März 14th, 2007

Kolumnen Dolf, Axel, Tom, Joachim, Bremen Bouncer, Stone (#93, 04-2002)

Posted in kolumne by andreas

DOLF

Während in der letzten Kolumne zu lesen war das ich nur am lesen bin, hab ich gleich noch was draufgepackt und zusätzlich 2 Bücher gelesen (siehe dazu die reviews bei den Fanzines). Das hätte ich nicht getan, wenn es mir keinen Spass gemacht hätte, nicht nur das, es war auch (zumindest im Falle von „Dance of Days“) inspirierend. Denn da ist einfach nochmal aufgeschrieben um was es der Punk/Hardcore Idee damals und in veränderter Form auch noch heute geht. Ich jedenfalls hab schon längst die Schnauze voll von diesen ganzen Mtv-Hardcore und diesem Credit Card Punk. Industrie ist ja nett um Geld zu verdienen, aber ansonsten sind die wenn nicht unbedingt Feinde im kriegerischen Sinne, dann doch zumindest Schuldige.

Derzeit gehen ja ein ganze Menge Künstler (sagte ich grade Künstler – dazu will ich kurz aus dem Favez Interview zitieren: “ …aber man kann kein Künstler sein, denn das sind Leute….. die 200 Jahre nach ihrem Tod als solche bezeichnet werden, wenn ihr Werk stehengeblieben ist. Daher gibt es nur sehr wenig Künstler.“ das ist mal ein Definition die sich alle Musiker die sich als Künstler sehen – und natürlich auch Maler und alle anderen – hinter die Ohren schreiben sollten!) – die zugegebenermassen teilweise auch wirklich klasse Musik machen – gleich, oder immer schneller direkt in die Maschine der Musikindustrie. Natürlich kann jeder machen was er will, aber unsereins sollte auch nicht vergessen das es auch klasse Bands gibt die das eben nicht tun, Bands die ihre Entscheidungen nicht damit entschuldigen indem sie sagen „we are not Fugazi“. Credit Card Punk – Fuck off!!

Irgendwo in dem T.O.D. Interview sagen die Musiker das es im Reich der Tiere – bzw. beim Menschen keine Evolution gibt – keine Ahnung wie ernst die das meinten, aber ein interessanter Ansatzpunkt – ich mein der Mensch selbst entwickelt sich tatsächlich nicht weiter. Er entwickelt die Technologie um sich herum weiter, dort findet die Evolution statt. Oder kennt jemand Leute die sich ohne Telefon verständigen können sobald sie weiter als Rufweite auseinander sind? Ob die wahre Evolution dann tatsächlich dann nur in der Technologie passiert und dann irgendwann über die Menschen herrschen wird – da kann man sich drüber unterhalten.

Bleibt zu hoffen, wenn es so ist, das es besser wird – denn wie viele Menschen heute denken, da könnte man einfach nur noch loskotzen – hier mal ein kleines Beispiel: „Es sein ein „alamierendes Zeichen“ erklärte der Zentralrat, dass sich die Zahl der Artikel mit der rassistischen Kennzeichnung Beschuldigter gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt habe. Mit einer solchen Minderheiten-Bezeichnung, die für das Verständnis des jeweils berichteten Tathergangs nicht erforderlich gewesen sei, würden Vorurteile geschürt und die Pressefreiheit missbraucht.“

Aha, ganz langsam, also die „rassistische Kennzeichnung Beschuldigter“ hat sich verdoppelt was dazu führte das diese „Minderheiten-Bezeichnung“ – die zum Verständnis des Tathergangs nicht erforderlich ist die Pressefreiheit missbraucht?

Wie bitte soll denn die Be- und Kennzeichnung erfolgen – nicht rassistisch, wird der Zentralrat bestimmt empfehlen, aus Rücksicht auf die Minderheiten. Scheiss erstmal auf Minderheiten, genauso wie auf Mehrheiten – denn durch DIESE Kennzeichnung von Menschen die nicht für das Verständnis der jeweiligen Person taugt werden Vorurteile auch nicht abgebaut. Als ob die Tatsache das jemand in der Minder- oder Mehrheit ist denjeningen schon in eine besseres, schlechteres oder sagen wir einfach anderes Licht rückt.

In obigem Fall geht es wohl darum das „Beschuldigte“ nicht als „Ausländer“ (bzw. mit ihrer nationalität) gekennzeichnet werden sollen. Das müsste ja dann bedeuten das „Beschuldigte“ generell nicht „gekennzeichnet“ werden dürfen. Gar nicht, keine rassistische Kennzeichnung, keine sexistische, keine eben. Wie sehen dann denn die Nachrichten aus: Mensch tötet Mensch? Einzelner Mensch von mehreren Menschen solange geschlagen das er noch weiterleben konnte? Mensch vergewaltigt Mensch. Mensch im Auto wurde mit einem zu hohen Promille-Gehalt aufgehalten. Keine Kennzeichnung? Oder nur keine für Minderheiten?

Warum soll der prügelnde „rechte, nazi, skinhead“ nicht als solcher gekennzeichnet werden? Weil er eine Minderheit ist und dadurch Vorurteile geschürt werden? Oder gilt die obige Regelung nur für bestimmte Minderheiten. Oder soll einfach mit mehrerlei Mass gemessen, ups, gekennzeichnet werden? Also wenn es ein alkoholkranker, Sonderschüler mit Fliegerjacke und Springerstiefeln der zuschlägt ist, dann ist es ok.

Wenn es aber ein um seine Ehre stechender Libanese ist, ist es das nicht? Und dann darf man ja auch nicht „kennzeichnen“ wenn jemand heldenhafter Retter ist – oder ist es dort dann wieder ok, weil es Vorurteile abbaut, so nach dem Motte „auch ein Türke kann ein deutsches Kind aus dem Fluss ziehen“? Leute, es ist 2002, es ist längst überfällig sich von veralteten Denkweisen zu verabschieden, scheiss auf Nationen, Rassen, Geschlecht – all das zählt nicht – aber eben weder im negativen, noch im positiven. Inländer sind nicht automatisch, gut oder schlecht, Ausländer auch nicht. Wenn aber ein Inländer scheisse ist, dann kann man ihn auch so Kennzeichnen – finde ich.

Vielleicht bin ich auch nur zu optimistisch und man muss diesen positiven Rassismus auch im Jahre 2002 noch durchziehen, damit die scheiss Mehrheiten nicht durchdrehen. Vielleicht aber auch nicht. Ich gehe zumindest davon aus das der Trust-Leser mündiger Europäer ist der auf der Welt lebt und deshalb weiss was ich meine und nicht denkt das ich ein verkorkster Rassist bin. Man kann es offensichtlich nicht oft genug sagen. Ok, kümmert euch noch mehr um die coolen Bands/Labels/Fanzines/Läden/Indie-Geschäfte/usw., lasst das Musikfernsehen weg und denkt dafür lieber mehr!

***

AXEL KLINGENBERGS KLEINE WELT

Zonenrand

Wir befinden uns in den finstersten 80er Jahren. Die Grenze ist noch zu und das ist auch gut so. Die Geschichte spielt im Zonenrandgebiet, sonst wäre sie gar nicht möglich gewesen. Es beginnt damit, dass wir – meine Metalclique und ich – nach Knesebeck gefahren sind, und zwar in eine Disco, die sich geradezu grössenwahnsinnig „Rockpalast“ nannte, obwohl sie von der Quadratmeterzahl her die Fläche der Garderobe einer Grossraumdiskothek einnahm. Dafür gab es im Rockpalast einmal die Woche einen Metal-Abend, ich glaube freitags.

Der „Neger“ – Political Correctness oder auch nur halbwegs vernünftige Umgangsformen waren noch gänzlich unbekannt, erst recht in der Lüneburger Heide – kostete nur eine Mark; das Rum-Cola-Gemisch enthielt in der Regel wesentlich mehr Rum, manchmal wurde auf die lästige Cola auch gänzlich verzichtet, dann nämlich, wenn man das siebte oder achte Tablett bestellt hatte.

So ist es vielleicht einfach, sich die Atmosphäre dieser Abende vorzustellen. Aus den Boxen dröhnte Hard Rock bzw. Heavy Metal: von AC/DC über Iron Maiden bis zu Anthrax und Venom. Auf der Tanzfläche befanden sich zumeist männliche Metalfans – lange Haare, Kutte, Stiefel – und schüttelten ihre Köpfe. Headbangen nannte sich das. Dazu wurden die Texte mitgegrölt – „Seek and destroy“, „In league with satan“, „Angel of Death“ und ähnlich possierliche Titel trugen die Lieder – und virtuos auf der Luftgitarre begleitet. Und wie schon angedeutet, wurde auch kräftig getrunken. An diesem Abend war übrigens der Stamm-DJ krank – er lag mit einer Alkoholvergiftung im Kreiskrankenhaus – und der Ersatz war etwas unbedarft und legte, als Metallica verlangt wurde, ausgerechnet „Pulling Teeth“ auf, ein unerträglich langes Basssolo, das so klingt, wie der Titel vermuten lässt.

Nun begab es sich aber, dass mein Tabak alle war, denn Alkoholkonsum steigert bekanntlich den Nikotinbedarf enorm. Das war eigentlich kein Problem. Am Zigarettenautomaten zog ich mir ein Päckchen Camel. Nachdem wir genug gegrölt, getrunken und den Kopf geschüttelt hatten, war es Zeit aufzubrechen. Wir wohnten ein paar Dörfer weiter, waren also mit dem Auto unterwegs. Unsere Fahrerin war standhaft und nüchtern geblieben. Ich freute mich darauf, bald in meinem Bettchen zu liegen. Doch es sollte anders kommen.

Wir fuhren also los, liessen Knesebeck und schliesslich Wittingen hinter uns. In der Nähe von Langenbrügge hielten es unsere Konfirmandenblasen einfach nicht mehr aus. Wir baten Silke, besagte Fahrerin, anzuhalten, um unsere Notdurft verrichten zu können. Das heisst natürlich nicht, dass wir sie im eigentlichen Sinne baten, vielmehr grunzten wir etwas wie: „Ey, halt ma an da! Muss ma pissen, ey!“ So die Richtung, aber das kommt ja auf das gleiche bei raus.

Silke also hielt am Strassenrand, wir stiegen aus, suchten uns unseren jeweiligen Baum, und wie es der Zufall so wollte, war ich als letzter fertig. Gerade als ich alles verstaut hatte und mich dem Wagen zuwandte, konnte ich noch die Rücklichter sehen. Sie fuhren weg. Ich war zwar verblüfft, hielt es aber für einen Scherz und wartete darauf, dass sie zurückkamen und mich mitnahmen. Das taten sie – für mich unerklärlicherweise – jedoch nicht.

Aber nun gut, es waren nur noch drei Kilometer zu laufen, das war für ein Landei wie mich doch kein Problem. Ich drehte mich noch einmal um – vielleicht, um die versteckte Kamera zu suchen oder auch, um mich nach einem anderen Auto umzuschauen, doch da war nichts. Dafür hatte ich – wie ich später rekonstruierte – die Orientierung verloren.

Nur – dass keine Strasse mehr war, wo ich lang ging, das hätte mich stutzig machen können und sollen, tat es aber nicht. Auch das ich ständig gegen äste lief und sich mir Bäume in den Weg stellten, fand ich seltsam, aber die Lüneburger Heide ist nunmal eine ländliche Gegend, da kommt sowas schon vor.

Auch dauerte der Marsch recht lange, was mich doch etwas verwunderte. Plötzlich sah ich Scheinwerfer auf mich zukommen, was mich hocherfreute, vielleicht könnte mich dieses Auto ein Stück des Weges mitnehmen. Vielleicht würde ich dann auch erfahren, wo ich bin.

Der Wagen hielt neben mir und ein Beamter des Bundesgrenzschutzes stieg aus. „Bleiben sie sofort stehen!“ herrschte er mich an „Sie verlassen soeben die Bundesrepublik Deutschland.“ Meine wohl gänzlich unverständliche Antwort schien ihn von meiner Harmlosigkeit zu überzeugen, so dass er mich einsammelte und mich in seinen VW-Transporter platzierte. Er nahm mich ein Stück mit und setzte mich schliesslich am Strassenrand ab. „Hier geradeaus, dann kommst du auf die Hauptstrasse. Da geht`s nach Bodenteich. Dann bist du fast da.“

Ich nuschelte wahrscheinlich etwas wie „Danke“ oder so, und wunderte mich unterdessen, wie ich 5 Kilometer in die falsche Richtung hatte laufen können. Dann drehte ich mich um, um dem freundlichen Beamten noch einmal hinterherzuwinken und ging los. Diesmal sogar am Strassenrand entlang. Doch die Hauptstrasse wollte und wollte nicht auftauchen. Doch tapfer ging ich weiter und weiter und weiter, bis ich wieder auf seltsame Schilder traf, die mich darauf aufmerksam machten, dass ich nicht weiterzugehen habe, sonst würde der Russe mich fressen oder etwas in der Art.

Und tatsächlich hielt derselbe Wagen mit dem selben Beamten wieder neben mir. Diesmal war der freundliche Polizist ein unfreundlicher. Er packte mich, setzte mich auf die Rücksitzbank, gebot mir zu schweigen und fuhr mit mir nach Langenbrügge. Dort stellte er mich an die Telefonzelle, liess sich die Telefonnummer meiner Eltern geben und rief bei ihnen an, dass sie mich abholen könnten. Er wartete tatsächlich bis meine Mutter da war und mich im Wagen verstaut hatte.

Ich schlief währenddessen schon den Schlaf des Gerechten. Schon nach wenigen Tagen war ich ausgenüchtert und stellte die Fahrerin zur Rede, warum sie mich hilflos in der Einöde ausgesetzt hatte, so wie Moses in seinem Weidenkorb. Sie teilte mir mit, dass ihre Camel-Packung verschwunden war, während ich wenig später mit einer Packung der gleichen Marke aufgetaucht war. Der Rückschluss war ein Kurzschluss, aber für sie eindeutig: Ich hatte sie beraubt. Unnötig zu sagen, dass wir die Heavy Metal-Abende künftig getrennt besuchten.

P.S. Ein Bekannter von mir hatte weniger Glück. Er hatte mit seinen Kumpels widerrechtlich im Grenzstreifen – auf dem Gebiet der DDR – gesoffen. Sie waren dabei von Grenzpolizisten verjagt worden und weggelaufen. Nur er, er wollte noch schnell seine Jacke holen. Die bekam er auch nach wenigen Monaten – nämlich nach Absitzen seiner Haftstrafe in einem Zonenknast – ausgehändigt. Seitdem mag er keine Ernst Busch-Lieder („Arbeiter, Bauern, nehmt die Gewehre, nehmt die Gewehre zur Hand, ratatatam“) mehr hören. Das finde ich schade.

Axel Klingenberg

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Put On Your Shitkickers And Kick Some Shit

LOU REED: The old sound was alcoholic. The tradition was finally broken. The music is sex and drugs and happy. And happy is the joke the music understands best. Ultrasonic sounds on records to cause frontal lobotomies. Hey, don`t be afraid. You`d better take drugs and learn to love PLASTIC. All different kinds of plastic – pliable, rigid, colored, colorful, nonattached plastic.

Rock`n`Roll is so great, people should start dying for it. You don`t understand. The music gave you back your beat so you could dream. A whole generation running with a fender bass…The people just have to die for the music. People are dying for everything else, so why not the music? Die for it. Isn`t it pretty? Would you die for something pretty? Perhaps I should die. After all, all the great blues singers did die. But life is getting better now. I don`t want to die. Do I?

WAYNE KRAMER: When the MC5 broke up in 1972, we all lost each other. It was like losing your brothers – We were schoolboys together, we started out together, and we`d all been through the fire together. In the end, when the band broke up it was so painful and so ugly that nobody talked to one another. Nobody was friends anymore. So I just packed up my guitar and went to the dope house, because the dope kills the pain, and I didn`t have to deal with anything. Of course, when you got that kind of pain, it opens the doors for all kinds of funky behaviour.

I became a criminal after the band broke up.
I was doing burglaries, dealing, and fencing TVs, guns, and drugs.
I mean, in seventy-two, seventy-three, and seventy-four, there was really no music scene in Detroit to speak of.
It was brutal. The automobile industry started to go downhill, so there wasn`t any clubs, so if I went out and robbed two or three houses a night, I was a star again.

I had this hole that had to get filled, from the loss of my band, so I filled it up with dope and crime. But if you`re putting the money in a hole in your arm, there`s never enough money, so you always gotta find a new scam, you know? Around this time, Iggy came to town, and I remembered he owed me a couple of hundred bucks from our failed dope business. So I went backstage at one of his gigs in Ann Arbour and said, „Look, you owe me this money, you know?“

Iggy said, „What do you mean?“

I said, „You remember, from our business deal“

So he says, „Oh, yeah, right, but you wanna cop?“

I said, „Yeah, sure, tomorrow, when you play in Detroit, man. I`ll get the dope, and I`ll meet you at the hotel afterwards.

The next night I went to the hotel and I brought this dude with me, because I was worried about Scotty Asheton – you know, I thought I might need to neutralize Scotty when I took the money from Iggy. Iggy collected all this money from the band – it was about two hundred bucks – so they could get the dope, and he said, „Okay, you wanna do it here?“

I said, „No, let`s go down in the street,“ and we went down in the street. He gave me the money and I counted It,

then said, „Well, this means we`re even.“

He said, „We`re even?“

I said, „Yeah, you owe me this, man.“

He said, „You mean there`s no dope?“

I said, „No, man.“

Iggy started crying, and my backup guy saw Iggy crying and went over and gave him a hug, saying, „It`s alright, man. Don`t worry, it`s just drugs. Don`t worry about it, brother.“ I`m certainly not proud of it, but I needed the money.

IGGY POP: You never knew with me – we played Atlanta this one night and I`d taken so many downers the night before, they threw me in the bushes, just left me in the shrubbery next to the Days Inn. I woke up and I couldn`t talk.

So the preparation for the gig was just shooting me with enough things to get me up to where I could open my mouth and form a word, but I still couldn`t phrase on the beat. It took about a gram of speed and a couple grams of coke, intravenously, at the club so I could get up and stand on my own two feet and phrase slightly behind the beat.
I could barely stand up, and that night Elton John came out onstage in this gorilla costume. I was like, „Oh my God! What can I do?“ I couldn`t fight him. I could barely stand. I was just too stoned to move, to react.
You know, and things like that were happening constantly.

(aus dem absolut empfehlenswerten LEGS McNEIL/GILLIAN McCAIN-Buch „PLEASE KILL ME –
The uncensored oral history of punk“ entnommen. Erschienen bei Penguin Books kann „PLEASE KILL ME“
für ca. 16 Dollar in jedem besseren Buchladen als Import bestellt werden.)

Die Tonträgers meines derzeitigen Vertrauens:

THE NOTWIST – „Neon Golden“ LP

JIM O`ROURKE – „I`m happy and I`m singing and a 1, 2, 3. 4“ LP

TECHNO ANIMAL – „Brotherhood of the bomb“ CD

SOFA SURFERS – „Encounters“ DLP

B.R.M.C. – LP

McLUSKY – „McLusky Do Dallas“ CD

tom dreyer

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Prost Mahlzeit

Nun ja, der gemeine TRUST-Leser weiss ja seit längerem, dass die Frankfurter TRUST-Fraktion so ziemlich aufeinander hockt. Wissen wird er nicht, dass es seit über 10 Jahren den sogenannten „Langen Donnerstag“ bei mir gibt. Was zur Hölle ist das?! Nun, zu Zeiten, als ich noch einen Plattenladen hatte, schuf der deutsche Gesetzgeber die längere öffnungszeit am Donnerstag bis zwanzigdreissig. Eine gute Sache das, denn man konnte bei geöffneter Ladentür offiziell länger trinken. Resultat war, dass man seltenst vor Mitternacht aus dem Laden gefallen ist, Brezelreste und Kronkorken am nächsten Tag in den Rari-Kisten zu finden waren und das angestrebte Umsatz-Plus ausschliesslich bei der Trinkhalle gegenüber spürbar wurde.

Das war vor vielen, vielen Jahren, aber den „Langen Donnerstag“ habe ich auch nach Ladenschliessung in meinen verschiedensten Wohnungen fortgeführt, um den Kontakt zu all den netten Menschen nicht zu verlieren. Mittlerweile ist es die dritte Wohnung, aber vom Charme der ersten Stunden hat all dies nichts verloren. Diverse Plattensammler, Plattenladenmacher und sonstiger Verrückte treffen sich zwanglos jeden Donnerstag ab 19.30 bei mir und je nach Zusammenstellung werden wichtige Themen wie „Wessen Sonic Youth Sammlung ist close to Daniels?“, „war Bob Calvert das wirkliche Mastermind bei Hawkwind?“ oder „Cornelius, erzähl mal was von Indien!“ sind das Thema. Auch „Wann wird Al endlich mal erwachsen?“ oder „…hast Du bei eBay gesehen, dass…?“ sind immer wieder Brüller einer solchen Runde.

Seit geraumer Zeit kommen wir aber immer wieder dazu, Statistiken, wichtige Zusammenhänge und/oder der Welt verborgene Listings zu erstellen. Das ist extremst wichtig und so wurde beschlossen, dass der ausgesuchte Leserkreis von TRUST unbedingt daran teilhaben sollte. Hier ist nichts gestellt, es wird/wurde in keinem Buch etwas nachgelesen…nein! alles ist Hand- und Kopfarbeit und oftmals unter grössten Schmerzen und Gelächter entstanden. Diese Kolumne wird ab dieser Ausgabe von all diesen geistigen Ergüssen berichten und am Schluss ein Rätsel stellen, bei dem man was gewinnen kann. Anregungen zu wichtigen Themen, die auch mal ergründet werden sollten, sind herzlich willkommen. Eure Fragen sind unser Gesprächsthema.

Starten wir also mit sehr wichtigen Dingen, die uns aufgefallen sind zum Thema: Fakten, Fakten, Fuckten. Es geht immer um die 10 Wichtigsten.

– Die 10 wichtigsten Musikstile haben 4 Buchstaben:

1. PUNK

2. WAVE

3. SURF

4. BEAT

5. SOUL

6. JAZZ

7. NYHC

8. ROCK

9. FOLK

10. CHOR

Kommentar: Natürlich ist uns bewusst, dass Punkt 10 nur als Oberbegriff gelten kann und deshalb eventuell in Frage gestellt werden könnte. Aber was wäre ein Oberbegriff ohne seine Unterabteilungen (Hardchor, Emochor, Melodicchor, Kinderchor). Auf der anderen Seite wurde erforscht, dass alle schlechten Musikstile 5 Buchstaben haben (z.B. METAL). Platz 11 war übrigends SUFI.

Aus der Vierer-Reihe leitet sich die zweite Aufstellung ab:

– Die schlimmsten Prog-Jammer-Siebziger Bands haben auch 4 Buchstaben:

1. TOTO

2. ASIA

3. STYX

4. SAGA

5. ELOY

6. CITY

7. RUSH

8. QUEN

9. LAKE

10. B52s

Kommentar: Die Liste stand eigentlich schon prima da, Toto, Asia und Saga waren eigentlich schon auf den Medaillen-Plätzen verewigt, als Günter von Sick Wreckords mit der Leichtigkeit eines Vorschlaghammers „Styx“ in die Runde warf. Mein Gott: das hatten wir vollkommen vergessen, übersehen, wasauchimmer.

Für dieses Listing ging der finale Rettungsschuss an Günni, der DEVO von Rang 10 zum nicht genannten Platz rettete und ABBA auf Platz 12 drückte. (Der Korrekturleser möchte an dieser Stelle anmerken, dass er sehr stolz darauf ist, dass ihm eine Woche nach der erstmaligen Erstellung „Lake` eingefallen ist. PJ1)

– Die 10 grössten musikalischen Brunnenvergifter/-innen (die noch leben):

1. Phil Collins

2. Elton John

3. Sting

4. Cliff Richard

5. Garth Brooks

6. Bonnie Tyler

7. Michael Jackson

8. Sheena Easton

9. Adamo

10. Helen Schneider

Kommentar: Aus unergründlichen Gründen stand die Nummer 1 von Anfang an fest. Da gab`s nichts zu Löten an der Holzkist`. Das haben wir uns nicht vorgenommen, da waren fast keine persönlichen Abneigungen im Spiel. Er war bis zum Schluss die Nummer eins. Elton John kam verhältnismässig spät ins Spiel, Michael Jackson dagegen ist nach der Erstnennung fast gar nicht mehr erwähnt worden, weil doch eher belanglos, würde aber in der Top Ten der belanglosesten Menschen unter den ersten dreien einen Medaillenplatz erringen.

– Die 10 schlimmsten Solo-Spacken von grossen Bands, oder: Welche Solo-Künstler beleidigen ihre eigene Band durch eigenes Handeln.

1. Tom Lyle (Government Issue)

2. Paul Weller (Jam)

3. Suzanna Hoffs (Bangles)

4. Jimmy Pursey (Sham 69)

5. Pink Floyd (Pink Floyd mit Syd Barrett)

6. Ozzy (Black Sabbath)

7. Leslie West (Mountain)

8. Gabi Delgado (DAF)

9. Robert Görl (DAF)

10. Roger Daltrey (Who)

Kommentar: Auch hier war eigentlich Phil Collins auf Platz eins, wir wurden uns aber schnell einig, dass Genesis keine wirklich gute Band war, so wurde er ersatzlos gestrichen.

Was ganz anderes. Wir alle lieben Wortverdreher als Platten- oder Songtitel.

– Unsere Top Ten der besten Musik-Wortverdreher/Sprachaktobatik

1. Punk In Drublic (NoFX)

2. Hairway To Steven (Butthole Surfers)

3. Electric Larryland (Butthole Surfers)

4. Sgt.Rutters Darts Club Band (Rutles)

5. The Gun Didn`t Know I Was Loaded (Bullet Lavolta)

6. Piper At The Gates Of Downey (ADZ)

7. Electric Landlady (Kirsty McColl)

8. Land Of Hope And Crosby (Coal Porters)

9. Die Bärbel Im Rock (DP-soundalike Band aus Hessen)

10. Nova Mops (Boxhamsters)

Nun zum Gewinnspiel.

Beim folgenden Listing gilt es, die Fragestellung zu erraten, zu der wir folgende 10 Bandnamen gefunden haben. Ist eigentlich ganz einfach. Ungültig sind Antworten wie: „Sind alles scheisse“ oder „Hab ich in der Sammlung“. Wer jedoch eine Frage-Antwort formulieren kann die auch stimmt, an die wir aber nicht gedacht hatten, bekommt ebenfalls einen Preis.

Zu gewinnen gibt es drei mal die CD „Thanks Very Much Max“, einen australischen Sampler mit SCARED OF CHAKA, VANILLA POD, TILTWHEEL und vielem mehr.

Aus technischen Gründen können wir momentan nur email-Antworten berücksichtigen. Email an:

vinyljunkie@buissnet.com

Letzter möglicher Tag ist der 25.April 2002.

Nun die 10 Punkte, zu denen es die Frage zu raten gibt.

– 10 Bands, die…………………………………………?

1. Red Hot Chilli Peppers

2. Cucumber Men

3. Eggplant

4. Of Cabbages And Kings

5. Smashing Pumpkins

6. Oliver Onions

7. Potatomen

8. Screaming Broccoli

9. Kraut

10. Cauliflower Men

Diesmal haben mitgewirkt: Cornelius, Daniel, Al, Bartosz, Günter, Ingo und meinereiner

joachim

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BREMEN BOUNCER

Moin, Moin. Bevor ich diesesmal meine Ergüsse beginnne, habe ich zunäöchst ein Geständnis abzulegen. Ich, Damien Satanson, habe gegekniffen. Oder besser gesagt: Ich hätte gekniffen, wenn ich gefragt worden wäre ob ich bei diesem Event arbeite. Doch so war ich der Security-Chefin (jawohl, Ali, ich lasse mich von einer Frau rumscheuchen) echt dankbar, dass sie mich nicht angerufen hat, um beim Scooter-Konzert in Bremen zu arbeiten. Ich bin ja sonst eigentlich für jeden Scheiss zu haben, aber das hier hääte ich nicht ertagen. POssEEEEE!

Meine Damen und Herren, wie Ihr dem Titel dieser Kolumne wohl entnommen habe dürfte, schreibe ich diese Zeilen aus der Becks-Metropole. Hier gleich um die Ecke fristet eine armselige Trabantenstadt namens Delmenhorst (in Fachkreisen Dönerhorst genannt) ihr kümmerliches Dasein. Doch nun hat diese Stadt nach der bundesweit bekannten Nazi-Band Endstufe wieder einen Star hervor gebracht. Diesmal jedoch mit eher semitischem Pofil: Sarah Connor (Connor ist amerikanisch und heisst soviel wie Lewe, was wiederum der echte Namen von Frl. Connor ist.).

Vor kurzem durfte ich so`ner Promi-News-Sendung entnehmen, dass diese eine von den Frauen sei, die ganz bestimmt keine Schönheitsoperation nötig habe. Viele meiner Bekannten jedoch stimmen mit mir überein, dass es sich hierbei um die Königin von Rübennasenhausen (bekannt aus dem Film „Life of Brian) handelt oder um eine notorische Lügnerin im pinochioschen Sinne. Aber so`ne Zinken scheinen ja ohnehin gerade ganz hip zu sein. Wenn ich mir die No Angels so angucke… (mit Ausnahme des Pfannenkucken mit Knolle namens Lucy).

Aber Frl. Connor hat bereits vor geraumer Zeit einen Karriereversuch gestartet (unter noch `nem anderen Namen), aber erst im letzten Sommer den Durchbruch geschafft, in dem sie mit irgendso`ner Ghettowanze ein Fanal für die Rassenschande (hi,hi) abgelegt hat.

Auf jeden Fall hat die Landpomeranze letztens für eine Riesenaufregung in diesem unseren Lande und dafür gesorgt, dass sich die Menschen wieder daran erinnern, dass es eine Sendung namens „Wetten dass“ gibt (Mal Hand auf`s Herz, wusstet Ihr, dass es die noch gibt), in dem sie mit einem lächerlichen Stofffetzen bekleidet, die Bühne verunstaltete und damit ihr gebährfreudiges Becken präsentierte. Was aber keiner wusste ist, dass nach der Show die Verhandlungen erst richtig los gingen. Sarah soll im nächsten Jahr mit Tommy G. vor der Kamera stehen. Im Remake des Klassikers „Zwei Nasen tanken super“.

Warum ich Euch überhaupt damit belästige? Ich werde es demnächst mit einer Veranstaltung dieser Protagonistin zutun haben. Ich glaube es ja selbst nicht, wie viel Platz ich einer Person widme, die mir im Grund am Arsch vorbei geht, aber ich weiss ja was mein Publikum will…hä,hä! Aber ist gibt in bitteren Zeiten wie diesen auch noch positive überraschungen.

Meine Jugendliebe Bad Religion haben sich endlich von der musikalischen Verwirrung, die das Techtelmechtel mit dem Vorzeige-Sozialarbeiter-Punk Campino verursacht haben muss, befreit. Das neue Album ist endlich wieder ein Kracher. Einizger Abstrich: Die Platte ist trotzdem auf Platz 13 der deutschen Album-Charts eingestiegen. Scheisse! Aber mal sehen, was Social Distortion dieses Jahr noch so abliefern.

So, damit genug des musik-journalistischen Fachgefasels und ran an den Feind. Jetzt haben es die drogenverseuchten Schwuchteln (Raver) auch in Bremen geschafft. Nach monatelangem Nörgeln und unzähligen Bettelbriefen an die CDU-Geschäftsstelle hat Bremen das Pedant zur Loveparade, welches keiner wirklich braucht:

Die Vision-Parade. Fast schon coolerweise wurde die Parade jedoch auf das Wochenende terminiert, an dem in Scheessel das Hurricane-Festival stattfindet. Somit dürfte endlich die lange geforderte Seperation von Rock-Fans und Ravern Wirklichkeit werden. Und die Poser, die immer rumeiern und meinen das eine mit dem anderen verbinden zu können, müssen sich dann endlich entscheiden „which side they are on“.

Desweiteren dürfte eine solche Parade in Bremen ungefähr das gleiche Aufsehen erregen wie die 357. Kurden-Demo im Viertel. Ausser den Ravern selber interessiert sich keine Sau dafür. Eine Party der cooleren Art fand wie bereits berichtet letztes Jahr an 30.April auf dem Bremer Osterdeich statt, wo sich trotz massiven Veranstaltungs-angeboten tausende Jugendliche autonom zum Bierchen einfanden. Also so was wie Chaos-Tage light quasi. Nun, dieses Jahr wollen sich die Stadtoberen und kommerziellen Veranstalter eine solche Ohrfeige nicht geben lassen.

So wird gerade über ein schönes Fest am „Weser Beach“ verhandelt, um die Jugend wieder zur Ordnung und an den Geldbeutel zu rufen. Aber höchstwahrscheinlich müssten die Pfeffersäcke erst denn Bierverkauf am nahen Sielwall-Eck verbieten, denn der ist nun mal billiger. Sofern stehen die Zeichen günstig das dies „Fest“ ein Schlag ins Weserwasser werden dürfte. Beim nächsten Mal werde ich darüber zu berichten wissen.

Wie man sein Leben verbringen kann wenn man eigentlich schon tot ist, offenbart seit neustem eine Radiowerbung auf Radio Bremen Eins für eine vorabendliche Regionalnachrichtenshow aus dem eigenen Hause (aber TV) namens „Buten und Binnen“, welche jetzt auch Samstags läuft.

Für jeden Wochentag erzählt ein anderer Mensch wie diese Sendung für ihn zum jeweiligen Tag gehört („..anschliessend diskutieren mein Mann und ich über die Themen), was man getrost als Dokumentation über die Armseligkeit eines bürgerlichen Lebens bezeichnen kann. Den Höhepunkt bringt unweigerlich der Samstag auf den Tisch: „Samstags machen mein Mann und ich oft einen Spaziergang und freuen uns auf Buten und Binnen.“ (!!!) Seit „Saturday Night Fever“ ist dem Wochenende nicht mehr so gehuldigt worden. Yeeeaaah!

Wenn ich schon soweit, wäre das meine Samstage so aussehen, würde ich mich schon lange erschossen haben. Basta!
So, und damit es nicht soweit kommt, muss ich jetzt schnell wieder auf die Strasse, um vielleicht noch etwas zu erleben. Wir sehen uns in der Hölle, denn wir haben niemals Buten und Binnen geguckt….

666 – sonst nix!!!

Damien Satanson

WENN HIER KEIN PHOTO IST DANN HAT MITCH DAS VERGEssEN (bremenbouncer Anhang

Mr. Satanson feiert seinen Autoren-Vertrag mit Warner-Manager Mr. Streamburg

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STONE

Die Sache mit David Copperfield

Vor einer Weile deutete ich einmal an, es gebe da eine Geschichte, in der eine Frau in einen Imbiss kommt und fragt, ob David Copperfield hier schon einmal gegessen habe. Ich weiss nicht mehr, ob ich sie noch zusammenkriege, aber es war in ungefähr so:

Mittwochabend, kurz vor elf. Die verblichene Hauptstrasse des Quartiers, auf der ich nach Mauerstücken auf der Suche gewesen, an denen ich ein paar Flugzettel anschlagen konnte, lag nun leer und wartete auf den Regen. Nur ein einsamer ehemaliger Funktionär der österreichischen KP, der über der Aussichtslosigkeit seiner Funktion verzweifelt war, sammelte Zigarettenstumpen und stapelte sie zu kleinen Häufchen auf.

Mit meiner Kameradin, ich werde sie der Einfachheit halber G. nennen, war ich nach getaner Arbeit in eine Wirtschaft gegangen, benannt nach einem orientalischen Märchenhelden, um uns zu verschnaufen. Wir hatten unseren Auftrag erfüllt und waren guter Dinge. Wir warteten noch auf unser Essen, da betrat eine Frau den Imbiss, ungefähr dreissig Jahre alt, mit langen blonden Haaren.

Sie sah weder in die eine noch die andere Richtung auffällig aus, nur ihr Blick fiel mir auf, ohne dass ich hätte sagen können warum. Ein paar Minuten steht sie einfach nur in der Gegend herum, blickt nach draussen, lässt ihren Blick über die bunten Bilder irgendeiner Heimat an den Wänden streichen, über die Auslagen, um schliesslich auf dem unverdrossenen Mann hinter dem Tresen zu verweilen. Sie scheint sich ein Herz nehmen zu müssen, denn es ist eine kleine Pause, bevor sie fragt:

„Hat David Copperfield hier schonmal gegessen?“

Einfach so.

Der Mann weiss nicht recht, was sagen, und so versuche ich mein Glück.

„Nicht, dass ich wüsste, aber sie werden es nicht glauben, ich kehrte einst mit Claudia Schiffer hier ein.“

Weil G. mir droht, den Spass zu verderben, knuffe ich sie derb in die Seite. Die Unbekannte stört sich allerdings nicht im mindesten an G.s Unhöflichkeit, schaut mich nur verwundert an.

„Aber die sind doch verlobt…“

Dies als Einwand gelten zu lassen, sehe ich nicht ein.

„Er durfte natürlich nichts davon wissen“, sage ich in geduldigem Ton.

Sie wird dennoch skeptisch, runzelt die Stirn, fragt nach etwa zweieinhalb Sekunden:

„Du spinnst ja – oder stimmt das?“

Ich scheine vertrauenswürdig, zumindest ein wenig. G. wendet sich einer Lektüre zu, die sie aus dem Ständer an der Wand genommen hat, irgendeine Zeitschrift über Frisuren. An dem leisen Zucken ihrer Hände kann ich erkennen, dass ihre Aufmerksamkeit dennoch der Unterhaltung gilt, die sich alsbald weiter entspinnt.

„Wie heisst du eigentlich?“, fragt die Blonde, die sich eine Zigarette angezündet hat und mittlerweile geneigt scheint, mich nicht in Bausch und Bogen zu verdammen.

„Horst.“

„Mein Vater heisst auch Horst“, entgegnet sie, und ich habe kurz die Befürchtung, dass sie nun das Spiel nach ihren Regeln spielen möchte.

Woher soll ich wissen, ob ihr Vater wirklich Horst heisst?

„Mein Vater wohnt über mir“, fährt sie fort, „weil meine Wohnung verstrahlt ist.“

„ärgerlich“, vermute ich.

Sie will gerade etwas sagen, da fährt draussen eine Trambahn vorbei und ihre Worte gehen im Getöse unter. Von ihrem Satz bleiben nur die Worte „Büchergestell“ und „verheiratet“ heil, wobei selbst das nicht als gesichert gelten darf. Ich weiss nicht, was sie mir sagen will, ich weiss nicht einmal, ob sie überhaupt mir etwas sagen will. Sie schaut mich mit einem Blick an, der von ganz weit fort durch einen Nebel zu mir kommt und behauptet:

„Du tickst wohl nicht mehr ganz richtig.“

Spricht es und geht aus der Tür durch die nächste in die Bar nebenan, wo sie vielleicht dasselbe wissen will, ob nämlich vielleicht David Copperfield dortselbst schon einmal gewesen sei. Ich lasse mir einen Mokka geben und denke an Claudia und den Abend mit ihr. Wie sie die ganze Zeit jammerte.

„Wenn uns mein Verlobter sieht… Er wird mich windelweich prügeln… Oh, es geht nicht, dass wir hier so beisammen sitzen… Jeden Moment könnte er durch die Wand kommen… Lass uns lieber gehen…“, in einer Tour.

Es war ganz furchtbar, wie ihr euch vorstellen könnt. Ich versuchte, sie zu beruhigen, ob sich nicht übertreibe, ob sie wirklich meine, er könne durch die Wand gehen, Geschwindigkeit sei schliesslich keine Hexerei – obwohl ich nur zu gut wusste, wozu dieser eifersüchtige Schnösel in der Lage war. Windelweich prügeln, das konnte schon sein. Sie jedenfalls beharrte auf ihrer Sicht der Dinge, auch wenn sie die Lage offenbar so prickelnd fand, dass sie sich nicht vom Fleck rührte.

Als eine Stimme polterte: „Du Schlampe“, versteckte sie sich unter dem Tisch. Allerdings war es nur Lagerfeld, der sich hier einen seiner derberen Spässe erlaubte. Er nickte einigen Gästen grüssend zu, mir jedoch nicht, weil er aus purer Eitelkeit, wie ich annahm, seine Brille nicht trug.

„Gehen wir noch auf einen Drink zu dir?“, fragte ich Claudia, weil mir die Sache auf die Nerven ging, aber sie schüttelte entschlossen den Kopf.

„Das geht auf keinen Fall, mein Vater wohnt über mir, er könnte uns hören.“

„Ich vermute, dass seine Wohnung verstrahlt ist“, sagte ich gelangweilt, worauf sich Verblüffung in ihrem Gesicht breitmachte, wie Olivenöl in einer Pfanne über dem Feuer.

„Aber… woher… das kann doch gar nicht… niemand weiss…“

In diesem Moment kommt G. durch die Tür und fragt, ob wir langsam weiterziehen wollten.

„Klar“, sage ich, stehe auf und lege mich lang hin, über einen Tisch, auf dem gerade ein Betrunkener die Schlacht von Verdun auf einer Papierserviette schematisch darzustellen versucht, was ihm sehr zu seinem Unmut nun misslingt, weil Claudia, als sie sich unter dem Tisch versteckt hat, ohne mein Wissen die Schnürbänder meiner Turnschuhe an ein Tischbein geknotet hat.

Claudia biegt sich vor Lachen, bis sie eine gelangt kriegt.

„Hallo David!“, begrüsse ich den eifersüchtigen Schnösel trotz meiner unglücklichen Lage mit der sich in dieser Situation geziemenden Höflichkeit. „Was machst du denn hier?“

„Hallo Horst“, begrüsst mich der eifersüchtige Schnösel ebenfalls höflich – immerhin, Manieren hat er, auch wenn ein höhnischer Zug um seine Lippen zu spielen scheint, aber das kann auch daran liegen, dass ich immer noch auf dem Schlachtfeld von Verdun liege.

„Ich schaue ein wenig nach dem Rechten.Weisst du, Claudia ist manchmal ein bisschen…“, und zieht die Schultern hoch und macht einen Gesichtsausdruck, als sei ihm schon wieder der Trick mit der Praktikantin und einer Zigarre danebengegangen, der, wo er sich danach wieder eine neue suchen muss, weil die alte den Trick nicht verstanden hat.

„Verstehe, verstehe. Aber sag mal, bevor du gehst, könntest du…“ – ich zeige erklärend auf meine Schnürbänder.

Zu spät indes, er ist schon wieder fort. Durch die Wand – der alte Teufelskerl -, wobei sich Claudia, unsanft am Handgelenk hinter dem Meister her gezogen, noch die Nase lädiert, weil sie den Trick nicht verstanden hat. Ich löste meine Schnürbänder und ging mit G. zurück auf die Strasse, wo gerade ein Minister mit dem Fahrrad Pirouetten auf dem Hinterrad vollführt, während sich die aufgehende Sonne im Dekolleté einer Diva verhedderte, aber das glaubt mir ohnehin wieder niemand, und ausserdem ist es eine ganz andere Geschichte.

(stone)

 

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