März 7th, 2007

A CASE OF GRENADA (#107, 08-2004)

Posted in interview by jörg

Wir schrieben das Jahr 2003, es gibt Leute, die fest davon überzeugt sind, dass im deutschen Hardcore-Wald nur noch Metall-Bäume wachsen und es auch nie ein Feuer geben wird, das das Wifebeater-Unterholz abfackelt, aber in jedem gesunden Wald sollte es alle 7 Jahre brennen.

A Case of Grenada lieferten mit „The Evidence“ ein wirklich verdammt gutes Werk ab und ich denke, dass dieses in ein paar Jahren wirklich von so einigen Nachwuchs-Noisern als Referenz angegeben wird.

Verantwortlich für den Release ist Redfield Records, wobei man sagen muss, dass abgesehen von Diatribe musikalisch keine Band aus dem Roster zu ACOG passt. An diesem Freitag Abend im April durfte ich Zeuge ihrer überragenden Live-Fähigkeiten werden, jetzt bin ich mir sicher, man kann auch im Einkaufswagen Gitarre spielen.

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Heute ist das erste Konzert der aktuellen Tour, was habt ihr so für Erwartungen??

Florian: Ein paar coole shows spielen und Leute kennen lernen.

Thomas: Vielleicht auch ein paar Sachen verkaufen, die Bandkasse auffüllen, um ein paar Aufnahmen zu finanzieren.

Deswegen (wegen des Geldes) sind auch nicht mehr Stücke auf dem Album (the evidence), oder??

Thomas: Ja, unter anderem.

Ihr kommt ja vom Dorf irgendwo bei Siegen…

Florian: Ja, nicht direkt Dorf, aber eben keine Grossstadt.

Wie ist die Szene da?

Florian: Eigentlich recht ausgeprägt, da geht viel.

Thomas: Mittlerweile ja, vor einigen Jahren ging da nichts, zumindest nicht annähernd soviel wie heute.

Ihr wart ja auf Tour in England, aber das war „nur“ eine Promotour oder??

Thomas: Richtig, weil wir mit Lockjaw einen deal haben, müssen wir ja auch die Platte promoten, war recht cool, nächsten Monat sind wir wieder drüben.

Das Publikum ist dort ja schon anders, ist es auch, ich sag mal „poppiger“?

Florian: Grundsätzlich kann man sagen, dass man die beiden Szenen (D und UK) nicht so vergleichen kann, hier gibt es mal reine HC-Fans, die sich jetzt zum Beispiel total auf metal core eingeschossen haben, und in Grossbritannien ist es schon so, dass die Leute, die auf HC shows gehen, schon unterschiedliche Musik hören.

Ist das denn auch besser?

Florian: Ja, auf jeden Fall ist es viel besser, wenn Leute zu den Konzerten kommen, die eigentlich nicht soooviel mit der Musik zu tun haben, aber die trotzdem gut finden.

In England ist die ganze „moderne“ hc welle aus amiland rübergeschwappt, ich sage nur THRICE und THURSDAY.

Florian: Absolut, so ziemlich jeder in Boy Sets Fire, Thursday, Thrice shirts, egal wohin man kommt.

Thomas: Wir haben echt auf jedem Konzert 20 kids in THRICE shirts gesehen und irgendwann nur noch gelacht.

Ihr seid weit weg von den heutigen Trends wie metal, emo und so weiter, macht ihr euren Kram einfach so aus Spass oder wollt ihr so eine Art Gegenpol bilden???

Florian: Gegenpol auf keinen Fall, wir machen einfach die Musik, die uns Spass macht, das hat nichts mit emo oder gegen emo oder für oder gegen metal zutun, wir machen das einfach, egal was Trend ist.

Ihr werdet oft mit JR.EWING und co verglichen, welches sind eure musikalischen Einflüsse?

A CASE OF GRENADA: Hören wir schon ganz gerne, aber ich denke, dass das Label dies eben so als Vergleich geschrieben hat und das ist halt hängengeblieben. Ich muss aber sagen, dass wenn man JR. Ewing kennt, wir uns echt anders anhören, und ich habe auch so langsam das Gefühl, dass das alle einfach so übernehmen, ohne es zu überprüfen, dass das einfach stumpf übernommen wird, im Prinzip egal, aber eben muckemässig nicht richtig.

Vielleicht sind die ja zu feige (oder zu faul) eigene Vergleiche aufzustellen.

A CASE OF GRENADA: Ja, JR Ewing sind wahrscheinlich die Einzigen, die sie kennen, oder sie kennen die eben nicht.

Ausser der Promotour noch was in England?

A CASE OF GRENADA: Ja klar, nächsten Monat (Mai) gehen wir wieder nach England den Verkauf ankurbeln, und danach auch in regelmässigen Abständen, also so etwa alle 3-4 Monate, denke ich.

Das Album ist oder kommt ja auch in Japan raus, wie das? Gibt es dort auch eine Tour?

Florian: Ja also, das ging eben auch über Lockjaw, die bringen das da auch raus und tourmässig weiss ich nichts genaues, aber ich denke mal ja.

Ihr wart früher Towdown…

Florian: Es war praktisch so, dass wir 2,3 Jahre unter dem Namen unterwegs waren und dann haben wir 1 Jahr showmässsig gar nichts gemacht, nur Songs geschrieben und dann ist uns aufgefallen, dass das musikalisch nicht so viel mit dem alten Kram zu tun hatte, sich ein völlig anderer Stil entwickelt hatte. Dann haben wir gesagt, dass wir einen Schlussstrich ziehen und eine neue Band sind, obwohl wir die gleiche Besetzung haben, das war eben so eine Gefühlssache, neuer Name, neue Band und neue gute Songs, die uns richtig gut gefallen.

Thomas: Die alten Sachen waren eben ausgelutscht, dann haben wir rumprobiert und dann kamen die neuen Stücke, andere Musik, anderer Name, eine Schlussfolgerung quasi.

Und die Texte, die haben bei anderen Bands nicht mehr so eine Aussage.

Thomas: Die Texte sind eben persönlich, haben schon so ne Aussage, vielleicht nicht für jeden nachvollziehbar, ich versuche, aber das macht ja eigentlich jeder, Texte zu schreiben, bei denen die Zuhörer eben Sachen entdecken und sagen, das ist mir auch schon mal passiert oder das hab ich schon (oft) gedacht.

Das sind ja auch die besten Texte, mit denen man sich identifizieren kann.

A CASE OF GRENADA: Auf jeden Fall, ich mach das auch bewusst, ich hab auch keinen Bock, jemanden was zu erzählen, irgendeine politische Meinung aufzudrücken. Ich will einfach ein Gefühl wiederspiegeln, das jeder hat, worüber niemand spricht, das dem Hörer dann bewusst wird, das, was der schreibt, kenn ich!

Thomas: In deinem Fall sind die Texte ja auch so eine Art Momentaufnahme, oder??

Florian: Ja, und das sind eben einfach Sachen, wo ich mir 1000% sicher bin, dass das vielen Leuten schon mal so gegangen ist.

Also persönliche Texte und nicht Phrasendrescherei…

A CASE OF GRENADA: Phrasendrescherei auf keinen Fall, die Texte sind vielleicht ab und zu schon politisch, aber wenn, dann im allerweitesten Sinne, man kann sie eben auf viele Sachen beziehen, wenn jemanden eine bestimmte Sache ankotzt, dann kann man das vielleicht erkennen, weil sich das wiederholt.

Eure Musik ist ziemlich metalfrei, im Moment gibt es ja auch Bands, die ziemlich „reinen“ metal in der HC szene spielen, habt ihr da was gegen?

Florian: Auf keinen Fall, Since the Day, das ist ja auch schon fast purer metal, das sind unsere besten Freunde, das ist wie mit Emo, wir wollen das einfach nicht machen, das heisst aber nicht, dass das schlecht ist.

Thomas: Ist auch nicht so, dass wir das privat hören, z.B diese „cliche“ metalcore bands wie Caliban oder Heaven Shall Burn, nicht das die schlecht wären oder so, aber die hören wir einfach nicht, weil es uns nichts bringt, ich zB hör gerne mal Darkest Hour, weils einfach schön rockt. Das find ich geil, aber im Moment gibt es so viele metalbands, die da draussen rumkräuseln, die einfach mir nichts bringen, weil sie keine Aussage oder besser gesagt keinen Wiedererkennungswert haben. Ich will jetzt auf keinen Fall Bands schlecht machen, aber mir persönlich bringt das nichts, und ich denke, das gilt für uns alle.

Thomas: Wir schreiben keine Songs, um im Trend zu sein, wenn wir auf einen Zug aufspringen wollten, würden wir metal machen, die Frage gab es echt schon, warum macht ihr keinen metal?? Hallo? Weil wir keinen Bock haben, genauso gut hätte man fragen können, warum macht ihr keinen hiphop.

Wie ist die Arbeit mit Redfield Rec.?

Thorsten: Daumen hoch!!!!

Florian: Die machen echt viel, auch spontan, z.B. ist unser Bassist Türke und als wir nach England fahren wollten, haben die uns eben nicht ins Land gelassen. Wir hatten das Visum für unseren Bassisten total vergessen und haben von Frankreichs Küste mit allen möglichen Botschaften telefoniert und alle haben gesagt, mindestens 5-6 Wochen Wartezeit und Kai, also Redfield hat gesagt, fahrt nach Düsseldorf, das dauert einen Tag, und er hat das hingekriegt und wir konnten eben doch noch die Tour machen. Das nur mal als Beispiel, um sich ein Bild zu machen, wieviel Einsatz die bringen, sehr geil.

Thomas: Der Kai, der das Label macht, der auch bei TVTIS Gitarre spielt, der hängt sich da echt rein, der ist schon fast ein workaholic. Der arbeitet eben bei den Toten Hosen, beim Label, um Geld zu verdienen und kommt nach Hause und setzt sich in sein Büro und macht und tut, telefoniert und hängt sich da eben voll rein. Also früher, als wir Redfield nicht kannten, dachten wir eben, wie cool wäre es, wenn wir was zB.bei Scene Police, die ja auch mittlerweile nicht mehr sind, was rausbringen würden, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das Label auch nicht so viel tun würde, wie der Redfield das macht, ich weiss nicht, kann ich mir einfach nicht vorstellen, aber ich kann das wieder rum auch nicht so beurteilen.

Florian: Es ist echt einfach nur gut, dass man ganz genau weiss, dass da Leute sind, die sich um einen kümmern und das bringt auch was.

Ihr sagt, das ihr nächsten Monat wieder nach England geht, ihr tourt ja mehr als ihr arbeitet, oder?

A CASE OF GRENADA: Nein, wir gehen schon jeden Tag arbeiten, wenn wir nicht auf Tour sind, weil nur Musik, das geht auf keinen Fall.

Was haltet ihr davon, dass in letzter Zeit die Szene so zu einem Modelllaufsteg verkommt??? Leiden darunter die „Werte“??(DIY etc.)?

Florian: DIY find ich stellenweise schon übertrieben, es gibt schon viele Leute, die Wert darauf legen, das so was anmacht, wo ich manchmal sage, kommt mal runter.So Modegeschichte an sich, sag ich mal, soll da nicht runter leiden, aber es gibt in der Szene echt schon ein paar Arschlöcher, kann man einfach nicht anders sagen, habe ich selbst schon kennen gelernt, um die Musik geht es denen gar nicht mehr, die sind erst freundlich und wenn die merken, dass dein Schuhe nicht passen oder so, dann sind sie schon wieder weg und an manchen Tagen hab ich da keinen Bock mehr, aber die krassen Leute sind ja auch nur eine Minderheit.

In den Staaten sollen es ja schon länger mehr Mode- leute sein..

Florian: Es ist halt so, dass manche Leute auf manches eingeschossen sind, vielleicht ist es auch extrem bei dem Kram, den wir so machen, bei metal oder emo ist das nicht so, wir können auf Metalkonzerten spielen und auf emo shows, wir hatten neulich ein Konzert im Ruhrgebiet und bei den Jungs hat wirklich jedes Klischee gestimmt, nur Szenepolizisten und da war dann auch nicht sooo Stimmung.

EU-Erweiterung, seid ihr neugierig auf den Osten?

Florian: Ex-Jugoslawien waren wir schon auf Tour, die Leute sind da echt sehr herzlich, du merkst wirklich, wenn es den Leuten gefallen hat, das kann ich nur jeder Band empfehlen, und Polen hat ja auch eine ähnlich stark ausgeprägte HC- Szene, auch seit Jahren, und ja tour auf jeden Fall.

ok, das wars!

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Interview: Philip Nee-Kotey

Links (2015):
Discogs

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