Label suchten. Ich wusste, dass man das nicht auf Mad Mob machten konnte, das war zu anders. Ich fand die Platte cool, auch wenn das damals nicht meine Musik war. Also suchte ich einen anderen Namen und hab Bad Dog Records gemacht. Das war ziemlich parallel zum Einstieg bei Coretex.

Das Label liegt komplett in deiner Hand?

David: Bis zur Fusion, danach haben wir alles gemeinsam entschieden. Die Fusion machte auch für mich vieles einfacher. Ich bin damals mit einer Kiste Troopers-CDs und nem Lieferschein zu Fun Records gelaufen, danach zu Coretex – dabei war das alles ein Ding.

Ich frage nach der Entscheidungshoheit, weil so eine Plattenveröffentlichung eine wirtschaftliche Tragweite hat. Keine Ahnung, was ihr in so ein Album investiert, aber da kann man ja schnell ein paar tausend Euro verlieren.

David: Das ist ein riesiges Problem. Als ich 1994 das Label machte, war das ein grosser Traum von mir. Ich bringe Bands raus, die ich geil finde, und unterstütze dabei Kumpels. Mittlerweile hat man eine grosse Verantwortung. Ich kann nicht mehr nur Bands rausbringen, die ich total geil finde.

Dazu hat man als Geschäft zu viel Verantwortung. Eine Platte im Jahr, die ich total geil finde, ist zu wenig. Man muss bei jeder Band gucken: Lösen die sich nicht in einem Jahr auf? Selbst so Albernheiten wie die Frage, ob eine Band auf der Bühne geil rüber kommt, ist wichtig. Wir machen das nun schon lange genug und sind dabei oft genug auf die Fresse geflogen.

Wir hatten schon lange Diskussionen über Platten, die ihr veröffentlicht und die ich anschliessend im Trust verrissen haben. Steht ihr denn noch zu all euren Releases? Oder waren Platten dabei, die doch schrottig waren?

David: Ich sag Ja. Viele Sachen waren Fehler. Verkaufstechnisch, aber auch menschlich. Da war alles dabei. Wenn ich auf meinen Back-Katalog gucke, was ja auch meine tägliche Arbeit ist, bin ich megamässig stolz darauf, was ich da geschaffen habe. Aber wenn man es mal nüchtern betrachtet, fragt man sich schon, ob es das gewesen sein soll. Aber wie soll man auch nur Bands machen, die geil sind? Dazu fehlen uns auch oft die Mittel, dafür haben wir nicht das Geld, zigtausende Euro in eine CD zu stecken, die sich dann vielleicht tausend Mal verkauft.

Jetzt habt ihr einige grössere Bands. Das fing mit den Agnostic Front 7″s an und hört jetzt mit Sham 69 auf.

Andy: The Business sind jetzt auch bei uns.

David: The Business waren schon mal auf Burning Heart, die ein zigfaches grösser sind als Bad Dog. Wir sind sicherlich nicht das Traumlabel von Business, aber wir sind megamässig stolz, dass die Band nun bei uns ist. Ich denke auch, dass das keine schlechte Sache ist – für uns und The Business. Die Band ist natürlich nicht mehr die allergoldendste Medaille in ihrem Pool. So ist das nun mal im Jahr 2008.

Lohnt es sich denn überhaupt noch, ein Label zu machen und Platten rauszubringen? Man verkauft doch nichts mehr – die Hives sollen doch in Deutschland nur 4000 CDs verkauft haben.

Andy: Aber die Platte war mega gehypt. Und wenn du ein Album so massiv bewirbst, lädt sich das jeder Idiot runter.

Vielleicht benutzen Fans von Sham 69 oder The Business auch nur keine Bit-Torrent-Klienten.

Andy: Das glaube ich nicht. Vielleicht ist das auch eine Sache der Szene, dieser Szene. Die wissen vielleicht, was stirbt, wenn man sich an einen Rechner setzt. Das macht man zwei Jahre, dann ist die Szene tot, und man kann nur noch die Sachen von 1977 hören.

Und die Hardcore-Kids? Da ist das doch vielen scheissegal.

Andy: Wo sind die Leute, die sich früher alles nur auf Kassetten besorgt haben? Die sind weg. Die, die damals Platten gesammelt haben, sind immer noch da. Die kommen immer noch in den Laden.

Aber die Plattenverkäufe sind doch auch bei euch runter gegangen.

Andy: Definitiv.

David: Punkrock verkauft sich auf jeden Fall noch besser als Hardcore. Wir verkaufen von einer Punkband eher 500 Stück Vinyl als von einer Hardcore-Band. Bei den europäischen Hardcore-Bands, die auf Mad Mob sind, würden wir nichtmal daran denken, Vinyl zu machen. Hardcore ist kurzlebiger.

Andy: Da gibt es einen Hype um einen Band, und wenn die dem nicht mehr entsprechen kann, ist sie weg.

David: Das ist auch keine neue Entwicklung. Ich hab das Lager noch voll von Vinyl etwa von Disrespect oder Surface, also mittelmässig bekannten deutschen Hardcore-Bands, die sich nicht sofort aufgelöst haben. Das nervt. Vielleicht wäre es schlauer gewesen, schon damals kein Vinyl zu machen.

Wie macht man dann ein Label? Beschränkt man sich auf wenige Sachen?

David: Wir haben zwei Sachen geändert. Zum einen sagen wir, dass das Artwork sehr gut aussehen muss, auch wenn das 50 Cent teurer ist. Die Leute sollen für ihr Geld was kriegen, was sich auch nicht auf den Preis niederschlagen darf. Manche Labels verkaufen Digipaks teurer als Jewel Cases. Das finde ich albern. Die Leute sollen dafür belohnt werden, dass sie eine CD kaufen. Deswegen sollte auch so viel Multimedia drauf sein wie möglich, was in der Produktion ebenfalls mehr kostet.

Früher haben wir uns gestritten, ob ein clear tray Sinn macht, jetzt ist es okay, ein 16- oder 24-seitiges Booklet zu drucken, wenn es denn gut aussieht. Wir zahlen auch meinetwegen den Grafiker. Zum anderen muss man bei diesen Download-Geschichten mitmachen. Aktuelles Beispiel ist die Business-Platte, die im Februar als hardcopy kommt und seit dem 14. Dezember als Download auf iTunes zu kaufen ist. Es ist noch zu früh, das auszuwerten. Aber irgendwann gibt es da sicherlich interessante Zahlen.

Um auf den Laden zu kommen: Eigentlich kann es euch doch gar nicht recht sein, wenn Leute Platten auf iTunes kaufen.

Andy: Es gibt halt Leute, die gerne Musik hören, und Leute, die sie leben. Natürlich hast du Recht – wenn jemand die Musik runter lädt, kommt er nicht in den Laden und kauft die CD. Ich glaube aber, dass die Szene für die Art der Musik, die wir anbieten, viel grösser geworden ist. Du siehst die Szene nicht geballt auf Konzerten, auch weil es so viele Konzerte gibt. Früher hatten wir ein, zwei Shows im Monat, zu denen 500, 600 Leute auftauchten. Jetzt gibt es jeden Tag ein Hardcore-, ein Punkrock, ein Emo-, Metalcore- oder Straight-Edge-Konzert in Berlin. Die Szene verteilt sich, aber am Ende kommt eine viel grössere Masse raus als damals.

Davon sind meinetwegen 30 Prozent coole Downloader. Aber ich glaube nicht, dass wir wegen der Downloads weniger Einkäufe haben. Seit sechs Jahren fragt mich jeder, ob die Downloads mir als Ladenbesitzer nicht weh tun. Ich hatte früher 47 Mark Wochengeld vom Jugendamt. Davon musste ich mir für sieben Mark am Tag Essen kaufen. Ich hatte also gar kein Geld mehr. Und trotzdem konnte ich mir immer noch ne Platte kaufen.

Und den Rest, den ich mir nicht leisten konnte, hab ich mir auf Kassette kopiert. Wenn man das Geld nicht hat, muss man den Scheiss kopieren. Natürlich ist es einfacher, Sachen runter zu laden. Und immer mehr haben Datenleitungen, mit denen sie das machen können. Aber die Szene, die wir bedienen, ist grösser geworden. Das gilt vielleicht nicht fürs Label, aber mit Sicherheit für den Laden. Natürlich muss ich gucken, was ich mir in den Laden stelle. Ich muss mir keine ärzte, Killswitch Engage oder grosse fucking Bands, die auf Leinwänden beworben werden, in den Laden stellen. Die lädt sich jeder runter. Aber die kleinen feinen Perlen kaufen sich die Leute immer noch im Laden.

Macht ihr denn mehr Geld mit Platten als mit Merchandise?

Andy: Wir machen mehr Umsatz mit Platten oder Tonträgern, wozu ich DVDs zähle. Definitiv. Also für grosse Bands ist das Downloading sicherlich ein grösseres Problem. Wenn ich ins Internet gehe, habe ich eine Rammstein-CD in zwei Minuten runter geladen. Illegal natürlich. Für die „Warriors“ von Agnostic Front sitzt man vielleicht schon 20 Minuten, und für ne Single von Terror ist man drei Tage am Netz. In dieser Szene ist es doch noch so, dass man sich Texte durchlesen und die Cover angucken will.

David: Wenn jemand meinetwegen schon alle Business-Platten besitzt, dann will er nicht das neueste Album auf ner CD-Rom haben oder gar als File auf der Festplatte.

Andy: Die Frage ist natürlich, wie lange sich die Musikindustrie das bieten lässt. Mir ist das doch scheissegal. Wer keinen Bock auf die Szene haben will, sollen sich den Scheiss halt klauen. Wenn mir jemand eine Scheibe auf meinen iPod überspielt und ich finde die Platte geil, dann kauf ich die.

David: Ich habe aber Kumpels, die waren nie Sammler und die würden auch heute nie ein Album kaufen. Die kaufen auch kein Buch oder kein T-Shirts.

Heutzutage ist es üblich, dass Labels wegen der schwindenden Verkäufe Merchandise- oder Publishing-Rechte verlangen. Das ist bei einer kleinen Hardcore-Band vielleicht noch nicht wichtig, aber bei den Troopers würde es sich ja lohnen, ihnen mehr zu bieten, wenn man etwa zehn Prozent an den T-Shirt-Verkäufen verdient. Ist das ein Thema für euch?

David: Wir dürfen von fast jeder Band T-Shirts machen, aber wir tun“s nicht, weil es sich nicht lohnt. Aber natürlich verändert sich das Label machen an sich. Wir haben mit jeder Band einen Vertrag. Und zwar nicht wie früher – einmal in der Kneipe anstossen oder sich in den Arm nehmen. Sondern indem man einen Anwalt bezahlt. Das kotzt mich persönlich total an, weil es das Gegenteil davon ist, was ich die ganzen Jahre kreieren wollte und kreiert habe.

Ich bin davon ziemlich frustriert, aber ich will mit einer Band gar nicht arbeiten, bevor sie den Vertrag unterschrieben haben. Das ist traurig, aber die Realität. Dafür habe ich zu viele schlechte Erfahrungen gemacht. Da war eine Band erst nicht in der Gema und dann doch; erst hatten wir die weltweiten Rechte, dann wird ein Album noch woanders hin verkauft. Diesen Sachen will ich aus dem Weg gehen. Dafür mach ich meine Arbeit viel zu gerne. Ich nehme solche Probleme auch mit nach Hause und schlaf dann ganz schlecht.

Themenwechsel. Vor 15 Jahren hab ich eine Maximum Rock“N“Roll-Ausgabe gelesen, in der es darum ging, wie Punkrocker 30 werden. Das klingt heute schon fast amüsant.

Andy: Ich bin mit der jetzigen Situation glücklich. Ich stecke noch alle Kraft rein. Ich glaube nicht, dass ich jemals was anderes mache. Ich habe auch nichts anderes. So sieht“s einfach mal aus. Ich habe auch schon andere Berufe gehabt, aber die haben mich kaputt gemacht. Aber für diese Sache hat es sich gelohnt, dass man manchmal durch die Scheisse geht.

Wie verkauft man als 60-Jähriger Punkrock-Platten? Davon bist du ja zum Glück noch ein bisschen entfernt…

Andy: Es kaufen auch noch Leute bei mir ein, die früher mit mir Platten gehört haben. Meine Mutter mag auch noch Elvis Presley. Die kauft auch manchmal ne CD im Laden, wenn die klingt wie was, was sie mag. So lange ich Lust auf Musik habe, werde ich den Laden machen.

David: So lange es 60-Jährige gibt, die Punkrock haben wollen, werden wir die richtige Adresse sein, wo man das bekommt. Punkrock-Opis, denen man das nicht mehr abnimmt, das werden wir nicht sein.

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Interview: Dietmar Stork


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