Juni 10th, 2020

Bob Ross Effect aus #199, 2019

Posted in interview by Jan

Bob Ross Effect aus Würzburg waren seit ihrer Gründung die sympathischen Punk Rocker von nebenan. Musikalisch würde ich sie grob in den Bereichen Skate Punk / Pop Punk / Melodic Hardcore / Crossover verorten. In den ersten Jahren ging es auch direkt ordentlich zur Sache mit EP, Album, eine Split mit Bad Cop, Bad Cop, The Decline und Success, irre großen Touren durch Europa, sowie vielen weiteren Einzelgigs.

Jetzt melden sich Bob Ross Effect nach einer kleinen Pause wieder zurück auf der Bühne. Ich habe Bassist und Sänger Len kurz vor Beginn der „Ice Cream & Trains“ Tour auf einen Kaffee getroffen, und wir haben uns über den aktuellen Stand der Band, das Tourleben und Eisenbahnen unterhalten.

Hallo Len, danke dass du dir Zeit nimmst. Magst du kurz vorstellen, in welcher Besetzung Bob Ross Effect jetzt spielen?
Ja sehr gerne. Wir sind inzwischen als Trio unterwegs: Jonas ist als neuer Gitarrist eingestiegen, Hannes ist seit Gründung der Band am Schlagzeug, und ich selbst bin von der Rhythmusgitarre an den Bass gewechselt und singe nach wie vor.

Ihr wart eine Zeit lang von der Bildfläche verschwunden. Was ist zwischen der letzten Tour und der Wiederaufnahme des Probebetriebs passiert?
Zuletzt gab es die Marathon Tour mit über fünfzig Gigs, bei der uns gegen Ende ein bisschen die Luft ausgegangen ist. Damals war klar, dass Bob Ross Effect in der damaligen Besetzung erstmal pausieren werden. Noch während der Pause kam dann aber plötzlich die Bestätigung, dass wir auf dem Mission Ready Festival spielen können. Daraufhin haben wir in der alten Besetzung aus Hannes, Captain, Peter und mir wieder Kontakt aufgenommen und letzten Endes geplant, beim Mission Ready dann einen runden und versöhnlichen Abschied von Bob Ross Effect zu zelebrieren. Und das hat auch funktioniert. Es war ein großartiges Konzert, das in einer sehr schönen Gruppenumarmung geendet hat.

Und wie kommt es zu den Besetzungwechseln?
Noch während es in den Sternen stand, ob und wie es mit Bob Ross Effect weiter geht, habe ich bei einem Gig von Jonas Band Gorilla Deathtrap die Mische gemacht. Etwas später bei der Release Party sind wir dann näher ins Gespräch gekommen, und nach ein paar Dates im Proberaum stand die Idee, Bob Ross Effect als Trio mit Jonas an der Gitarre fortzusetzen. Damals haben wir dann in zwei Besetzungen geprobt: also einmal in Original Line-Up als Vorbereitung für das Mission Ready, und parallel in neuer Besetzung. Und spätestens nach den ersten Auftritten mit dem neuen Line-Up war dann klar, dass Chemie und Orga gut funktionieren, und wir die Band fortsetzen.

Sind sonst Änderungen zu erwarten? Sehen und hören wir jetzt bald die neuen Bob Ross Effect?
Das kann ich noch nicht ganz beurteilen. Was sich geändert hat, ist die Prozedur des Songwriting. Ich bin immer noch hauptsächlicher Songwriter und schreibe die Entwürfe in der Regel an der Rhythmusgitarre. Ich lege Jonas dabei aber eher ein Gerüst vor, an dem er sich orientiert, und dann nochmal mit seinem ganz eigenen Stil wiedergibt. Ich würde mal sagen, dass wir weder das Konzept von Bob Ross Effect aufbrechen, noch dass wir die zweiten Gorilla Deathtrap werden. Das Songwriting in neuer Besetzung ist noch in einem sehr jungen Stadium. Da kann wahrscheinlich unser Publikum noch am besten beurteilen, ob sich schon was geändert hat.

Und wie sieht die kurz- bis mittelfristige Zukunft von Bob Ross Effect aus?
Wir hoffen, dass wir im Frühjahr 2020 oder spätestens Mitte des Jahres ein neues Release haben.

Da freue ich mich drauf! Eine ganz andere Frage: wo rührt eigentlich der Name her? Ich habe noch keine „Happy little trees“ in euren Texten entdeckt.
Das stimmt. Es gibt tatsächlich keinen direkten Zusammenhang zwischen der Band und dem Künstler. Es ist eher durch die Faszination darüber entstanden, wenn man besoffen nach Hause kommt und dann friedlich zu „The Joy of Painting“ einschlafen kann. Allerdings hatte die Hammelburger Band Taschenrocker einen Song namens „Mit dem Pinsel von Bob Ross“. Als wir auf deren Abschiedskonzert waren, sagten Taschenrocker, sie seien froh, dass wir den Namen von Bob Ross in der unterfränkischen Punkszene weitertragen.

Eure erste Tour in neuer Besetzung hieß „Icecream & Trains“. Ist das schon ein Teaser für ein neues Release? Oder was hat es mit dem Namen auf sich?
Nein, wie gesagt, das neue Release wird noch auf sich warten lassen, da es jetzt erstmal drunter und drüber ging und das Songwriting noch nicht weit genug fortgeschritten ist. Der Name bezieht sich auf unsere letzten zwei Fotoshootings, von denen eins in einer Eisdiele, und das andere vor einem Zug war. Außerdem sind Hannes und ich sehr große Eisenbahnliebhaber. Bei unserem letzten Gig in Tschechien haben wir auch erst wieder zehn Kronen investiert, um eine Modelleisenbahn in der Bahnhofshalle durch die Miniaturlandschaft fahren zu sehen.

Wie sehen eure Touren generell sonst aus? Wer kommt mit?
Wir sind tatsächlich nur zu dritt unterwegs. Es gibt keinen Fahrer, keinen Mercher; nur uns drei.
Da kann man sich sicher leichter auf die Musik im Tourbus einigen.

Was läuft bei euch auf der Fahrt?
Es hat sich tatsächlich eingebürgert, dass wir meistens Bayern 1 oder die anderen ersten lokalen öffentlich-rechtlichen Programme hören, solange wir sie empfangen. Zuletzt in Tschechien haben wir bis kurz vor Plzen noch Bayern 1 reingekriegt. Die ersten Programme sind für uns der kleinste gemeinsame Nenner, mit dem alle konform sind. Sonst ist die Gefahr zu groß, dass oft eine Person nicht den Musikgeschmack teilt. Es ist natürlich nicht immer super gut; einmal sind wir von unserer Tour aus dem Balkan zurückgekommen und es lief gerade Thomas Gottschalk’s Classic Rock Show im Radio. Das hatte bisschen was von einem Unfall, weil man nicht weghören konnte, obwohl man wollte.

Gibt es Orte, die auf jeden Fall bei kommenden Touren auf der Agenda stehen sollen?
Ich möchte sehr gerne wieder in Meran, in Italien spielen. Da waren wir bisher dreimal, und haben auch guten Kontakt zu Veranstaltern, Musikern, wie Fans dort geknüpft. Außerdem ist es sehr wichtig, die Szene dort zu unterstützen, weil das JUZ und deren Umfeld immer wieder mit Drohungen und Gewalt aus dem rechten Spektrum konfrontiert werden. Einmal spielten wir dort und bekamen mit, dass die Band Unantastbar sich unters Publikum gemischt hat. Die sind dann aber glücklicherweise wieder abgezogen, als ich die Ansage machte, dass wir keinen Bock auf Neonazis und deren Freunde haben.
Ein anderes Mal haben wir ein Konzert in einer anderen Venue in Meran abgesagt, weil wir herausgefunden haben, dass der Veranstalter am gleichen Abend eine Versammlung eingeladen hat, die der Identitären Bewegung und Südtiroler Nationalisten nahesteht. Wir haben dann stattdessen wieder im JUZ gespielt.

Gehören solche Erlebnisse zum Touren irgendwie dazu?
Man trifft schon auf bizarre Gestalten und sieht auch immer wieder, dass die Welt nicht überall so heil ist wie bei uns, wo antifaschistische oder demokratische Gruppen noch die Mehrheit darstellen. In Tschechien stand mal plötzlich ein Gast mit kahlgeschorenem Kopf und Landser Shirt vor mir. Wir haben uns in der Band schon geeinigt, dass wir das Konzert absagen, wenn er vom Veranstalter geduldet wird. Glücklicherweise wurde er dann wirklich nach draußen begleitet. In Serbien wurde auch mal die Aftershow Party unseres Konzerts von einer Horde betrunkener Fußball Hooligans besucht. Im Großen und Ganzen ist bis jetzt aber immer alles gut ausgegangen, und es gab keine wirklichen Probleme. Und es passieren auch immer wieder schöne Dinge, wie wenn man alte Bekannte wiedersieht. Bei unseren Konzerten in Luxemburg spielen wir meistens mit unseren Freunden von Versus You aus Luxemburg, mit denen wir auch schon bei der Releasetour gastiert haben. Mit Versus You hat sich ein sehr fruchtbarer Austausch ergeben, und die Band hat uns auch schon in Würzburg besucht und ein großartiges Konzert im Immerhin gegeben.

Welche Personalie beschreibt Bob Ross Effect auf Tour am besten: Hotelzerstörer, Partygänger, oder Museumsbesucher?
Tatsächlich sind wir am ehesten die Museumsbesucher. Also, der erste Fokus auf Tour ist eigentlich immer die Tour und ihre einzelnen Konzerte. Und darüber hinaus besucht man viele Orte, bei denen es einfach zu schade wäre, sich nicht zumindest annähernd mit dem kulturellen Angebot vor Ort zu befassen. Oft bekommen wir coole Empfehlungen von Bookern, Local Support Bands, oder Fans, und sehen dann zu, dass wir nach dem Gig nicht allzu spät einschlafen. Denn auf Tour, wo schon mittags das erste Bier geöffnet wird, ist es meistens möglich, am Tag nach dem Gig früh aufzustehen, und sich noch etwas Kultur anzusehen. Hier möchte ich auch Hannes Begriff zitieren: #kulturpunknause

Ihr haltet euch in eurer Heimatstadt Würzburg eher rar. Welchen Stellenwert haben die Hometowngigs für euch?
Prinzipiell ist Würzburg ein gutes Pflaster für uns. Neben unseren Freunden, die hier auf die Gigs kommen, hat sich auch wirklich eine gewisse Fanbase gebildet. Wir möchten aber auch, dass es etwas Besonderes bleibt. So eins oder zwei Konzerte im Jahr sollten aber in Zukunft drin sein. Wenn man zu oft in der Heimatstadt spielt, kommt auch niemand mehr vorbei – vor allem in einer kleinen Stadt wie Würzburg.

Und wie bewertet ihr generell die Musiklandschaft in Würzburg? Was fehlt, und was schön?
Also, dafür dass Würzburg echt nicht so groß ist, wird hier für Künstler sowie für Fans echt einiges geboten. Alleine schon Cairo, Immerhin, und b-hof haben da begeisternde Möglichkeiten im Gepäck, wenn man es mal zu anderen gleichgroßen oder größeren Städten vergleicht. Gleichzeitig finde ich auch, dass Genres wie Punk Rock es nicht ganz so leicht haben hier. MaMü und Propaganda Sounds leisten echt gute Arbeit, aber der Nachwuchs fehlt leider. Leute Anfang zwanzig sind auf solchen Veranstaltungen wirklich schwierig zu finden, aber die Hoffnung stirbt zuletzt!

Habt ihr in den letzten Jahren gewisse Trends in der Würzburger Szene sehen können?
Ja, das Publikum ist wählerischer geworden. Generell kommen weniger Leute, und auch das Stammpublikum ist nicht mehr so da. Im alten Immerhin hätten sie wahrscheinlich aufs Plakat schreiben können, dass eine Blechbüchse auf der Bühne steht und der Laden wäre voll gewesen. So sinken dann natürlich auch die Ansprüche für Künstler und Veranstalter, wenn zu viele potentielle Besucher doch lieber zuhause bleiben, weil ihnen der Stil der Band nur zu 80% passt.
Wo man anfangs den Anspruch hatte, 150 Leute vor die Bühne zu bringen, sinkt die Erwartung mit der Zeit auf 100, dann auch fünfzig, und irgendwann auf dreißig Besucher. Und das obwohl die Facebook Gruppe „Punk Rock in Würzburg“ über 300 Mitglieder hat. Ich denke, die Leute sind auch zu bequem geworden. Daher „support your local scene“!

Welche Rolle spielt dein Label Lensen Industries? Ist da in Zukunft etwas Neues zu erwarten?
Bob Ross Effect laufen natürlich komplett über Lensen Industries. Abgesehen davon wird es in Zukunft auch wieder mehr Shows und Events unter diesem Namen geben. Releases sind auch in Planung. Da ist zum Beispiel das Tape von Bob Ross Effect, das eigentlich schon lange veröffentlicht werden sollte. Das gute Teil besteht aus alten Aufnahmen und wird in einer schönen Box voll Goodies kommen. Für vieles fehlt leider im Moment noch die Zeit sowie das Geld, aber Lensen Industries sind noch aktiv, und es wird hier und da Unterstützung für andere Bands gewährleistet. Sobald der Output wächst, wird es dann auch mal Events wie Labelabend, Labelgrillen oder sowas geben. Die Lust ist definitiv vorhanden.

Dann sage ich mal Alles Gute! Wir sehen uns morgen beim Konzert, und bis dahin vielen Dank für das Interview.
Vielen Dank und liebe Grüße!

*

Am Tag nach dem Interview haben Bob Ross Effect dann mit Stick Around aus Metterching und Shoreline aus Münster im Café Cairo in Würzburg gespielt. Und soviel kann ich zu dem Konzert sagen: die Jungs haben Bock! Bob Ross Effect haben ordentlich auf den Putz gehauen und mit deutlich mehr Crossover und Hardcore Einfluss denn zuvor echt eingeheizt. Der Laden war voll, die Stimmung war großartig, und Bob Ross Effect beendeten die Show mit Nathalie Imbruglia’s „Torn“. Allen, die noch keine Gelegenheit hatten, sich die Würzburg Band zu Gemüte zu führen, empfehle ich, ein Ohr auf das Album zu werfen und Konzerte sowie neue Veröffentlichungen zu verfolgen.

Text/Interview: Raphael Lukas

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