Juli 31st, 2019

BLACK REBEL MOTORCYCLE CLUB (#93, 2002)

Posted in interview by Thorsten

OR

WHAT ARE YOU DOING TO OUR ROCK´N´ROLL?

Mit ihrem selbstbetiteltem Debut auf Virgin haben die drei Jungs aus San Francisco eines der crispigsten RetroRocklullabies neben den STROKES abgeliefert und schwimmen damit gleich ganz oben auf der Welle des momentan organisierten GaragenGlamZurückZumTraditionalismus-Hypes.

B.R.M.C. kann es nur Recht sein, daß die Zeichen im Jahr 02 wieder für ungeniertes Familienbewußtsein stehen und Rock völlig distanzlos als selbstmanifestierende Geschichtsgrundlage genutzt werden darf. Ohne noch etwas wirklich Authentisches aus der Auseinandersetzung mit sich und der Welt hervorzubringen zu müssen, wird sich einfach auf die Schultern der Väter und Vorväter gestellt. „Standing on the shoulders of giants“, wie es OASIS einmal angenehm selbstironisch betitelten. Allein der Unterhaltungswert, die Hülle des Spektakels und dessen Süsstoffgehalt scheinen noch entscheidend, der aber ist bei den BLACK REBELS ausgesprochen hoch. Denn darf einmal erst so richtig unkritisch mit der Kopiermaschine großer Rockzitate hantiert werden, können recht ansprechende Kollagenwerke entstehen. Im Falle des B.R.M.C. klingt das weniger nach Marlon Brando´s „Wild One“, als nach einer gelungenen Schnittmenge aus viel JESUS & MARY CHAIN und zwei Gläsern SPACEMEN 3, sehr „englisch“ ausgerichtet also. Mit ihrem schmissigen „Whatever happened to my (punk)rock song“ und einem langweiligen Videoclip dazu, haben sie sogar einen ziemlichen Hit am Start. Und darum geht es doch im R´n`R heute – um den süssesten Dämmerzustand und Abgesang zugleich, oder… ?
Folgendes Interview führte ich mit Peter Hayes im Tourbus der Band, nachmittags, direkt vorm Hamburger „LOGO“.

Peter – guitar & vocals
Robert – bass, keys & vocals
Nick – drums

Okay, let´s go. „Whatever happened to our R´n`R“, welche Bedeutung hat Rock für Dich im Jahre 2002? Oder anders gefragt, hat Rock überhaupt noch irgendeine Bedeutung? Oder ist da nur noch Fassade und Rollenspiel?

Peter: Das hat schon eine Bedeutung für mich und…, das kann ich aber auch niemandem vermitteln, weißt Du, erzählen, was das ist. Ich würde auch gar nicht erzählen wollen, was das bedeutet, weil es nur enttäuschen würde. Wo sich das alles hinentwickelt hat. Oder wo es sein sollte. Das ist alles so…hmmm, du findest das nicht mehr, dann musst du einfach weiter Ausschau halten.

Versteh´ meine Frage in die Richtung gehend, daß es in den 90ern noch einen vielverbreiteten anderen Ansatz gab, mit Rock avantgardistisch umzugehen, während jetzt doch wieder eine allgemeine Rückorientierung auf Konventionelles, in Eurem Fall auf 60ies GaragePsychedelia abläuft. Ihr seit doch total auf England und Bands wie SPACEMEN 3, GALAXY 500 und vor allem JESUS & MARY CHAIN ausgerichtet.

Peter: Aaah, stimmt. Ja, das geht für mich alles klar. Das ist alles Teil unserer Musik, schätze ich. Ähmm.. Ich mag Sachen, die eine Mixtur ergeben. Und diese englischen Sachen sind eine gute Verbindung der beiden Wege, wie die Leute Musik gemacht haben. Was war die Frage nochmal?

Ob Rock´n`Roll für Dich im Jahre 2002 immer noch für Revolution steht? (lacht) Oder ob das nur noch Unterhaltungswert hat?

Peter: Ich glaub´, das muß mehr sein, als nur Musik oder Rock´n`Roll. Ich denke, daß jede Form der Kunst revolutionär sein sollte und sub…, oder wie immer du das nennen magst. Es sollte auf jeden Fall jedes System treten und nerven. Das geht von der Rebellion gegen die Kirche, über die Rebellion gegen den Staat bis hin zu was auch immer. Ich meine, jegliche Kunst sollte so ausgerichtet sein, nicht nur R´n`R. Rock´n`Roll ist ein guter und lauter Weg ist, das zu tun. Denke ich.

Eure Musik ist stilistisch jedoch sehr rückwärtsgewandt, an bekannten Stilformen festhaltend. Und dann seid Ihr ja auch sehr zurückgezogen-spirituell in vielen Stücken mit diesen psychedelischen Gitarren-Drones. Da ist viel Traum-Zeugs, nicht gerade das also, was ich als konfrontativ bezeichnen würde.

Peter: Ooh, (sehr langsam sprechend), das ist eine subtile Konfrontation und die ist definitiv vorhanden. Außerdem ist das alles schon gemacht worden. Yeah, das wurde alles schon gemacht. (lacht) Also machen wir das auf eine andere Weise und von daher…Ich denke auch, das ist eh schon in uns, in uns selbst, und was immer wir daraus machen ist großartig. Und wenn es halt nur das ist, geht das für mich in Ordnung. Soweit ich davon betroffen bin, ist das eine recht gute Version von Rebellion, weil es nicht soviele Menschen gibt, die so darüber denken. Und damit zeigen wir doch schon etwas zum Nachdenken auf. Ich denke, das ist gut. Alles ist gut, wo du etwas aus dir herausholst, was nicht nur eine Sache ist. Damit machen wir unseren Job.

Hat Spiritualität eine Bedeutung für Euch? Wenn ich Songs wie „Salvation“ höre, überkommt mich da ein gewisser Verdacht.

Peter: Ähmm….Darin bin ich nicht geschult, weißt Du.

Ich meinte auch eher persönliche Spiritualität.

Peter: Persönliche, ja… Was ich denke, wohin ich gehe, ob meine Seele angenommen wird, Karma, und der ganze Scheiß? Nein, (lacht), darüber bin ich mir nicht sicher, welcher Klasse ich angehöre…
Ja, aber für mich selbst, warum nicht? Ich kann da hinein- und wieder hinausfließen.

Aus welcher Klasse stammst Du eigentlich, was ist Dein Hintergrund?

Peter: Ich meinte Klasse nicht als… Da habe ich das falsche Wort benutzt. Ich bin in keiner Klasse als Christ, oder Katholik oder ich weiß nicht was. Aber… ähm, willst Du immer noch, daß ich die Frage beantworte?

Ja, klar, beschreib´ Dich doch mal.

Peter: Yeah, ich bin auf einer Farm großgeworden. Ziemlich verarmt, schätze ich. Und dann zogen wir in diese Art offener Mittelklasse-Gegend und waren noch immer ziemlich arm. (lacht) Für eine Mittel-klasse-Gegend. Dagegen habe ich ziemlich starke Reaktionen an den Tag gelegt.

Du kommst aus San Francisco, richtig?

Peter: Ja, von außerhalb von SF. Ich habe überall in der Bay-Area gelebt.

Und wann kam die Musik in Dein Leben?

Peter: Während meiner Highschoolzeit habe ich mit dem Spielen angefangen.

Was hält Dich in Bewegung, Peter, was ist Deine Vision, falls Du dergleichen hast, Dein Motor? Ist es das Bühnenlicht?

Peter: Nein, darauf kannst du dich nicht verlassen. Du kannst nicht auf Spotlight als das setzen, was mich in Bewegung hält. Weil das zu schnell kommt und geht. Augenblicklich ist es großartig, in Deutschland zu sein, weil ich hier noch nie zuvor war und weil das echt ist. Und ich bin froh über die Leute, die zu unseren Shows kommen, um unsere Musik zu hören. Du denkst immer, du hast den Leuten etwas zu geben, und wenn das dann Wirklichkeit wird, ist das schön, verstehst Du. Also machst Du damit weiter, ich meine, da ist vielleicht eine Person und du hast dieser einen besonderen Tag bereitet. Das ist großartig und das lässt mich weitermachen, Mann.

Was denkst Du denn, was Du Menschen geben kannst, wenn sie Eure Show sehen?

Peter: Ich weiß nicht…

Abgesehen von 60 Minuten Unterhaltung?

Peter: Oh, ich weiß nicht, ob und was wir geben können. Aber was wir machen können, machen wir. Und das ist auch das, was wir geben können. Was immer sie sich dann davon nehmen ist gut genug. (lacht) Zumindest sind sie ja da, weiß Du. Alles was ich geben kann, ist Musik und die kann ich auf die beste Art spielen, wie es mir nur möglich ist. Das ist alles, was ich machen will.

Eure letzte Platte gehört ja eher zu der Art von Musik, wo ich in einem unbeobachteten Moment hemmungslos Luftgitarre vor meinem Badezimmerspiegel spielen kann.

Peter: (lacht) Da ist doch nichts Verkehrtes dran. Warum nicht? Das ist doch eine gute Sache. Das ist menschlich und wir sind doch Menschen, wenn wir tun, wozu wir Lust haben.

Hast Du eigentlich einen Beruf erlernt, abgesehen davon, Rock´n`Roller zu sein?

Peter: Ich war vier Jahre lang ein ziemlich schlechter Mechaniker.

Für Autos?

Peter: Yeah, nach der Highschool.

Und wie ist es für Dich in dieser Industrie-Mühle zu stecken? Ihr gehört mit Virgin schließlich jetzt der Oberklasse an, spielt Promotionauftritte in Plattenläden, habt die große Musikpresse hinter Euch und Euer Bild ist auf sämtlichen Titeln zu sehen. Was denkst Du von diesem Retro-Rock-Hype? Stehst Du darauf?

Peter: Das ist schon großartig, wirklich eine tolle Sache, jetzt die Möglichkeit zu haben, der eigenen Stimme Gehör zu verleihen, außerhalb der Musik. Aber ich traue dem Ganzen nicht besonders über den
Weg. Und ich stütze mich auch nicht darauf. Ich nehme es so wie es ist, bin mir aber auf der anderen Seite nicht sehr sicher, was es ist. (lacht) So ist das halt. Mit diesem Business kann es noch Probleme geben; ich weiß, vielleicht geht das alles mal zu weit, der Druck und solche Dinge. Wir versuchen gerade unserem Schlagzeuger einen legalen Aufenthaltsstatus zu organisieren, um mit uns die Welttour zu machen. Daher unternehmen wir gerade mehr, als wir normalerweise mögen würden, aber das geschieht alles zum Wohle, unsere Familie wieder zusammenzuführen.

Euer Schlagzeuger stammt aus England, oder?

Peter: Ja, er ist Engländer und er erbat sich Amnestie und eine green card. Er wartet gerade auf seine green card, die Aufenthaltserlaubnis hat er schon, dafür darf er allerdings nicht ausreisen, sonst verliert er diese Arbeitserlaubnis und darf für zehn Jahre nicht zurückkehren.

Was ich wissen wollte, ist, ob Ihr nach dem Rockzirkus Ausschau gehalten habt, in dem Ihr Euch jetzt bewegt?

Peter: Nein, ich bin mit keinem Zirkus konform. Wir reisen für uns selbst. Das ist ein anderer Zirkus. Ihren Zirkus mag ich nicht. (lacht) Ich mag, wenn wir unter uns sind und herumreisen und nicht mit den Anderen zu tun haben.

Welche Bedeutung haben Drogen für Dich?

Peter: (schaut erstaunt auf) Welche Bedeutung Drogen für mich haben? Nun, das bedeutet Probleme. Zu einem bestimmten Punkt können sie auch ganz nützlich sein. Ich hatte da aber große Probleme mit. Ich war selber abhängig von einigen Sachen. Ich komme von einem dieser Orte, wo die Dinge dann völlig auseinanderfielen. Aber Drogen haben gewiss bestimmte Zwecke zu erfüllen. Aus Spaß z.B. habe ich nie Drogen genommen, sondern weil ich meinte, dadurch etwas lernen zu können. Und das ist es schon. Das ist der Weg, wie ich mit Drogen umgehe. Und wenn du das Gefühl hast, du vermisst etwas oder kannst irgendetwas nicht lernen, dann hör´ damit wieder auf.

Vor zwei Tagen, als ich mir Euer „Salvation“ anhörte, hatte ich diese seltsame Vision, daß sich Euer Publikum vor der Bühne bei diesem Song wie Hippies die Hände reicht. Schrecklich…

Peter: (lacht) Yeah, nun… (lacht) Was soll ich dazu sagen.

Wer spielt an Nick´s Stelle heute Abend bei Euch Schlagzeug?

Peter: Pete Salsbury von THE VERVE.

Okay, Danke für das Interview.

Interview: Tom Dreyer

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