Mai 31st, 2008

BRIGHTS DEUTSCHLAND (#125, 08-2007)

Posted in artikel by jörg

Punk und Religion sind wie Feuer und Wasser, sagt Andreas Müller – Pressesprecher von Brights Deutschland. Im Folgenden erklärt er, wie er zu diesem Schluss gelangt.

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Punk ist…

Hat Punk etwas mit dem Glauben oder Nicht-Glauben an Gott zu tun? Um diese Frage beantworten zu können, sollte man erst herausfinden, was Punk überhaupt ist. Orientiert man sich an dem bezeichnenden Song „Punk ist…“ von den ärzten, ist Punk all das, was man als selbsternannter Punk so bezeichnet, „Mach dein Ding, steh dazu (…)“.

Der Begriff wird demnach von Leuten definiert, die sich Punks nennen und zwar aufgrund von gänzlich willkürlichen Kriterien. Demzufolge kann ich mittags Kühe umwerfen, abends Kinder essen, dieses Verhalten „Punk“ nennen und niemand darf dagegen Einspruch erheben. Die ärzte ist andererseits eine Band, die sich nicht allzu ernst nimmt und die aufgrund ihres Hangs, Unterwäsche mit ihrem Namen darauf zu verkaufen, auch nicht allzu ernst genommen wird.

Etwas mehr hat sich Greg Graffin über das Punk-Sein den Kopf zerbrochen. Er ist Sänger und Texter des Punk-Urgesteins Bad Religion, ausserdem hat er einen Doktortitel in Evolutionsbiologie und ist Professor für Lebenswissenschaften. In seinem Essay „A Punk Manifesto1“ versucht er, den Begriff zu definieren:

PUNK IST: Der persönliche Ausdruck unserer Einzigartigkeit, welche durch die Erfahrungen des Aufwachsens in Verbindung mit unserer menschlichen Fähigkeit, vernünftig zu urteilen und zu hinterfragen, entsteht.

PUNK IST: Eine Bewegung, welche dazu dient, gesellschaftliche Haltungen anzufechten, welche durch die vorsätzliche Ignoranz der menschlichen Natur entstanden sind.

PUNK IST: Ein Vorgang des Infrage-Stellens und eine Hingabe gegenüber dem Verständnis, welches in Selbst-Entwicklung und, durch Wiederholung, in sozialer Evolution resultiert.

PUNK IST: Ein Glaube, dass diese Welt das ist, was wir aus ihr machen, dass die Wahrheit aus unserem Verständnis folgert, wie die Dinge sind, und nicht aus dem blinden Festhalten an Vorschriften darüber, wie die Dinge sein sollten.

PUNK IST: Der stetige Kampf gegen die Furcht vor gesellschaftlichen Rückschlägen.

Dieser Beschreibung zufolge ist Punk keine Ideologie und auch keine Religion. Ein Punk orientiert sich nicht an „heiligen“ Büchern, nicht daran, was ihm irgendein Prophet oder Papst verklickern will, auch Aussagen von Mullahs interessieren ihn nur, wenn sie einer kritischen Prüfung standhalten. Graffin verurteilt die Leugnung der menschlichen Natur, wie sie sowohl von der Linken, etwa von Gender-Feministinnen und anderen Postmodernisten, als auch von der Rechten, vor allem von der religiösen Rechten und von Rassisten, betrieben wird.

Wir sollten versuchen, die menschliche Natur so zu erkennen, wie sie ist, und nicht, wie sie sein sollte – weil die natürliche Evolution über Jahrmillionen wirkt, können wir unsere Natur nicht ändern. Was sich jedoch ändern lässt, das ist, bis zu einem gewissen Grad, die Gesellschaft. Graffin plädiert für eine „soziale Evolution“. Es geht darum, sich selbst weiter zu entwickeln und es geht darum, die Gesellschaft voran zu bringen, wofür man die menschliche Natur als Grundlage nimmt. Wenn ein Punk überhaupt an irgendetwas glaubt, dann ist es der Fortschritt oder zumindest, dass Fortschritt möglich ist. Oder natürlich an „No Future“, aber das dürfte wenig hilfreich sein.


Keine Märchenreligion

Die inzwischen aufgelöste Punk-Band Wizo behandelt in dem Song Chezus die Themen Religion und Ideologie: „Ich brauche keinen Jesus Christus und keine Märchenreligion, brauch keinerlei Gebrauchsanleitung und keine Mördertradition. Brauch keinen Allah, Buddha und Jehova, und ich brauch nichts, was ängste schürt, was mir droht mit Hölle und Verdammnis, nur damit man ein Jammerleben führt. Ich brauche keine Lichter im Dunkeln und auch kein Halteseil, ich brauche weder Netze noch Fallschirm, für irgendein Seelenheil!“

Wizo bezeichnet Religionen als „Märchen“. Tatsächlich wissen wir inzwischen dank Büchern wie „Keine Posaunen von Jericho2“ von den Archäologen Israel Silberman und Neil. A. Finkelstein, dass an vielen Bibelgeschichten historisch nichts dran ist. Eigentlich reicht uns eine einzige Erkenntnis, um das gesamte christliche Glaubensgebilde in sich zusammenstürzen zu lassen: Es hat niemals Adam und Eva gegeben. Christliche Fundamentalisten halten auch heute noch vehement an dem Glauben fest, dass diese zwei Gesellen wirklich die ersten Menschen auf der Erde waren und in der Tat ergibt der christliche Glaube ohne sie keinen Sinn (also noch weniger Sinn als ohnehin schon). Begründung:

Eva ist verantwortlich für die „Ursünde“, weil sie von einer verbotenen Frucht vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse gegessen hat. Für dieses banale Vergehen einer einzigen Person vertrieb der Gott der Bibel die Menschen für immer aus dem Paradies. Nunmehr mussten sie arbeiten, wurden krank, mussten Kleider tragen, ausserdem erschuf Gott die Gebirge, die auch irgendwie böse sein sollen. Ein paar tausend Jahre später jedoch wird in Betlehem ein Heiland geboren – historisch betrachtet wimmelte es damals nur so mit Erlösern und Jesus war einer davon, wenn es ihn überhaupt jemals gab (was ich nicht glaube).

„Das Leben des Brian“ von Monty Python ist insofern historisch viel korrekter als die Bibel. Jesus lief eine Weile in der Gegend herum und trieb Dämonen aus, wurde vom Teufel verführt, lief über Wasser, verwandelte es in Wein und starb schliesslich am Kreuz. Dies tat er absichtlich und nur aus einem Grund: Er wollte die Menschheit von der Ursünde erlösen. Genau die Ursünde, für die Eva verantwortlich war und die es ohne Eva nicht gegeben haben kann, wodurch Jesu Tod ziemlich sehr für die Katz gewesen wäre. Genauso für die Katz wäre natürlich der Himmel, wenn es nicht auch eine zugehörige Hölle gäbe, für die 99,999…% der Menschheit, die nicht jedes Gebot exakt befolgt.

Wer noch immer glaubt, dass die Bibel Friede, Freude und Eierkuchen predigt, der sei auf folgende Bibelstelle verwiesen: „Samaria wird wüst werden; denn es ist seinem Gott ungehorsam. Sie sollen durchs Schwert fallen und ihre kleinen Kinder zerschmettert und ihre Schwangeren aufgeschlitzt werden.“ (Hosea 14,1)

Das ist aber nun aus dem Alten Testament, von dem wir ohnehin alle wissen, dass es furchtbar böse ist. Vielleicht noch schlimmer war jedoch das Neue Testament, nur weiss es keiner. Erst dort wird nämlich die Hölle erfunden, die so vielen kleinen Kindern eine wahrliche Höllenangst eingejagt hat. Wer sich für die Erziehungsmethoden interessiert, welche die katholische Kirche auf Kinder anwandte und in vielen Ländern noch immer anwendet, dem sei der Verein ehemaliger Heimkinder e. V.3 empfohlen, der von missbrauchten und gequälten Kindern in deutschen katholischen Kinderheimen berichtet. Wenn der Held des NT, Jesus Christus, ein so grosses Vorbild sein soll, dann möge mir doch mal jemand erklären, was er meinte, als er folgendes zum Besten gab:

„Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater und seine Mutter und seine Frau und seine Kinder und seine Brüder und Schwestern, dazu aber auch sein eigenes Leben, so kann er nicht mein Jünger sein;“ (Lukas 14, 26)

Seid aber gewarnt, denn Jesus mag Ungläubige nicht leiden: „Doch diese meine Feinde, die nicht wollten, dass ich ihr König werde, bringt her und macht sie vor mir nieder.“ (Lukas 19, 27)

Damit wären wir beim Thema Religion und Moral angekommen. Das Gegenargument zu den genannten Bibelpassagen lautet: „Aber das ist doch nicht wörtlich gemeint. Das muss man interpretieren.“ Nun, dann interpretiert mal, aber bitte nur heraus und nicht hinein, eine Grundregel der Literaturwissenschaft.

Dies hat zum Beispiel der Psychologieprofessor Franz Buggle in seinem Buch „Denn sie wissen nicht, was sie glauben“ getan und wem das nicht gefällt, der sei auf „Der Herr ist kein Hirte. Wie die Religion die Welt vergiftet“ vom Literaturkritiker Christopher Hitchens verwiesen. Es sieht ganz danach aus, als wären diese grausamen Bibelpassagen auch wirklich genau so gemeint, wie es uns der gesunde Menschenverstand nahe legt, dass sie gemeint waren.

Echte Gläubige, also Fundamentalisten, bezweifeln das auch nicht. Befreiungstheologen und „Kirche der Armen“ wollen das natürlich nicht hören und man fragt sich, warum sie nicht gleich ihren Glauben aufgeben und Gutes tun, um Gutes zu tun und nicht, um dem Höllenfeuer zu entgehen. Natürlich heisst es auch „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, aber das galt ursprünglich nur für Juden (wie Jesus), ausserdem ist es ein einziger positiver Satz in einem riesigen Schinken voller barbarischer Schandtaten. Man kann sich eben nicht die Rosinen aus einem „ultimativ wahren“ Kuchen rauspicken.

Nein, eine homophobe, sexistische, barbarische und primitive Unterdrückermoral wie die christliche (oder muslimische) braucht kein Mensch. Die Bibel wurde in einer Zeit geschrieben, in der die Leute noch keine Ahnung von gar nichts hatten. Sie glaubten, dass die Erde eine Scheibe ist, dass die Frau so viel wert ist wie eine Ziege, dass es nichts Schöneres gibt als Stammeskriege und man fragt sich unwillkürlich, was denn ein jahrtausendealtes, ungebildetes Wüstenvolk uns heute noch zu befehlen haben sollte und warum. Der Koran ist kein bisschen besser, vielleicht sogar noch schlimmer, weil er als „die letzte Prophezeiung“ nicht reformierbar ist. Dort heisst es: „Die Ungläubigen, welche durchaus nicht glauben wollen, werden von Allah wie das ärgste Vieh betrachtet“ 8, 56 (95).

Das finde ich jetzt nicht gut, dass ich wie das ärgste Vieh betrachtet werde. Aber es kommt noch schlimmer: „Für die Ungläubigen sind Kleider aus Feuer bereitet, und siedendes Wasser soll über ihre Häupter gegossen werden, wodurch sich ihre Eingeweide und ihre Haut auflösen. Geschlagen sollen sie werden mit eisernen Keulen. Sooft sie versuchen, der Hölle zu entfliehen, aus Angst vor der Qual, sooft sollen sie auch wieder in dieselbe zurückgejagt werden“ 22, 20 (107).

Auf Ungläubige ist sowieso keine Religion gut zu sprechen. Was sagt der Koran also wirklich zur Rolle der Frau, die angeblich gar nicht so schlecht sein soll, glaubt man Multi-Kulti-Schönrednern? „Die Weiber sind euer Acker, geht auf euren Acker, wie und wann ihr wollt“ 2, 224 (91).

Immerhin ein feiner Unterschied zur Bibel: Im Koran sind Frauen äcker, in der Bibel sind sie Vieh. Was hat es nun mit dem Schleier auf sich? Angeblich hat er mit der Religion nichts zu tun und ist rein „kulturell“. Leider ist der Koran anderer Meinung: „Sage, Prophet, deinen Frauen und Töchtern und den Frauen der Gläubigen, dass sie ihr übergewand über ihr Antlitz ziehen sollen, wenn sie ausgehen; so ist es schicklich, damit man sie als ehrbare Frauen erkenne und sie nicht belästige“ 33, 60 (103).

Das „übergewand“ ist nichts anderes als die alles verhüllende Burka, manchmal gnädig als Kopftuch interpretiert. Sie wird im Koran vorgeschrieben, nicht nur in irgendeiner „Kultur“.

Was glauben?

Nichts glauben. Alles in Frage stellen, das ist Punk. Wenn man lange genug alles in Frage stellt, stehen die Chancen gut, dass man sich irgendwann „Naturalist“ nennt oder „Bright“. Ein Bright ist jemand, der nicht an übernatürliches glaubt, nicht an Gott, den Teufel, nicht an Elfen oder an den Weihnachtsmann. Er akzeptiert seine Endlichkeit und weiss das Leben im Diesseits dafür viel besser zu schätzen. Kritisches Denken und wissenschaftliche Erkenntnisse sind die Grundlagen seines Weltbildes, das undogmatische Streben nach Wahrheit ist sein Weg.

Ein Naturalist, der eine humanistische Ethik vertritt, kümmert sich um seine Mitmenschen, weil sie ihm etwas bedeuten und nicht, weil er sich vor göttlicher Strafe fürchtet. Wir haben nur ein Leben, geniessen wir es, helfen wir anderen Menschen, ihr Leben zu geniessen, ein „aufgeklärter Hedonismus“ würde viele Menschen glücklicher machen. Wir haben Kunst, wir haben Philosophie und wir haben die Wissenschaft, wozu brauchen wir noch die Religion?

Es gibt inzwischen mehrere säkulare Organisationen, die versuchen, diese Ideen populär zu machen. Dazu gehören die „Brights“, eine basisdemokratische Bewegung, die für die Gleichberechtigung von Naturalisten eintritt. Die Kirchen bekommen in Deutschland Milliarden Euro Steuergelder jedes Jahr – Bischofsgehälter werden u. a. von der Lohnsteuer bezahlt! — und andere weltanschauliche Gruppen werden diskriminiert, so hat man etwa dem Humanistischen Verband Deutschland (HVD) die Einführung des Schulfaches „Humanistische Lebenskunde“ und den Bau einer humanistischen Schule verboten4.

In Universitäten gibt es so genannte „Konkordatslehrstühle“. An vielen philosophischen Fakultäten darf der Vatikan in Deutschland Lehrstühle vergeben, nicht nur im Bereich der Pseudowissenschaft Theologie. Da bleibt nicht mehr viel von der Philosophie übrig, die Zeit ihres Lebens ein Gegengewicht zur Religion war. Schon der griechische Philosoph Xenophanes (570-470 v. Chr.), der „Sturmvogel der griechischen Aufklärung“, stellte fest, dass die Menschen ihre Götter erschaffen haben, nicht anders herum.

„Geben Sie Gedankenfreiheit!“, forderte Schiller in „Don Karlos“. Wenn wir nicht aufpassen und den Religionen das Feld überlassen, werden wir sie bald wieder einfordern müssen.

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